Die nächste Bundeswehr-Reform

Teilen
Merken
© ThePioneer

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Der Ex-Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat mit Bundeswehr-Generalleutnant a.D. Rainer Glatz Reformvorschläge für die Bundeswehr erarbeitet. Wir kennen die Details vorab.

  • Künftig reicht ein Videoanruf beim Arzt für eine Krankschreibung. Das geht aus dem Entwurf für das Digitalisierungsgesetz hervor, der uns vorliegt.

  • Die SPD will mehr Macht für das Parlament in der Pandemie-Bekämpfung - und dafür auch die Kompetenzen von CDU-Minister Jens Spahn stutzen.

Die neue Truppe

Als der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels vor einigen Wochen im Maritim-Hotel gegenüber des Bendlerblocks feierlich von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verabschiedet wurde, gab sie ihm eine Botschaft auf den Weg: Ihr sei bewusst, dass Bartels an einer Studie zur Reform der Bundeswehr arbeite, sagte Kramp-Karrenbauer. Sie warte nun mit Spannung auf das Ergebnis.

Jetzt ist es da. Herausgekommen ist eine Bedienungsanleitung, wie Deutschland seine Streitkräfte auf schwierigere Zeiten einstellen sollte. Es ist eine To-do-Liste der besonderen Art - und Kramp-Karrenbauer müsste sie in der neuen Legislaturperiode im für sie besten Fall selbst umsetzen.

Mehrere Monate hat Bartels, der auch ThePioneer-Kolumnist ("Situation Room") ist, gemeinsam mit dem Bundeswehr-Generalleutnant Rainer L. Glatz für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) an der Studie gearbeitet. An diesem Freitag soll sie veröffentlicht werden.

Hans-Peter Bartels  © dpa

So sehen die Autoren den aktuellen Zustand der Truppe:

  • Neue Aufgaben: Erstmals in der Geschichte muss die Bundeswehr einen Teil der Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato leisten und zugleich in Auslandseinsätzen aktiv sein. Dies erzwingt Strukturreformen.

  • Fehlendes Gerät: Unter den Problemen bei der Beschaffung leidet die Einsatzbereitschaft. "Zu oft sitzen zu viele zu lange auf dem Trockenen. Das gilt zu Wasser, zu Land und in der Luft".

  • Unklare Strukturen: Das Prinzip der geteilten Verantwortung, bei dem es "wechselseitige Schuldzuweisungen" gebe, gehöre "nun ganz grundsätzlich auf den Prüfstand".

  • Mangelnde politische Debatten: Bartels und Glatz fordern eine "umfassende sicherheitspolitische Erklärung" einer Bundesregierung einmal pro Legislaturperiode gemeinsam mit einer Grundsatzdebatte über Strategien - nicht wie jetzt vergraben in routinierten Mandatsdebatten. "Das große Ganze wird kaum je thematisiert."

Beamte und Soldaten erhalten eine Sonderzahlung wegen Belastungen in der Coronakrise. © dpa

Reformvorschläge der Autoren:

  • Das Ministerium: Die Struktur des Verteidigungsministeriums muss grundsätzlich der Organisation der Truppe gerecht werden.

  • Die Steuerung der Leitungsebene: "Es wäre dringend zu empfehlen", ein "zentrales Organisationselement" wie den Planungsstab wieder einzuführen - den es seit 2012 nicht mehr gibt.

  • Bürokratischer Wasserkopf: Ein zweiter beamteter Staatssekretär zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr und der Ministerin/dem Minister bedürfe es nicht, da der Generalinspekteur per Definition zur Leitung des Ministeriums gehört.

  • Den obersten Soldaten stärken: Die Rolle des Generalinspekteurs könne weiter gestärkt werden, indem ihm ein Chef des Stabes zugeordnet wird, der bei der Leitung des militärischen Teils des Ministeriums unterstützt.

  • Nur noch ein Staatssekretär für den zivilen Teil: Der nicht-militärische Teil des Ministeriums würde durch einen Staatssekretär gesteuert werden.

  • Organisation vereinfachen: Wegen der (relativ) neuen Teilstreitkräfte Sanität, Streitkräftebasis und Cyber ist die Organisation der Bundeswehr unübersichtlich geworden. Strukturen müssten vereinfacht und Bürokratie abgeschafft werden.

  • Mehr Personal: Die Bundeswehrverbände sollen gestärkt und vergrößert werden.

  • Zentrale Anlaufstelle schaffen: Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr könnte für die Nato zentraler Ansprechpartner im Krisenfall werden.

  • Kräfte bündeln: Die Kommandos der Bundeswehr sollen befähigt werden, ihr Material so weit es geht selbst zu kontrollieren und für fehlende Ersatzteile zu sorgen.

Abkehr vom reinen Effizienz-Prinzip

Einer der grundlegendsten Reformvorschläge ist die Abkehr vom reinen Effizienz-Prinzip. "Den Kriterien einer hohen Einsatzbereitsschaft kann ein betriebswirtschaftlicher Ansatz nicht genügen". Sprich: mehr Vorräte, weniger "Just in time"-Versorgung der Truppe.

Viele Mängelanalysen seien bekannt, folgern die Autoren. "Es braucht keine neue Kommission, keine Organisationsberatung von außen, sondern einen gemeinsamen Plan von militärischer Führung und politischer Leitung, politischen Willen - und Entscheidungen."

1. Krankschreibung auch nach Videosprechstunde

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Digitalisierung im Gesundheitssystem und bei der Pflege weiter vorantreiben.  © ThePioneer

Ärzte sollen ihre Patienten künftig in allen Fällen nach Videosprechstunden krankschreiben können. Das geht aus einem Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums für ein weiteres Digitalisierungsgesetz hervor, das uns vorliegt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss werde beauftragt, „die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung zu ermöglichen“.

Bisher kann nach Videosprechstunden nur dann krankgeschrieben werden, wenn die Patienten schon einmal vorher in der Praxis gewesen und dort bekannt sind. Auch Hebammen sollen künftig Videosprechstunden anbieten können.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will außerdem, dass digitale Anwendungen auch von der Pflegeversicherung erfasst werden können - dabei geht es unter anderem um Apps, die Pflege-Daten verarbeiten. Erste Apps auf Rezept, die von den Krankenkassen übernommen werden, waren zuletzt zugelassen worden.

2. SPD will Spahns Macht in der Pandemie stutzen

Die SPD-Bundestagsfraktion will eine engere Beteiligung des Parlaments bei künftigen Beschlüssen in der Corona-Pandemie und die Kompetenzen von Gesundheitsminister Jens Spahn beim Infektionsschutzgesetz kappen.

“Damit in den kommenden Monaten die Bereitschaft, eigene Beschränkungen in Kauf zu nehmen, bei den Bürgerinnen und Bürgern bestehen bleibt, müssen die Schutzmaßnahmen nachvollziehbar, schlüssig und verhältnismäßig sein”, heißt es in einem Positionspapier der Fraktion, das uns vorliegt.

Zweifel an der Eignung einiger Regelungen wie dem Beherbergungsverbot hätten allerdings zu starkem Unmut in der Bevölkerung geführt. Auch hätten immer mehr Verwaltungsgerichte Corona-Maßnahmen gekippt, kritisieren die SPD-Abgeordneten.

Das sorgt nicht nur für Akzeptanzverlust, sondern birgt auch die Gefahr von Haftungsansprüchen.

Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion

Die SPD verlangt nun, dass der Bundestag stärker mit eigenen Rechtsverordnungen in der Pandemie-Bekämpfung agiert und die Länder so zu einheitlichen Maßnahmen zwingt. Außerdem sollten alle Corona-Maßnahmen "stets befristet" sein und auch Rechtsverordnungen "mit einer Begründung" versehen werden.

Die Generalklausel im Infektionsschutzgesetz, die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) weitgehende Befugnisse bei Grundrechtseingriffen gibt, soll “präzisiert werden”, heißt es. Wesentliche Grundrechtseingriffe müsste das Parlament selbst regeln.

Nach Angaben aus der SPD-Fraktion gibt es in der Rechtswissenschaft und bei den Gerichten immer mehr Zweifel daran, dass man die Corona-Schutzmaßnahmen auf das Infektionsschutzgesetz alleine stützen könne. Deshalb müsste auf Bundesebene klar definiert werden, unter welchen Umständen die Länder Dinge wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder Sperrstunden verfügen können.

Dieses Vorgehen hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am vergangenen Dienstag im Koalitionsfrühstück auch mit den Unionschefs Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt besprochen. Die Union reagiert noch zurückhaltend.

Die Änderungen der Parlamentsbeteiligung könnten an das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz angekoppelt werden, das bereits im Kabinett beschlossen wurde und nächste Woche im Bundestag verhandelt wird. Die zweite und dritte Lesung soll Ende November sein. Die FDP sei bereit, diese Initiative zu unterstützen, heißt es.

3. Die Grünen - Avantgarde oder Angepasst?

Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl 2021 regieren. Und laut Umfragen trauen viele Bürger der 40 Jahre alten Partei dies auch zu. Schwarz-Grün ist die bevorzugte Regierungskoalition der Deutschen, und mit knapp 35 bis 40 Prozent für die Union und 17 bis 20 Prozent für die Grünen, hätte das Bündnis - Stand heute - eine solide Mehrheit. Nur: Wer sind eigentlich die Grünen? Eine linke Volkspartei wie es ihr Vorsitzender Robert Habeck proklamiert, oder doch nur ein One-Hit-Wonder namens Ökopartei. Wie viel ideologischer Anspruch trifft auf wie viel realpolitische Wirklichkeit?

In dem lesenswerten neuen Buch “Avantgarde oder Angepasst?” (Ch Link Verlag), herausgegeben von Michael Wedell und Georg Milde, haben sich 20 Autoren, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ex-Außenminister Joschka Fischer, Gedanken zur Partei gemacht. Die exklusive Buchvorstellung fand auf der Pioneer One statt. Wir haben mit Wedell, einer der Autorinnen, Ex-CDU-Bildungsministerin Annette Schavan, und der grünen Spitzenkandidatin in Berlin, Bettina Jarasch, über die Partei gestern, heute und morgen gesprochen. Hier können Sie die Aufzeichnung anhören.

Der Klick aufs Bild führt Sie zum ganzen Gespräch. © ThePioneer

Die europäischen Nachbarstaaten ringen mit Rekordinfektionen und dramatisch steigenden Patientenzahlen auf den Intensivstationen. Das geht aus dem vertraulichen Lagebild des Gesundheits- und des Innenministeriums hervor, das uns vorliegt.

Laut dem Bericht vom 28. Oktober liegt der Inzidenzwert in den Niederlanden bei 311 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Bereits die Hälfte der Intensivbetten sei mit Covid-19-Patienten belegt, heißt es. In Polen sind die Intensivstationen die größte Herausforderung. Nur 19.500 Betten weist das polnische Gesundheitsministerium aus, davon seien 12.000 belegt. In Warschau bauen die Behörden im Nationalstadion ein Lazarett.

© ThePioneer/ Lagebild BMI/BMG vom 28.10

Spitzenreiter bei den Neuinfektionen ist laut Lagebild der Bundesregierung Tschechien mit 811 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner, es folgen Belgien (637), Luxemburg (571) und Slowenien (499). In Deutschland liegt der Inzidenzwert bei 91.

In Luxemburg warnen Lehrergewerkschaften vor einem Kollaps des Schulsystems, in Polen entfielen alleine 150.000 der 242.000 positiven Tests in den letzten acht Monaten auf den Monat Oktober. Täglich werden neue Rekorde verzeichnet. Europa ist - abgesehen von manchen Flecken in Deutschland - eine geschlossene rote Zone, wie diese Darstellung aus dem Lagebild zeigt.

Natürlich noch im November, heißt es in Regierungskreisen. Es geht darum, wann die angekündigten Milliarden-Hilfen für Unternehmen ausgezahlt werden, die wegen des neuen, befristeten Lockdowns ab Montag, 2. November schließen müssen. „Wir wollen, dass die Leistungen schnell ausgezahlt werden können“, heißt in einem Brief von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) an Abgeordnete des Bundestages, der uns vorliegt.

Mit einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe soll Unternehmen, Selbstständigen, Vereinen und Einrichtungen, die von temporären Schließungen erfasst sind, „schnell, großzügig und unbürokratisch“ geholfen werden. Firmen mit bis zu 50 Beschäftigten sollen 75 Prozent des Umsatzes von November 2019 erstattet bekommen.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das im November vor einem Jahr 100.000 Euro Umsatz hatte, muss nun schließen. Es hätte Anspruch auf 75.000 Euro Erstattung. Allerdings werden sonstige Hilfen - etwa das Kurzarbeitergeld - abgezogen.

© Schwarzer Gauland

Auf - Alice Schwarzer ist Europas bekannteste Feministin und auch mit 77 Jahren als Emma-Herausgeberin eine streitbare Journalistin mit einer klaren Mission: Der ewige Kampf für Frauen- und Kinderrechte und gegen eine Liberalisierung der Prostitution. Schwarzer kämpft aber auch gegen den politischen Islam und die Rolle der Frau in muslimischen Ländern und eckt damit an.

"Der politische Islam hat das Kopftuch zu seiner Flagge gemacht", sagt Schwarzer in der aktuellen Folge des Podcasts Überstunde. Eine Stunde diskutiert Schwarzer leidenschaftlich mit der Co-Moderatorin und Feministin Marina Weisband über Antifeminismus, Antisemitismus und Rassismus und wie all das zusammenhängt. Und es geht um die Frage, warum viele junge Feministinnen sich an Schwarzer abarbeiten. Ein Gespräch, das man sich anhören sollte. Für ihr Engagement ist Alice Schwarzer bei uns Aufsteigerin. Hier können Sie den Podcast nachhören.

Ab - Sein Auftritt in der Debatte nach der Corona-Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war kühl kalkuliert: Nicht nur, dass Alexander Gauland, Chef der AfD-Bundestagsfraktion, nicht das Geringste unternahm, um die unflätigen und teils geschmacklosen Pöbeleien seiner Abgeordneten während der Rede der Kanzlerin zu beenden. In seiner Replik auf Merkel wütete und wetterte der 79-jährige dann selbst, sprach von "Corona-Diktatur", "Kriegskabinett" und "Kriegspropaganda". Plumper geht es kaum. Wenn aber etwas nicht zum AfD-Leitwolf im Parlament passt, dann der Gestus des Freiheitskämpfers. Für Gauland geht es bergab.

Im Ausland gilt die deutsche Corona-Politik als vorbildlich. Doch die Sichtweise verändert sich mit den jüngsten Infektionszahlen und durch den selbst im Ausland wahrgenommenen Streit zwischen Bund und Ländern. Auf der Nachrichtenplattform des nationalen US-Senders CNBC schreibt die Europa-Expertin Holly Elliott: "Deutschlands dezentraler Ansatz zum Umgang mit dem Virus könnte sich als schwierig erweisen."

Hier geht es zu dem lesenswerten Beitrag.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Bernd Riexinger, Linken-Bundestagsabgeordneter, 65

Am Samstag gratulieren wir:

Markus Uhl, CDU-Bundestagsabgeordneter, 41

Bernd Mathieu, ehemaliger Chefredakteur der Aachener Zeitung, 66

Ramona Popp, Senatorin für Wirtschaft, Berlin, 43

Fabian Langenbruch, Leiter der Unterabteilung Digitalisierung, BMAS, 43

Und am Sonntag beglückwünschen wir:

Kerstin Radomski, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Krefeld, 46

Kulturstaatsministerin Monika Grütters steht unter Druck. Zahlreiche prominente Kulturschaffende haben sich nach Angaben aus der Regierung bei der CDU-Politikerin gemeldet, um gegen die Schließung der Kultureinrichtungen, die aus Sicht vieler Kreativer und Künstler nicht zum Infektionsgeschehen beigetragen hat, zu protestieren. Grütters will angeblich schon kommende Woche einige Vertreter der Branche zum Gespräch über die Hilfen treffen. Die Konditionen für die Überbrückungshilfen sollen vereinfacht werden, die Finanzhilfen schnell und unbürokratisch fließen, heißt es.

© ThePioneer

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, gestern im Bundestag.

Ihre Informationen für uns © Media Pioneer

Sie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.

Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter Hauptstadt – Das Briefing