Sachverständigenanhörung

Haushalt 2024: Das Urteil der Gelehrten

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • Elf Sachverständige beleben heute die Debatte über den Haushalt 2024. Drei von ihnen aus unterschiedlichen Lagern kommen hier schon vorab zu Wort.

  • Das Finanzministerium weitet die Ausgabensperre mit sofortiger Wirkung auf fast den ganzen Haushalt 2023 aus.

  • Biokraftstoffe könnten in der EU vor dem Aus stehen, wenn im EU-Parlament gegen einen CO₂-Korrekturfaktor gestimmt wird.

  • Deutschlands Außenwirtschaftsagentur GTAI ist schwerer von einem Cyberangriff betroffen als gedacht.

  • Kann der Linken-Abgeordnete André Hahn nach der Auflösung seiner Fraktion weiter die Geheimdienste kontrollieren?

  • Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft plant Patenschaften für den Bürokratieabbau.

Das Urteil der Gelehrten

Der Showdown der Professoren startet heute um elf Uhr – und wird live übertragen. Elf Sachverständige werden in einer digitalen und öffentlichen Anhörung vom Haushaltsausschuss befragt. Einziger Tagesordnungspunkt: Darf der Bundestag den Haushalt 2024 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wie geplant verabschieden?

Unser Kollege Christian Schlesiger hat drei Sachverständige vorab gesprochen – sowohl aus dem Unions- als auch dem Ampel-Lager. Sie unterscheiden sich beim Zeitplan, aber weniger im Grundsatz. Hier eine Kurzzusammenfassung:

Der Zeitplan:

Für die Unions-Experten ist klar: Der Haushaltsausschuss dürfe den Bundeshaushalt am Donnerstag „so nicht beschließen“, sagt Thiess Büttner, Ökonom an der Uni Erlangen-Nürnberg.

Verfassungsrechtler Hanno Kube von der Uni Heidelberg ergänzt: Das Parlament werde sich wohl „mehr Zeit nehmen müssen“. Begründung: Einzelne Programmpunkte aus dem Klima- und Transformationsfondsmüssen in Zukunft möglicherweise aus dem Kernhaushalt finanziert werden“, so Kube. „All das ist zu klären.“

Eine Infografik mit dem Titel: Geplante Ausgaben im Klima- und Transformationsfonds 2024

Programmausgaben, Entwurf 2024, in Tausend Euro

Jens Südekum, Ökonom der Uni Düsseldorf und Sachverständiger der SPD-Seite, widerspricht: Es gebe zwar „Wechselwirkungen zwischen dem KTF und dem Kernhaushalt“, aber „die Verschiebungen bei den Investitionen lassen sich später lösen“. Die Ampel-Koalition könnte den Kernhaushalt für 2024 bis Anfang Dezember beschließen und „bei Zeiten über einen Nachtragshaushalt nachdenken“.

Jens Südekum © imago

Die Abrechnung:

Für beide Seiten steht außer Frage: „Die Politik muss jetzt bei den Ausgaben und Einnahmen priorisieren“, sagt Büttner. „Die Politik muss jetzt einen umfassenden Kassensturz machen.“ Es gebe zwei Optionen: sparen oder neue Einnahmen suchen.

Thiess Büttner © imago

Südekum sieht Einsparmöglichkeiten bei der Intel-Fabrik in Magdeburg oder der Strompreisförderung für die Industrie. Oder aber: „eine Reform der Schuldenbremse“.

Die Zukunft:

Langfristig muss sich etwas ändern, darüber sind sich alle einig. „Alle Staatsorgane haben die Pflicht, (…) verfassungsgemäße Sondervermögen auszugestalten“, sagt Kube, also auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Prof. Hanno Kube © dpa

Südekum hält „eine grundsätzliche Debatte“ für notwendig – „zusammen mit der Union“. Der Staat müsse „handlungsfähig bleiben“. Auch die Union könne „nicht dafür sein, Spielräume für Investitionen zu verbauen“. Schließlich wolle sie irgendwann regieren.

Fazit: Drei Experten, aber nicht drei Meinungen. Die ganzen Interviews lesen Sie hier: Hanno Kube, Thiess Büttner und Jens Südekum.

Finanzministerium verhängt Ausgabensperre für alle Ministerien

Weiter unter Druck setzen dürfte die Anhörung im Haushaltsausschuss heute morgen die verhängte Haushaltssperre für dieses Jahr.

Finanzministerium in Berlin © imago

Das Finanzministerium hat die Ausgabensperre, die zunächst nur für den KTF verhängt wurde, auf fast den gesamten Bundeshaushalt 2023 ausgeweitet. Der Grund: Man wolle weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre vermeiden, verkündete der zuständige Staatssekretär Werner Gatzer am Abend laut übereinstimmenden Medienberichten per Rundschreiben.

Betroffen sollen alle Ministerien und auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sein. Ausgenommen sind unter anderem die Einzelpläne für Bundestag, Bundesrat oder das Bundespräsidialamt. Die Verpflichtungsermächtigungen werden mit sofortiger Wirkung gesperrt; Auszahlungen soll es nur noch in besonderen Einzelfällen geben.

EU-Abstimmung: Biokraftstoffe vor dem Aus?

Am heutigen Dienstag stimmt das EU-Parlament über eine Verschärfung der CO₂-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge ab. Laut EU-Kommission sollen dadurch die Emissionen ab 2030 um 45 Prozent und ab 2040 um 90 Prozent sinken.

In der Abstimmung wird es auch um den Carbon Correction Factor (CCF) gehen – dieser Mechanismus würde die CO₂-Einsparung durch erneuerbare Kraftstoffe bei den CO₂-Flottengrenzwerten der Fahrzeughersteller berücksichtigen.

Der federführende Umweltausschuss und der EU-Rat sprachen sich gegen den CCF aus, ebenso Deutschland. Diese Position begründet der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Christian Kühn (Grüne), in einer parlamentarischen Anfrage des CDU-Abgeordneten Henning Rehbaum so: „Die Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge lehnen einen CCF mit großer Mehrheit entschieden ab.“

Parlamentarischer Staatssekretär Christian Kühn © imago

Die eFuel Alliance und der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) erwarten, dass das EU-Parlament den CCF auch ablehnen wird, erfuhr unsere Kollegin Claudia Scholz. Das hätte schwere Folgen unter anderem für die Produzenten von Biodiesel. Branchenvertreter sagen, dass Biokraftstoffe ohne CCF keine Zukunft haben. Denn Fahrzeughersteller werden ohne CCF keinen Anreiz mehr haben, Verbrennerfahrzeuge anzubieten. Biokraftstoffe wären so ein sterbender Markt.

VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann warnt:

Selbst bei einem starken Hochlauf der Elektromobilität werden Biokraftstoffe auf absehbare Zeit weiter gebraucht. Es ist unrealistisch, die EU-Emissionsziele ohne CCF zu schaffen.

VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann © VDB

Hoffnung macht der Branche eine Revisionsklausel, die der Rat verankert hat: 2027 soll die EU-Kommission überprüfen, ob nicht doch ein CCF notwendig ist, um die Emissionsziele im Schwerlastverkehr zu erreichen.

Cyberangriff: Außenwirtschaftsagentur stark getroffen

Die deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing (Germany Trade and Invest – kurz: GTAI) ist die Visitenkarte Deutschlands für ausländische Investoren – und durch eine Cyberattacke nun schon seit sechs Monaten nicht erreichbar. Die Mitarbeiter können weder auf Server noch Daten zugreifen. Das erfuhr unsere Kollegin Claudia Scholz.

Hinter dem Angriff steckt eine in Deutschland aktive Erpresserbande, die sogenannte Ransomware einsetzt, also Schadsoftware. Mit dieser werden die Server der Opfer verschlüsselt und Daten abgesaugt. Als Einfallstor diente den Kriminellen eine bekannte Schwachstelle.

Auch ein weiteres bundeseigenes Unternehmen, die Deutsche Energie-Agentur, wurde vor wenigen Tagen von einer Ransomware-Gang angegriffen. Seitdem geht nichts mehr.

Mehr zu den Cyberangriffen lesen Sie hier:

Cyberangriff trifft Deutschlands Außenwirtschaftsagentur schwerer als gedacht

Die bundeseigene Germany Trade & Invest ist seit sechs Monaten durch eine Cyberattacke lahmgelegt.

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Veröffentlicht von Claudia Scholz.

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Kann André Hahn weiter Geheimdienste kontrollieren?

Im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) bahnt sich ein Streit um den Verbleib des Linken-Angeordneten André Hahn in dem Gremium an, sobald sich seine Fraktion aufgelöst hat, hört unser Kollege Thorsten Denkler.

André Hahn, Linke © dpa

Das PKGr, oder auch der Geheimdienstausschuss, ist eine Sonderheit unter den Ausschüssen des Deutschen Bundestages:

  • Mitglieder des PKGr werden nicht von den Fraktionen entsandt, sondern vom Bundestag mit Kanzler-Mehrheit gewählt.

  • Es tagt streng geheim an einem geheimen Ort im Bundestag.

  • Die Arbeit des PKGr endet nicht mit der Bundestagswahl. Es bliebt aktiv, bis ein neuer Bundestag das PKGr neu wählt.

Im PKGr-Gesetz heißt es, dass den Anspruch auf den Sitz verliert, wer seine Fraktion verlässt. In der Bundestagsverwaltung wird daraus angeblich geschlussfolgert, dass Hahn die Mitgliedschaft abzuerkennen sei.

Wie wir hören, geht die Linke davon aus, dass dies auf Hahn nicht zutrifft, da er die Fraktion nicht aktiv verlässt, sondern diese sich zum 6. Dezember auflöst.

Aus der Union hören wir, diese sei geneigt, sich der Rechtsauffassung der Linken anzuschließen. Es gebe kein gesteigertes Interesse, Hahn aus dem Kontrollgremium zu entfernen. Auch weil befürchtet wird, dass die Ampel sich den freien Sitz dann einverleibt.

Hahn sitzt seit 2013 für die Linke im PKGr.

Patenschaft für Bürokratie-Abbau

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) plant ungewöhnliche Maßnahmen gegen den Bürokratieabbau. Der ökonomische Thinktank, der von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie im Jahr 2000 gegründet wurde und von ihnen finanziert wird, sucht dafür Paten im Deutschen Bundestag. Das erfuhr unser Kollege Christian Schlesiger.

Jeder Abgeordnete soll sich in den kommenden Monaten für den Abbau einer unnötigen und überflüssigen Regel einsetzen – und dafür eine fiktive Patenschaft übernehmen.

© The Pioneer/Peter Gorzo

Die INSM will die Bundestagsabgeordneten noch im November anschreiben und um Mitarbeit bitten. Im Dezember wird außerdem ein Portal freigeschaltet, das unnötige Bürokratie-Regeln beschreibt und den jeweiligen Politik-Paten zuordnet.

Durch die Patenschaft erhofft sich die INSM mehr Identifikation der einzelnen Abgeordneten mit der Aufgabe zum Bürokratieabbau und mehr Druck auf die Ministerien. Ein Kontrollkasten in Ampel-Farben soll den Fortschritt der Abbaumaßnahmen begleiten. Grün hieße dann, dass es eine politische Einigung gibt, die bürokratische Maßnahme abzuschaffen.

Jennifer Morgans großer Auftritt – COP und Kabinett

Die Vorarbeiten dauerten fast zwei Jahre, immer wieder wurde das Projekt verschoben. Doch am 6. Dezember will das Bundeskabinett nach interner Zeitplanung nun die Klimaaußenpolitikstrategie vorstellen. Rechtzeitig zur 28. UN-Klimakonferenz COP 28 in Dubai, die noch bis zum 12. Dezember andauert.

Federführend für die Strategie und Chefverhandlerin in Dubai ist die Staatssekretärin und Sonderbotschafterin für die Klimaaußenpolitik im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan.

Jennifer Morgan © imago

Die Strategie soll den Klimaschutz als Parameter der Außenpolitik einbeziehen in internationale Verhandlungen, etwa bei den neuen Handels- und Energiepartnerschaften mit Partnern wie Indien, Indonesien und dem Senegal. Dabei soll das Ziel einer fossilfreien Energieerzeugung in Handelsverträgen berücksichtigt werden. Klimaschutz und Wohlstand seien keine Widersprüche, betonte Morgan unlängst.

Außerdem will Morgan mit der Klimaaußenpolitikstrategie auch Hilfen für die am meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten und Bevölkerungsgruppen benennen.

Hessen: Bis Mitte Dezember soll Schwarz-Rot stehen

Knackiger Zeitplan für die schwarz-roten Verhandler in Wiesbaden. Nachdem die Gremien von SPD und CDU den Weg zu den Koalitionsverhandlungen freigemacht haben und die 14 Arbeitsgruppen mit den Fachpolitikern besetzt sind, steht auch der Zeitplan.

Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen © imago

Bis zu den Parteitagen am 16. Dezember soll der Koalitionsvertrag stehen, anschließend soll Boris Rhein erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Parteiprominenz spricht auf Grünen-Bundesparteitag

Von Donnerstag bis Sonntag findet in Karlsruhe die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen statt. Der Schwerpunkt des Parteitags wird auf der Wahl des Europawahlprogramms liegen.

Während des Wochenendes sind diverse Auftritte und Reden geplant. So werden am ersten Abend Wirtschaftsminister Robert Habeck und das Bundesvorsitzenden-Duo Omid Nouripour und Ricarda Lang ihre Standpunkte zur Asyl- und Migrationspolitik darlegen. Auch Außenministerin Annalena Baerbock wird am Donnerstag zu Wort kommen und über Israel sprechen.

Annalena Baerbock © Anne Hufnagl

Des Weiteren sind Redebeiträge von Familienministerin Lisa Paus und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgesehen.

Auf – Robert Habeck. Mit seiner wirtschaftspolitischen Großoffensive erhöht Habeck erfolgreich den Druck auf Christian Lindner (FDP). Die Aufhebung des Sondervermögens führe zur Rezession, die Entscheidung des Verfassungsgerichts gefährde auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds und somit unmittelbar auch die Energiepreise, erklärte er gestern. Die Message: Es braucht mehr als einen Sparplan, um die Wirtschaft zu retten. So funktioniert Interessenvertretung.

Ab – Kevin Kühnert. Der Ex-Juso-Chef wurde von seinem Nach-Nachfolger Philipp Türmer und der SPD-Jugend scharf kritisiert. „Wo ist diese Energie hin?“, fragte Türmer. Er habe das Juso-Sein verlernt, sagten andere. So fühlt sich Erwachsenwerden (manchmal) an.

Für die taz-Redakteurin Svenja Bergt ist der am Montag gestartete Digitalgipfel in Jena „gleichermaßen Werbeveranstaltung wie Selbstvergewisserung“. Die Veranstaltung dürfe laut Bergt aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zwischenbilanz der Ampel in Bezug auf die Digitalpolitik eher „mittelprächtig“ sei. So gebe es noch immer zu viele Funklöcher und zu wenige Breitbandanschlüsse. Außerdem fehle es an einem Digitalisierungskonzept für Schulen. Sie rät den Regierungsvertretern, bei ihrem eigenen Gipfel den verschiedenen Akteuren gut zuzuhören und nicht nur den Interessen der Industrielobby nachzugeben. Hier können Sie ihren kompletten Kommentar lesen.

Der Wahlsieg von Javier Milei in Argentinien wird von der ARD-Korrespondentin in Südamerika, Anne Herrberg, als „Drama für eines der progressivsten Länder in der Region“ gesehen. In ihren Augen habe die Wut und der Frust über die amtierende Regierung gesiegt, „die keine politischen Antworten mehr liefern konnte“. Indem Außenseiter Milei auf die „elitäre und korrupte Politiker-Kaste“ geschimpft habe, sei er vor allem für die jüngere Generation zum Ventil geworden. Und die kenne, laut Herrberg, „nichts anderes (…) als Krise“. Ihr Fazit: Die große Tragik dieser Wahl liege darin, dass gerade diejenigen, die die größte Hoffnung in Milei gesetzt haben, letztlich die größten Verlierer seiner Wahl sein würden. Hier geht es zu ihrem Kommentar.

„Wir haben eine massive Vollzugslücke“

Ein Gespräch mit Rechtsanwältin Kati Lang.

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast

Der 8. Tag

Heute gratulieren wir herzlich;

Otto Fricke, FDP-Bundestagsabgeordneter, 58

Thorsten Glauber (Freie Wähler), bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, 53

Sebastian Lechner, niedersächsischer CDU-Landesvorsitzender, 43

Karl-Dieter Möller, Journalist, 78

Thomas Roth, Journalist, 72

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), ehemalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 81

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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