unsere Themen heute:
Entwicklungsministerin Svenja Schulze kämpft auf verlorenem Haushalts-Posten. Fünf Beispiele für (fragliche) Projekte.
Ein ungewöhnlicher Vorschlag soll Arbeitsanreize für Rentner erhöhen. Wir kennen die Details.
Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit für einen Ahrtal-Sonderbeauftragten.
AKW-Affäre: Union erhöht Druck auf Robert Habeck.
Novum! Die Union richtet eine Fraktions-Enquete-Kommission ein.
Um mehr als zehn Prozent soll der Etat des Entwicklungsministeriums 2025 schrumpfen. Ministerin Svenja Schulze soll mit 9,9 Milliarden Euro statt 11,1 wie dieses Jahr auskommen. So will es Finanzminister Christian Lindner. So ist es mit dem Kanzler abgesprochen.
Die Entwicklungsministerin hingegen fordert 12,2 Milliarden Euro. Jetzt gehen die Verhandlungen los.
Wir hören aus Regierungskreisen: Für Schulze gibt es kaum Spielraum.
Der Grund: Entwicklungshilfe ist aus Sicht vieler entbehrlich – die Bereiche Verteidigung, Wirtschaft und (in der Kanzlerpartei) Sozialstaat gehen vor. Im Fünf-Punkte-Haushaltsplan macht die FDP klar:
Gelingt uns (der wirtschaftliche Aufschwung) nicht, können wir auch international nicht mehr zu den größten Geldgebern z. B. der Entwicklungshilfe gehören.
Sogar gleich 20 Milliarden an Entwicklungshilfen will Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (über das BMZ hinaus) einsparen.
Wolfgang Kubicki © Anne HufnaglDabei ist der Etat für das Entwicklungsministerium in der aktuellen Legislaturperiode schon beachtlich geschrumpft. Zwischen 2022 und 2024 um 20 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Entwicklungsetat: Die Schrumpfung
Entwicklung des Budgets für das BMZ sowie Planung für 2025, in Milliarden Euro
Wie berechtigt ist also die Kritik an den Entwicklungsgeldern? Wir haben die BMZ-Datenbanken durchforstet und mit Experten gesprochen. Fünf Beispiele, fünf Antworten:
Beispiel: Gender-Training für Sozialarbeiterstationen in China (522.000 Euro zugesagt)
Obwohl Deutschland seit 2010 offiziell keine Entwicklungshilfe mehr an China zahlt, taucht das Land im Etat auf. Der Grund: Organisationen, die das BMZ finanziell unterstützt, dürfen sich ihre Projekte eigenständig aussuchen. Die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe hat sich in diesem Fall China ausgesucht. Einsatzzweck: äußerst fragwürdig.
Beispiel: UN Women (26 Millionen Euro zugesagt)
Nach dem 7. Oktober haben die FDP-Politiker Till Mansmann und Claudia Raffelhüschen einen Brief an die vom BMZ großzügig unterstützte Organisation geschrieben, warum sie zu den Verbrechen der Hamas an Frauen schweige. „Wir haben noch nicht mal eine Antwort bekommen“, berichtet uns Mansmann. Die Gelder für „UN Woman“ gehören deshalb auf den Prüfstand, meint der entwicklungspolitische Sprecher der FDP.
Till Mansmann © BMBF/Hans-Joachim RickelBeispiel: Fahrradwege in Peru (20 Millionen Euro zugesagt)
Klimaschonende Maßnahmen im Ausland wirken sich auch auf die Klimabilanz Deutschlands positiv aus. Und diese können eventuell günstiger sein als im Inland. Wie groß der Nutzen des vielfach belächelten Projekts in Peru für das Klima ist, darf allerdings bezweifelt werden.
Beispiel: Aufbau eines Impf-Technologiezentrum in Südafrika (21,2 Millionen zugesagt)
Auch ärmere Länder sollten schneller auf Epidemien und Pandemien reagieren können und perspektivisch eigene Impfstoffe für Krankheiten wie Aids, Malaria oder Tuberkulose herstellen können. Klares Eigeninteresse Deutschlands: erkennbar.
Beispiel: Smart Grid Development in Ägypten (50 Millionen Euro zugesagt)
Nur 36 Prozent des Volumens der aktuell laufenden Projekte sind Zuschüsse. Ein Großteil der Ausgaben des BMZ – wie die in den Ausbau Stromnetzes in Ägypten – sind zinstragende Kredite der KfW, die sich refinanzieren. Bilanz: Win-Win.
Smart Grid © ImagoDass Deutschland berechtigtes Interesse an vielen der BMZ-Projekte habe, müsse man mehr in den Vordergrund rücken, argumentiert Mansmann. „Dann hätten wir auch gute Begründungen, warum der Entwicklungshaushalt nicht mehr zusammengespart werden darf als andere Haushalte.“
Der Vorschlag seines Parteikollegen Kubicki geht ihm „deutlich zu weit“. Er gibt zu bedenken:
Deutschland ist stark exportorientiert. Vor dem Hintergrund wäre es naiv und unklug, nicht in internationale Beziehungen zu investieren.
Ähnlich sieht es Mansmanns CDU-Kollege Volkmar Klein: „Desto genauer man hinschaut, desto weniger kann man diese pauschalen Forderungen nach Kürzungen so nachvollziehen“, sagt er uns.
Fazit: Entwicklungshilfe ist keine altruistische Luxusangelegenheit, sondern eine politische Notwendigkeit. Umso wichtiger ist, dass jedes Projekt hinterfragt wird.
Rentenvorschlag: Kündigungsautomatismus beenden
Beim Rentenstreit macht ein ungewöhnlicher Regierungsvorschlag die Runde, der die Arbeitsanreize für Ältere erhöhen, aber nichts kosten würde.
Die Idee: den Kündigungsautomatimus von Arbeitsverträgen vor der Rente beenden.
Die Lage: Das deutsche Recht sieht zwar gar nicht vor, dass Arbeitsverhältnisse beim Renteneintritt automatisch auslaufen. Aber: „Vereinbarungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag führen regelmäßig mit Erreichen der Regelaltersgrenze zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, bestätigt das Ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unserem Kollegen Christian Schlesiger.
Arbeitsminister Hubertus Heil © ImagoDie Folge: Liegt so eine „Altersgrenzenvereinbarung“ vor, „endet das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt ‚automatisch‘, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ Der erzwungene Job-Stopp beim Übergang in die Rente ist also gelebte Praxis. Heutige 66-Jährige werden also zum Nichtstun gedrängt, weil sie die Regelaltersgrenze erreichen.
Dieser Arbeitsstopp-Mechanismus könnte im Rahmen der geplanten Wirtschsaftswende-Reformen verschwinden, hören wir. In welcher Form, ist noch unklar. Und ob Hubertus Heil da mitgeht, lässt das BMAS offen. Allerdings bestätigt sein Haus, „die freiwillige Erwerbstätigkeit im Alter weiter zu steigern“.
AKW-Affäre: Union erhöht Druck auf Habeck
Der Fraktionsvorstand der Union diskutierte am Montag die Option eines Untersuchungsausschusses zum Atom-Ausstieg. Die Fraktion wolle darüber in Absprache mit Friedrich Merz und Alexander Dobrindt in der nächsten Sitzungswoche entscheiden, sagte Unions-Fraktionsvize Jens Spahn gestern in der Arbeitsgruppe Wirtschaft.
Der Grund: Laut Union bestehe weiterhin der Verdacht, dass die Abschaltung der letzten drei Atommeiler politisch beeinflusst war. Wirtschaftsminister Robert Habeck war zuletzt unter Druck geraten, als Unterlagen aus seinem Ministerium zu der Entscheidungsfindung nach einem Gerichtsbeschluss herausgegeben werden mussten.
Dazu solle in dieser Woche „die Rampe“ gebaut werden. Heißt: Gründe für die Notwendigkeit zusammengetragen werden. In einem internen Vermerk aus dem Büro Spahn wurden dazu die Unterlagen und Antworten aus dem Wirtschaftsministerium ausgewertet.
Jens Spahn © imagoSchwärzungen: Unterlagen würden „in großem Umfang“ fehlen und seien „umfassend geschwärzt“, heißt es darin. Dabei erkennt die Union kein „einheitliches, nachvollziehbares Schema bei den Schwärzungen“.
Über Umwege: Die Union vermutet außerdem, dass in der Kommunikation mit dem Parlament „offenbar bewusst an Ausschuss und Opposition vorbei korrespondiert“ wurde.
Von oberster Stelle: Kritisiert wird auch, dass in dem Material keine einzige fachliche Ministervorlage enthält. Bei einem Thema dieser politischen Tragweite wäre es „erstaunlich“, schreibt die Union, wenn es diese nicht gäbe.
Zum Download: Interner Vermerk Union
Novum: Union richtet Fraktions-Enquete ein
Die Unionsfraktion wird nach dem Vorbild der parteiübergreifenden Enquete-Kommission eine Fraktions-Enquete zum Thema Sicherheit und Frieden in Europa einrichten, wie wir aus Unionskreisen erfuhren.
In der Fraktions-Enquete werden knapp 15 Mitglieder, Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Ausschüssen wie Außen und Verteidigung sowie Wissenschaftler gemeinsam beraten.
Norbert Röttgen © imagoDie Leitung übernehmen Norbert Röttgen (CDU) und Thomas Silberhorn (CSU). Das Gremium soll noch im Mai eingerichtet werden und vor der Sommerpause 2025 einen Bericht mit einer sicherheitspolitischen Gesamtanalyse und politischen Vorschlägen vorlegen.
Es ist in dieser Form ein Novum. Den Vorschlag machte der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz am Montag im Fraktionsvorstand. Gestern wurde die Fraktion informiert.
Kein Sonderbeauftragter für das Ahrtal
Seit der Flutkatastrophe vor drei Jahren laufe der Wiederaufbau im Ahrtal schleppend, findet die Bauausschuss-Vorsitzende im Bundestag, Sandra Weeser (FDP). Das liege vor allem an der komplizierten Vergabe der Hilfsmittel aus dem Ahrtal-Fonds.
In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Rheinland-Pfalz-Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Staatssekretärin im Finanzministerium Katja Hessel, der unserer Kollegin Laura Block vorliegt, adressiert Weeser das Problem. Sie schlägt in ihrem Schreiben daher einen Ahrtal-Beauftragten vor, um den „andauernden Wiederaufbau zwischen Bund und Ländern zu koordinieren und damit zu beschleunigen“.
Doch die Absage kam prompt – aus dem Bundeskanzleramt und auch aus dem FDP-geführten Finanzministerium. Die jeweils zuständigen Staatssekretärinnen Sarah Ryglewski und Katja Hessel sehen keinen Handlungsbedarf – wie aus ihrem Antwortschreiben hervorgeht, das uns ebenfalls vorliegt.
Sandra Weeser (FDP), Vorsitzende Bauausschuss Bundestag © IMAGO / photothek„Das ist für die Menschen im Ahrtal ein Schlag ins Gesicht“, sagt Weeser. Es sei den Helfern vor Ort nicht zu vermitteln, warum drei Jahre nach der Katastrophe „nicht schnell administrative Klarheit hergestellt wird.“
Der Handelskrieg zwischen China und den USA geht in die nächste Runde: Am Dienstag kündigte US-Präsident Joe Biden eine weitere deutliche Erhöhung der Zölle auf chinesische Elektroautos an.
Seit der Trump-Ära ziehen die Zölle deutlich an. Joe Biden hat den Kurs seines republikanischen Vorgängers nicht verändert.
Eine Infografik mit dem Titel: USA vs. China: Importzölle im Handelskrieg
Entwicklung der Zölle zwischen den USA und China in Prozent.
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Höcke-Prozess: Das Landgericht Halle verurteilt den AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro. Die Richter teilten die Ansicht der Staatsanwaltschaft, dass der Rechtsextremist die SA-Parole „Alles für Deutschland“ bei einem Auftritt wissentlich verwendet hatte. Höcke hat nun eine Woche Zeit, um Revision einzulegen.
Die Asylreform ist besiegelt. Damit endet eine fast zehnjährige Debatte. Die nun in Kraft tretenden Asylregeln sollen Verfahren vereinfachen und sehen eine verpflichtende Umverteilung von Migranten vor.
Mindestlohn: Kanzler Olaf Scholz hat im Stern eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns „erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro“ gefordert.
Bewegungsmelder: Die Unionsfraktion schafft einen neuen Posten und benennt Daniela Ludwig zur Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland. Gitta Connemann, Vize-Präsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagt uns:
Olaf Scholz © imagoAngesichts des immer aggressiveren Antisemitismus ist das Bekenntnis zum jüdischen Leben in Deutschland und zu Israel existenziell. Für mich, für uns in der Union ist dies ein Herzensanliegen.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck besuchen die Deutsche Industrie- und Handelskammer.
Der Kanzler empfängt anschließend die Bundespräsidentin der Schweiz, Viola Amherd.
Die Sitzungswoche beginnt: Familienministerin Lisa Paus und Arbeitsminister Hubertus Heil stellen sich den Fragen der Abgeordneten.
Das Kabinett befasst sich mit einer Reform für die Krankenhäuser.
Die Wirtschaftsweisen stellen das Frühjahrsgutachten 2024 vor.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Verkehrsminister Volker Wissing sprechen auf der „Rise of AI Conference“.
Auf – Salome Surabischwili. Mit der Verabschiedung des „Agenten-Gesetzes“ torpediert die Regierungspartei in Georgien den europäischen Kurs der Kaukasus-Republik. Die Menschen gehen in Massen auf die Straße. Nun eilt ihnen die Präsidentin Surabischwili zur Hilfe. Sie will ihr Veto gegen das umstrittene Gesetz einlegen und positioniert sich klar pro-europäisch. Mutig!
Ab – Karl Lauterbach. Schulbesuch für Fortgeschrittene: Im Käthe-Kollwitz-Gymnasium im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg diskutiert der Gesundheitsminister mit Schülern über die Cannabis-Legalisierung und gerät – wider Erwarten – in die Bredouille. Entgegen dem Ruf ihres traditionell linksgrünen Bezirks sehen die Teenager die Legalisierung nämlich skeptisch. Lauterbach gerät beinahe in ein Verhör und sieht nach anderthalb Stunden Podiumsdiskussion ganz schön ermattet aus!
Heute gratulieren wir herzlich:
Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, 69
Irmingard Schewe-Gerigk, ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete, 76
Martin Sonneborn, EU-Abgeordneter, 59
Regina van Dinther, frühere NRW-Landtagspräsidentin, CDU, 66
Stefan von Holtzbrinck, Verleger, 61
Nina Warken, CDU-Bundestagsabgeordnete, 45
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre