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Unsere Themen heute:
Der harte Lockdown kommt nach Weihnachten. Vorübergehend. Am kommenden Sonntag will Angela Merkel mit den Länderchefs Verschärfungen umsetzen.
Der CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen punktet bei der Frauen-Union und wildert im Lager von Armin Laschets Unterstützern.
Der Bund plant ein Elektroauto-Schnellladenetz mit 1.000 Standorten. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) arbeitet gerade an einer Rechtsgrundlage.
Der einsame Weg der Angela M.
Am Mittwochmorgen in der Generaldebatte des Bundestags war eine andere Kanzlerin zu sehen. Angela Merkel war emotional, flehend, fast verzweifelnd. Nicht ohne Grund: Denn mehr und mehr hat die gelernte Wissenschaftlerin Probleme, ihre Ideen in der Corona-Politik durchzusetzen: harte und schnelle Kontaktbeschränkungen.
Die Ministerpräsidenten sträuben sich, wollen bei Schulen, Handel und Maßnahmen ihr eigenes Ding machen, bis zuletzt schaukelte sich ein Grundsatzstreit um die Frage hoch, ob vor Weihnachten überhaupt noch eine Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) stattfinden soll, um weitere Maßnahmen angesichts der hohen Infektionszahlen zu verabreden. Merkel beobachtete mit Sorge, wie sich erstmals eine Front zwischen SPD- und Unionsgeführten Ländern auftat. Die SPD-Länder ließen Merkel noch zu Beginn der Woche abblitzen: Ein Gespräch sei aktuell nicht notwendig, hieß es.
Einigung auf eine Konferenz am Sonntag
Gestern Abend schließlich doch die Einigung - ein Teilerfolg für Merkel: Am Sonntag wollen sich die Länder mit der Kanzlerin nun zu einer kleinen Version der Ministerpräsidentenkonferenz zusammenschließen - sofern sich die Zahlen nicht bessern. Die soll auf Wunsch der SPD-Länder kürzer ausfallen, die Papiere sollen rechtzeitig vorher verfasst, auch mit den SPD-Ministerien und den SPD-geführten Ländern abgestimmt und durchgewunken werden.
Immerhin, heißt es im Kanzleramt. Der Frust wuchs zuletzt, auch über Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Der mache sich in der Corona-Krise abseits der finanziellen Fragen einen schlanken Fuß, klagt mancher, er sei kaum mal öffentlich für ein härteres Vorgehen gegen die Pandemie eingetreten. Die SPD-Seite dagegen kritisiert, dass die Unions-Länder für die Lösung der höheren Infektionszahlen immer nach bundesweiten Beschlüssen verlangen.
Nun dürfte der Maßnahmenkatalog der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften in zentralen Punkten umgesetzt werden, heißt es bei SPD und Union.
Im Kern: Alles außer Tankstellen, Supermärkte und Apotheken soll nach Weihnachten bis Anfang Januar dicht gemacht werden. Auch die Geschäfte im Einzelhandel. Auch die Glühweinstände. Und wenn es nach der Kanzlerin geht, sollen auch die Schulen möglichst ab dem 15. Dezember in die vorzeitigen Ferien gehen. Die Leopoldina unterstreicht diese Maßnahme in ihrer aktuellen Stellungnahme:
"Bei Schülerinnen und Schülern hat die Inzidenz in allen Altersgruppen in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen."
Der Schwellenwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner sei den letzten sieben Tagen in den Schulen deutlich überschritten worden, "besonders deutlich bei den 10-19-Jährigen".
Die aktuellen Maßnahmen reichten jedenfalls nicht aus. Auch Merkel hatte im Bundestag am Vormittag mit Blick auf den milden November-Lockdown eingeräumt:
Die Trendumkehr ist ausgeblieben.
Die Kultusminister bleiben dennoch skeptisch. In einer Schaltkonferenz der CDU mit dem bayerischen Ressortchef Michael Piazolo von den Freien Wählern und der FDP-Kollegin Yvonne Gebauer aus Nordrhein-Westfalen hieß es, dass man dem Kurs der Kanzlerin und der Leopoldina nicht folgen werde.
Die Infektionszahlen in den Schulen seien verschwindend gering, wird argumentiert.
„Den drastischen Schritt der flächendeckenden Schulschließungen wollen wir zwingend vermeiden, weil wir aus der Zeit im Frühjahr gelernt haben“, sagte uns Susanne Eisenmann, CDU-Kultusministerin in Baden-Württemberg.
Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU in Baden-Württemberg © dpa"Wir wissen, dass Kinder und Jugendliche im Präsenzunterricht unter Anleitung der Lehrerin oder des Lehrers am meisten lernen und auch der Kontakt mit Mitschülerinnen und Mitschülern für die persönliche Entwicklung und die Seele nicht zu unterschätzen ist.“
Eisenmann ist überzeugt: Ein landesweiter Stillstand für die Bildung wäre nicht verhältnismäßig.
Ob sich die Länder am Sonntag auf eine Ausweitung der Schulschließungen einigen, ist daher noch fraglich. Konsens scheint aber zu sein, dass alles andere weitgehend dicht gemacht werden soll.
1. Scheuer plant Schnelllade-Gesetz für E-Autos
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will mit einem neuen Gesetz den Ausbau eines Schnellladenetzes für E-Autos vorantreiben. Das geht aus einer Ministeriumsantwort auf eine FDP-Anfrage hervor, die uns vorliegt.
2021 sollten 1.000 Standorte ausgeschrieben werden, „die zusammen ein verlässliches, schnelles, verbraucherfreundliches und großvolumiges Schnellladenetz für ganz Deutschland bilden werden“.
Wirtschaftsminister Altmaier hat seine Pläne für ein einheitliches Bezahlsystem an Stromtankstellen vorgelegt. © dpaPro Standort soll es mehrere Ladepunkte geben, jeweils mit einer Mindestleistung von 150 Kilowatt. „So werden Langstreckenfahrten und das schnelle Laden in dicht besiedelten Gebieten erleichtert“, so das Verkehrsministerium. Mit dem Gesetz soll eine Rechtsgrundlage für die Ausschreibung geschaffen werden.
Den Angaben zufolge gab es Ende Oktober deutschlandweit 35.602 Ladepunkte, die meisten davon in Bayern mit 7.605. In Nordrhein-Westfalen waren es 6.368, in Baden-Württemberg 5.418 und in Berlin 1.261.
FDP-Verkehrsexpertin Daniela Kluckert sagte uns: „Damit die E-Mobilität attraktiver wird und die Autos ihren Ruf als Ladenhüter loswerden, muss an der Reichweite und der Dauer des Strom-Tankens gearbeitet werden.“
Die Bundesregierung habe Hebel, nutze sie aber nicht: „Gerade einmal 14 Prozent aller Ladepunkte sind Schnellladesäulen."
2. Röttgen punktet bei der Frauen-Union
Der Kandidat für den Vorsitz der CDU, Norbert Röttgen, hat mit einem offenbar überzeugenden Auftritt bei der Frauen-Union Punkte im CDU-internen Rennen um den Vorsitz gesammelt.
Bei seinem Auftritt im Bundesvorstand der Frauen-Union vor einigen Tagen signalisierte Röttgen seine volle Unterstützung für die angestrebte Frauenquote in den Parteigremien und in den Aufsichtsräten in der Wirtschaft. Röttgen positionierte sich auch als klarer Gegner des von der damaligen rot-grünen Regierung 2002 umgesetzten Prostitutionsgesetzes, das heute als Einladung für Menschenhandel und Ausbeutung missbraucht werde.
Die Parität im Kabinett soll kommen
Im Bundeskabinett werde es CDU-seitig eine Parität geben müssen, soll Röttgen laut Teilnehmerinnen gesagt haben. Die Beteiligung der Frauen in den Spitzenfunktionen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sei die "wichtigste einzelne Modernisierung", die die CDU noch leisten müsse.
"Er hat klare Ziele, er ist präzise in den Aussagen und er will die CDU in der Mitte positionieren. Das kam sehr gut an", berichtete uns eine Teilnehmerin. Merz habe bei der Frauenquote eine andere Alternative vorgeschlagen, Laschet sei gut gewesen und auch bei der Frauenquote klart. "Aber Röttgen hatte die meisten Ideen mitgebracht."
© dpaNorbert Röttgen war als letzter Kandidat zu Gast bei der Frauen-Union, zuvor waren auch Armin Laschet und Friedrich Merz im Vorstand vorstellig geworden.
In den vergangenen Tagen hat auch Norbert Röttgens neue designierte Chefstrategin für das Konrad-Adenauer-Haus, Ellen Demuth, bisher rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete, in Berlin Werbung für Röttgen gemacht und sich mit Mitgliedern des Vorstands der Frauen-Union getroffen. Dabei betonte Demuth immer wieder auch, dass ein CDU-Chef Röttgen die Themen Klima, Bildung, Landwirtschaft, Tierwohl und Kultur nach vorne stellen werde.
3. CDU-Führung rechnet mit digitalen Parteitag
Am kommenden Montag will CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dem Bundesvorstand eine Entscheidungsvorlage für den Bundesparteitag der CDU am 16. Januar präsentieren. Die Vorbereitungen auch für einen digitalen Parteitag seien weitgehend abgeschlossen, heißt es in der CDU-Führung. Mehrere Präsidiumsmitglieder rechnen angesichts des hohen Infektionsgeschehens inzwischen mit einem rein digitalen Parteitag.
Ein Präsenzparteitag mit 1001 Delegierten sei derzeit kaum vorstellbar, auch ein dezentraler Parteitag an zehn oder mehr Orten mit jeweils 100 Delegierten dürfte schwierig werden, wenn das Infektionsgeschehen anhalte.
© Media PioneerAn der dritten Variante - ein hundertprozentig digitaler Parteitag mit den Bewerbungsreden der Kandidaten aus einem Sendestudio der Berliner Messe heraus - wird deshalb seit Tagen intensiv gearbeitet. Das Szenario: eine digitale Vorabstimmung über die Kandidaten soll per Briefwahl bestätigt werden. Dabei sollen auch die Mitglieder des Präsidiums und des Vorstands einzeln gewählt werden. Dies sei juristisch möglich.
Knapp eine Woche später könnte das Ergebnis feststehen, heißt es.
Das Bergisch Gladbacher IT-Unternehmen Gahrens + Battermann soll bereits für die technische Umsetzung des digitalen Wahlparteitags angefragt worden sein.
Aus einer internen Übersicht der Bundesregierung © ThePioneerSeit zwei Wochen kann die so genannte Novemberhilfe von Unternehmen, die vom aktuellen Teil-Lockdown betroffen sind, beantragt werden. Das Volumen der bislang 151.474 Anträge beläuft sich auf 2,51 Milliarden Euro. Das geht aus einer internen Übersicht des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die uns vorliegt.
Demnach summieren sich die erfolgten Abschlagszahlungen auf 403 Millionen Euro. Das entspricht 16,1 Prozent des bisherigen Antragsvolumens. Die weitaus meisten Anträge stammen aus Nordrhein-Westfalen mit rund 28.700. Es folgen Bayern (24.500), Baden-Württemberg (19.300) und Berlin (13.300).
Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), die auch Partner von ThePioneer ist, wird erstmals nach über fünf Jahrzehnten nicht wie geplant zu Beginn des Jahres stattfinden. Ursprünglich war die MSC unter Leitung von Botschafter a.D. Wolfgang Ischinger für den 19. bis 21. Februar im Bayerischen Hof in München geplant.
“Wir werden weiterhin mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um zeitnah ein Datum für die MSC 2021 festzulegen. Die Bekanntgabe erfolgt, sobald dies von den zuständigen Behörden bestätigt werden kann”, ließ Ischinger mitteilen.
Wolfgang Ischinger auf der Pioneer One. © Credit: Anne HufnaglEin neuer Termin wird nun abgestimmt. Denkbar wäre eine Lösung in den Frühlings- oder Sommermonaten - so verfährt etwa das Davoser Weltwirtschaftsforum, das im kommenden Jahr zudem nach Singapur umziehen will.
Die MSC soll zum ersten Mal als hybride Konferenz stattfinden, mit zahlreichen digitalen Angeboten. Dadurch werde die Teilnahme von Teilnehmern, die nicht nach München reisen können, sichergestellt.
© ThePioneerAuf - Logistisch ist es ein Kraftakt. Wer über 60 Jahre alt ist oder einer Risikogruppe angehört, soll für die nächsten Monate 15 FFP-2-Masken erhalten - gegen eine geringe Eigenbeteiligung. Gesundheitsminister Jens Spahn bewegt sich mit dieser milliardenschweren Aktion politisch in die Gefahrenzone. Millionen Gutscheine müssen gedruckt und verschickt werden. Was auch immer hier schiefgeht, kann für Spahn gefährlich werden. Nichtstun wäre allerdings auch keine Option gewesen. Für den Minister geht es deshalb bei uns bergauf.
Ab - Für das Spitzenpersonal einer Partei, die bundesweit auf ein Tempolimit dringt, gelten besondere Maßstäbe, wenn es um das eigene Fahrverhalten geht. Franz Untersteller, Umweltminister der Grünen in Baden-Württemberg, wird sich über die Rücktrittsforderungen, die es nun gegen ihn gibt, nicht wundern dürfen. 177 km/h auf der Autobahn 8, wo 120 erlaubt sind - der Temposünder aus dem Kabinett von Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht nun massiv unter Druck. „Es tut mir leid“, bittet er um Verzeihung. Für Untersteller geht es bergab.
In seiner neuen Kolumne vermisst Zeit-Herausgeber Josef Joffe das transatlantische Verhältnis - und die Aussichten für Entspannung im Verhältnis zwischen den Regierungen in Berlin und Washington. „Joe Biden ist ein Lieber, der sein Land wieder auf den Pfad multilateraler Tugend zurückführen will – beim Klimaschutz oder Freihandel. Es hat indes auch betont, dass Amerika wieder seine Führungsrolle 'am Kopf der Tafel' einnehmen werde“, schreibt Joffe. „Ein Unterschied lässt sich nicht wegbügeln. Amerika ist die Welt-, Deutschland die Fast-Großmacht, die sich nicht traut. Und Europa ist zu zerrissen, um mit einer Stimme zu sprechen und seinen märchenhaften Reichtum in strategische Münze umzuwandeln.“ Hier geht es zum Text.
Das Handelsblatt berichtet über die Versuche innerhalb der Bundesregierung, nach monatelangem Hin und Her doch noch das umstrittene Sorgfaltspflichtengesetz unter Dach und Fach zu bringen. Das Paragrafenwerk soll die Einhaltung von Menschenrechts-Mindeststandards in globalen Lieferketten absichern. „Nach Angaben aus Regierungskreisen wird auf Staatssekretärs- und Ministerebene intensiv darüber gesprochen, das Lieferkettengesetz doch noch zügig auf den Weg zu bringen“, schreiben Moritz Koch und Frank Specht. Sie schildern, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) strafrechtliche Konsequenzen für Verstöße verhindern möchte. Hier geht es zur Analyse der Kollegen.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, 59
Götz Hamann, Wirtschaftsjournalist der Zeit, 51
Im Wahlkreis Frankfurt West (WK 182) erhält der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer Konkurrenz um die Nominierung für den kommenden Bundestag. Gegen Zimmer kandidieren Martin Heipertz und Axel Kaufmann. Bei einem lokal durchgeführten “Pitch” der Jungen Union lag dabei der Ökonom Heipertz vorne - er ist unter anderem ehemaliger Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank und des Bundesfinanzministeriums. Im kleinen Maßstab geht es auch um eine Richtungsentscheidung. Zimmer gilt als Anhänger von Norbert Röttgen im Rennen um den Parteivorsitz, Heipertz favorisiert Friedrich Merz.
© ThePioneerVor dem EU-Gipfel, der an diesem Donnerstag startet, hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen möglichen Kompromissvorschlag im Streit über die milliardenschwere Finanzplanung der Europäischen Union vorgelegt.
Die Frage ist, ob es auf dieser Grundlage gelingt, die Blockade Ungarns und Polens zu lösen. Hintergrund war der Streit um den EU-Rechtstaatsmechanismus gewesen. Die Aussicht auf eine Einigung löste am Mittwoch in Berlin Erleichterung aus.
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