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Unsere Themen heute:
Eine CDU-Arbeitsgruppe plant eine völlige Neustrukturierung der Rentenversicherung und schlägt längere Arbeitszeiten und einen Rentenfonds vor. Wir haben die Details.
Mutmaßliche AfD-Gäste, die im Bundestag Abgeordnete bedrängen und plötzlich auf den Fluren vor den Büros der Fraktionschefs von Union und SPD auftauchen - das Ganze soll an diesem Donnerstag ein Nachspiel im Parlament haben.
Ein wichtiger Berater Angela Merkels hält nichts von ihrem Pandemie-Kriterium, das über Lockerungen in der Corona-Politik entscheiden soll.
Länger arbeiten, mehr Beitragszahler
Seit Jahrzehnten schien es in der Rentenpolitik nur noch über Leistungsausweitungen zu gehen - jetzt könnte das Pendel zurückschwingen.
Eine CDU-Arbeitsgruppe hat ein Strategiepapier erarbeitet, das die Rentenpolitik revolutionieren könnte. Wir haben es frühzeitig lesen können.
Der wichtigste Punkt: Die Rente mit 67 soll ausgeweitet - die Lebensarbeitszeit verlängert werden:
„Für die CDU ist es grundsätzlich vorstellbar, die Regelaltersgrenze von 67 Jahren anzupassen“, heißt es in dem Papier. „Dazu schlagen wir ein Stufenmodell vor, um längeres Arbeiten zu ermöglichen“.
Eine Infografik mit dem Titel: So hat sich die Lebensarbeitszeit entwickelt
Das durchschnittliche Renteneintrittsalter
Weitere Kernelemente sind die Erweiterung der Beitragspflicht auf Einkünfte jenseits des Lohns und die schrittweise Einbeziehung von Politikern, Beamten und Selbstständigen in die Rentenversicherung. Außerdem soll ein separater kapitalgedeckter Rentenfonds den demografischen Wandel in der Rente mitfinanzieren.
Die etwa 20-köpfige Runde des CDU-Bundesfachausschusses Soziale Sicherung und Arbeitswelt, der am vergangenen Montag tagte, hat das brisante Papier erarbeitet.
Die Runde besteht aus Fachpolitikern unter der Leitung des Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker und der sächsischen Sozialministerin Barbara Klepsch.
Konkret schlagen sie unter anderem vor:
die Regelaltersgrenze zu erhöhen. Für die CDU sei es angesichts der gestiegenen Lebenserwartung (und damit der steigenden Rentenbezugszeiten) und der Alterung der Bevölkerung “grundsätzlich vorstellbar”, die Regelaltersgrenze von 67 Jahren anzupassen. Dazu will die CDU ein “Stufenmodell” für längeres Arbeiten vorschlagen.
ab 2030 soll die Regelaltersgrenze auf eine Regelversicherungszeit umgestellt werden. Diese soll automatisch an die Lebenserwartung angepasst werden. Zukünftig müssten dann laut CDU-Vorschlag 45 Jahre Versicherungszeit erbracht werden, um abschlagsfrei in Rente zu gehen.
die CDU-Fachleute wollen das Umlagesystem durch eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule stärken. Demnach sollen 2,5 Prozent der Bruttolohnsumme in der Rentenversicherung - derzeit sind das 32 Milliarden Euro pro Jahr - in den Aufbau eines Rentenfonds gesteckt werden. Dieser Fonds soll gewinnbringend investiert werden und damit die Alterssicherung künftiger Generationen absichern.
Höhere Zuschläge für längeres Arbeiten
Längeres Arbeiten soll attraktiver werden, indem ab 2025 die Zu- und Abschläge bei früheren bzw. späterem Renteneintritt erhöht werden.
Zukünftig soll der Abschlag bei 0,5 Prozent pro Monat und der Zuschlag bei 1,0 Prozent pro Monat liegen.
Die Flexirente soll attraktiver werden. Wer die Regelaltersgrenze übersteigt und trotzdem weiter arbeiten will, darf unbegrenzt hinzuverdienen. Allerdings ist der Lohn sozialversicherungspflichtig.
Die “doppelte Haltelinie” im System, mit der die große Koalition 2018 das Beitragsniveau auf unter 20 Prozent bis 2025 (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag) und das Rentenniveau auf 48 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns fixiert hatte, soll bestehen bleiben. Allerdings: Ab 2030 sollen die Versicherungsleistungen vollständig von den Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträgen finanziert werden, der Rentenbeitrag könnte steigen.
Die betriebliche und private Altersvorsorge soll attraktiver gestaltet werden, etwa durch ein Standardanlageprodukt, das zur Voreinstellung für alle Arbeitnehmer wird
Eine Infografik mit dem Titel: Milliarden aus dem Steuertopf
Prognostizierte Entwicklung der Bundeszuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung bis 2034, in Milliarden Euro
Beamte, Selbstständige und Politiker unter 30 Jahren sollen ab 2030 in die gesetzliche Rentenversicherung integriert werden. Die CDU plant fast eine Art Bürgerversicherung in der Rente. “Für die CDU ist vorstellbar, die GRV in eine Erwerbstätigenversicherung weiterzuentwickeln”, heißt es.
Die Rentenversicherungsfreiheit für Minijobs soll grundsätzlich entfallen und nur noch für Studenten, Rentner und Schüler gelten.
Die CDU will die Einnahmebasis für die Rente verbreitern und ab 2025 auch Einkünfte jenseits des Lohns, also etwa Kapitaleinkommen oder Zinseinkommen, beitragspflichtig machen,
Bei allen künftigen Rentenreformen sollen Belastungen gleichermaßen auf die Finanzierungsseite (Beitragszahler, Steuerzahler) und die Leistungsseite (Rentenniveau, Renteneintrittsalter) verteilt werden. Heißt konkret: Ein späteres Renteneintrittsalter oder weniger stark steigende Renten als bisher sind möglich.
die versicherungsfremden Leistungen, die aus Steuermitteln bezahlt werden, belaufen sich schon heute auf 100 Milliarden Euro, das sind 30 Prozent der gesamten Renteneinnahmen. Diese Ausgaben sollen künftig exakt und in voller Höhe von einem eigenen Haushaltstitel ausgewiesen werden.
Am 30. November soll das Rentenpapier in der nächsten Sitzung des Fachausschusses konsentiert werden. Und - wenn es nach den Fachpolitikern geht - 2021 in das Bundestagswahlprogramm der Union einfließen.
1. Mutmaßliche AfD-Gäste sorgen für Eklat im Bundestag
Mutmaßliche Gäste eines AfD-Abgeordneten sind am Mittwoch vor den Büros der Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und Rolf Mützenich (SPD) aufgetaucht. Wie wir erfahren haben, sollen sie vorgegeben haben, eine Unterschriftenliste gegen das Infektionsschutzgesetz übergeben zu wollen - unmittelbar vor der Entscheidung über das Gesetz.
Das Ganze sei gefilmt worden. Schließlich hätten Mitarbeiter die ungebetenen Gäste gebeten, die Flure vor den Büro wieder zu verlassen, und die Bundestagspolizei informiert.
Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD) und Ralph Brinkhaus (CDU). © dpaNach Angaben aus Parlamentskreisen hat es sich offenbar um Gäste des AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn gehandelt. Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang gestern auf entsprechende Videos in sozialen Netzwerken.
Auf Twitter sind unter anderem Sequenzen zu sehen, wie eine Frau gerade Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beschimpft - vor laufender Handy-Kamera.
"Ein unerhörter Skandal"
Die Vorfälle sollen an diesem Donnerstag ein Nachspiel haben.
„Die Missachtung der Regeln für den Zutritt zum Bundestag und das Verhalten im Gebäude werden Thema im Ältestenrat“, sagte uns Carsten Schneider, Fraktionsgeschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.
Alexander Dobrindt (CSU) und Carsten Schneider (SPD). © dpaSchneiders Kollege von der Union, Michael Grosse-Brömer (CDU), sieht es genauso: „Was hier passiert ist, ist kein Kavaliersdelikt. Abgeordnete zu bedrängen und an der freien Ausübung ihres Mandats zu behindern, untergräbt das Fundament unserer Demokratie.“
Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, sagte: „Es wäre ein unerhörter Skandal, wenn Abgeordnete gezielt Personen einschleusen, die andere Abgeordnete belagern, belästigen oder Druck auf sie ausüben.“ CSU-Landesgruppen-Geschäftsführer Stefan Müller forderte Konsequenzen: „Die, die sich so verhalten haben, müssen Hausverbot erhalten.“
2. Merkel-Berater hält Merkel-Kriterium für nutzlos
Der Epidemiologe-Professor Gérard Krause vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung hält das von der Bundesregierung angelegte Kriterium von maximal 50 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern für unangemessen.
Die Begründung des Gesetzentwurfes für das Infektionsschutzgesetz enthalte "keinerlei Evidenz, weshalb die Grenzwerte nun bei 35 oder 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro 7 Tage liegen sollen", schrieb Krause in einer Stellungnahme zum Infektionsschutzgesetz, die er in der vergangenen Woche für eine Ausschuss-Anhörung verfasst hat.
"Ein Verweis darauf, dass diese Werte die Belastungsgrenze der Gesundheitsämter in Bezug auf Kontaktpersonennachverfolgung darstellten, ignoriert die Tatsache, dass ebendiese Belastungsgrenze durch diverse Maßnahmen positiv beeinflusst werden kann", schreibt Krause weiter.
Als Beispiel nennt er eine verbesserte Digitalisierung und personelle Ausstattung der Gesundheitsämter. "Aber auch diversen Priorisierungsansätzen zur Effizienzsteigerung der Kontaktpersonennachverfolgung werden solche statischen Grenzwerte nicht gerecht."
"Man riskiert rechtliche Diskussionen"
Krauses Institut gilt als eine der wichtigsten Institutionen für die Bundesregierung. Der Leiter des Helmholtz-Zentrums, der Immunologe Michael Meyer-Hermann, hatte bei der Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag für das Kanzleramt maßgeblichen Einfluss, er war in mehreren vorbereitenden Runden zugeschaltet.
Krause sieht in den Grenzwerten mehrere Risiken: "Durch die Festlegung nicht plausibler, fester numerischer Grenzwerte im Gesetz riskiert man umgehend die nächsten rechtlichen Diskussionen über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen", schreibt er. "Damit wäre das Gegenteil dessen erreicht, was erreicht werden sollte, nämlich eine bessere, rechtsstaatliche, gesetzliche Grundlage für Eingriffe in Grundrechte zugunsten des Pandemieschutzes."
Aus einer internen Übersicht der Bundesregierung zur Corona-Lage © ThePioneerIn fast jedem zehnten Landkreis oder kreisfreier Stadt sind die zuständigen Gesundheitsämter angesichts der Covid19-Pandemie überlastet. Dort erfolge die Durchführung von Infektionsschutzmaßnahmen „aufgrund von Kapazitätsengpässen nicht mehr vollständig“.
Das geht aus einer internen Übersicht der Bundesregierung hervor, die uns vorliegt.
Deutschlandweit sind im Schnitt noch 25 Prozent der aktuell vorhandenen Intensivbetten in Krankenhäuser frei. Deutlich geringer ist der Anteil in Berlin mit 13, in Hamburg und Hessen mit jeweils 20 und Nordrhein-Westfalen mit 21 Prozent.
Innerhalb der Bundesregierung schwelt der Streit über das sogenannte Sorgfaltspflichtengesetz weiter. Es soll größere Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards entlang ihrer Lieferketten verpflichten und einen Beitrag leisten, etwa Kinderarbeit einzudämmen.
Eigentlich hatten Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ihre Eckpunkte bereits Ende August durchs Kabinett gebracht.
Doch beim Thema Haftung sind die Ministerien noch nicht auf einer Linie. Am kommenden Mittwoch, 25. November, will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach unserem Informationen nun mit Müller, Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Kompromissmöglichkeiten ausloten - nicht zum ersten Mal allerdings und wahrscheinlich auch nicht zum letzten.
© ThePioneerAuf - Erfolg für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet: Der Bewerber für den CDU-Vorsitz wird mit dem Elite-Mittelstandspreis 2020 ausgezeichnet. Die Mittelständler würdigen damit Laschets Einsatz für die Unternehmen; seine Landesregierung packe etwa den Ausbau der digitalen und der Verkehrsinfrastruktur an und sorge mit Maßnahmen zur Entbürokratisierung für Entlastungen und Wachstum. Für Laschet ein Lob zur richtigen Zeit und auf einem Feld, auf dem sonst oft Konkurrent Friedrich Merz punktet. Bei uns geht es für ihn bergauf.
Ab - Zurückgetreten ist er bereits: Lorenz Caffier, 14 Jahre Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, hat Konsequenzen aus seinem Waffenkauf im Umfeld der rechtsextremen Gruppe Nordkreuz gezogen. Und doch bleibt der Eindruck, als sehe der CDU-Politiker den Kauf der Glock immer noch als Privatangelegenheit an.
Eigentlich sollte Caffier an diesem Donnerstag im Landtag in Schwerin Rede und Antwort stehen, doch er hat sich krankgemeldet. Es wäre seine Chance gewesen, sich zu erklären. Er lässt sie verstreichen.
„Berlins neues Pannenprojekt“ ist der Text von Jörg Häntzschel über die Probleme des wiederaufgebauten Stadtschlosses in der Süddeutschen Zeitung überschrieben. „Verzögerungen, Schildbürgerstreiche, Lüftungsanlagen: „Die Eröffnung des Humboldt-Forums ist gefährdet“, schreibt der Kollege. Bisher galt der 17. Dezember als Termin gesetzt. Die Geschichte des historischen Projekts sind hier nachzulesen.
Was bedeutet die Ankündigung von Donald Trump, das US-Truppenkontingent in Afghanistan bis Mitte Januar 2021 drastisch zu reduzieren?
Mit dieser Frage beschäftigen sich Thomas Gutschker und Peters Carstens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Gemeinsam rein, gemeinsam raus, lautet das Mantra der Nato, wenn es um Afghanistan geht“, schreiben sie. „Auch deutsche Diplomaten bringen den Satz immer wieder an, wenn man nach der Zukunft des Einsatzes am Hindukusch fragt.“ Starke Analyse!
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Klaus Bouillon, CDU-Politiker und Innenminister des Saarlandes, 73
Katarina Barley, SPD-Politikerin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, 52
Michael Brand, CDU-Bundestagsabgeordneter, 47
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch der Beförderung von Ariane Hildebrandt im Bundesentwicklungsministerium (BMZ) zugestimmt. Hildebrandt ist nun Ministerialdirektorin (Besoldungsstufe B9), sie war bereits zuvor als Leiterin der Grundsatzabteilung im Haus von Minister Gerd Müller (CSU) tätig.
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