unsere Themen heute:
Der Verteilungskampf um den Haushalt 2025 ist eröffnet – so hart wird es.
Im Hauptstadt-Podcast erklärt Historiker Jan C. Behrends, woran die Zeitenwende krankt.
TikTok-Präsenz: Der Gewissenskonflikt der Jungen Liberalen.
Prozess gegen Björn Höcke: AfD-Parteifreunde zweifeln an Unschuld.
Die EU schließt Flüchtlingsabkommen mit Libanon. Unterstützung kommt auch aus Deutschland.
Das Gerangel um die Haushaltsmilliarden 2025 ist eröffnet. Gestern haben die Ministerien ihre Budgetpläne an Finanzminister Christian Lindner gesendet. Wir hören: viel Wunschdenken, wenig Realitätssinn.
Der Streit könnte gar den Anfang vom Ende der Regierung einläuten. Ein Regierungsvertreter spricht gegenüber unserem Kollegen Christian Schlesiger von einer „50-prozentigen Wahrscheinlichkeit“, dass die Ampel den Zwist nicht überleben könnte.
Kassenwart Lindner warb gestern auf einer Abendveranstaltung erneut für Haushaltsdisziplin: Würde der Bund die Schuldenquote auf unter 60 Prozent drücken, könnte er die Rückzahlung der Pandemie-Kredite zeitlich strecken – und so ab 2028 zehn Milliarden Euro zusätzlich ausgeben. Das wäre eine „Soliditätsdividende“.
Danach sieht es nicht aus. So fordern einige Regierungs-Rebellen:
Annalena Baerbock © imago
Annalena Baerbock hat für das Auswärtige Amt 7,3 statt den von Lindner vorgegebenen 5,1 Milliarden Euro für den Haushalt 2025 angemeldet. 2024 waren es 6,7 Milliarden.
Svenja Schulze will die Entwicklungshilfe von aktuell elf auf 12,2 Milliarden Euro aufstocken. Vorgesehen sind laut Finanzministerium nur rund zehn.
Boris Pistorius ruft für die Verteidigung fast 59 Milliarden Euro auf. 6,5 mehr als von Lindner für die jeweiligen Jahre 2024 und 2025 eingeplant.
Das Geld ist knapp: 2025 muss die Regierung statt wie im vergangenen Jahr 17 mindestens 25 Milliarden Euro sparen. Am 16. Mai kommt die Steuerschätzung. Sie hängt auch vom Konjunkturverlauf ab.
Boris Pistorius © The Pioneer
Der Bedarf ist in Wahrheit sogar größer: Denn Bundeswehr und Ukrainehilfe werden – je nach Kriegsverlauf – wohl weitere Milliarden erfordern. Alle Rücklagen sind zudem weg.
Es gäbe durchaus Kürzungsmöglichkeiten. Nur sind die unpopulär.
Michael Thöne, Leiter des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Uni Köln, glaubt: 20 Milliarden Euro ließen sich mobilisieren.
Hier ein paar Vorschläge:
Dieselprivileg: Wenn Diesel so besteuert würde wie Benzin, würde der Bund jährlich 8,5 Milliarden Euro mehr einnehmen. Zumindest sukzessive könnte der Bund da ran.
Dienstwagen: Ein Prozent des Bruttolistenpreises eines Firmenautos wird als geldwerter Vorteil besteuert. Das Ausland setzt oft 1,5 Prozent an. Bringt bis zu drei Milliarden Euro.
Pendlerpauschale: Eine komplette Abschaffung würde dem Staat bis zu 2,2 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr bescheren.
Ehegattensplitting: Der Staat verzichtet auf rund 20 Milliarden Euro, weil Ehepartner gemeinsam veranlagt werden. Eine teilweise Streichung brächte Milliarden.
Immobilienbesteuerung: Nach zehn Jahren sind Veräußerungsgewinne steuerfrei. Vor allem Vermögende profitieren. Dem Fiskus entgehen sechs Milliarden Euro pro Jahr.
Fazit: Der Koalitionsvertrag sieht den Abbau von Vergünstigungen vor, um „zusätzliche Haushaltsspielräume“ zu gewinnen. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, da ran zu gehen.
© The PioneerHistoriker Behrends erklärt, woran die Zeitenwende krankt
Prof. Jan C. Behrends, Historiker am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung und selbst SPD-Mitglied, hat vor einigen Wochen gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern einen Brief an die SPD-Spitze geschrieben, in dem er hart mit der Ukraine-Politik der Partei ins Gericht geht.
Im Hauptstadt-Podcast äußert er Bedauern, dass nur eine Minderheit in der Partei die Aufarbeitung der Russland-Politik der SPD deutlich fordert. Er sagt:
Das ist ja auch das, woran die gesamte Zeitenwende krankt.
„Dass Frau Schwesig immer noch im Amt ist, damit bin ich nicht einverstanden“, sagt Behrends. Jemand, „der extra eine Stiftung gegründet hat, um russische Interessen in Deutschland durchzusetzen und amerikanische Sanktionen zu umgehen“, sei „schlichtweg für das Amt eines deutschen Ministerpräsidenten nicht geeignet“.
Und weiter sagt er:
Ich bin auch persönlich der Meinung, dass es dem Bundespräsidenten vielleicht gut angestanden hätte, Konsequenzen aus seiner gescheiterten Politik im Frühjahr 2022 zu ziehen.
Das gesamte Interview hören Sie in der neuen Folge des Hauptstadt-Podcasts. Außerdem sprechen The-Pioneer-Chefkorrespondentin Politik, Karina Mößbauer, und Jörg Thadeusz über:
die SPD und ihre Ukraine-Politik, die Kalifat-Demonstrationen und die Eskalation an US-Universitäten.
Im Zwischenruf: Hans-Ulrich Jörges über die jüngsten Auftritte von Frank-Walter Steinmeier und seine „Kaliber-Experten“-Aussage.
Im kürzesten Interview der Berliner Republik: Sarah Frühauf, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtbüro.
Der Klick auf die Kachel führt Sie zur Podcastfolge. © The Pioneer
Moral oder Einfluss? Die Jungen Liberalen hadern mit TikTok
Verbot vorbei? Die Jungen Liberalen erwägen, ihr selbst auferlegtes TikTok-Verbot von 2021 aufzulösen und als Verband auf der Plattform aktiv zu werden.
Treiber für diesen Sinneswandel ist die Erkenntnis, dass „gerade demokratiefeindliche Kräfte wie die AfD leider das Medium gut für sich ausnutzen können“. Das sagt JuLi-Sprecher Paavo Czwikla unserer Kollegin Clara Meyer-Horn.
Paavo Czwikla © FDP MünsterWir werden nicht für unsere bewusste Entscheidung, nicht auf TikTok aktiv zu sein, wahrgenommen. Sondern wir werden einfach gar nicht wahrgenommen.
Andererseits: Die JuLis sehen in der TikTok-App ein Sicherheitsrisiko, da sie der Volksrepublik China „sicherheitsrelevante Einflussnahme“ ermöglicht, wie es in einem Antrag mit dem Titel „Tik-Tok-Tod“ heißt, der dieses Wochenende auf dem Bundeskongress beraten wird. 2021 hatten sie mit einer großen Mehrheit die Nichtnutzung von TikTok beschlossen.
Der Antrag fordert einen Betreiberwechsel im deutschen Raum oder – sollte dies nicht möglich sein – ein Verbot der App. Außerdem sollen Nutzerdaten von einem in Deutschland ansässigen, unabhängigen Unternehmen verwaltet werden.
Aber: Der Antrag beinhaltet auch eine Option, die dem JuLi-Bundesverband ermöglichen würde, die App zu nutzen. Dies sei laut Czwikla ein „Spannungsfeld, das sich aushalten ließe.“
Am Wochenende stimmen 200 Delegierte auf dem JuLi-Bundeskongress über den Antrag ab. Es werde eine hitzige Debatte erwartet.
Dazu passt: unser Schattenmächte-Podcast über das geheimnisvolle Unternehmen Bytedance. Übrigens: Für den Deutschen Podcast Preis 2024 können Sie für die Schattenmächte-Reihe abstimmen. Wir freuen uns über Ihre Stimme! Hier entlang...
Der Klick aufs Bild führt zur Abstimmung.Höcke-Prozess: Auch AfD-Parteifreunde zweifeln an Unschuld
Im Prozess gegen Björn Höcke geht es im Kern darum, ob der thüringische AfD-Landesvorsitzende die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP „Alles für Deutschland“ mit Vorsatz verwendet hat oder nicht.
Höcke bestreitet vor Gericht jeden Vorsatz, aber in seiner eigenen Partei ist man sich da nicht so sicher. Ein hochrangiges AfD-Mitglied sagt unserem Kollegen Jan Schroeder:
Björn Höcke und sein Anwalt Ulrich Vosgerau (links). © dpaBeim Björn weiß man nie, ob er nicht doch provozieren will!
Sollte Höcke die Losung vorsätzlich genutzt haben, wäre die Aussage strafbar.
Bewusste Provokation? Als Geschichtslehrer muss Höcke die Losung gekannt haben, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Zudem mussten sich bereits zwei AfD-Politiker vor ihm wegen derselben Losung vor Gericht verantworten. In beiden Fällen wurden die Verfahren eingestellt, da ein Vorsatz nicht nachzuweisen war.
Auf Nachfrage sagt uns Kay-Uwe Ziegler, einem der zuvor Angeklagten: „Ich habe mich im Vorfeld mit den Anwälten von Höcke ausgetauscht und den Herren meine Erfahrungen mitgeteilt.“
(Un)bekannt? Höcke hatte auf Nachfrage des Staatsanwalts am zweiten Verhandlungstag zunächst bestritten, seinen Parteikollegen Ziegler zu kennen. Auf nochmalige Nachfrage behauptete Höcke, ihm sei Ziegler „nur dem Namen nach“ bekannt.
Der Zeitplan: Unterdessen erwartet Höckes Anwalt Ulrich Vosgerau (CDU) bereits heute ein Urteil und nicht erst beim darauffolgenden, planmäßig letzten Verhandlungstag. „Ich gehe davon aus, dass es keinen vierten Verhandlungstag geben wird“, sagt uns Vosgerau.
EU schließt Flüchtlingsabkommen mit Libanon
In Beirut hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und Zyperns Staatschef Nikos Christodoulidis ein Abkommen abgeschlossen. Die wichtigsten Eckpunkte:
Nadschib Mikati (mitte) empfängt den zypriotischen Präsidenten Nikos Christodoulidis (links) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen © dpaEine Milliarde Euro EU-Gelder sollen zur Beschränkung von irregulärer Migration bis 2027 in den Libanon fließen.
Im Gegenzug zählt von der Leyen auf gute Kooperation mit dem Libanon, „illegale Migration zu verhindern und das Schleusen von Migranten zu unterbinden“.
Der Libanon hat seit 2011 mehr als 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ein Drittel der gesamten Bevölkerung.
„Nicht mehr tragbar“: Seit Jahresbeginn sollen im nur wenige Kilometer entfernten Zypern rund 4.000 syrische Flüchtlinge aus dem Libanon angekommen sein. Die Regierung ist überfordert.
Der Innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm, unterstützt die Schließung des Abkommens. Er sagt unserem Kollegen Jan Schroeder: „Es ist nicht Aufgabe von Europa, alle Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan aufzunehmen.“ Weiter:
Denn Flucht hat vor allem in Nachbarstaaten von Krisengebieten zu erfolgen, damit die Wege hin und auch zurück möglichst kurz sind.
Generation Z ist verweichlicht und arbeitsscheu? Eine neue IW-Studie zeigt: Das mag zwar sein, sie befinden sich mit ihrem Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten aber in bester Gesellschaft. Der Studie zufolge wollen alle Generationen weniger arbeiten – im Schnitt zwei bis drei Stunden weniger in der Woche. Tendenz weiter sinkend.
Dabei müssten eigentlich alle eher ein bis zwei Stunden die Woche mehr arbeiten, heißt es, denn Deutschlands alternde Gesellschaft lasse sich nicht allein von Arbeitskräften aus dem Ausland tragen.
Eine Infografik mit dem Titel: Weniger Arbeit, Mehr Freizeit
Gewünschte wöchentliche Arbeitszeit von abhängig Beschäftigten nach Altersgruppen, in Stunden
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Paris: Der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz trafen sich zu einem privaten Abendessen. Der Austausch fand nur wenige Tage vor dem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Frankreich statt.
US-Universitäten: Nach Ausschreitungen an der Columbia University räumen Polizeikräfte auch ein Protestcamp an der University of California.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Außenministerin Annalena Baerbock trifft ihre australische Kollegin Penny Wong in Adelaide. Die Themen sind Sicherheitspolitik, Klimawandel und wirtschaftliche Beziehungen.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hält auf der Berufsbildungsmesse in Frankfurt eine Rede.
Finanzminister Christian Lindner ist ebenfalls in Frankfurt unterwegs. Dort stellt er die Bilanz des deutschen Zolls für das vergangene Jahr vor.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gibt in der Bundespressekonferenz ein Briefing zum bevorstehenden CDU-Parteitag.
Justizminister Marco Buschmann gibt an der Uni Münster einen Vortrag zum Thema: „75 Jahre Grundgesetz: Mehr Verfassung wagen!“.
Bauministerin Klara Geywitz lädt zu einem Bürger-Dialog zum Thema „Nachhaltig Bauen und Sanieren“ im KlimaBauZentrum in Bremen ein.
Auf – Karl Lauterbach. Der Gesundheitsminister hat eine neue Strategie zur Suizidprävention vorgestellt. Das Ziel: der Aufbau einer Krisenhotline und die Absicherung von Risiko-Orten wie Brücken und Bahnanlagen durch Auffangnetze oder Zäune. Ein wichtiges Zeichen, um das Thema zu enttabuisieren.
Ab – Carsten Spohr. Der Lufthansa-CEO muss sich gegenüber der EU-Kommission zu Greenwashing-Vorwürfen rechtfertigen. Verbraucherschützer hatten gegen Tickettarife geklagt, mit denen Kunden nach Aussage der Airline ihre Umweltbelastung reduzieren können. In 30 Tagen muss die Fluggesellschaft den Ausgleich der CO2-Emissionen über den Ticketpreis wissenschaftlich nachweisen. Hoffentlich kein flügellahmes Versprechen.
Heute gratulieren wir herzlich:
Bärbel Bas, Präsidentin des Deutschen Bundestags, 56
Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin, 46
Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, 58
Ronja Kemmer, CDU-Bundestagsabgeordnete, 35
Konrad Stockmeier, FDP-Bundestagsabgeordneter, 47
Am Samstag gratulieren wir herzlich:
Gunther Krichbaum, CDU-Bundestagsabgeordneter, 60
Michael Kauch, FDP-Europaabgeordneter, 57
Am Sonntag gratulieren wir herzlich:
Wolfgang Hellmich, SPD-Bundestagsabgeordneter, 66
Katja Hessel, FDP-Bundestagsabgeordnete, 52
Frank Junge, SPD-Bundestagsabgeordneter, 57
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre