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Unsere Themen heute:
Beim Nato-Gipfel steht das Bündnis vor der Zerreißprobe - und Deutschland vor dem Paradigmenwechsel. Wir sagen, was zu erwarten ist.
Köchin oder Kellnerin? Die designierte Vize-Ministerpräsidentin in NRW, Mona Neubaur (Grüne), kündigt eine Koalition auf Augenhöhe an und nennt Prioritäten.
Fachkräftemangel droht zur Wachstums- und Wohlstandsbremse in Deutschland zu werden. Matthias Machnig und Steffen Kampeter entwerfen Gegenmaßnahmen.
Der Bundestag will zum Klimaschutz-Vorreiter werden - mit strengeren Standards für seine eigenen Gebäude. Wir sagen, was das bedeutet.
Die neue Corona-Testverordnung des Gesundheitsministeriums hat Folgen für die Pflegeversicherung. Das Defizit steigt dadurch zusätzlich. Wir wissen, in welchem Umfang.
Die neue Ostfront
In Madrid will Deutschland seine Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung unter Beweis stellen.
Zum morgigen Nato-Gipfeltreffen reist Kanzler Olaf Scholz (SPD) aus Elmau an, wo heute der G7-Gipfel endet; auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) werden erwartet.
Schon jetzt ist klar: Der Gipfel stellt einen Paradigmenwechsel dar. Die Deutschen haben einen Vorschlag im Gepäck, der - sollte er die Zustimmung der Alliierten finden - die sicherheitspolitische Aufstellung Europas auf Jahre hin prägen dürfte.
Die Bundeswehr will eine Brigade zur Stärkung der Nato-Ostflanke stellen - rund 3000 Soldatinnen und Soldaten, wie Scholz bereits in Litauen andeutete.
Deutsche Panzerhaubitze bei Nato-Übung an der Ostflanke © BundeswehrNicht alle von ihnen sollen in dem baltischen Land stationiert sein - anders als von vielen dort gewünscht. In Litauen sollen in erster Linie militärisches Gerät und rotierende Gruppen bereitgestellt werden, die im Ernstfall schnell und kundig eingreifen können.
Denn im Falle eines russischen Überfalls geht es um Tempo, so die Analyse in der Bundesregierung. Die bisherige "Stolperdraht"-Logik der Nato reiche nicht aus, so Baerbock: Die an der Grenze zu Russland stationierten Nato-Soldaten sollen fortan einen Angriff nicht nur verzögern, sondern auch abwehren können.
Die Brigade soll zusätzlich zu den bislang rund 1000 Bundeswehrkräften in Litauen gestellt werden.
Die Deutschen erhoffen sich neue Anerkennung: Schließlich gehe laut Regierungskreisen das neue strategische Konzept, das das Bündnis vorstellen will, auf deutsche Initiative zurück: Nachdem Ex-US-Präsident Donald Trump die Nato für „obsolet“ und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sie für „hirntot“ erklärt hatte, initiierte Ex-Außenminister Heiko Maas (SPD) einen „Reflexionsprozess“ - die Basis des erwarteten Strategiepapiers.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist per Videokonferenz zur Arbeitssitzung der G7-Gipfelteilnehmer dazu geschaltet. © dpaNatürlich wird es auch um schwere Waffen für die Ukraine gehen. Mit Griechenland muss Berlin Irritationen um einen Ringtausch von Schützenpanzern klären; auch die Details zu spanischen Kampfpanzern deutscher Produktion seien offen, heißt es. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Montag bei seinem Auftritt beim G7-Gipfel erneut darauf gedrängt, dass sein Land mehr Waffen erhält.
Mit dem türkischen Ja zum Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens werde für diese Woche kaum noch gerechnet, hören wir. Der Optimismus auch im Lager des Kanzlers war zuletzt immer weniger geworden. Das Zeichen der Einigkeit könnte ausbleiben.
NRW: Neubaur will "Koalition auf Augenhöhe"
Die designierte Vize-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, Grünen-Politikerin Mona Neubaur, will eine Koalition "auf Augenhöhe" mit der CDU im größten Bundesland führen.
"Wir haben uns verständigt für fünf Jahre Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam und auf Augenhöhe", sagte uns Neubaur.
Drei Wochen hatten CDU und Grüne in NRW, über viele Jahre erbitterte Gegner, einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verhandelt. Neubaur nennt den Vertrag "überzeugend". Man habe es vermieden, dünne Kompromisse zu schließen, damit eine Partei das Gesicht wahren könne.
Neubaur:
Wir reichen uns jetzt die Hände über die Lager hinweg, aber die Grünen bleiben die Grünen. Und die CDU bleibt die CDU.
Sie lobte den für 2030 vereinbarten Kohleausstieg im Land und den im Koalitionsvertrag verankerten, neuen, unabhängigen Polizeibeauftragten des Landes. "Das ist eine gute Ergänzung zu unserem Verfassungsauftrag der öffentlichen Sicherheit."
Das ganze Interview lesen Sie hier.
7 Punkte gegen den Fachkräftemangel
Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen in Deutschland rund 320.000 Naturwissenschaftler, rund 60.000 Handwerker und Zehntausende Heizungsbauer und Mechaniker, um die offenen Stellen zu besetzen, die Energiewende zu meistern und die Aufträge der Verbraucher und Kunden abzuarbeiten.
Der Fachkräftemangel entwickelt sich zu einer gigantischen Wohlstands- und Wachstumsbremse in diesem Land.
Ein Gegensteuern ist aber möglich, schreiben der frühere Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Matthias Machnig (SPD), und der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, in einem Gastbeitrag für The Pioneer.
Steffen Kampeter. © imagoDafür müssten die Schulen umdenken, die Qualifikation und Weiterbildung neu formiert werden, Zehntausende qualifizierte Zuwanderer ins Land geholt und die berufliche Ausbildung aufgewertet werden.
Ihren 7-Punkte-Plan lesen Sie hier.
An diesem Mittwoch lädt das Wirtschaftsforum der SPD zu einem Fachgespräch mit der BDA (Infos hier).
Lauterbach-Pläne für Bürgertests treiben Defizit in Pflegekasse hoch
Coronatest © imagoDurch die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fällt das Defizit der Pflegeversicherung nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes in diesem Jahr um voraussichtlich eine Milliarde Euro höher aus als erwartet. Es wird nun mit einem Fehlbetrag von 3,3 Milliarden Euro gerechnet.
Das geht aus einer Stellungnahme des Verbandes hervor, die unser Kollege Rasmus Buchsteiner erhalten hat.
Ab Anfang Juli soll für Corona-Bürgertests eine Selbstbeteiligung von drei Euro gelten. Ausgenommen sind Kinder unter fünf Jahren, Schwangere und Angehörige von Infizierten.
Laut GKV-Spitzenverband ist als Folge der neuen Verordnung mit Mehrausgaben für die Pflegeversicherung von rund einer Milliarde Euro zu rechnen. Der Ausgleichsfonds der Pflegekassen muss sich das Geld zunächst beim Bund leihen.
„Die Rückzahlung werden in der Folge die Mitglieder über Beitragssatzerhöhungen tragen müssen“, heißt es in der Stellungnahme. Dabei müsse „die Finanzverantwortung“ beim Bund liegen, so der GKV-Spitzenverband.
Bundestag erwägt strengere Klimaauflagen für eigene Gebäude
Wolfgang Kubicki © Anne HufnaglDie Bundesregierung hat sich zur Einhaltung strengerer Klimaschutz-Standards für eigene Gebäude verpflichtet. Der Bundestag dürfte im Herbst nachziehen - allerdings könnte dies dann weitreichende Folgen haben.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), Vorsitzender der Baukommission des Bundestages, sagte uns.
"Der Anspruch des Parlaments ist es natürlich, noch etwas besser zu sein. Mal sehen, ob uns das auch mit diesem Thema gelingt."
Der Modulbau Luisenblock West © ImagoKubicki verweist auf den so genannten Modulbau: Ein in diesem Jahr eröffnetes, neues Bürogebäude des Bundestages. Damit habe der Bundestag ein Zeichen für nachhaltiges Bauen gesetzt: "Wir wollen das gerne fortsetzen. Das gilt natürlich umso mehr für unsere Neubauprojekte.“
Nach Teilnehmerangaben wurde jedoch vergangene Woche in der Sitzung der Baukommission deutlich, welche Auswirkungen es hätte, sollte der Bundestag für sich die gleichen Energieeffizienz-Standards festlegen wie die Regierung.
So müssten die Planungen für das neue Besucherzentrum, das eigentlich bis zum Ende des Jahrzehnts fertig sein und über einen unterirdischen Zugang zum Reichstagsgebäude verfügen soll, "komplett überarbeitet" werden.
Erheblicher Sanierungsbedarf würde auch bei bereits vorhandenen Gebäuden des Bundestages entstehen - etwa beim Paul-Löbe-Haus, das bisher nur über Doppelscheiben verfügt. Um die Auflagen zu erfüllen, müsste eine Dreifach-Verglasung her.
Gastronomie-Vergünstigung kostet 3,3 Milliarden Euro
Die Verlängerung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Speisen in der Gastronomie wird den Staat rund 3,3 Milliarden Euro kosten. Dies geht aus einem Schreiben von Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) an den Finanzausschuss des Bundestages hervor, in das wir Einblick erhalten haben.
Die Ampel-Koalition hat sich zuvor darauf verständigt, die reduzierte Mehrwertsteuer um ein Jahr bis Ende 2023 zu verlängern.
SPD und FDP hätten sich sogar eine Entfristung der Regelung vorstellen können. Die Verlängerung um ein Jahr ist ein Kompromiss mit Rücksicht auf die eher skeptischen Grünen. Die Reduzierung des Steuersatzes von 19 auf 7 Prozent war in der Corona-Krise als Hilfsmaßnahme eingeführt worden.
© The PioneerKein guter Zeitpunkt, doch FDP-Finanzminister Christian Lindner muss seinen Redeauftritt beim traditionellen "Tag der Familienunternehmen" an diesem Freitag, 1. Juli, wegen der verschobenen Kabinettssitzung absagen.
Dabei ist der Mittelstand derzeit besonders kritisch mit der Regierungsbilanz der Ampel und hofft auf die FDP. Ranghöchster Vertreter der Bundesregierung ist nun der Kanzleramts-Staatssekretär Jörg Kukies. Den großen Auftritt hat dafür CDU- und Oppositionschef Friedrich Merz.
In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz zwei Stunden in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten, am selben Nachmittag debattiert der Bundestag darüber, ob Kroatien ab dem 01.01.2023 in die Euro-Zone aufgenommen wird.
Der Donnerstag steht im Zeichen der Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes und des Einsatzes des dazugehörigen 1. Untersuchungsausschusses dieser Legislatur.
Auf Antrag der Union debattiert das Parlament außerdem über das umstrittene CETA-Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada und am letzten Tag vor der Sommerpause findet die 2. und 3. Beratung des Beschaffungsbeschleunigungsgesetzes statt.
Auf - Ursula von der Leyen. Neuer Begriff in der Debatte, ob die Ukraine den Krieg gewinnen soll. Am Rande des G7-Gipfels machte die EU-Kommissionspräsidentin deutlich, dass Putin diesen Krieg schon nicht mehr gewinnen könne und nun eine "strategische Niederlage" erleiden werde. Sie meinte die langfristige Isolation Russlands in der westlichen Welt, also eine politische Niederlage. Recht hat sie. Aufsteigerin!
Ab - Janosch Dahmen. In Brandenburg war die Feuerwehr in den letzten Tagen rund um die Uhr im Einsatz, um Waldbrände zu löschen und Leben zu retten. Dass der Grünen-Bundestagsabgeordnete nun via Twitter pauschal die Feuerwehr diffamiert, weil sie angeblich überall nur alte, weiße Männer Dienst tun lässt, ist mehr als unangemessen. Absteiger!
"Wie viele Reden in unserem Land enthalten den Ruf: „Nie wieder…“ Und nun das!", schreibt die CDU-Politikerin und Publizistin Elisabeth Motschmann in ihrer neuen Kolumne und meint damit das umstrittene Kunstwerk auf der Documenta. Wo wir sonst noch Geschichtsvergessenheit erleben, lesen Sie hier:
„Das Treffen der Mächtigen ist zum Glück nicht zur Laberrunde verkommen“, kommentiert die RND-Korrespondentin Kristina Dunz den G7-Gipfel. Auch wenn es in Elmau noch nicht zur großen Verbrüderung komme, gehe Scholz mit seiner Idee von einer neuen Weltordnung voran: „Er will Demokratien zusammentrommeln gegen Russland – und auch gegen China.“ Ihr Fazit: „Mag auch dieser G7-Gipfel wieder teuer und nicht klimabewusst sein – eine Quatschbude ist er nicht.“ Ihre Analyse lesen Sie hier.
Heute gratulieren wir herzlich:
Micky Beisenherz, Podcaster, Gagschreiber, Moderator, Tausendsassa, Pioneer, 45
Sebastian Czaja, FDP-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, 39
Elon Musk, Tesla-Gründer und Besitzer einer Autofabrik in Brandenburg, 51
Bundeskanzler Scholz stellt nach dem Treffen der G7 in Elmau klar, dass diese Veränderungen am besten in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit gemeistert werden könnten.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre