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Unsere Themen heute:
Gerhard Schröder muss seinen Aufsichtsratssitz bei Herrenknecht abgeben, die Mitgliedschaft bei Borussia Dortmund ist in Gefahr. Und die Ampel-Koalition prüft, ob seine Amtsausstattung gekürzt werden kann.
Wir rekonstruieren die letzten Tage und Wochen des Altkanzlers und haben mit Weggefährten, Freunden und seinem Biografen gesprochen.
Mithilfe von LNG-Terminals will Kanzler Olaf Scholz russisches Gas durch Flüssiggas ersetzen. Die Bundesregierung hat bereits für 1,5 Milliarden Euro Gas einkauft, um Speicher in Deutschland aufzufüllen.
Hat die russische Eroberung der Atomruine von Tschernobyl erhöhte Radioaktivität zur Folge - und sollten wir uns jetzt mit Jodtabletten eindecken? Wir fragen nach bei der Chefin des Bundesamts für Strahlenschutz.
In der CDU gehen die Meinungen darüber auseinander, ob ein vorgezogener Kohleausstieg noch möglich ist. Wir haben die Details.
Deutschland stellt sich auf Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Wir kennen genaue Zahlen.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Hartz IV reformieren. Erst einmal setzt er die Sanktionen aus. Wir wissen mehr.
Politik und Wirtschaft auf Distanz zu Gerhard Schröder
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder gerät durch seine Freundschaft zu Russlands Machthaber Wladimir Putin ins politische und gesellschaftliche Abseits.
Wie wir exklusiv berichteten, haben alle vier Mitarbeiter Schröders wegen seiner Weigerung, seine Mandate in russischen Staatsunternehmen niederzulegen, ihren Job gekündigt.
Nun hat Schröder sein Mandat im Kontrollgremium des Tunnelbohrmaschinenherstellers Herrenknecht abgegeben, es drohte der Rauswurf.
Die Ehrenmitgliedschaft bei Borussia Dortmund soll ihm entzogen werden, wenn er nicht seine Ämter in Russland niederlegt, heißt es von dem Verein.
Die Universität Göttingen will an diesem Mittwoch über den Entzug der Ehrendoktorwürde Schröders diskutieren.
Es ist ein dramatischer Verlust an gesellschaftlicher Anerkennung.
Vergangene Woche teilte Schröders langjähriger Büroleiter Albrecht Funk seinem Chef mit, dass er nicht weiter für ihn arbeiten wolle - bei "allem Respekt vor seiner Leistung als Kanzler", wie Funk ihm versichert haben soll.
Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder © ImagoNun erfahren wir, dass die Haushaltspolitiker in der Ampel-Koalition rechtlich prüfen lassen, ob und wie die Ausstattung (Personal plus Büro) eines früheren Bundeskanzlers gekürzt werden kann, wenn von seinem Wirken oder seinen Äußerungen ein erheblicher Schaden für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ausgeht.
2021 betrug die finanzielle Ausstattung für das Altkanzler-Büro rund 400.000 Euro.
Wladimir Putin und Gerhard Schröder © dpaDas Bundeskanzleramt, Dienstherr der Schröder-Mitarbeiter, muss die früheren Mitarbeiter des Altkanzlers nun wieder zurücknehmen.
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt Schröder neues Personal verwehrt, sei indes unwahrscheinlich. Dies sei rechtlich schwierig, eine Änderung müsste für alle früheren Regierungschefs und -chefinnen gelten, heißt es.
Schröder hält bisher an seinen Aufsichtsratsmandaten bei Nord Stream 2 sowie dem russischen Staatsunternehmens Rosneft fest.
Ein langjähriger Freund, der in den vergangenen Tagen mit Schröder Kontakt hatte, sagte uns:
“Gerd reagiert auf Druck genau anders, als es alle verlangen.”
Er werde sich nicht korrigieren. "Dann hat er eben alle gegen sich. Das kennt er ja."
In der NRW-SPD fordern manche ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder. In der Parteispitze wird dies aber skeptisch gesehen, ein Verfahren sei langwierig, heißt es.
Wie sich Schröder in der Russland-Frage verrannte und was er jetzt vorhat, lesen Sie hier.
Bundeswehr-Chat: Sicherer – aber sehr teuer
Für Entwicklung und Betrieb eines eigenen Bundeswehr-Messengers hat das Verteidigungsministerium mindestens 8,3 Millionen Euro gezahlt.
Das geht aus parlamentarischen Anfragen sowie einem IFG-Antrag hervor, den unser Investigativreporter Christian Schweppe gestellt hatte.
Damit werden erstmals Kosten des Prestigeprojektes (Sicher. Flexibel. Open Source.) bekannt.
Der Messenger wurde entwickelt, damit Soldaten sicher kommunizieren können – WhatsApp im Dienst ist verboten. Der Bundeswehr-Kanal ist verschlüsselt, Daten werden auf eigenen Servern gespeichert.
Allein das Personal beim IT-Dienstleister BWI kostete dafür 475.000 Euro, Entwicklungsleistungen von Sub-Firmen 340.000 Euro.
Welche zivilen Partner eingebunden sind, hält die Bundeswehr unter Verschluss.
Screenshot aus dem Bundeswehr-Messenger © The PioneerFDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein sagte: “Der Messenger ist ein sinnvolles Projekt, das es der Truppe erleichtert, unkompliziert im Berufsalltag zu kommunizieren.“
Andere kritisieren die Kosten: Auch, weil die Bundeswehr zusätzlich 50.000 Lizenzen eines anderen Messengers erprobt und zeitweise parallel genutzt hatte (Stashcat).
Wie teuer dies war, ließ das Verteidigungsministerium offen. Der BWMessenger soll mindestens bis Ende 2023 laufen und bald eine Sprach- und Videofunktion erhalten. Zudem ist die „Anbindung von Drittsystemen im Rahmen des Internet of Things“ geplant.
Der Fall zeigt: Wie die Bundeswehr mit Geld umgeht, wird vor dem Hintergrund ihres neuen Sondervermögens genau beobachtet bleiben.
Bundesweit 380.000 Ukraine-Flüchtlinge erwartet
Nach Angaben der Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann wird in Deutschland zunächst mit mehreren Hunderttausend Flüchtlingen aus der Ukraine gerechnet.
„Wir müssen damit rechnen, dass Deutschland zu den Ländern gehören wird, die in größerer Zahl angelaufen werden“, sagte uns die Grünen-Politikerin am Dienstag. Nach ersten Prognosen seien bundesweit 380.000 Flüchtlinge zu erwarten.
Bremen hätte nach dem Königsteiner Schlüssel knapp ein Prozent aufzunehmen - etwa 3.800. „Darauf müssen wir uns vorbereiten, die ersten Schritte sind eingeleitet“, so die Senatorin weiter.
Am Donnerstag entscheiden die EU-Innenminister offiziell über den Status der Flüchtlinge in Europa. Geplant ist, dass Geflüchtete aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen müssen und zunächst ein Jahr vorübergehenden Schutz in der EU erhalten.
Tschernobyl: Amt für Strahlenschutz gibt Entwarnung
Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) haben die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine bislang keine erhöhte radioaktive Strahlung zur Folge.
"Nach allem, was wir wissen, ist keine Radioaktivität ausgetreten - weder in Tschernobyl noch an anderen Stellen in der Ukraine", sagte uns die Präsidentin des BfS, Inge Paulini.
Dr. Inge Paulini, Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz. © BILDKRAFTWERK/Holger KohlDie BfS-Präsidentin betont:
Radiologische Auswirkungen auf Deutschland sind nach dem Stand der verfügbaren Informationen nicht zu befürchten.
Dennoch wachse hierzulande die Ungewissheit: "Wir stellen eine erhöhte Zahl an Nachfragen fest. Angst und Sorgen sind groß."
Mit unserer Kollegin Marina Kormbaki sprach die BfS-Präsidentin Paulini über den Umgang mit der Drohung eines russischen Atomschlags, die Aussicht auf längere Laufzeiten hiesiger Kernkraftwerke - und über den zweifelhaften Nutzen von Jodtabletten.
Erstes LNG-Terminal frühestens in vier Jahren
LNG (liquefied natural gas) ist Erdgas, das durch Abkühlung verflüssigt und stark komprimiert wird. So lässt es sich leicht per Schiff transportieren. An LNG-Terminals wird LNG in seinen gasförmigen Zustand zurückversetzt und ins Gasnetz geleitet. © ImagoDas erste LNG-Terminal an Deutschlands Küsten dürfte in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein fertiggestellt werden - allerdings frühestens in vier Jahren.
„Vier bis fünf Jahre halte ich für total realistisch“, sagte Bernd Buchholz (FDP), Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.
Aktuell läuft das Planfeststellungsverfahren. Buchholz plädiert, bei Klagen gegen Projekte wie diese die Zahl der Instanzen zu verringern. Außerdem soll sich der Bund am Konsortium beteiligen, das dieses Terminal betreiben will.
Die Investitionssumme wird auf bis zu 500 Millionen Euro geschätzt. Wirtschaftlich sei das Projekt nur, wenn es über 20 Jahre betrieben werde. Das aber könne nicht garantiert werden. Daher sei der Staat gefragt.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sagte uns, in Stade seien die Planungen für ein LNG-Terminal schon recht weit.
Noch bis Ostern sollen die Unterlagen der privaten Investoren eingereicht werden.
Auch Wilhelmshaven habe hervorragende Standortmerkmale - etwa wegen seiner bestehenden Hafeninfrastruktur, des unmittelbaren Zugangs zum europäischen Gasnetz sowie küstennaher Speicherkapazitäten.
Regierung kauft für 1,5 Milliarden Euro Gas - zum Einspeichern
© dpaDie Bundesregierung hat für 1,5 Milliarden Euro Gas eingekauft, um Speicher in Deutschland aufzufüllen. Das geht aus einem Schreiben von Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, an den Bundesrat hervor.
Das Ministerium gab grünes Licht für einen Antrag des Wirtschaftsministeriums, ohne vorher - wie sonst in vergleichbaren Fällen üblich - den Haushaltsausschuss des Bundestages zu konsultieren.
Die erste Gaslieferung sollte bereits am Dienstag erfolgen, so die Begründung des Finanzministeriums. Die Zahlungen müssten „sehr zeitnah“ geleistet werden.
Angesichts historisch niedriger Füllstände der hiesigen Speicher plant die Regierung gesetzliche Vorgaben für deren Betreiber. Jeweils Anfang Oktober eines Jahres sollen die Speicher zu mindestens 80 Prozent gefüllt sein müssen, Anfang Dezember zu 90 Prozent.
Heil will Hartz-IV-Sanktionen bis Ende 2022 aussetzen
SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil. © dpaBundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Sanktionen bei Hartz IV bis zum Jahresende aussetzen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums hervor, der uns vorliegt.
Damit setzt Heil Vereinbarungen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag um, der auch die Einführung eines Bürgergeldes vorsieht.
„Als Zwischenschritt zu einer gesetzlichen Neuregelung werden die Sanktionen befristet bis zum 31. Dezember 2022 ausgesetzt“, heißt es in dem Entwurf.
„Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten neu regeln.“
Wegen Ukraine-Krieg: CDU uneins über Kohleausstieg
Kohlekraftwerk © dpaAngesichts des Krieges in der Ukraine gibt es in der CDU unterschiedliche Positionen zur Frage, wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen soll: 2038 wie bislang vereinbart oder 2030, wie im Ampel-Koalitionsvertrag anvisiert.
„Wenn wir uns nicht mehr auf Energie aus Russland verlassen können, müssen wir unsere Stromversorgung anders sichern“, sagte uns Sven Schulze (CDU), Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt. „Ich plädiere dafür, den vereinbarten Pfad für den Kohleausstieg nicht zu verlassen und bei 2038 als Jahr für den Ausstieg zu bleiben.“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dagegen am Dienstag, er halte einen früheren Kohleausstieg bis 2030 weiterhin für möglich.
Erstmals Details über verschwiegene Lobbyfirma
Wenige Stunden vor Ablauf der offiziellen Anmeldefrist zum 1. März hat sich die Lobbyagentur EUTOP Europe GmbH doch noch im neuen Lobbyregister eintragen lassen.
Demnach vertritt das Unternehmen unter anderem diese Kunden gegenüber Parlament und Bundesregierung: Bayer AG, Infineon, FlixMobility, Deutsche Post, Huawei, Edeka, Microsoft – und die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann.
Bislang war die Tätigkeit von Eutop im Regierungsviertel kaum transparent.
Welche Lücken das neue Lobbyregister hat und welche Rolle Eutop darin genau spielt, haben unsere Reporter Rasmus Buchsteiner und Christian Schweppe kürzlich analysiert:
Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin wird heute offiziell neuer Westbalkan-Beauftragter der Bundesregierung. Das Kabinett wird die Personalie, über die wir an dieser Stelle bereits berichteten, in seiner heutigen Sitzung beschließen.
Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin. © Stefan KaminskiDer Posten ist neu. Außenministerin Annalena Baerbock will damit die Annäherung der Region an die EU verstärkt vorantreiben. Der langjährige Bundestagsabgeordnete Sarrazin hat sich parteiübergreifend einen Ruf als Kenner Ost- und Südosteuropas erarbeitet. Bei der Bundestagswahl 2021 verpasste der Hamburger den Wiedereinzug ins Parlament. Ab heute sitzt Sarrazin auf der Regierungsbank.
Am Donnerstag, 17. März 2022, soll der Bundestag erstmals über die dann vorliegenden Gesetzentwürfe für eine mögliche Corona-Impfpflicht beraten. Vorgesehen sind 70 Minuten Debatte, wie wir hören.
Im Zuge der Ausschussberatung soll es dann Gespräche über mögliche Kompromisse geben: Etwa zwischen der Gruppe, die sich für eine Impfpflicht ab 18 ausspricht, und der Unionsfraktion, die eine Impf-Verpflichtung unter bestimmten Bedingungen - verbunden mit einem Register - befürwortet. Bis zur Debatte in zwei Wochen sei nicht mit einer Verständigung unter Beteiligung der Union zu rechnen, heißt es.
Auf - Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionschefin blieb in der Russland-Krise lange unsichtbar, doch damit ist es jetzt vorbei. Die CDU-Politikerin steht in der Konfrontation mit Wladimir Putin einem Staatenbund vor, der so entschlossen, geeint und tatkräftig auftritt wie wohl nie zuvor. Das ist auch ihr Verdienst. Aufsteigerin.
Ab - Friedrich Merz. Die neue Wehrhaftigkeit der Ampel-Koalition bringt den Oppositionsführer von CDU und CSU in die Bredouille. In Krisenzeiten muss die Opposition zur Regierung stehen, so weit, so nachvollziehbar. Aber dass Friedrich Merz nun ein Sondervermögen für die Bundeswehr mittragen soll, während seine Partei gleichzeitig gegen das Sondervermögen für den Klimaschutz klagt, ist ein schwieriger Spagat. Oder anders: ein unmöglicher. Heute unser Absteiger!
Das ZDF blickt dem Drehstart für eine Produktion zum CumEx-Skandal entgegen: Los geht es Anfang 2023. Basis der 8-teiligen Serie ist die jahrelange Arbeit insbesondere der Kollegen Oliver Schröm und Christian Salewski. Spannend!
Auch wir haben zuletzt ausführlich über die deutschen Waffenlieferungen für die Ukraine berichtet. SZ-Kollege Ronen Steinke ist nicht nur Reporter, sondern auch Jurist und im Völkerstrafrecht promoviert. Er beantwortet die Frage: Ist Deutschland jetzt Konfliktpartei?
Ina Ruck wiederum studierte Slawistik, Politologie und Publizistik. Schon während ihres Volontariats arbeitete sie im ARD-Studio Moskau. Später wurde sie Korrespondentin und leitete das Büro, genauso bei ARD Washington. Inzwischen ist Ruck zurück im Osten, ihre Expertise hilft jetzt sehr. Folgebefehl!
Heute gratulieren wir herzlich:
Eva Quadbeck, stellv. Chefredakteurin Redaktionsnetzwerk Deutschland, 52
Inge Gräßle, CDU-Bundestagsabgeordnete, 61
Michael Fischer, Kanzler-Korrespondent der dpa, 52
David Denk, Medienredakteur, Süddeutsche Zeitung, 41
Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur ARD-Aktuell, 38
Hannes Walter, SPD-Bundestagsabgeordneter, 38
Josefine Paul, Grünen-Fraktionschefin im Landtag von NRW, 40
Thomas von Sarnowski, Grünen-Vorsitzender in Bayern, 35
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre