Die Maskenkrise der Union

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Die Unionsführung fordert alle Abgeordneten auf, die bei der Maskenbeschaffung eine Rolle gespielt haben, sich zu offenbaren - und Georg Nüßlein verlässt die CSU.

  • Die Integrations-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz sieht negative Konsequenzen für die Integration der Zuwanderer in der Pandemie.

  • Unsere Aufsteigerin ist Elke Büdenbender, die eine gemeinsame Diskussionsrunde mit ihrem Mann, dem Bundespräsidenten, prägt.

Die Maskenkrise der Union

Nüßlein, Löbel und die Angst vor weiteren Fällen: An diesem Dienstag will die Fraktionsführung der Union an alle Abgeordneten einen Brief schicken. Darin die klare Aufforderung: Jeder möge sich offenbaren, der in irgendeiner Form von Maskengeschäften profitiert hat.

Eine oder mehrere unabhängige Persönlichkeiten außerhalb der Fraktion sollen den Aufklärungsprozess begleiten. In der Union war gestern an mehreren Stellen zu hören, dass mehrere Abgeordnete Empfehlungen und Hinweise für Unternehmen, die bei der Beschaffung von Masken helfen können, an das Gesundheitsministerium weitergegeben haben. Entscheidend ist nun, ob weitere Parlamentarier persönlich davon profitierten.

Der CSU-Politiker Georg Nüßlein, gegen den wegen angeblicher Bestechlichkeit ermittelt wird, trat gestern aus der Partei aus. Und wie gestern an dieser Stelle bereits geschrieben, will der CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel nun doch mit sofortiger Wirkung sein Mandat niederlegen.

Zugleich lässt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Namen aller Abgeordneten sammeln, die seinem Haus im Frühjahr 2020 Maskengeschäfte angeboten haben. Die Bundestagsverwaltung bestätigte eine entsprechende Anfrage des Ministeriums für einen Verfahrensvorschlag.

Im Fall Löbel hatte sich am Sonntagabend nach unseren Informationen CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak direkt an den Abgeordneten gewandt, und ihn aufgefordert, sein Mandat sofort niederzulegen.

In der Sitzung des Kreisvorstands der CDU Mannheim hatte der 34-jährige Außenpolitiker noch darauf verwiesen, er wolle sich zunächst um seine Mitarbeiter kümmern und erst Ende August das Mandat abgeben. Das Adenauer-Haus bot ihm unseren Informationen zufolge daraufhin an, sich um die Zukunft der Mitarbeiter zu kümmern.

Bereits gestern wandten sich Unionsfraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) in einem Brief an die Abgeordneten. Darin heißt es:

Wer versucht hat, aus der Pandemie-bedingten Notsituation bei der Beschaffung von Schutzausrüstung einen finanziellen Vorteil zu ziehen, hat bei uns keinen Platz.

Außerdem schlagen die Vorsitzenden einen neuen Verhaltenskodex für alle Parlamentarier vor, der über die bisherigen Regelungen hinaus gehen soll.

Es müsse ein Anforderungs- und Sanktionsregime geben, das klar definiere, was man von einem Abgeordneten erwarte, heißt es. Für Abgeordnete mit herausgehobenen Positionen müssten vergleichbare Anforderungen wie bei Mitgliedern der Bundesregierung gelten. Für alle gelte:

Entgeltliche Beratungs- und Vermittlungstätigkeit, die in einem Zusammenhang mit dem Aufgabengebiet, das in der Fraktion betreut wird, steht, sind auszuschließen.

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Auch die CSU bekräftigte in einem eigenen Präsidiumsbeschluss ihren schon früher verabredeten Verhaltenskodex.

"Wer ein öffentliches Amt bekleidet, soll sich bei seinem Handeln allein am Nutzen für das Gemeinwohl orientieren. Die Stellung als Mandatsträger darf nicht für private Zwecke ausgenutzt werden."

Wer gegen diese Grundsätze handele, füge der CSU schweren Schaden zu und müsse mit weitreichenden Ordnungsmaßnahmen rechnen.

Für die Union geht es in aktuellen Umfragen trotzdem bergab. Im aktuellen Insa-Meinungstrend für Bild verlieren CDU und CSU binnen einer Woche ganze zweieinhalb Prozentpunkte und kommen nur noch auf 30 Prozent Zustimmung.

Das alles zu Beginn des Super-Wahljahrs 2020 und sechs Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Genau vor einem Jahr – es war auch der Beginn der Corona-Krise in Deutschland – begannen die Umfragewerte der Union kräftig zu steigen, legten in den Folgewochen von etwa 27 Prozent auf in der Spitze bis zu 38,5 Prozent zu.

1. SPD-Fraktion: Inzidenzwert alleine nicht entscheidend

In einem Brief an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion verteidigen die Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar und der rechts- und verbraucherpolitische Sprecher der Fraktion, Johannes Fechner, die Verlängerung des Gesetzes zur Fortgeltung der epidemischen Lage nationaler Tragweite bis Ende Juni 2021.

Der neue Mechanismus führe zu einem "automatischen Auslaufen" des Gesetzes und er zwinge das Parlament, sich mindestens "alle drei Monate" mit der Entwicklung der Pandemie auseinanderzusetzen, schreiben die Abgeordneten.

Immer wieder hatte es Kritik an der mangelnden Legitimation der Einschränkungen in der Pandemie durch die Parlamente gegeben. Das Parlament hatte dem Gesundheitsminister im März 2020 mit dem Infektionsschutzgesetz umfassende Befugnisse gegeben, die "immer wieder zu Kritik" geführt hatten, wie die Abgeordneten einräumen. Es gebe nun aber weitreichende Änderungen, betonen die Politiker.

"Entscheidend ist nicht mehr allein der Inzidenzwert", heißt es in dem Schreiben. Man habe "gegen massiven Widerstand der Union" eine erweiterte Erforderlichkeitsprüfung durchgesetzt. Bei der Frage, wie lange Schutzmaßnahmen aufrecht erhalten werden können, müssen in Zukunft neben den Inzidenzwerten auch weitere Faktoren, wie die Impfquote, der R-Wert, die Auslastung des Gesundheitssystems oder Gefahren durch neue Virusvarianten berücksichtigt werden", heißt es.

2. Widmann-Mauz: Corona-Krise trifft Migranten hart

Die Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz warnt vor Rückschritten bei der Integration Eingewanderter im Zuge der Corona-Pandemie.

Widmann-Mauz zufolge treffen deren Folgen viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte besonders hart. "Integrationskurse fielen aus, Arbeitsplätze sind bedroht und Homeschooling ist für viele eine Herausforderung, gerade bei geringen Deutschkenntnissen", sagte uns die CDU-Politikerin.

Annette Widmann-Mauz (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. © imago

Beim Deutschlernen, der Wertevermittlung, der frühkindlichen Bildung und beim Zugang zum Arbeitsmarkt sei in den vergangenen Jahren einiges erreicht worden. Jetzt aber müsse man "alles daransetzen, damit die Erfolge durch die Corona-Pandemie nicht zurückgeworfen werden", sagte sie.

Auch darum soll es beim heutigen Integrationsgipfel gehen, an dem neben Widmann-Mauz Kanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) teilnehmen. Im Fokus steht der Abschluss der Arbeit am Nationalen Aktionsplan Integration - ein Maßnahmenkatalog, der von Deutschkursen im Herkunftsland bis zur politischen Mitbestimmung hierzulande reicht.

3. Chinesischer Volkskongress: Deutsche Wirtschaft unter Druck

China-Experte Eberhard Sandschneider warnt zum Anlass des laufenden Nationalen Volkskongresses die deutsche Wirtschaft vor sich erschwerenden Zugängen zum chinesischen Markt. Ein Grund: Die Regierung in Peking will zukünftig verstärkt den Binnenmarkt ankurbeln.

Er sagt:

Die Volksrepublik reagiert mit dieser Strategie ganz offensichtlich auf den wachsenden Druck durch die Sanktionspolitik der Vereinigten Staaten, die sich auch unter Joe Biden nicht wesentlich geändert hat.

Peking wird damit auch unempfindlicher für Verurteilungen der chinesischen Menschenrechtspolitik aus dem Westen. Eine wertegeleitete Außenpolitik gegenüber China sei „zum Scheitern verurteilt“. Sanktionen schadeten China kaum und beschädigen westliche Glaubwürdigkeit. Sollte Chinas Plan nun aufgehen, dürfte sich mittelfristig der westliche Sanktionshebel deutlich verringern.

Nationaler Volkskongress in Peking © dpa

Der Nationale Volkskongress tagt jährlich und gilt als das wichtigste politische Gremium der Volksrepublik China. Auch wenn entscheidende Beschlüsse in anderen Parteigremien der Kommunistischen Partei getroffen werden, hat der Kongress eine große symbolische Wirkung. An ihm nehmen etwa 3000 Abgeordnete teil, die dem Zukunftsplan der chinesischen Regierung zustimmen.

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Der Bund will mit einem Starterpaket die Verbreitung von Selbsttests in Deutschland bereits ab dem Mittwoch dieser Woche ermöglichen. Dies geht aus einem Brief der beiden zuständigen Minister Jens Spahn (CDU) und Andreas Scheuer (CSU) hervor, der uns vorliegt. Das Starterpaket soll bis zu 10,5 Millionen Selbsttests umfassen.

Die Bundesregierung hat hierzu einen Rahmenvertrag mit Roche Diagnostics Deutschland abgeschlossen, nachdem bis zu 1,5 Millionen Antigen-Selbsttests täglich ausgeliefert werden können. Die Verteilung soll nach dem Bevölkerungsanteil der Länder erfolgen, jedoch können von einzelnen Ländern nicht genutzte Kapazitäten neu verteilt werden. Die Kosten trägt jedes Land für die erhaltenen Antigen-Selbsttests selbst.

Deutschland und die Schweiz schließen ein Abkommen zur besseren gegenseitigen Anerkennung von beruflichen Abschlüssen. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss soll am 17. März gefasst werden, wie aus der internen Vorhabenplanung der Bundesregierung hervorgeht.

Mit dem Abkommen soll für eine breite Gruppe von beruflichen Abschlüssen ein vereinfachtes Verfahren zur Anerkennung der jeweiligen Berufsabschlüsse gelten. Dies gilt vor allem für Handwerksberufe. Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

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Auf - Es gab schon Redaktionsbesuche, zu denen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender eingeladen war, aber dann die First Lady die Redeanteile übernahm und auf die Fragen der Journalisten auch mal selbst antwortete. Traditionelle Rollenbilder sind eben nicht die Sache der früheren Richterin. Zum Internationalen Frauentag nahmen Steinmeier und Büdenbender an einer Diskussion teil, und was hängen blieb, war der Appell der First Lady an eine Gesellschaft, die nur formell den Frauen die gleichen Rechte einräumt wie den Männern. Frauen seien auch 2021 weder gleichgestellt noch gleich bezahlt, sagte Büdenbender. Männer und “ihre kulturellen Spielregeln” dominierten in Parlamenten, Parteien, Konzernen, Betrieben, Forschung, Unis, am Theater und Filmset, in der Chefredaktion oder im Verlag. “Dort, wo es um Einfluss geht, findet sich zu aller meist: ein Mann. Deshalb müssen Frauen weiter für die Gleichberechtigung kämpfen.” Und Männer natürlich auch. Unsere Aufsteigerin!

Ab - Sebastian Kurz galt vor gar nicht allzu langer Zeit als Vorzeige-Corona-Kämpfer. Im April 2020 legte er als erster europäischer Regierungschef eine Exit-Strategie für sein Land aus der Pandemie vor. Auch jetzt ist es der Österreicher, der schneller Außengastronomie und Geschäfte öffnen lässt als anderswo und auch die Skiresorts weitgehend über den Winter befahrbar hielt. Nun erlebt der Konservative die Kehrseite der Strategie. Weil die Zahlen in der Wiener Neustadt dramatisch steigen, muss erstmals ein urbaner Ballungsraum mit 50.000 Einwohnern abgeriegelt werden. Nur mit negativem Test dürfen die Bewohner den Ort verlassen, das Militär steht auf Abruf. Kurz könnte zu vorschnell agiert haben.

Der Druck in der Masken-Affäre ist groß. Wie gefährlich wird sie noch für die Unionsparteien? Legt Georg Nüßlein doch noch sein Mandat nieder? Klar ist: Wenn sich Linke und FDP zusammentun, um einen Untersuchungsausschuss zu fordern, dann ist die Lage ernst. Warum die derzeitigen Korruptionsverdachtsfälle nur die Spitze des Eisbergs sein könnten und weshalb sogar die Kanzlerin eine Rede an die Nation halten sollte, lesen Sie hier im Spiegel-Interview von Timo Lehmann mit dem FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.

Auch der Druck auf Vizekanzler Olaf Scholz ist hoch. Und seit er Sonntag im ZDF verkündet hat, in den kommenden Monaten werden 10 Millionen Menschen wöchentlich geimpft, ist der Druck noch ein bisschen höher als sonst. Denn ein Wortbruch hier dürfte ihm im Wahljahr schwer schaden. Tagesspiegel-Redakteur Christopher Stolz hat mal nachgerechnet, ob Scholz‘ Pläne umsetzbar sind. Spoiler: Ohne Optimismus geht’s nicht. Hier den Faktencheck lesen!

Nach den Rücktritten in der Unionsfraktion müssen intern zahlreiche Posten neu besetzt werden. Nikolas Löbels Platz im Auswärtigen Ausschuss dürfte der Freiburger Abgeordnete Matern von Marschall einnehmen. Ihn will die Landesgruppe Baden-Württemberg als Nachfolger benennen, er würde dafür seinen Sitz im Europaausschuss aufgeben.

Die Staatsministerin für Auswärtige Kulturpolitik, Michelle Müntefering, wird wieder SPD-Direktkandidatin für den Wahlkreis Bochum 2 / Herne. In einer Briefwahl erreichte Müntefering 89 Prozent Zustimmung.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur Die Zeit, 62

Matthias Heidmeier, Hauptgeschäfstführer Westdeutscher Handwerkskammertag, 45

Matthias Matussek, Publizist, Ex-Kulturchef des Spiegel, 67

© ThePioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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