Die unendliche Geschichte um den A400M

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© ThePioneer/Henning Schmitter

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Interne Dokumente zeigen neue, schwerwiegende Risiken beim fehleranfälligen Bundeswehr-Transportflugzeug A400M.

  • Stühlerücken im Bundestag: Verteidigungspolitiker wollen einen Übergangs-Sitzungssaal abhörsicher machen lassen, doch die Bundestagsverwaltung lehnt ab.

  • Bei den Personalien stellen wir Ihnen heute einen neuen Botschafter und einen neuen Behördenchef vor - und wir verabschieden (bald) einen verdienten Abgeordneten.

Der Problemvogel

Der Truppentransporter Airbus A400M sollte einst das Prestigeprojekt gemeinsamer deutsch-französischer Rüstungsproduktion werden. Heraus kam allerdings ein vor allem bei Problemen und Verzögerungen einmaliges Projekt. Die Auslieferung der ersten Flugzeuge an die Bundeswehr ließ lange auf sich warten, erst Ende 2014 war es schließlich soweit. Doch auch damit war die Serie der Pannen nicht beendet. Noch immer ist der A400M eines der Rüstungsprojekte mit außergewöhnlich vielen Schwierigkeiten, finanziellen Risiken und Fragezeichen bei der Umsetzung. Dies zeigt der Frühjahrsbericht 2020 über die Rüstungsprojekte der Bundeswehr, in den wir Einblick erhalten haben.

Zwischen Dezember und Mai erhöhte sich demnach die Anzahl schwerwiegender Probleme im Projekt ("Rote Risiken") von 14 auf insgesamt 16. Zusammen mit den weniger gravierenden Schwierigkeiten (“Gelbe Risiken” / “Grüne Risiken”) haben die Fachleute beim A400M insgesamt 38 Problemfelder identifiziert - 35 waren es noch im Dezember. Kein untersuchtes Rüstungsprojekt birgt mehr Risiken in sich.

Rüstungsbericht © ThePioneer

Die Ungereimtheiten beim A400M sind vielfältig. Bei der Kreditrückzahlung droht ein Ausfall für den Bundeshaushalt, weil Hersteller Airbus "wegen unzureichender Exportverkäufe" womöglich seine Verpflichtungen gegenüber der KfW-Bank nicht erfüllen kann. Auf 70 Prozent wird diese Wahrscheinlichkeit geschätzt.

Im Falle hoher Beschleunigung und Belastung des Flugzeugs warnen die Verfasser des Berichts vor einem "übermäßigen Verschleiß und somit zu einer reduzierten Lebensleistung der Propeller" und verbundener Komponenten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit hier: 100 Prozent. Mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit werden weitere Verzögerungen bei der Auslieferung neuer Transportflugzeuge erwartet.

Auch "die Produktionsqualität der ausgelieferten A400M entspricht noch nicht der Erwartungshaltung der Nationen", befinden die Autoren. Dies führe zu Zeitverlusten, da die Probleme abgestellt werden müssten - und schließlich dazu, dass der A400M nicht in Auslandsmissionen eingesetzt werden könne. Das Risiko hierfür wird im Bericht auf 70 Prozent geschätzt. Weitere Probleme umfassen Zertifizierungen, Ausbildungen und Simulatoren. Auch bestünden Risiken, dass Verträge für Unterstützung und Beschaffung nicht erfüllt würden.

Die Transportmaschine A400M hebt in München ab. © dpa

Auf unsere Anfrage bestätigte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums die hohe Anzahl identifizierter Risiken im Projekt. Jedoch sei dies eher ein statistischer Effekt der sogar ermögliche, dass man nicht von Fehlern überrascht werde und einen guten Überblick habe. Aus der Luftwaffe hörten wir, dass der A400M etwa im Einsatz gegen den Isis-Terrorismus erfolgreich eingesetzt werde und die Truppe mit dem Transportflugzeug außerordentlich zufrieden sei.

1. Abhörsicherheit oder Abstand?

Umzugsstress im Deutschen Bundestag. Wegen der Corona-bedingten Abstandsregeln können nach der CDU/CSU-Fraktion nun auch die Sozialdemokraten im Plenarsaal des Reichstages ihre Fraktionssitzungen abhalten. Dafür dürfen die kleineren Fraktionen AfD, Grüne, Linke und FDP die Fraktionssäle von Union und SPD für ihre Sitzungen nutzen. So können nächste Woche alle Fraktionen in voller Personalstärke ihre Sitzungen durchführen und trotzdem Abstand halten.

Der Chef des Verteidigungsausschuss im Bundestag, Wolfgang Hellmich © dpa

Nur für die Verteidigungspolitiker ist die Corona-Pandemie weiter heikel. Die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen sind in dem abhörgeschützten Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses bisher nicht geschaffen worden. Und das bleibt wohl so. Eine entsprechende Bitte des Ausschuss-Vorsitzenden, des SPD-Abgeordneten Wolfgang Hellmich, beschied der Direktor des Bundestages negativ. Eine Ausstattung des Sitzungssaals mit entsprechender Technik sei “mit erheblichen Kosten und einer langen Realisierungszeit” verbunden.

Außerdem müssten die Büros der nicht anwesenden Abgeordneten in den Wahlkreisen oder im Bundestag ebenfalls “in abhörgeschützten Räumen” liegen. “Eine den geheimschutzrechtlichen Anforderungen zum Schallschutz genügende Herrichtung wäre nicht kurzfristig realisierbar”. Fazit: Abstand halten und Abhörsicherheit - beides zusammen geht derzeit nicht.

2. Corona: Wenige Selbstständige beantragen Hartz IV

Für Selbstständige, die wegen der Corona-Krise in Schwierigkeiten gekommen sind, hat die Bundesregierung Soforthilfen bereitgestellt - allerdings lediglich für laufende betriebliche Ausgaben wie Mieten.

Die Unterstützung ist ausdrücklich nicht für private Lebenshaltungskosten bestimmt. Da bleibt nur die staatliche Grundsicherung - doch offenbar wollten viele diesen Schritt zuletzt (noch) nicht gehen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit, die uns vorliegen, beantragten in den Monaten April und Mai 60.500 Selbstständige Hartz-IV-Leistungen - deutlich weniger als von Arbeitsmarktexperten erwartet.

Die Bundesregierung hatte Ende März ein 50-Milliarden-Euro-Programm für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer mit bis zu zehn Beschäftigen gestartet, um in der Krise deren laufenden Betriebsausgaben zu decken. Bisher sind nach einer Aufstellung von Finanz- und Wirtschaftsministerium Hilfen in Höhe von etwa 13,3 Milliarden Euro bewilligt worden.

© The Pioneer

Die Rücklage in der Rentenversicherung ist seit Jahresbeginn um 3,6 Milliarden Euro geschrumpft. Das geht aus einer Übersicht der Deutschen Rentenversicherung Bund zur „Finanzsituation Ende Mai 2020“ hervor, der uns vorliegt. Die Reserve belief sich den Angaben zufolge Ende vergangenen Monats auf 36,9 Milliarden Euro.

Ein Schrumpfen der Rücklagen bedeutet, dass die laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht ausreichend decken. „Die gesamten Beitragseinnahmen stiegen im Monat Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,9 Prozent und erreichten 20,9 Milliarden Euro”, heißt es in der Vorlage.

Auf und Ab mit Daniel Günther und Christine Lambrecht © Henning Schmitter / The Pioneer

Auf - Dieser Sommer hat die Chance, zu seinem zu werden: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird zum Gastgeber eines Sommerurlaubs, den Viele in diesem Jahr an den deutschen Küsten verbringen werden. Heute besucht Günther Sylt, um sich ein Bild von der aktuellen Lage auf der Insel zu machen. Auch in Krisenzeiten regiert der 46-Jährige recht reibungslos trotz komplizierter Jamaika-Koalition. Das ein oder andere kleine Kommunikationsproblem, das sich seine Regierung im Corona-Management geleistet hat, haben bundesweit die Wenigsten registriert, den Kampf um die richtige Schließungs- und Öffnungspolitik hat er getrost seinen Amtskollegen aus Westen und Süden - Armin Laschet und Markus Söder - überlassen - nach dem Motto: Regieren, wenn andere streiten.

Ab - Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat eine Pechsträhne. Zuerst konnte sie nicht plausibel erklären, wieso sie als Sozialdemokratin einen Gesetzesentwurf vorlegt, der die kriminellen Machenschaften von Firmen ahndet ohne die handelnden Manager selbst zu belangen. Nun steht die 54-Jährige in der Kritik, weil sie die Forderung nach Strafverschärfung bei Kinderpornografie zurückweist. Das Thema Kindesmissbrauch ist emotional und heikel - und wer plump fordert, den Besitz von Kinderpornografie nicht als Vergehen, sondern als Verbrechen zu bestrafen, macht es sich zu einfach. Es wäre die Aufgabe der Justizministerin sich vor diese Debatte zu stellen, das Thema öffentlichkeitswirksam und in seiner nötigen inhaltlichen Tiefe anzupacken. Stattdessen lässt sie sich von der Union vor sich her treiben.

Es ist schon der zweite Nachtragshaushalt in diesem Jahr, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gerade erarbeiten lässt - wegen der Corona-Krise. 30 bis 40 Milliarden Euro könnte er umfassen. Am kommenden Mittwoch, 17. Juni, soll das Bundeskabinett nach unseren Informationen bereits grünes Licht geben. Dann ist das Parlament an der Reihe. Der Bundestag könnte sich am 19. Juni erstmals mit dem Zahlenwerk befassen und eine Woche später darüber entscheiden.

Damit die steuerlichen Änderungen des Corona-Konjunkturprogramms verabschiedet werden können und die Senkung der Mehrwertsteuer pünktlich zum 1. Juli umgesetzt wird, plant der Bundesrat eine Sondersitzung. Diese soll nun am Montag, 29. Juni stattfinden - und nicht wie ursprünglich vorgesehen am 26. Juni.

Unsere Leseempfehlung für heute:

Der Youtuber aus Aachen, Rezo, Markenzeichen blaue Haare, hat sich mit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" vor mehr als einem Jahr auch in der analogen Welt einen Namen gemacht. Mit seiner "kritischen Würdigung" der Medienbranche sorgt Rezo nun erneut für Aufsehen. In seinem bis heute 2,8 Millionen Mal abgerufenen Video erhebt er schwere Vorwürfe gegen die Arbeit klassischer Medien, und nimmt sich dabei etwa die FAZ, die Welt und die Süddeutsche Zeitung vor. Angeblich seien 66,67 Prozent der FAZ-Beiträge über ihn fehlerhaft, auch der Welt wirft er eine "Falschbehauptungs-Quote“ von 54,05 Prozent vor, bei der SZ kommt er auf 41,67 Prozent. Der Boulevard- und Regenbogenpresse wirft Rezo Manipulation vor und beklagt, dass Zitate aus dem Zusammenhang gerissen werden. Nun hat FAZ-Politikredakteur Constantin van Lijnden reagiert und wirft Rezo in einem Video "selbstverliebte, pseudosachliche Stimmungsmache" vor. Sollte man sich anschauen.

Heute gratulieren wir zum Geburtstag:

Carsten Körber, Bundestagsabgeordneter (CDU), 41

Wolfgang Bosbach, ehemaliger Bundestagsabgeordneter (CDU), 68

Steffen Moritz, Unterabteilungsleiter Personal, Bundesverteidigungsministerium, 52

Sven Weizenegger wird zum 15. Juni neuer Leiter des "Cyber Innovation Hub" der Bundeswehr. Das Gremium soll die Bundeswehr mit Start-ups aus der Cyber-Security-Welt und IT-Unternehmen vernetzen. Mit der Berufung Weizeneggers holt sich die Truppe einen IT-Praktiker an Bord. Der 38-Jährige war der erste offizielle Hacker der Deutschen Telekom und arbeitete bei dem Bonner Telekommunikationsunternehmen fast zehn Jahre, bevor er bei Start-ups Karriere machte und seine eigene Firma Perseus gründete. Er soll nun auch die Gründerkultur in der Bundeswehr weiterentwickeln.

Fritz Felgentreu, MdB, SPD © dpa

Der SPD-Abgeordnete Fritz Felgentreu wird zum Ende der Legislaturperiode den Bundestag verlassen. Der 51-Jährige ist seit 2013 direkt gewählter Abgeordneter in Berlin-Neukölln. Der Wahlkreis gilt für die SPD als unsicher und schwer zu verteidigen. Im Berliner Landesverband gilt Verteidigungspolitiker Felgentreu mit seinen je nach Sichtweise realpolitischen oder konservativen Positionen als Außenseiter ohne Chance auf Absicherung auf der Landesliste.

Der Diplomat Jürgen Schulz soll im Sommer neuer deutscher Botschafter in der Türkei werden. Schulz ist seit Januar 2017 stellvertretender Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. In Ankara folgt er auf Martin Erdmann, der das Pensionsalter erreicht hat. Schulz war zuvor unter anderem im Bundeskanzleramt tätig und war zwischen 2013 und 2016 stellvertretender Politischer Direktor und Beauftragter für Sicherheitspolitik des Auswärtigen Amtes.

Das letzte Wort von Diana Kinnert © Henning Schmitter / The PioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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