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Unsere Themen heute:
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bleibt ihrem Kurs treu: zu wenig, zu zögerlich. Und jetzt auch zu spät. Es geht dabei – nicht nur – um einen Truppenbesuch.
Die FDP setzt sich im Entwurf für den Leitantrag für den Bundesparteitag für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und ein Comeback der Kernkraft ein. Außerdem schickt Parteichef Christian Lindner drei neue Frauen in den Vorstand.
Schlechte Nachrichten für Verbraucher: Eine Umfrage unter Mittelständlern hat ergeben, dass 80 Prozent der Befragten die Preissteigerungen an Kunden weitergeben wollen.
Nach dem Rücktritt von Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow fordert die erste Linkspartei-Politikerin auch den Rücktritt von Janine Wissler.
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, kritisiert Kanzler Olaf Scholz für dessen zögerliche Ukraine-Politik.
Die langsame Ministerin
Der Plan war gemacht, in etwa einer Woche sollte es losgehen. Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, wollte in einem Transportflugzeug A 400M in die Slowakei reisen und sich dort ein Bild über Patriot-Luftabwehrraketen machen, die dort stationiert sind.
Luftabwehr – das ist die Schwachstelle der Bundeswehr. Jahrelang wurde in diesem Bereich gespart. Nun wollte Gerhartz ein Zeichen setzen und zeigen, dass es vorangeht.
Auch die Presse sollte bei dem Termin dabei sein. Am Donnerstagmorgen musste allerdings die Pressestelle der Luftwaffe die vorab informierten Journalisten anrufen, und ihnen mitteilen, dass es nun doch nichts mit dem Besuch der deutschen Luftabwehr wird.
Abwehrsystem Patriot © dpaDen Grund erfuhren wir später aus dem Verteidigungsministerium – und er ist durchaus pikant: Im Bendlerblock besteht man darauf, dass zunächst Ministerin Christine Lambrecht die Slowakei mit Pressebegleitung besucht – nicht der oberste zuständige Militär. Deren Besuch ist für Anfang Mai geplant, und vorher soll der Inspekteur der Ministerin nicht die Show stehlen. Zweimal, so die Befürchtung im Ministerium, würde die Presse sich wohl kaum die Abwehrgeschosse anschauen.
Allerdings war die Luftwaffe nach unseren Informationen in der Planung durchaus darauf bedacht, Lambrecht die Bühne zu bieten. Denn Lambrecht sollte bereits Mitte April den Besuch in der Slowakei antreten – dieser wurde dann nur kurzfristig abgesagt.
Es ist ärgerlich für den Generalleutnant, der sich seit Monaten wie kaum ein anderer darum bemüht, dass Deutschland bei der Landes- und Bündnisverteidigung besser dasteht. Er fährt nun später als ursprünglich geplant – und dennoch ohne begleitende Journalisten.
Vor wenigen Wochen hatte der 56-Jährige Gerhartz maßgeblich mit daran gearbeitet, dass die Bundeswehr die israelischen Arrow 3 Luftabwehr-Systeme erhalten kann, um endlich auch gegen die russischen Iskander-Raketen geschützt zu sein. Gerhartz wurde in der Jerusalem Post zitiert – auch das war manchem zu nassforsch.
Christine Lambrecht © imagoDoch womöglich ist gar nicht schnelles, forsches Handeln das Problem, sondern das zu langsame Agieren der Ministerin, heißt es hinter vorgehaltener Hand aus dem Kreise ihres eigenen Hauses.
Dort muss Lambrecht ohnehin gegen Widerstände kämpfen. Zwischen den eigenen Vertrauten und dem Rest des Ministeriums besteht ein tiefer Graben. Mitte April verabschiedete sich Lambrecht dann erst einmal aus Berlin. Sie fuhr nicht in die Slowakei – sondern in den Urlaub nach Sylt.
FDP hält Rückkehr zur Kernkraft für möglich
Die FDP betont in ihrem Entwurf für den Leitantrag des Bundesvorstands zum Bundesparteitag ihre Unterstützung für die Ukraine und hält auch die Lieferung von schweren Waffen für angemessen.
"Wir Freie Demokraten unterstützen die Ukraine bei der Ausübung ihres legitimen Rechts auf militärische Selbstverteidigung gegen den russischen Angriffskrieg. Putins Aggression darf keinesfalls den Sieg davontragen! Dabei kommt es auf jede Stunde an", heißt es in dem Entwurf, der uns vorliegt.
Deutschland müsse international abgestimmt agieren und dürfe nicht Kriegspartei werden, aber zu einer schnellen und wirksamen Unterstützung gehörte "auch die Lieferung schwerer Waffen und die schnelle Bereitstellung von Rüstungsgütern durch die deutsche Industrie".
Kernkraftwerk Tihange in Belgien direkt an der Grenze zu Deutschland. © imagoAls Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg müsse Deutschland "schnellstmöglich" die Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen erreichen.
Deshalb sprechen sich die Liberalen in dem Entwurf auch für eine zumindest vorübergehende Nutzung der Kernenergie aus.
"Um unsere Energieversorgung akut und für die Zukunft zu sichern, fordern wir eine ideologiefreie und technologieoffene Debatte auch über die verstärkte Nutzung heimischer und europäischer Gas- und Ölvorkommen, über neue Entwicklungen in der Kernenergie und über vorübergehend längere Laufzeiten für die bestehenden Kohle- und Kernkraftwerke."
Linken-Politikerin legt auch Wissler Rücktritt nahe
Die Linken-Politikerin Katja Maurer aus Thüringen hat nach dem Rückzug von Susanne Hennig-Wellsow von der Parteispitze auch der Co-Vorsitzenden Janine Wissler zu dem Schritt geraten. "Für mich persönlich sind Susanne Hennig-Wellsow und Wissler angetreten als Team", sagte uns Maurer in der aktuellen Folge des Hauptstadt Podcast.
Beide hätten unterschiedliche Rollen gehabt. Hennig-Wellsow sei "die Pragmatikerin" gewesen, die aus einer Regierungskonstellation komme. Wissler "sozusagen die Linksradikale", die irgendwie ein anderes Spektrum vertreten sollte.
"Und ich glaube, dass Janine Wissler sich natürlich die Frage stellen muss, ob sie jetzt ihre Rolle ohne Susanne Henning-Wellsow noch erfüllen kann." Ein Rücktritt sei "wahrscheinlich eine Konsequenz, die sie gehen könnte", sagte uns Maurer.
Weitere Themen der aktuellen Ausgabe:
Wir diskutieren die Frage, ob Deutschland schwere Waffen in die Ukraine liefern soll – und die Rolle von Kanzler Olaf Scholz in der Krise.
Im Deep Dive geht es um die Krise der FDP und die strategische Lage der kleinen Parteien vor den anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen.
Dazu im Interview der Woche: FDP-Landesintegrationsminister Joachim Stamp aus Nordrhein-Westfahlen.
In unserer Rubrik "Ein Satz zu..." freuen wir uns über den Auslandschef des ZDF und Macher des Arthur-F.-Burns-Fellowships, Frank Freiling.
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe.
Mittelstand will Preissteigerungen an Kunden weitergeben
Die deutschen Verbraucher müssen sich in den kommenden Monaten auf weiter steigende Preise einstellen, vor allem bei Lebensmitteln.
In einer aktuellen Umfrage der DZ Bank gaben 80 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen an, in den nächsten Monaten die erhöhten Kosten an die Verbraucher weitergeben zu müssen, wie unsere Kollegin Patricia von Matuschka recherchiert hat.
Inflation, Fachkräftemangel, Pandemie und weiter steigende Energiepreise seien die starken Treiber der Preiserhöhung, heißt es.
Besonders hart betroffen seien die Unternehmen, die aufgrund des Preisanstiegs bei Öl und Gas vor längerfristigen Kontrakten zurückgeschreckt sind.
Dies kommt jetzt Produzenten und Verbraucher teuer zu stehen.
Insbesondere im produzierenden Gewerbe schlägt sich die verknappte und dadurch verteuerte Energieversorgung auf die Verkaufspreise nieder. Hinzu kommt die angespannte Situation auf den Rohstoffmärkten und höheren Kosten für Verpackung und Logistik.
© dpaMit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich besonders die Lage auf dem Agrarmarkt verschärft. Bereits durch die Corona-Krise betroffene Lieferketten werden nun zusätzlich belastet.
Der Preisindex für Getreideprodukte verzeichnete im Februar einen Zuwachs von 35 Punkten im Vergleich zum Vorjahr. Er liegt damit auch deutlich über dem Verbraucherpreisindex.
Dieser berücksichtigt nicht nur die Preise für Getreideerzeugnisse, sondern darüber hinaus die Preisentwicklung aller typischen Konsumgüter. Seit März 2021 kam es bei den Konsumgütern bisher insgesamt zu einer Preiserhöhung von 8 Prozent.
In der Sonderumfrage der DZ Bank gaben 86 Prozent der befragten Unternehmen aus der Elektroindustrie an, ebenfalls die Preise erhöhen zu müssen. Grund sind Lieferengpässe und höhere Kosten für Rohstoffe und Materialien wie Computerchips.
Unionsfraktionsvize Wadephul: "Wir geben Scholz die Chance zur Umkehr"
Die Union erhöht in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine den Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) – und bietet sich ihm zugleich als Partner an.
„Es ist offensichtlich, dass der Kanzler sich mit Händen und Füßen gegen Waffenlieferungen wehrt“, sagte uns Fraktionsvize Johann Wadephul. „Das ist angesichts des brutalen Vernichtungskrieges Putins ein moralischer Offenbarungseid.“
Der CDU-Außenexperte betonte indes:
Johann Wadephul, CDU-Bundestagsabgeordneter. © imagoWir geben ihm die Chance zur Umkehr.
Zentrale außenpolitische Entscheidungen sollten von der demokratischen Mitte getragen werden – „deshalb halten wir die Option eines eigenen Antrages aufrecht“.
Bartels kritisiert Scholz: "Er liefert nicht"
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hat Kanzler Olaf Scholz in einem Beitrag für The Pioneer kritisiert. Scholz sei jetzt Bundeskanzler und habe nach Putins Überfall auf die Ukraine eine „Zeitenwende“ in der deutschen Sicherheitspolitik ausgerufen. "Doch jetzt liefert er nicht", schreibt Bartels in der aktuellen Kolumne Situation Room.
Hans-Peter Bartels auf der Pioneer One. © Anne HufnaglBartels vermutet bei den Gründen für die Zurückhaltung unter anderem, dass Scholz womöglich aus Telefonaten mit Putin wisse, was der genau erreichen wolle, und dabei auf einen baldigen Waffenstillstand hoffe, bei dem Deutschland dann vermitteln könne.
"All das bleibt aber Spekulation, solange wir den Plan nicht und nicht die Argumente kennen, die Olaf Scholz im Sinn hat", schreibt Bartels.
Und weiter:
Er sollte deshalb bald erklären, welchen Weg Deutschland geht, und warum.
Lesen Sie die Kolumne hier:
Drei neue Frauen für den FDP-Vorstand
Drei Frauen sollen an diesem Wochenende beim Bundesparteitag der FDP in den Bundesvorstand einziehen und dort Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, Fraktionschef Christian Dürr und Schatzmeister Michael Link ersetzen, die als Amtsinhaber automatisch einen Platz im Vorstand haben.
Nach unseren Informationen sollen wie berichtet Franziska Brandmann, die Vorsitzende der Jungen Liberalen, sowie die Menschenrechtsbeauftragte der FDP-Bundestagsfraktion, Renata Alt (Foto), und die niedersächsische Landtagsabgeordnete Susanne Schütz für den Vorstand kandidieren.
Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Menschrechtsausschusses. © imagoIm Bundesvorstand wären dann von 43 Mitgliedern 19 Frauen, eine Quote von 44 Prozent.
Eigentlich sollte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Mittwoch kommender Woche dem Europa-Ausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen; doch nach der Corona-Infektion des FDP-Chefs ist nun offen, ob Lindner sich dazuschaltet.
Geplant ist zudem ein Austausch mit Jill Gallard, britische Botschafterin in Deutschland. Außerdem soll nach bisheriger Planung das Innenministerium die Europa-Politiker des Bundestags über die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine informieren.
Auf - Bijan Djir-Sarai. An diesem Samstag wird der bisher nur kommissarisch im Amt agierende Generalsekretär der FDP endlich auch richtig gewählt. Als Christian Lindner den Neusser Außenpolitik-Experten nominierte, waren die Kommentare abwartend. Djir-Sarai, in Teheran geboren und bei seinem Onkel am Niederrhein aufgewachsen, gilt als besonnen, nüchtern und für einen Generalsekretär ungewöhnlich sanft. Doch in den vergangenen Monaten war es oft Djir-Sarai, der wichtige Akzente für die Liberalen setzte und eine eigene Position im Zweifel auch gegen den SPD-Kanzler formulierte. Jetzt darf er es auch als gewählter Generalsekretär tun. Aufsteiger!
Ab - Sahra Wagenknecht. Die Linke verlieren ihre Vorsitzende und die prominenteste Vertreterin der Partei in der Krise wird gar nicht erst gefragt, ob sie das Amt übernehmen will. Wagenknecht hat es sich mit ihrer Kritik an den "Lifestyle-Linken" und ihren pro-russischen Äußerungen kurz vor dem Krieg endgültig verscherzt mit ihrer Partei. Sie ist eine kluge wortgewaltige Intellektuelle, aber die erste Reihe in ihrer Partei will ihr keiner mehr geben. Traurig, aber wahr.
Im Gesellschafts-Podcast Der 8. Tag spricht unsere Chefreporterin Alev Doğan mit Jan von Aken, ehemaligem Biowaffen-Inspekteur der UN. Er warnt vor einer Art Kriegshysterie im Land und wünscht sich auch eine Debatte über weniger Waffen. "Meine Erfahrung ist, dass die große Mehrheit der Deutschen ganz tief in sich drin gegen den Krieg und Waffen ist." Dies komme aber im aktuellen Diskurs kaum vor. Kontroverses Gespräch, das Sie hier hören können.
Die Linken brauchen eine neue Führung und die Welt-Redakteurin Luisa Hofmeier analysiert den Fachkräftemangel in der Partei: "Fragt man Linke nach Genossen mit Karrierepotenzial, herrscht häufig Schweigen. Und wenn sie Namen nennen, folgen sogleich Zweifel: Ob der- oder diejenige überhaupt bereit sei, sich in dieser verkorksten Lage Verantwortung anzutun?", schreibt sie. Die Linke habe durch die ständigen Grabenkämpfe und Dramen "nicht nur bei Wählern, sondern auch bei ihren eigenen Mitgliedern in den vergangenen Jahren Attraktivität eingebüßt". Hier geht es zu dem Kommentar.
Heute gratulieren wir herzlich:
Linda Teuteberg, FDP-Bundestagsabgeordnete, 41
Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister, 52
Jessica Tatti, Linken-Bundestagsabgeordnete, 41
Peter Röthlisberger, Journalist, Historiker, ehem. Chefredaktor Blick, 45
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre