Die Protektionismus-Klausel

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu Hauptstadt - Das Briefing direkt aus dem Newsroom der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Die Bundesregierung will ausländische Investoren stoppen, die in der Corona-Krise wichtige Unternehmen der Gesundheitsbranche übernehmen wollen. Was das Kabinett am Mittwoch beschließen will, erfahren Sie hier vorab.

  • Die Grünen plädieren für eine multikulturelle Gesellschaft, doch selbst sind sie überwiegend weiß und männlich. Chefreporterin Alev Dogan berichtet.

  • Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will gegen synthetisches Cannabis vorgehen. Seine Pläne erfahren Sie von uns vorab.

  • Wer Kanzler werden will, muss eine politische Biografie im Bücherregal stehen haben. Dies gilt bald auch für einen prominenten Bewerber für den CDU-Vorsitz.

Die Aufregung war groß im Frühjahr, als US-Präsident Donald Trump ein Auge auf die Tübinger Pharma-Firma CureVac geworfen hatte, die bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff vorn mit dabei ist. Unternehmen, die in diesem Bereich forschen und Produktionskapazitäten ausbauen, können rasch zu Übernahmekandidaten werden. Ausländische Investoren aus China oder den USA können sich mit vielen Milliarden den exklusiven Zugriff auf Know-how und Medizinprodukte made in Germany sichern. Nun reagiert die Bundesregierung - mit einer Protektionismus-Klausel.

An diesem Mittwoch soll das Kabinett die Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung auf den Weg bringen. Rasmus Buchsteiner hat das Dokument mit der Nummer 19/09139 vorab einsehen können. Es ist der Versuch, einen Schutzzaun um Deutschlands Top-Medizin-Firmen zu bauen.

Übernahme von Medizinfirmen berührt "Grundinteresse des Staates"

Die Regierung definiert in der Verordnung, in welchen Fällen eine Übernahme besonders geprüft werden muss: bei Unternehmen, „die für die Bekämpfung hochinfektiöser Pandemien von wesentlicher Bedeutung sind“. Gemeint sind Hersteller von Schutzmasken oder Schutzanzügen sowie versorgungsrelevanten Arzneimitteln und Impfstoffen.

Der Erwerb berühre „in besonderem Maße das Grundinteresse der deutschen Bevölkerung und des Staates” an einem funktionierenden Gesundheitssystem, heißt es. Das Wirtschaftsministerium will nun einschreiten, wenn Investoren aus Nicht-EU-Ländern mindestens zehn Prozent eines der einschlägigen Unternehmen übernehmen wollen.

Je nach Ausgang der Prüfung stellt die Regierung eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ aus - oder bläst den Deal ab. Eine schwierige Abwägung, denn meist sind es die hiesigen Wirtschaftsverbände selbst, die das Hohelied auf die Freiheit des Investitionsstandorts Deutschlands singen.

1. Die Grünen sind zu weiß

Grüne Spitzenpolitiker  © Die Grünen und die Vielfalt

Die Grünen haben ein Problem: Sie sind zu weiß. Ausgerechnet die Partei, die lauter als andere nach Vielfalt ruft, zeigt zu wenig Vielfalt in den eigenen Reihen. Besonders im Parteivorstand herrscht mitteleuropäische Blässe.

Bei den Bundestagsabgeordneten der Grünen liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei knapp 15 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung hat fast jeder Vierte eine Einwanderungsgeschichte.

Diversity predigen ohne Diversity zu leben, führt zwangsläufig zu einem Glaubwürdigkeitsproblem. Dieses Problems sind sich auch Robert Habeck und Annalena Baerbock bewusst. Die Arbeitsgruppe Vielfalt soll das Thema klären. Unklar ist bisher, ob es zum Beispiel eine Quote für Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung geben soll. Es gibt Bedenkenträger und Befürworter.

Wir vertreten das Thema Diversity als Partei inhaltlich-programmatisch sehr stark, aber im Personal sind wir dahingehend nicht sonderlich gut aufgestellt. Ich glaube, dass es definitiv besser ginge.

Aminata Touré, Grünen-Politikerin

In der zweiten und dritten Reihe geht es indes bunter zu. Unsere Chefreporterin Alev Doğan hat das Thema untersucht und mit Grünen-Politikern aus Bund, Ländern und Kommunen gesprochen. Unter anderem mit dem Nachwuchsstar aus dem Norden, Aminata Touré. Die 27-jährige Vize-Landtagspräsidentin sagt: "Wir vertreten das Thema Diversity als Partei inhaltlich-programmatisch stark, aber im Personal sind wir nicht sonderlich gut aufgestellt.“ Den gesamten Bericht der Kollegin lesen sie hier

2. Corona: Was müssen die Krankenkassen zahlen?

In der vergangenen Woche hat der Bundestag das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" beschlossen. Der Kern: In Deutschland soll deutlich mehr auf Corona getestet werden - und auf Antikörper. Die Kosten sollen die Gesetzlichen Krankenkassen tragen. Doch denen droht als Folge der Pandemie ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe. Und die Reserve im Gesundheitsfonds, vor kurzem noch bei immerhin knapp 10 Milliarden Euro, dürfte Ende des Jahres aufgebraucht sein.

Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), warnt: „Auf die Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten rollt gerade eine massive Ausgabenwelle zu, wenn die Krankenkassen Testungen auf Infektionen und Antikörper ohne Vorliegen einer Symptomatik übernehmen müssen. Zu Recht wollen Bürgerinnen und Bürger Sicherheit darüber haben, ob sie infiziert sind oder nicht.“ Dafür die gesetzlichen Krankenkassen zur allgemeinen Plünderung freizugeben, gehe nicht. Piel fordert: „Seuchenschutz ist Staatsaufgabe.”

3. Der (echte) Mensch hinter dem Facebook-Profil

Die Ressortchefs von Bund und Ländern wollen bei der nächsten Konferenz der Innenminister (IMK) im Juni über eine mögliche Identifikationspflicht in sozialen Netzwerken beraten. Dabei soll es nicht um eine Klarnamenpflicht gehen - wohl aber könnten Nutzer verdonnert werden, bei der Registrierung echte Identitäten nachzuweisen. Sollte von den Konten aus dann eine Strafbarkeitsgrenze überschritten werden, würde der Nutzer juristisch verfolgt werden. Ein solcher Beschluss hätte insbesondere für Firmen wie Facebook spürbare Auswirkungen, weil etliche Fake-Profile gelöscht werden würden. Die Innenminister entscheiden darüber ab dem 17. Juni in Erfurt.

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Spahn-Verordnung zum Verbot von synthetischem Cannabis

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht verschärft gegen synthetisches Cannabis vor. Eine Verordnung seines Ministerium sieht vor, unter anderem Herstellung, Handel, Erwerb, Besitz und Verabreichen von des Cannabinoids 5F-MDMB-PICA zu verbieten. Das geht aus der Vorlage hervor, die am kommenden Mittwoch das Bundeskabinett verabschieden will.

Laut Ministerium sind synthetische Cannabinoide Stoffe mit deutlich stärkeren Nebenwirkungen als natürliches Cannabis. „Wegen der hohen Wirksamkeit besteht zusätzlich die erhebliche Gefahr einer Überdosierung“, heißt es. Die Cannabinoide werden in Deutschland unter anderem mit fünf Todesfällen in Verbindung gebracht.

Auf - Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat am Wochenende in Dresden eine Demonstration von Gegnern der Corona-Politik besucht. Er entschied sich dagegen, eine Maske zu tragen, um mit den ebenfalls unmaskierten Teilnehmern der Veranstaltung angemessen reden zu können. Prompt zeigte ihn ein Bürger an. Wir sagen: Respekt für die Courage, sich trotzdem einem solchen Gespräch zu stellen.

Ab - AfD-Parteisprecher Tino Chrupalla hat eine Niederlage einstecken müssen. Parteikollege Jörg Meuthen hat sich mit dem Rauswurf von Andreas Kalbitz durchgesetzt - Kalbitz hatte die Mitgliedschaft in der rechtsextremen Heimattreuen deutschen Jugend (HDJ) bei der Aufnahme in die AfD verschwiegen. Nun droht der Partei die Spaltung.

Die Datenbank der Schadstoffe kommt

Hersteller und Lieferanten von schadstoffhaltigen Produkten wie Blei sollen ab Januar 2021 sämtliche Informationen zu diesen Produkten in eine europäische Datenbank einpflegen (SCIP-Datenbank). Dabei geht es um Substanz, Materialkategorie oder Mischungsverhältnis. Die Datenbank soll Recycling-Unternehmen und Entsorgern aber auch den Verbrauchern auf Anfrage zur Verfügung stehen, Stichwort: Transparenz. Aber auch als Instrument für eine bessere Wiederverwertbarkeit.

Das Problem ist nur: der Mittelstand befürchtet einen enormen bürokratischen Aufwand sowie die Offenlegung ihrer Lieferketten. Am Mittwoch muss sich das Bundeskabinett zu einem Beschluss des Bundesrates äußern, der das Gesetz entschärft hatte.

Man nennt sie Quertreiber, sie werden von Spitzenposten meist ferngehalten. Dabei können die Argumente der anderen auch bereichern. Doch so einfach ist das nicht, schreibt der Berliner Korrespondent der NZZ, Hansjörg Müller. "Ob Boris Palmer, Hans-Georg Maaßen oder Thilo Sarrazin: Die Bereitschaft, Abweichler in den eigenen Reihen zu dulden, ist in deutschen Parteien eher gering. Dabei sind Andersdenkende als Wetzstein zum Schärfen der eigenen Argumente unerlässlich." Lesenswert!

Patienten, die zu Minderheiten gehören und sozial schwach sind, sind bei der Morbidität und der Mortalität am stärksten betroffen. Sie werden also verhältnismäßig öfter krank und sterben öfter an der Krankheit, findet Sebastian Eder von der FAZ im Interview mit dem Darmstädter Arzt Cihan Çelik heraus. Das Interview gibt es hier zu lesen.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Melanie Amann, Leiterin des Hauptstadtbüros "Der Spiegel", 41

Ranga Yogeshwar, Wissenschafts-Journalist, 61

Frank Plasberg, TV-Moderator ("Hart aber fair"), 63

Ursula Eid, Parlamentarische Staatssekretärin a.D., Grünen-Politikerin und frühere Afrika-Beauftragte des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, 71

Wer Kanzler werden will, muss im Bundestagswahlkampf auch eine Biografie im Bücherregal stehen haben. Das gehört zum politischen Geschäft, die publizistische Bedeutung geht der bundespolitischen voran. So war es bei Gerhard Schröder 1998, Angela Merkel 2005, Frank-Walter Steinmeier 2009, Peer Steinbrück 2013 und auch bei Martin Schulz 2017. Nun wird auch das Leben und Wirken von Armin Laschet, 59 Jahre alt, Bewerber für den CDU-Vorsitz und nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, in einer Biografie verewigt. Autoren sind die beiden angesehenen NRW-Korrespondenten Moritz Küpper (Deutschlandfunk) und Tobias Blasius (WAZ). Es gehe um "Weg, Wesen und Werte" von Armin Laschet, heißt es bei den Journalisten. Laschets Kindheit in Aachen, sein Studium in München und Bonn wird mit vielen Gesprächen im Familienkreis beschrieben, die bisher eher wenig bekannten Stationen als Journalist, als Kommunalpolitiker und als Europaabgeordneten zeichnen die beiden detailliert nach. Auch die Zeit, in der Laschet in der Bonner Republik zu den jungen Wilden gehörte ("Pizza Connection") wird gewürdigt.

Moritz Küpper (l.), Tobias Blasius und Armin Laschet 

Dass Küpper und Blasius dem CDU-Chef im größten Bundesland die Kanzlerkandidatur (und die Kanzlerschaft) zutrauen, wird in dem Buch, das im September erscheinen soll, deutlich, Dennoch werden die politischen Niederlagen, die Fehler Laschets wie etwa die Klausuren-Affäre 2017, seine Zögerlichkeit bei manchen Entscheidungen schonungslos aufgearbeitet. Mehrere Interviews mit Armin Laschet werden in dem Buch verarbeitet, diese Zitate werden - wie in der Politik üblich - autorisiert, also vom Protagonisten freigegeben. Alles andere bekommt Laschet indes nicht vorab zu sehen, eine Auftragsarbeit ist das Buch nicht. Man darf also gespannt sein.

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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