Faesers Hessen-Problem

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte eigentlich Hessens Ministerpräsidentin werden - doch sie zögert bei der Frage der Spitzenkandidatur. Zu lange?

  • Zwei der drei deutschen AKW sollen in die Notreserve. Und keiner weiß so recht, wie. Wir klären ein wenig auf.

  • Durch die Geländegewinne in der Ukraine werden die Rufe nach neuen Waffen laut - die Verteidigungsministerin zögert und sorgt in der Koalition für Kritik.

  • Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Kliniken dazu bringen, das Pflegepersonal aufzustocken - das Gesetz dazu geht am Mittwoch ins Kabinett.

Die zögernde Ministerin

Eigentlich schien der Plan perfekt gewesen zu sein: Als etablierte Bundesinnenministerin würde Nancy Faeser als Spitzenkandidatin im Landtagswahlkampf 2023 in Hessen antreten. Nach Jahren sollte sie das Land für die SPD zurückgewinnen. Seit 1999 kann die SPD nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen.

Mittlerweile scheint dieser Plan nicht nur nicht aufzugehen: Er wird zum Problem. Plötzlich stehen die Umfragen miserabel, binnen 11 Monaten ist aus einer klaren Führung ein fast uneinholbarer Rückstand geworden. Schon jetzt sieht es nach einem Duell aus zwischen Amtsinhaber Boris Rhein (CDU) und seinem Koalitionspartner, Tarek Al-Wazir (Grüne).

Boris Rhein (CDU), Hessischer Ministerpräsident, und Nancy Faeser (SPD) beim "Hessenfest" in der Hessischen Landesvertretung am 06. Juli 2022. © dpa

Die SPD und ihre mutmaßliche Spitzenkandidatin dagegen haben den Wahlkampf noch gar nicht begonnen. Faeser hat sich auch noch immer nicht erklärt und will damit auch noch Monate warten. „Wir sind überhaupt nicht auf dem Platz“, klagt ein Genosse aus Hessen.

Die aussichtslose Lage entwickelt sich zunehmend zu einem sich selbst verstärkenden Problem: Die Spitzenkandidatur wird immer unattraktiver, das Amt in Berlin dagegen interessanter.

Ohnehin will Faeser einen umstrittenen Schachzug wagen: Sie will, so hören wir aus mehreren Quellen, sowohl während des Wahlkampfes Ministerin bleiben als auch im Falle einer Niederlage.

Nancy Faeser © dpa

"Uns droht die Röttgen-Falle", heißt es in der SPD. 2012 war Norbert Röttgen für die CDU in Nordrhein-Westfalen gescheitert – auch, weil er sich nie dazu bekannte, auch als Oppositionsführer wechseln zu wollen.

In der SPD wird an führender Stelle im Bund das Risiko relativiert: Faeser habe als Oppositionsführerin im Landtag schließlich bewiesen, dass ihr Hessen am Herzen liege.

Zudem erzählen Faesers Leute gerne das Beispiel des CDU-Politikers Manfred Kanther, der 1995 ebenfalls nur im Falle eines Sieges nach Hessen wechseln wollte.

Doch auch bei diesem Vergleich rümpfen die Genossen die Nase. Der im Rahmen der Spendenaffäre verurteilte Kanther als Vorbild für eine SPD-Spitzenkandidatin?

Mit jedem Tag steigt der Druck, sich zu erklären. Sophie Frühwald, Juso-Chefin in Hessen, sagte unserem Kollegen Michel Krasenbrink:

Wir können diese Entscheidung nicht ewig aufschieben. Das muss mit dem Programm einhergehen. Und die Partei muss Zeit haben, sich aufzustellen.

Auch die mächtigen Bezirksvorsitzenden, Timon Gremmels (Nord) und Kaweh Mansoori (Süd), haben bereits gefordert, dass Faeser sich bald entscheiden müsse.

Doch die will bis zum Hessen-Gipfel im Januar warten. „Wenn wir Pech haben, ist bis dahin schon alles verloren“, heißt es in der Partei.

Die gesamte Analyse zur Lage in Hessen lesen Sie hier:

Die halbe Wahlkämpferin

Nancy Faeser wollte Innenministerin werden und dann Hessen erobern - nun droht eine schwere Pleite.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Gordon Repinski Michel Krasenbrink.

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Hauptstadt – Das Briefing

Weniger als 2000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz

Für Deutschland sind derzeit 1.995 Soldaten der Bundeswehr im Ausland stationiert. Das geht aus einem internen Bundeswehrbericht hervor, den wir erhalten haben. Die meisten Bundeswehrsoldaten (1.084) sind aktuell in der MINUSMA-Mission in Mali im Einsatz.

Unter allen eingesetzten Soldaten befinden sich 179 Frauen, das sind rund 11 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte der Bundeswehrsoldaten im Ausland sind Unteroffiziere. Nur 13 der ingesamt fast 2000 Soldaten leisten momentan ihren freiwilligen Wehrdienst.

Robert Habeck © imago

Warten auf die AKW-Entscheidung

Klappt es jetzt mit der Notfallreserve, in die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zwei der drei verbliebenen deutschen AKW schicken will? Oder ist das technisch gar nicht möglich, wie der Betreiber von Isar II, PreussenElektra, in einem Brief an Habeck erklärte?

Für das zweite in Frage kommende AKW Neckarwestheim ist EnBW der Betreiber. Anders als PreussenElektra ist dort die Auskunftsfreude gering.

Es gebe über alle Fragen weiter Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium, erklärte der Konzern unserem Kollegen Thorsten Denkler auf Nachfrage.

Da heißt es abwarten. Und sortieren.

Das hat der Kollege getan und hier die zehn wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Atom-Debatte zusammengetragen.

Zehn Fragen zur Atomkraft in Deutschland

Was bringt ein Streckbetrieb der deutschen AKW? Was eine Notfallreserve? Wir haben 10 Antworten.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Thorsten Denkler.

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Hauptstadt – Das Briefing

Ukraine-Waffen: Parlamentsgruppe widerspricht Lambrecht

Weil die Ukraine derzeit zunehmend von Russland besetzte Gebiete zurückerobert, wird in Berlin die Frage schwerer Waffenlieferungen neu diskutiert. Die Ukraine will Leopard-2-Panzer, doch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) meint, die Bundeswehr könne nichts abgeben – sie brauche das Gerät selbst zur Landes- und Bündnisverteidigung.

Der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Robin Wagener (Grüne), kritisiert das: „Deutschland kann und muss mehr für den Frieden in der Ukraine tun. In den erfolgreichen Befreiungen der vergangenen Tage sehen wir den militärischen Mehrwert der westlichen Waffenlieferungen.“

Die Ukraine brauche nun dringend mehr Schlagkraft: Die Bundeswehr könne geschützte Fahrzeuge wie Mungo oder Fennek, aber auch Panzer wie Fuchs, Marder oder Leopard sehr wohl entbehren, so Wagener. "Unsere Freiheit wird nicht auf Gefechtsübungsplätzen der Bundesrepublik, sondern an der Front in der Ukraine verteidigt."

Vorgaben für mehr Pflegepersonal in Krankenhäusern

Karl Lauterbach © Anne Hufnagl

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Krankenhäuser in Deutschland dazu verpflichten, mehr Pflegepersonal auf ihren Stationen einzusetzen.

Das geht aus einem Gesetzentwurf für ein „Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz“ hervor, der uns vorliegt und an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

Wörtlich heißt es darin:

Für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Pflegekräfte in den Krankenhäusern ist eine angemessene Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus essenziell.

Das Gesetz sieht vor, Mindeststandards für die Patientenversorgung festzuschreiben - und zwar anhand eines von verschiedenen Akteuren entwickelten („PPR 2.0“) Personalbemessungsinstruments. Beteiligt waren daran unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Gewerkschaft Verdi.

Werden die Zielmarken für das Personal auf den Stationen dauerhaft unterschritten, soll es Sanktionen geben. Details dazu müssen vom Gesundheitsministerium jedoch erst noch festgelegt werden.

Einige Bereiche sollen von den Vorgaben ausgenommen werden, unter anderem die OP-Pflege, Anästhesie und Intensivmedizin.

Das Gesetz erhält auch eine Öffnungsklausel, die dann zum Tragen kommen soll, wenn beide Tarifvertragsparteien das wünschen. Sogenannte Entlastungstarifverträge gibt es bereits an der Berliner Charité, in Nordrhein-Westfalen und an der Universitätsklinik Mainz.

Kühnert kündigt Comeback auf Twitter an

Kevin Kühnert  © Anne Hufnagl

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat nach seinem überraschenden Rückzug am Montag bereits ein mögliches Comeback bei Twitter angekündigt. "Das wird keine dauerhafte Entscheidung sein", sagte Kühnert in einem Instagram-Gespräch mit Parteichef Lars Klingbeil. Sie sei "für den Moment" getroffen.

Kühnert begründete seine Entscheidung damit, dass er zuletzt auf Twitter "kaum noch etwas geschrieben" habe. "Ich habe viel über mein Informationsverhalten reflektiert", sagte der SPD-Politiker.

Und weiter:

Ich bin immer stärker zum Schluss gekommen, dass ich das, was ich an ausgewogener Information brauche, an Nachdenklichkeit brauche, nicht auf Twitter finde.

Die Kritik an Kühnerts Aussagen zu Russland seien "nur der Stein des Anstoßes" gewesen. Anmerkung der Autoren: Wir kommen dennoch hierzu nicht an einer zweiten Erwähnung in diesem Newsletter herum.

Parteichef Klingbeil äußerte sich verhalten zum Ausstieg Kühnerts. "Ich weiß gar nicht, ob ich gut finde, dass du dich da abmeldest", sagte er.

In der Kabinettssitzung am 12. Oktober soll der Entwurf eines Gesetzes zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen sie gewonnen wurden, beraten werden (TierHaltKennzG ). Das geht aus der internen Kabinettzeitplanung hervor.

Mit dem Gesetz müssen in Zukunft Lebensmittel verpflichtend gekennzeichnet werden, wenn die Tiere in Deutschland gehalten wurden und in Deutschland verkauft werden.

Den Anfang macht ein Gesetzesentwurf für die Kennzeichnung von frischem Schweinefleisch, nach der Verabschiedung vom Kabinett wird er der EU zur Notifizierung vorgelegt, im Herbst im Bundesrat beraten und Ende des Jahres ist die erste Lesung im Bundestag vorgesehen.

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Auf - Susanne Ozegowski ist seit Kurzem Digital-Chefin des Gesundheitsministeriums. Die Public-Health-Expertin hat nicht die klassische Beamtenlaufbahn hinter sich, war Unternehmensberaterin und Strategie-Chefin einer Krankenkasse. Im Ministerium verantwortet sie ein Thema, das ihr Chef Karl Lauterbach zum neuen Schwerpunkt erklärt hat. Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist so viel im Argen, dass Ozegowski eigentlich nur gewinnen kann. Unsere Aufsteigerin!

Ab - Kevin Kühnert. Noch einmal der SPD-General: Er befürchtet, Russland könnte "irrational" handeln, wenn Deutschland westliche Panzer an die Ukraine liefern sollte. Mit dieser Analyse trat er am Montagmorgen im ntv-Interview auf - und erweckte den Eindruck, die russische Führung hätte bisher rational agiert. Unser Absteiger!

Es sei nur gerecht, dass es bei ständiger Verletzung von Pflichten auch zu Sanktionen kommt, kommentiert RND-Korrespondent Tobias Peter die Bürgergeld-Pläne von Arbeitsminister Heil. Klar sei: "Das Bürgergeld bedeutet alles andere als anstrengungslosen Wohlstand." Aber es werde auch aus den Steuern vieler Menschen finanziert, "die wenig verdienen und trotzdem jeden Tag zur Arbeit gehen." Spannender Kommentar!

Verteidigungsministerin Lambrecht hatte Deutschland am Montag in einer Rede zur militärischen Führungsmacht erklärt, sich aber gegen Panzerlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler kommentiert dazu: Es sei richtig, dass die Bundesregierung bei der Frage der Panzerlieferungen für die Ukraine keinen Alleingang unternehme. "Doch müssen die westlichen Verbündeten sich auch gegenseitig fragen, zu welchem Zweck sie die Ukrainer unterstützen." Von der Bundesregierung erfahre man dazu nichts. Die Worte seien größer als die Taten. Lesenswert!

Friedrich Merz: Die Verwandlung

Der neue CDU-Chef rückt die Partei nach links. Ein Kommentar von Michael Bröcker.

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Veröffentlicht von Michael Bröcker .

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Heute gratulieren wir herzlich:

Monika Lazar, ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete, 55

Ulrike Zeitlinger-Haake, bei Podimo verantwortlich für die inhaltliche Ausrichtung und Umsetzung aller Podimo-exklusiven Podcasts, 53

Tom Bartels, ARD-Sportkommentator, 57

Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender der Grünen in NRW, 29

Noemi Mihalovici, Pioneer-Video-Chefin, 34

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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