herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.
Unsere Themen heute:
Die Wirtschaftsweisen schlagen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor und bei SPD und Grünen gibt es darüber nicht nur klammheimliche Freude.
Drei Gasversorger haben einen Brandbrief geschrieben, in dem sie die Umsetzbarkeit der Dezember-Hilfe in Frage stellen. Uns liegt der Brief vor.
Die Ampel-Koalition hatte eine Beschleunigung von Verfahren und Genehmigungen versprochen, doch an das EU-Verbandsklagerecht traut sich die Koalition nicht heran.
Die Unionsfraktion fordert Änderungen an der Gas- und Strompreisbremse. Wir wissen, welche.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält eine Beteiligung bei der linken Tageszeitung taz. Wir haben die Hintergründe recherchiert.
Die Bundesregierung plant für den kommenden Haushalt mehr Gelder für Zivilschutzprojekte. Wir sagen, wie viel und für welche.
Steueridee der Wirtschaftsweisen erfreut Rot-Grün
Der Vorschlag des Sachverständigenrats der Bundesregierung („Wirtschaftsweise“), zur sozialen Abfederung der Milliardenentlastungen in der Energiekrise den Spitzensteuersatz zu erhöhen, hat bei SPD und Grünen Zustimmung ausgelöst, in der FDP ist das Entsetzen groß.
Offiziell wollte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht zu dem Vorschlag äußern, er war gestern noch bei der Klimakonferenz COP27 in Ägypten.
Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats wird erst heute veröffentlicht und an die Bundesregierung übergeben, die Forderung war aber bereits gestern in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Der Wirtschaftsberater des Bundeskanzlers, Jörg Kukies, lehnte auf Anfrage einen Kommentar ab.
Im Kanzleramt wird der Vorstoß indes mit Wohlwollen aufgenommen, immerhin hatte Scholz bereits als Bundesfinanzminister in der großen Koalition einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent (derzeit 42 Prozent) angeregt und in einem Zeit-Interview als „gerecht“ bezeichnet. Doch war er damit auf Widerstand in der Union gestoßen.
Nun hat die FDP klar gemacht, dass es mit ihr, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Steuererhöhungen geben werde.
In FDP-nahen Wirtschaftsverbänden wird die Idee zurückgewiesen.
Sarna Röser © imagoSarna Röser, Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer, sagte:
„Deutschland hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem! Statt über Steuererhöhungen den Leistungsträgern der Gesellschaft mehr Geld aus den Taschen zu ziehen, sollte der Staat seine Ausgaben prüfen und reduzieren.“
In der Koalition wird erwartet, dass das Thema beim Koalitionsausschuss an diesem Mittwoch im Kanzleramt angesprochen wird.
Die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe, Parlamentarische Staatssekretärin im Bauministerium, kommentierte den Vorstoß bei Twitter lobend.
„SVR Wirtschaft Gutachten trifft den Nagel auf den Kopf.“
SPD-Politikerin Wiebke Esdar, Sprecherin der Parlamentarischen Linken (PL), sagte uns:
Die Wirtschaftsweisen sind ein wichtiges Beratungsgremium für uns und die Regierung. Darum werden wir ihre Sichtweisen jetzt sicherlich in unsere Diskussionen einfließen lassen und dann hoffe ich auf kluge Entscheidungen, die im Parlament gefällt werden.
Esdar sagte, die Wirtschaftsweise hätte „ein für uns ganz wichtiges Anliegen“ adressiert, das der sozialen Ausgeglichenheit: „Der Grundsatz bleibt, dass starke Schultern auch mehr tragen sollten – besonders dann, wenn große Krisen gemeinsam zu bewältigen sind.“
Gasversorger stellen Dezember-Soforthilfe in Frage
Die drei Gasversorger E.ON, Entega und Enercity haben führenden Abgeordneten der Ampel-Koalition einen Brandbrief geschrieben, in dem sie die Umsetzbarkeit der Dezember-Hilfe in Frage stellen.
In dem Brief, der unserem Kollegen Thorsten Denkler vorliegt, verlangen die drei Versorger dringende Änderungen an dem Gesetzentwurf, der noch in dieser Woche vom Bundestag verabschiedet werden soll. „Ansonsten kann ein Abschlagsverzicht im Dezember nicht erfolgen.“
Gasflamme © imagoUnterschrieben haben den Brief die drei Chefs der Unternehmen, Marie-Luise Wolff (Entega), Susanna Zapreva (Enercity) und Leonhard Birnbaum (E.ON). Adressiert ist der Brief an die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch (SPD), Julia Verlinden (Grüne) und Lukas Köhler (FDP).
Nach dem Verständnis der drei Versorger sei „in der Expert*innen-Kommission Gas und Wärme“ verabredet worden, dass die für Dezember geplante Einmalzahlung an die Gaskunden „in keinem Fall zu einer Belastung der Liquidität der Versorger führen“ dürfe.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Dezember-Soforthilfe gewährleiste jedoch „keine rechtzeitige Erstattung der einmaligen Entlastungsleistung durch den Bund an die Energieversorger“.
Der Bund müsse den Versorgern das Geld für die Abschlagszahlungen spätestens zum 1. Dezember überweisen. Nur so sei die Liquidität der Versorgungsunternehmen und damit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der Bund hat die Kosten der Einmalzahlung mit etwa 9 Milliarden Euro veranschlagt.
Regierung will EU-Klagerecht nicht einschränken
Die Bundesregierung will das europäische Klagerecht für Verbände offenbar nicht einschränken, um Planungen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Das geht aus einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs des Bauministeriums, Sören Bartol (SPD), hervor. Für den Herbst bereite die Regierung ein „weiteres umfassendes Beschleunigungspaket vor“, heißt es darin. Aber: Eine Beschränkung „europarechtlicher Klagemöglichkeiten“ sei bisher „nicht Gegenstand der Bund-Länder-Beratungen“ gewesen.
Christoph Ploß, CDU-Abgeordneter. © dpaDer CDU-Europapolitiker Christoph Ploß kritisiert dies: „Wir werden als Industrieland weder wettbewerbsfähig bleiben noch die Klimaziele erreichen, wenn Planung und Bau einzelner Infrastrukturprojekte weiterhin teils mehr als 20 oder 30 Jahre dauern“, sagte er uns.
Zu häufig könnten bisher einzelne Umweltverbände Projekte zum Infrastrukturausbau oder im Bereich der erneuerbaren Energien mit immer neuen Klagen über Jahre verzögern, so Ploß. „Diese Klagemöglichkeiten müssen daher eingeschränkt werden, etwa indem nach einer bestimmten Frist keine neuen Klagen zu einem Projekt mehr möglich sind.“
Der Medienkanzler: Scholz und seine taz-Anteile
Der Bundeskanzler hält eine Beteiligung an einem deutschen Medienunternehmen – der Berliner Tageszeitung taz. Das teilte Olaf Scholz (SPD), der auch Abgeordneter ist, dem Bundestag mit.
Der taz-Verlag ist seit 1992 eine Genossenschaft mit heute mehr als 22.000 Beteiligten. Das Genossenschaftskapital beträgt nach Eigenangaben rund 19 Millionen Euro. Dass Scholz der taz nahesteht, ist bekannt: Er war es, der als Jurist der taz zum Genossenschaftsmodell geraten hatte, um die Zeitung zu finanzieren.
In einem Interview betonte Scholz noch 2012, bewusst nicht Mitglied geworden zu sein, um „Interessenkollisionen“ zu vermeiden. Seit 2018 ist er nun doch beteiligt.
Olaf Scholz bei dem SPD-Debattenkonvent © imagoEigentlich müssen laut Abgeordnetengesetz nur Beteiligungen von mehr als fünf Prozent offengelegt werden, so muss man zunächst daher auch die taz-Beteiligung auffassen.
Vom Kanzleramt hieß es auf Nachfrage unseres Investigativreporters Christian Schweppe, dass die Beteiligung keineswegs fünf Prozent übersteige und bei rund 1.000 Euro liege. Der Kanzler fühle sich „einer besonderen Transparenz verpflichtet“, hieß es.
Als Dank kann sich der Kanzler übrigens günstig im taz-Shop versorgen: Genossen erhalten 10 Prozent Rabatt.
Wegen Ukraine-Krieg: Mehr Geld für Zivilschutz in Deutschland
Die Bundesregierung will als Reaktion auf den Ukraine-Krieg den Zivilschutz in Deutschland verbessern. Das geht aus der Bereinigungsvorlage für die abschließenden Beratungen zum Bundesetat 2023 im Haushaltsausschuss in dieser Woche hervor.
Konkret will der Bund den Ländern zusätzliche Mittel zur „Betreuung von Bürgern in Krisensituationen“ zur Verfügung stellen – 18,5 Millionen Euro. Das sind drei Millionen Euro mehr als bisher geplant.
Bestimmt ist das Geld unter anderem für das Konzept Labor 5.000. Dabei handelt es sich um eine Art Zelt-Camp, in dem bei Bedarf bis zu 5.000 Menschen „kurzfristig, gleichzeitig und weitgehend autark für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr untergebracht und betreut werden können“. Ziel ist es, das Material für zehn solcher Camps zu beschaffen.
Union will Änderungen an Gas- und Strompreisbremse
Die Unionsfraktion sieht Änderungsbedarf an den Gesetzesvorlagen der Ampel-Regierung zur Gas- und Strompreisbremse. In einem Änderungsantrag, der unserem Kollegen Thorsten Denkler vorliegt, formuliert die Fraktion als erste Forderung, „dass keine Winterlücke entsteht“. Die Gaspreisbremse müsse im Gleichklang mit der Strompreisbremse rückwirkend zum Jahresbeginn wirken.
Die Fraktion hat drei „Schieflagen“ identifiziert, die „dringend beseitigt werden müssen“:
Aus Sicht der Union sorgen die Regierungsvorschläge für eine „soziale Schieflage“. Wer ein geringes Einkommen habe, aber keinen Anspruch auf Wohngeld, der falle durch das Raster. „Hier braucht es zielgerichtete Entlastungen für Geringverdiener“, heißt es in dem Antrag.
Zudem gebe es eine wirtschaftliche Schieflage. Anders als von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versprochen, werde das Energiekostendämpfungsprogramm zum Jahresende abgeschafft, statt es auf Mittelstand und Handwerk in Existenznot auszuweiten. Den Unternehmen fehle jetzt Planungssicherheit, weil über die für Dezember geplante Soforthilfe hinaus nur Eckpunkte und Berichte existieren.
Die Union sieht zudem eine Gerechtigkeitslücke: Entlastungen müsse es auch für die Nutzer von Heizöl und Holzpellets geben. Es reiche nicht aus, sie lediglich im Rahmen einer Härtefallregelung zu unterstützen.
Die Bundesregierung will für Öl- und Pelletkunden bis zu 500 Millionen Euro bereitstellen, die über Sozialämter und Jobcenter ausgezahlt werden sollen.
Köttker übernimmt KfW-Kommunikation
Die frühere Bild- und Focus-Korrespondentin Verena Köttker übernimmt die Kommunikationsabteilung in der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Die 49-jährige PR-Expertin, die zuletzt in ihrem eigenen Beratungsunternehmen tätig war, berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Stefan Wintels und leitet die nun als eigenständigen Bereich geschaffene Kommunikationsabteilung.
Das Gesetz für das geplante bundesweite 49-Euro-Ticket soll in der kommenden Woche vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden.
Das wurde uns in Koalitionskreisen bestätigt.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lässt demnach aktuell vor allem noch einige europarechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem neuen Angebot prüfen.
Ende November soll es eine Anhörung im Bundestag geben, danach könnte das Gesetz rasch beschlossen werden. Unklar ist offenbar unverändert der Starttermin.
Ziel sei weiterhin der 1. Januar. Es könne aber auch Anfang Februar oder Anfang März werden.
Auf - Paul Ziemiak. Er hat eine historische Wahlschlappe der Union als ehemaliger CDU-Generalsekretär mitzuverantworten. Doch der Bundestagsabgeordnete aus dem Sauerland bekommt in NRW eine neue Chance zur politischen Rehabilitation. Ziemiak wird NRW-CDU-Generalsekretär und setzt dabei auch auf die Karriere des Landesvorsitzenden Hendrik Wüst. Man darf gespannt sein. Aufsteiger.
Ab - Armin Schuster. Es ist eine besonders düstere Statistik, die aktuell die Medien beschäftigt. Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte steigt wieder und einen unrühmlichen Spitzenplatz bei den Straftaten nimmt Sachsen ein. Der dort tätige CDU-Innenminister wurde als Polizist im gehobenen Dienst ausgebildet, bevor er in die Politik ging. Er muss klare Kante zeigen und die Täter ausfindig machen.
„Vorwärts, Leute, es geht zurück!“ So laute die etwas widersprüchliche Botschaft, mit der Kanzler Olaf Scholz momentan unterwegs sei, kommentiert Tina Hildebrandt, Chefkorrespondentin der Zeit. Als Klimakanzler, wie er sich im Wahlkampf plakatieren ließ, sehe ihn momentan außer ihm selbst vermutlich niemand. „Schaut man auf die Ziele, die Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft sich selbst gesetzt haben, kann und muss man sagen: zu wenig, zu spät.“ Über den virtuellen Klingelbeutel, der bei der COP27 rumgehe, lesen Sie hier.
Es ist eine kernige Botschaft und ein meinungsstarker Aufruf einiger liberal-konservativen Kräfte in diesem Land. In einem Gastbeitrag für die Welt warnen die frühere Familienministerin Kristina Schröder, der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour, die Ethnologin Susanne Schröter und der Historiker Andreas Rödder vor einer falsch verstandenen Moralität im politischen Diskurs. „Die Grundlagen der freien Gesellschaft und unseres demokratischen Gemeinwesens werden durch populistische und extremistische Rechte ebenso wie durch woke Linke bedroht“, schreiben sie. Berechtigte Anliegen – wie das Überwinden von Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht oder Herkunft – haben sich in den letzten Jahren zu einer „demokratiefeindlichen Ideologie“ entwickelt. Hier geht es zum Text.
Heute gratulieren wir herzlich:
Björn Engholm, ehem. Bundesminister und Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, 83
Joachim Riecker, ehem. Sprecher von Kulturstaatsministerin a.D. Monika Grütters, 59
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre