Ukraine-Krise

Die neue Flüchtlingskrise

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Unsere Themen heute:

  • Registrierung, Koordinierung, Finanzierung - Bund und Länder suchen heute bei der Ministerpräsidentenkonferenz eine Verständigung. Wir sagen, worum es geht.

  • Bis zuletzt stritten Kanzleramt und Auswärtiges Amt über den Verwendungszweck des 100-Milliarden-Sondervermögens für die Bundeswehr - am Ende setzte sich Annalena Baerbock durch. Wir kennen die Hintergründe.

  • Die Arbeitgeber sehen den Krieg in der Ukraine als Zäsur - auch für die Ampel-Agenda. Wir haben ein exklusives Positionspapier vorliegen.

  • Der Kunstbeirat im Deutschen Bundestag hat sich neu formiert. Wir sagen, wer nun über Gemälde und Skulpturen in den Parlamentsbauten entscheidet.

  • Die Zitruskoalition wirkt angesäuert - der Frust der Grünen über die FDP nimmt von Tag zu Tag zu. Wir sagen, worum es geht.

Die neue Flüchtlingskrise

Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland an. Sie benötigen medizinische Versorgung und eine Unterkunft.

Eine Erkenntnis setzt sich in der Hauptstadt durch: Ohne klare Absprachen zwischen Bund und Ländern geht es nicht mehr.

Genau das soll das Thema heute bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, es werde auch um die Aufteilung der Kosten gehen.

Ausriss aus vertraulichem Memo des Auswärtigen Amtes © ThePioneer

In vertraulichen Berichten des Auswärtigen Amtes, die uns vorliegen, zeigt sich die Dimension der Herausforderung. Es gebe seit Beginn der Kriegshandlungen „stetig anwachsende Flüchtlingsbewegungen“, heißt es.

Konkret geht es um rund 2,67 Millionen Menschen, die sich in Richtung der EU auf den Weg gemacht hätten. Anfang der Woche waren 146.998 Flüchtlinge in Deutschland registriert, am Mittwoch schon fast 175.000.

Ukrainische Flüchtlinge auf dem Weg nach Berlin © dpa

Die Erwartungen vor dem Treffen sind hoch. Gerade in Berlin kommen die meisten Menschen an - die Hauptstadt ist auf Hilfe angewiesen.

"Alle Bundesländer müssen jetzt in föderaler Solidarität und mit Unterstützung des Bundes zusammenarbeiten, um zu einer gerechteren Verteilung zu kommen", sagte uns die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Die SPD-Politikerin:

In dieser akuten Lage wird organisatorische, personelle und auch finanzielle Unterstützung vom Bund nicht nur in Berlin dringend benötigt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drängt auf Klärungen. „Der Bund muss jetzt klare Regeln für die Unterbringung der Menschen aus der Ukraine schaffen“, sagte er unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.

Der CSU-Chef weiter:

Grundvoraussetzung ist die Registrierung aller Schutzsuchenden. Nur so können wir die Verteilung innerhalb Deutschlands solidarisch organisieren.

Vor allem die Großstädte würden an Belastungsgrenzen kommen. Viele Länder seien mit der Finanzierung überfordert. Das müsse bei der MPK „zum Wohle aller Geflüchteten und Hilfskräfte“ besprochen werden.

Innenministerin Nancy Faeser stellte sich gestern den Fragen der Abgeordneten. Die SPD-Politikerin kündigte an, dass bei der Verteilung der Geflüchteten der Königsteiner Schlüssel angewandt werden soll - die Länder also nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl Menschen aufnehmen.

© imago

Die Regierung hat zuletzt auch die humanitäre Hilfe vor Ort verstärkt. Laut einer internen Übersicht hat das Auswärtige Amt bisher 64,2 Millionen Euro Soforthilfe bereitgestellt.

Davon sind 40,3 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bestimmt. Rund 18,9 Millionen Euro dienen der "Stabilisierung und Ertüchtigung" - davon werden schusssichere Westen und Helme finanziert sowie ein Projekt zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Schließlich gehen fünf Millionen Euro in die Katastrophenhilfe.

Ukraine-Flüchtlinge: Das wollen die Länder jetzt vom Bund

Hendrik Wüst und Olaf Scholz nach einer Ministerpräsidentenkonferenz. © dpa

Angesichts Zehntausender Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die täglich in Deutschland ankommen, wollen die Länder heute einen Katalog mit Forderungen an den Bund präsentieren. Das Beschlusspapier liegt uns vor.

In dem Text heißt es wörtlich:

Der Bund muss bei der Verteilung zwischen den Ländern eine stark koordinierende Funktion einnehmen, Transport organisieren, Angebote formulieren und Verteilung anhand des faktischen Zustroms von Menschen in einzelne Länder und Kommunen ausrichten (…)

Darüber hinaus verlangen die Länder eine erhebliche finanzielle Unterstützung durch den Bund.

Sie wollen dabei in einem ersten Schritt zurück zu Regelungen, die im Zuge der Flüchtlingskrise von 2015 vereinbart wurden, 2021 aber in weiten Teilen ausgelaufen waren. Zuletzt hatte sich der Bund an den Flüchtlingsausgaben der Länder mit rund 3,3 Milliarden Euro beteiligt.

Die Forderungen gehen jedoch noch einen Schritt weiter. Hintergrund ist, dass die Ukraine-Flüchtlinge aktuell unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen: „In der Folge müssten Länder und Kommunen die Kosten bislang auf unbestimmte Zeit selbst tragen.“

Es müsse daher „eine echte und dauerhafte Bundesbeteiligung“ an den Kosten sichergestellt werden - und zwar „in voller Höhe“. Außerdem sollten die Flüchtlinge „schnell und niedrigschwellig“ registriert werden, heißt es in dem Papier.

Wegen Ukraine-Krieg: Arbeitgeber-Chef Dulger fordert Politikwechsel von Ampel

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger © dpa

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verlangt angesichts des Krieges in der Ukraine ein grundlegendes Umsteuern von der Ampel-Koalition. "Wir brauchen wieder eine Gründer- und Eigentumskultur statt einer Neidkultur und allumfassender Staatsgläubigkeit in unserem Land", heißt es in einem Positionspapier, das uns vorliegt. Nur eine starke Wirtschaft mache Deutschland und Europa robuster gegen Krisen.

Die Forderung nach einem Kurswechsel begründet der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit den „zu Recht verhängten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland und Belarus“ und den vielen Einschnitten aufgrund von Corona. Dadurch sei die wirtschafts- und sozialpolitische Tagesordnung „nicht mehr nachhaltig“.

Notwendig seien neue Prioritäten. Kleine und mittlere Unternehmen müssten resiliente und wettbewerbsfähige Teile der Volkswirtschaft bleiben: „Die Stärkung ihrer Wettbewerbsbedingungen durch Eigenkapital, Sozialkostenbegrenzung und Ausweitung der Flexibilitätsspielräume gehören daher auch auf die politische Tagesordnung für ein starkes und sicheres Deutschland.“

Dulger zielt auf konkrete Vereinbarungen von Regierung und Sozialpartnern. „Ein Belastungsmoratorium reicht nicht mehr, wir brauchen konkrete Entlastungsschritte“, schreibt er. Der BDA-Chef kündigte an, bei den Hilfen und der Integration der Ukraine-Flüchtlinge würden die Arbeitgeber ebenfalls ihren Beitrag leisten.

Sondervermögen: Baerbock strich die "Streitkräfte" aus dem Text

Bis zuletzt war in der Ampel strittig, mit welchem Verwendungszweck das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr im Grundgesetz verankert werden soll.

Einem früheren Gesetzesentwurf zufolge sollte im Artikel 87a ergänzt werden, dass das Sondervermögen „für bedeutsame Maßnahmen zur Ertüchtigung der Streitkräfte“ bestimmt sein soll. Doch davon ist im gestern vom Kabinett beschlossenen Entwurf nicht mehr die Rede. Stattdessen wird darin als Zweck die "Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ angegeben.

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Außenministerin Annalena Baerbock setzte sich in den vergangenen Tagen gegenüber dem Kanzleramt mit Nachdruck für diese offenere Formulierung ein, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki. Damit soll dem Bund bei Investitionen größere Flexibilität ermöglicht werden - etwa in nicht unmittelbar militärische Cyberabwehr-Fähigkeiten.

Baerbocks Drängen trägt zudem der Forderung der Grünen Rechnung, Sicherheitspolitik nicht auf Militärisches zu verengen. Die nun gefundene Formulierung soll der Grünen-Fraktion trotz großer Skepsis die Zustimmung zum Sondervermögen erleichtern.

Ende der grün-gelben Harmonie

Bei den Grünen rumort es. Der Frust über den Koalitionspartner FDP nimmt von Tag zu Tag zu.

Von einem ständigen Foulspiel von FDP-Chef Christian Lindner ist intern die Rede. Lindners Vorstoß für einen "Tankrabatt" sei dabei nur eines von mehreren Beispielen. "Je näher die Landtagswahl in NRW rückt, desto schwieriger wird es mit ihm", sagt ein einflussreiches Grünen-Mitglied.

Den Verlauf der inzwischen zahlreichen grün-gelben Konfliktlinien hat unsere Kollegin Marina Kormbaki recherchiert. Hier lesen Sie ihre Analyse.

Grüne und FDP: Der Riss

Tankrabatt, Bundeswehr, Corona-Maßnahmen - mit der grün-gelben Harmonie ist es vorbei.

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Veröffentlicht von Marina Kormbaki .

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EU will Investitionen in Rüstung fördern

Die EU-Staaten wollen Investitionen in Rüstungsgüter erleichtern.

In einer uns vorliegenden Frühfassung der Erklärung vom EU-Gipfel in der nächsten Woche heißt es: "Zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten der EU sollte das gesamte Potenzial der Finanzierungsinstrumente der Europäischen Union, insbesondere des Europäischen Verteidigungsfonds, ausgeschöpft werden."

Und weiter: "Darüber hinaus sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den Zugang der Verteidigungsindustrie zu privaten Finanzmitteln zu fördern und zu erleichtern, auch durch optimale Nutzung der Europäischen Investitionsbank.“

Die Staats- und Regierungschefs wollen zudem den Strategischen Kompass beschließen, der einen geopolitisch fundierten Blick auf die Welt bieten soll.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), soll die deutsch-südkaukasische Parlamentariergruppe in Zukunft leiten. Dabei geht es um den Kontakt zu Volksvertretern in Armenien, Aserbaidschan und Georgien.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief aus Baden-Württemberg soll die deutsch-österreichische Parlamentariergruppe führen, Felix Schreiner, ebenfalls ein CDU-Politiker aus Baden-Württemberg, leitet die deutsch-schweizerische Gruppe.

Der frühere Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich von der CSU wird Chef der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, leitet künftig die deutsch-spanische Gruppe.

Grünen-Chef Omid Nouripour gibt seinen Sitz als ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ab. Für ihn rückt Erhard Grundl nach, derzeit noch stellvertretendes Mitglied.

Bärbel Bas © Imago

Der neue Kunstbeirat des Deutschen Bundestages ist nun komplett. Das Gremium entscheidet unter anderem über den Kauf von Kunstobjekten für die Sammlung des Parlaments, über Kunst-am-Bau-Projekte und Ausstellungen innerhalb der Bundestagsgebäude.

Der elfköpfige Beirat wird geleitet von Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Die Sozialdemokraten sind außerdem mit den Abgeordneten Helge Lindh und Bernhard Daldrup vertreten. Die Union entsendet neben Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas die Ex-Kulturstaatsministerin Monika Grütters und den CSU-Politiker Michael Frieser. Die Grünen werden vertreten von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt und der Abgeordneten Filiz Polat, die Freien Demokraten von Christine Aschenberg-Dugnus, die AfD von Marc Jongen und die Linksfraktion von Parlamentsvize Petra Pau.

Der Bundestag soll in der ersten Sitzungswoche im April - also vom 4. bis zum 8. April 2022 - über die vorliegenden Anträge und Gesetzentwürfe für, beziehungsweise gegen eine Corona-Impfpflicht entscheiden. Am heutigen Donnerstag wird darüber im Plenum in erster Lesung beraten. Eine Sachverständigenanhörung ist für den kommenden Montag, 21. März 2022, im Gesundheitsausschuss des Bundestags geplant.

Sehen Sie hier einen Kommentar von Pioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner zur Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Impfpflicht-Debatte.

"Als Kanzler mischt man sich richtig ein – oder man lässt es bleiben"

Aus der Impfpflicht-Debatte muss Olaf Scholz eine Lehre ziehen. Ein Kommentar von Pioneer-Reporter Rasmus Buchsteiner.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Rasmus Buchsteiner.

Video mit der Laufzeit von

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Auf - Reiner Haseloff ist in diesen Tagen ein glücklicher Ministerpräsident. In Sachsen-Anhalt ist man eigentlich Kummer gewohnt, u. a. durch Sorgen um Chancen und Probleme beim Strukturwandel. Die 17-Milliarden-Euro-Investition des Chipherstellers Intel in Magdeburg ist ein Lichtblick für das Land. Der Erfolg hat sicher viele Mütter und Väter, dennoch ist Haseloff unser Aufsteiger.

Ab - Sören Bartol, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium, hat sich entschuldigen müssen. Es ging um einen Tweet, in dem er den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk kritisierte, der in Berlin oft forsch auftritt und gerade eine neuerliche Regierungserklärung des Kanzlers verlangte. Respektlos und unerträglich fand der SPD-Mann das, setzte das Wort Botschafter in Anführungszeichen. Bartol ist unser Absteiger!

Die Politik hat bald über die nächste große Anschaffung zu entscheiden. Es geht um den schweren Transporthubschrauber. Welt-Korrespondent Thorsten Jungholt analysiert die beiden Optionen, die CH-53K von Lockheed Martin und die CH-47F von Boeing. „Wenn es um eine Steigerung der Fähigkeiten der Bundeswehr geht, liegt die Auswahlentscheidung nahe“, schreibt der Kollege. „Die Leistungsdaten der modernen CH-53K sind laut internen Angebotsunterlagen in nahezu allen relevanten Feldern besser als die der betagten CH-47F.“ Gute Einordnung, nachzulesen hier!

Die SZ-Parlamentskorrespondenten Daniel Brössler und Angelika Slavik haben während der emotionalen Bundestagsdebatte zum Infektionsschutzgesetz genau hingesehen und hingehört. "Der künftige Kurs in der Corona-Politik, das wird an diesem Mittwoch im Bundestag deutlich, ist für das Regierungsbündnis eine Zerreißprobe", schreiben sie. "Glücklich mit dem Corona-Kurs der Ampel scheinen allein die Liberalen zu sein." Lesenswert!

Heute gratulieren wir herzlich:

Joe Weingarten, SPD-Bundestagsabgeordneter, 60

Christian Görke, Bundestagsabgeordneter der Linken, 60

Markus Hümpfer, SPD-Bundestagsabgeordneter, 30

Thomas Strobl, Vorsitzender der CDU in Baden-Württemberg, 62

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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