herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Ursula von der Leyen verschärft die Klimaziele der EU - gegen den Willen ihres Industriekommissars und gegen den heimischen Wirtschaftsflügel.
In Bonn verliert ein einstiger Hoffnungsträger der CDU, in der SPD überrascht ein Ex-Wahlkampfchef in Ostwestfalen.
Wenn Vater und Mutter sich Job, Kinderbetreuung und Elternzeit teilen, sollen sie künftig schneller und länger Elterngeld beziehen können.
EU-Plan: 55 Prozent weniger CO2 bis 2030
Die EU-Kommission meint es ernst mit dem ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. In dem bisher unveröffentlichten Klimaplan der Kommission (The 2030 Climate Target Plan), der voraussichtlich am Donnerstag in Brüssel vorgestellt werden soll und uns vorliegt, verspricht die Kommission eine im Vergleich zu 1990 55-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030. Bis 2050 soll Europa emissionsfrei sein.
Der Klimaschutzplan der EU-Kommission. © ThePioneerIn ihrer ersten Ansprache als Kommissionspräsidentin hatte von der Leyen im Dezember 2019 noch von einer Reduktion um 50 Prozent gesprochen. Wirtschaftsverbände und Industrie hatten bereits das als kaum realisierbar bezeichnet, Umweltverbände dagegen bis zu 65 Prozent Reduktion gefordert.
Doch von der Leyen will ehrgeizig sein. Das Papier sei Grundlage ihrer Rede am morgigen Mittwoch, heißt es in der Kommission. Der Kampf gegen den Klimawandel werde ihr zentrales Motiv. Ein Jahr nach Amtsantritt wird die Ansprache der früheren CDU-Ministerin mit Spannung erwartet. Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte die traditionelle September-Rede als “State of the European Union” bezeichnet.
Ursula von der Leyen und Jean-Claude Juncker 2019. © dpaIn dem Klimaschutzplan, den die Kommission nun hat ausarbeiten lassen, wird die beispiellose wirtschaftliche Reaktion Europas auf die Corona-Pandemie als “eine einzigartige Gelegenheit" bezeichnet, wie der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft beschleunigt werden könnte.
“Wir müssen dringend und nachhaltig handeln, um die Gesundheit, den Wohlstand und das Wohlergehen der Menschen in Europa und auf der ganzen Welt zu erhalten”, schreiben die Autoren gleich zu Beginn. Die letzten fünf Jahre seien die “wärmsten Jahre” seit Aufzeichnung der Wetterdaten gewesen.
Die Auswirkungen der Erderwärmung sind unbestritten.
Die EU könne und müsse sich das 55-Prozent-Ziel setzen. Dies sei anspruchsvoll, aber erreichbar, unter anderem durch den Kohleausstieg. “Besondere Herausforderungen” bestünden noch in der Logistik und im Transport sowie der Agrarwirtschaft. Wirtschaft und Industrie in Europa würden durch die Klimaziele "zu globalen Vorreitern".
In der Kommission ist die neue Klimaschutzvorgabe indes nicht unumstritten. Industriekommissar Thierry Breton soll intern massiv gegen das 55-Prozent-Ziel opponiert haben, aber von von der Leyen und dem sozialdemokratischen Vizepräsidenten Frans Timmermanns überstimmt worden sein.
Auch in der Unionsfraktion in Berlin sieht man die ehrgeizigen Ziele mit Sorge. "Wir sprechen sehr viel über Ziele, aber zu wenig über den Weg dorthin", sagte der CDU-Mittelstandspolitiker Carsten Linnemann. "Wir sind in Deutschland bereits sehr ambitioniert, aber die europäischen Ziele lassen sich nur erreichen, wenn es konsequent einen Preis für CO2 gibt, also einen sektor- und länderübergreifenden Emissionshandel." Dies sei heute aber nicht der Fall.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU), so heißt es an der Spitze der Partei, unterstützen von der Leyens Pläne.
1. Widerstand gegen weibliche Dienstgrade in der Bundeswehr
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schlägt vor der entscheidenden internen Sitzung zum Thema weibliche Dienstgrade am heutigen Dienstag erheblicher Widerstand entgegen. Auf der Vorlage für die Sitzung äußerte sich unter anderem Generalinspekteur Eberhard Zorn skeptisch zu der Maßnahme, die unter anderem vorsieht, einen weiblichen Feldwebel künftig als Feldwebelin zu bezeichnen. Staatssekretär Gerd Hoofe dagegen verteidigte das Vorhaben als notwendige Anpassung an Realitäten.
Auch aus der Mitte der Bundeswehr hören wir Skepsis: Der Prozess sei mit zu wenig Beteiligung der betroffenen Soldaten und Soldatinnen angestoßen worden. Selbst von weiblichen Teilen der Truppe gibt es Kritik. Es wird deshalb von zentraler Stelle für möglich gehalten, dass Kramp-Karrenbauer die Reform so nicht akzeptiert, sondern vertagt oder überarbeitet.
Erfährt Widerstand gegen die Idee weiblicher Dienstgrade: Vereidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) © dpa2. Elterngeld-Reform - das will Giffey ändern
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will die Vorgaben für den Bezug des staatlichen Elterngeldes flexibler machen. „Ziel des Gesetzentwurfs ist, Eltern mehr Freiräume zu verschaffen, um den Anforderungen des Alltags mit kleinen Kindern und einer Berufstätigkeit besser begegnen zu können“, heißt es in einer Vorlage der Familienministerin für die Kabinettssitzung am Mittwoch, die uns vorliegt.
Könnte noch im November zur Berliner SPD-Chefin gewählt werden: Familienministerin Franziska Giffey (SP © dpaSo soll die zulässige Höchstarbeitszeit für Väter und Mütter, die Elterngeld-Bezug, Betreuung und Job kombinieren, von derzeit 30 auf 32 Wochenstunden erhöht werden. Außerdem sind Änderungen beim so genannten Partnerschaftsbonus geplant.
Partnerschaftsbonus flexibler
Den gibt es bislang, wenn Eltern sich die Betreuung teilen und gleichzeitig in Teilzeit arbeiten - für die Dauer von vier Monaten können sie dann das so genannte ElterngeldPlus beziehen. Dieses beläuft sich auf die Hälfte des Elterngeld-Betrages, auf den sie ohne Arbeitskommen Anspruch hätten. Es wird dafür aber doppelt so lang gezahlt. Künftig soll der Partnerschaftsbonus „auch für nur zwei oder drei Monate“ beantragt werden können, was zurzeit nicht möglich ist.
Darüber hinaus will Giffey Eltern von besonders früh geborenen Kinder stärker unterstützen. Eltern, deren Baby bis zu sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstag geboren worden ist, sollen künftig Anspruch auf einen zusätzlichen Monat Elterngeld-Bezug haben - oder zwei Monate länger ElterngeldPlus.
3. BKA erhält deutlich mehr Hinweise auf Kinderpornos
Das Bundeskriminalamt hat im vergangenen Jahr rund 1600 mehr Hinweise auf Kinderpornos im Netz erhalten als im Vorjahr. Das geht aus einem Bericht von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hervor, der an diesem Mittwoch vom Kabinett beraten werden soll und uns vorliegt.
„Im Berichtszeitraum hat das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 7. 639 Hinweise zu kinderpornografischen Inhalten bearbeitet“, heißt es. 2018 waren 5.951 Hinweise gewesen. Den Angaben zufolge sind im vergangenen Jahr 7.633 Hinweise an die jeweiligen Provider weitergeleitet worden - mit Bitte um Löschung der Inhalte.
Löschen auf Servern im Ausland dauert deutlich länger
In 76 Prozent dieser Fälle ging es um Inhalte aus Servern im Ausland, in 24 Prozent waren die Kinderpornos bei Providern im Inland.
„Von den inländischen Inhalten waren 80 Prozent spätestens zwei Tage nach Eingang des Hinweises beim BKA gelöscht. Nach einer Woche konnte eine Löschquote von 100 Prozent verzeichnet werden“, bilanziert die Regierung. „Die durchschnittliche Bearbeitungszeit vom Eingang des Hinweises beim BKA bis zur Löschung durch den Provider lag im Jahr 2019 bei 1,42 Tagen.“ Das Reaktionsverhalten der inländischen Provider hat sich dem Bericht zufolge deutlich verbessert.
Dagegen wird für die Löschung der im Ausland gehosteten Inhalte deutlich mehr Zeit benötigt. „Die Löschquote nach einer Woche sank von 55 Prozent im Jahr 2018 auf 42 Prozent im Jahr 2019. Die Löschquote nach vier Wochen reduzierte sich von 91 Prozent auf 81 Prozent“, heißt es in dem Regierungsbericht.
So sieht Genehmigung der Regierung für die Aussage von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss aus. © ThePioneerAm 1. Oktober wird Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dem Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Die Bundesregierung soll an diesem Mittwoch die erforderliche Aussagegenehmigung für den Minister erteilen, wie aus einer Vorlage für das Bundeskabinett hervorgeht.
Allerdings kann sich Scheuer auf eine Ausnahme berufen. „Von der Aussagegenehmigung ausgenommen”, heißt es in dem Dokument, „sind Angaben über bereits abgeschlossene Vorgänge, die den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzuordnen sind, wenn nach den konkreten Umständen die Gefahr der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt.” Das lässt Spielräume offen.
Valdis Dombrovskis soll neuer EU-Kommissar für Handelsfragen, die Irin Mairead McGuinness, bisher Vizepräsidentin des Europaparlaments, soll in der Kommission künftig für die Finanzmarktpolitik zuständig sein. So hat es Ursula von der Leyen mit den Nationalstaaten besprochen, nachdem der irische Kommissar Phil Hogan wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Regeln in seinem Heimatland zurückgetreten war.
Doch die Kommissare müssen vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Nun liegt der Zeitplan dafür vor. Am 28. September finden in den Ausschüssen des Parlaments die Anhörungen statt, am 5. Oktober soll das Plenum abschließend bestätigen. Dann wäre die Kommission wieder komplett.
Auf und Ab mit Lemmen und Sridharan © ThePioneerAuf- Er war der Spiritus Rector der letztlich erfolgreichen Bewerbung von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als Parteivorsitzende. Der stellvertretende NRW-SPD-Chef, Veith Lemmen, war 2019 der Wahlkampfchef des Duos und arbeitete rund um die Uhr für Walter-Borjans und Esken während des parteiinternen Wahlkampfs. Der Überraschungssieg der beiden war auch sein Erfolg. Lemmen, als Student freier Mitarbeiter bei der Rheinischen Post in Mönchengladbach, hatte sich über die Hochschulpolitik bis an die Spitze der NRW-Jusos nach oben gearbeitet. Als erklärter Gegner der großen Koalition stützte er das regierungskritische Team. Kampfgeist bewies der 36-Jährige auch privat, zwischen 2018 von 2019 hungerte er sich von 170 Kilo auf 85 Kilo herunter. Jetzt hat er gute Chancen Bürgermeister in der westfälischen Stadt Werther zu werden. Mit 35,7 Prozent gewann der Neuling überraschend klar die erste Runde und geht nun als Favorit gegen den Zweitplatzierten Johannes Decius (UWG) in die Stichwahl. Ein Aufsteiger!
Ab - Er galt als der neue Star der kommunalen CDU und war 2015 der erste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt mit Migrationshintergrund. Doch Ashok-Alexander Sridharan, Jurist aus Bonn mit indischen Wurzeln, hatte die Bundesstadt nach 20 Jahren SPD-Herrschaft für die CDU erobert. Doch dann folgten Chaostage in der Stadtverwaltung, Fehlplanungen und Auftritte mit Wissenslücken. Nun muss Sridharan in die Stichwahl gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katja Dörner. Im Rat haben die Grünen die CDU bereits überholt. Die SPD-Anhänger dürften bei der OB-Wahl in zwei Wochen eher den Grünen zuneigen. Sridharan droht ein neues Etikett: Hoffnungsträger a.D.
Die Rebellen sind in der Historie meist große Helden. Luis Trenker. James Dean. Joschka Fischer. In der der Geschichte der Bundesrepublik war der Rebell meistens ein "sympathischer Garant der Aufklärung", wie die Süddeutsche Zeitung in einem bemerkenswerten Essay schreibt, Inzwischen sei das Pathos des Regelverletzers und Widerständigen eher befremdlich, analysiert Hilmar Klute. Hier können Sie den Text lesen!
In der Zeit des schwarz-gelben Kabinetts 2009 bis 2013 gehörte Entwicklungsminister Dirk Niebel nie zu den Freunden von Christian Lindner. Der rauflustige Reservesoldat Niebel und der smarte Werbeprofi Lindner passten nicht so recht zusammen. Nun hat sich Niebel in der Augsburger Allgemeine über die Lage der FDP und indirekt über den Vorsitzenden ausgelassen. Auf die Frage, warum es nicht so gut laufe, entgegnet Niebel: "An Corona liegt es nicht." Er verweist auf das Mannschaftsspiel in der Parteizentrale zu seiner Zeit, als man bei 14 Landtagswahlen und zwei Bundestagswahlen zugelegt habe. Ob das heute denn anders sei mit dem Teamgeist, fragt der Interviewer Rudi Wais: "Ich kann nur sagen, dass das Mannschaftsspiel zu meiner Zeit gut funktioniert hat." Diese feine Spitze kam auch im Genscher-Haus an. Lindner soll per SMS reagiert haben. Hier geht's zum Interview.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Johannes Kahrs, Ex-Bundestagsabgeordneter, SPD, 57
Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete, 56
Dietrich Monstadt, CDU-Bundestagsabgeordnete, 63
Kai Wegner, Vorsitzender der CDU in Berlin und Bundestagsabgeordneter, 48
Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU-Bundestagsabgeordnete Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, 58
Er besetzte eine Schlüsselposition für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nach der Bildung der großen Koalition in Berlin. Oliver Wittke, der Ruhrgebiets-CDU-Chef, war als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium für die Kommission zum Kohleausstieg verantwortlich und Laschets Ohr im Ministerium. Ende 2019 hörte er auf und kündigte seinen Abschied aus der Politik an. Wittke wechselt als Hauptgeschäftsführer zum Zentralen Immobilienausschuss. Nach der Karenzregel für Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft will Wittke sein Mandat Anfang 2021 aufgeben, wie wir erfuhren.
Als mögliche Nachrücker werden in der Landespartei der Dortmunder Steffen Kanitz und der Kreisvorsitzende der CDU in Herford, Tim Ostermann, genannt. Ob sie das Mandat für wenige Monate bis zur Bundestagswahl annehmen, ist offen.
© The PioneerDas Zitat stammt aus der jüngsten Kolumne "Situation Room" von "ThePioneer"-Expert Hans-Peter Bartels. Den gesamten Text gibt es hier.
Ihre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
Starten Sie gut in den Tag!
Herzlichst, Ihre