unsere Themen heute:
Im Endspurt zum Bundeshaushalt haben Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck drei Lösungsansätze gefunden.
Herbert Reul ist Landespolitiker des Jahres.
Anton Hofreiter fordert von Olaf Scholz klare Kante gegen Viktor Orbán.
Der Publizist Andreas Püttmann übt harsche Kritik am neuen Grundsatzprogramm der CDU.
Der Deutsche Richterbund fordert die Ampel zu einem Kurswechsel in der Haushaltspolitik auf.
Die Grünen haben ihren Fraktionsvorstand neu gewählt.
Das Lösungspaket für den Haushalt 2024
Die Aufregung war einigermaßen groß, als am Dienstagmorgen die Nachricht die Runde machte, dass die Fraktionschefs der Ampel ins Kanzleramt einbestellt worden sind.
Erstmals sollten sie persönlich an der Verhandlungsrunde von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) teilnehmen.
Habeck, Scholz und Lindner nach dem Verfassungsurteil © imagoEine Stunde saßen die vier Fraktionschefs der Ampel mit ihren wichtigsten Regierungspolitikern beisammen, um sich über den neuesten Stand in den schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2024 auszutauschen.
Dann war das Treffen auch schon wieder vorbei.
Wie unser Kollege Thorsten Denkler hört, sind Scholz, Habeck und Lindner in den vergangenen Wochen auf Expeditionsreise in die Tiefen des Bundeshaushalts gegangen, um mögliche Einsparpotenziale aufzudecken. Sie sind offenbar fündig geworden.
In allen Bereichen sollen Sparoptionen identifiziert worden sein. Auch mögliche Einnahme-Steigerungen wurden definiert.
Idee #1: Subventionskürzungen
Ganz oben auf dem Zettel stehen Subventionskürzungen. Etwa solche, die als klimaschädlich anerkannt werden.
Eine Infografik mit dem Titel: Steigende Subventionsquote
Anteil der Subventionen am deutschen BIP seit 2000, in Prozent
Das Problem aber ist: Das reicht offenbar nicht. Aus allen Ecken und Enden des Bundeshaushalts sei Geld zusammengekratzt worden. Eine Million Euro hier, ein paar 100 Millionen Euro dort.
Aber um auf den Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro zu kommen, fehlten weiter erhebliche Summen.
Idee #2: Nothaushalt für die Ukraine
SPD und Grüne wollen deshalb wegen der nötigen Ukraine-Hilfen erneut einen Nothaushalt ausrufen.
Damit könnten mindestens acht Milliarden Euro, die der Ukraine für das kommende Jahr zugesagt sind, über Schulden finanziert werden. Scholz kann sich auch vorstellen, dafür ein eigenes Sondervermögen aufzustellen, hören wir.
Christian Dürr © ImagoFDP-Fraktionschef Christian Dürr machte allerdings am Dienstag auf der Fraktionsebene des Bundestages klar, dass ihm bisher die Fantasie fehle, wie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine grundgesetztaugliche Begründung aussehen könnte. Explizit ausgeschlossen hatte er dies allerdings nicht.
Idee #3: Sondervermögen Bundeswehr
Eine weitere Möglichkeit, die unter den drei Chef-Verhandlern der Ampel diskutiert wird: Das Sondervermögen Bundeswehr, das im Grundgesetz verankert ist, könnte um die Ukraine-Hilfen erweitert werden.
Dafür bräuchte es allerdings eine Grundgesetz-Änderung. Und somit die Zustimmung der Union in Bundesrat und Bundestag.
In der Ampel gibt es die vage Hoffnung, dass sich CDU und CSU einem solchen Vorschlag kaum verweigern können. Ob CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz das auch so sieht, ist offen.
Friedrich Merz © dpaDie Zeit drängt, wenn eine Lösung noch vor dem EU-Gipfel präsentiert werden soll, der an diesem Mittwochabend in Brüssel beginnt. Zumal vereinbart worden sein soll, dass ein Koalitionsausschuss mit Parteichefs, Fraktionsvorsitzenden sowie Scholz, Habeck und Lindner einen Deckel auf die Lösung machen soll.
An diesem Mittwochvormittag ist zunächst die Kabinettssitzung angesetzt. Um 13:00 Uhr dann wird der Kanzler die vor einem EU-Rat obligatorische Regierungserklärung halten. Der Abflug nach Brüssel ist für den Nachmittag angesetzt.
Wie wir hören, soll der Kanzler bereit sein, zumindest auf die Teilnahme am heutigen ersten Gipfel-Tag zu verzichten, sollte er mit Habeck und Lindner eine Einigung finden. Nur dann bliebe noch Luft für den Koalitionsausschuss und eine anschließende Pressekonferenz.
Christian Lindner © imagoDie große Frage ist allerdings, wie eilig es Christian Lindner mit einer Einigung hat.
Wie wir hören, liebäugelt er damit, erst die demnächst anstehende Mitgliederbefragung der FDP zum Verbleib in der Ampel abzuwarten. Um dann auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart Anfang Januar seinen Parteifreunden den vermeintlichen Erfolg seiner Verhandlungen präsentieren zu können.
Es kann also viel passieren an diesem Mittwoch. Oder eben auch nichts.
Landespolitiker des Jahres ist Herbert Reul
Die absolute Mehrheit wünscht sich wohl jeder Politiker. Herbert Reul hat sie erreicht – zumindest in der Pioneer Rangliste der Politik 2023 als Landespolitiker des Jahres. Wir gratulieren!
Herbert Reul © imagoIn Nordrhein-Westfalen bietet der Innenminister wahlweise kriminellen Clans, militanten Aktivisten und protestierenden Islamisten Einhalt. Erfolgreich: Bis zum vergangenen Jahr fiel die Kriminalitätsrate in NRW stetig während seiner Amtszeit.
So verschaffte sich der ehemalige Lehrer und langjährige Europapolitiker – bei Amtsantritt 2017 ohne nennenswerte sicherheitspolitische Kenntnisse – den nötigen Respekt bei seinen Parteikollegen und darüber hinaus.
Dabei setzt er – wie schon die zuvor bekanntgegebenen Gewinner – auf Klartext. Auch mal gegen seinen Unionskollegen Markus Söder.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Landespolitikerinnen und Landespolitiker des Jahres
Die Rangliste der deutschen Politik 2023, Ergebnis der Abstimmung in Prozent
Uns sagt er, welche Pläne er im nächsten Jahr hat:
Was war Ihr persönlich größter Erfolg?
Meine drei Töchter.
Was hätten Sie gerne anders gemacht?
Es gibt immer Dinge, die man im Nachhinein gerne anders gemacht hätte. Aber hätte, hätte, Fahrradkette: Es bringt nichts, heute in der Vergangenheit herumzurühren. Wichtig ist, nach vorne zu schauen und heute gute Entscheidungen zu treffen.
Was haben Sie im nächsten Jahr vor?
Kriminelle und Extremisten halten unsere Sicherheitsbehörden weiter in Atem. Ich will nächstes Jahr weiterhin mit aller Kraft dafür sorgen, dass unsere Ermittlerinnen und Ermittler das beste Rüstzeug zur Kriminalitätsbekämpfung an der Hand haben.
Herbert Reul und Thomas Roosen, Direktor des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste © imago„Grundsatzprogramme sollten keine Minderheiten an den Pranger stellen“
Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann, ein Kenner der CDU, übt harsche Kritik an Teilen des Entwurfs für ein neues Grundsatzprogramm der CDU.
Die entzündet sich vor allem an diesem Satz im Programm-Entwurf:
Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.
Püttmann sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler, es gebe Millionen Deutsche, die mit diesen Werten „im Sinne des Grundgesetzes Probleme haben“, etwa indem sie für eine großenteils rechtsextreme Partei stimmen.
Andreas Püttmann © ImagoTrotzdem greift die CDU in einer Art Sonderbehandlung nur die Minderheit der Muslime heraus, um deren Zugehörigkeit zu Deutschland unter die einschränkende Bedingung ‚wenn sie unsere Werte teilen' zu stellen.
Verbunden mit der Hervorhebung des „politischen Islams“ in der Extremismus-Bekämpfung werde „ein Verdacht gegen eine Weltreligion kolportiert, den die AfD tagaus tagein und massiv in ihrem Programm schürt“.
Püttmann fragt: „Was meint man dadurch zu erreichen, außer eine Beleidigung vieler rechtschaffener Muslime? Legitime Kritik hätte man besser beim konkreten Thema Antisemitismus untergebracht, vielleicht sogar religionsneutral formuliert.“
Er stellt weiter fest: „Grundsatzprogramme sollten keine Minderheiten an den Pranger stellen. Zumal nicht solche, gegen die eh von deutschen Extremisten gehetzt wird.“
Richterbund fordert Kurswechsel in der Haushaltspolitik
Der Deutsche Richterbund (DRB) hat die Ampel-Koalition nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem echten Kurswechsel in der Haushaltspolitik aufgefordert.
DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte uns:
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes © DRBEs macht bislang nicht den Eindruck, als habe die Ampel die Botschaft verstanden, dass sie sich nun auf die staatlichen Kernaufgaben und essenzielle Zukunftsinvestitionen beschränken muss.
Selbst aus dem „Abgrund ihres Haushaltslochs“ plane die Koalition überflüssige Gesetze, die den Staat in der Umsetzung wohl Hunderte Millionen Euro kosten würden und eine personell ausgelaugte Strafjustiz weiter unter Druck brächten.
Als Beispiele nennt Rebehn das Cannabisgesetz und das Gesetz zur Aufzeichnung von Strafprozessen in Bild und Ton.
Es ist ein Rätsel, warum die Ampel trotz akuter Sparzwänge an einem Bürokratiemonster wie dem Cannabisgesetz festhalten will, das eine Flut von Auflagen, Bußgeldvorschriften und Straftatbeständen einführt, die Behörden, Polizei und Gerichte mit großem Aufwand durchsetzen müssten.
Nicht nachzuvollziehen sei auch, warum die Koalition gegen den Widerstand der Bundesländer eine neue „Dokumentationsbürokratie für die Strafgerichte“ aufbauen will. Diese werde nur hohe Kosten, längere Verfahrenslaufzeiten und Abstriche beim Opferschutz erzeugen.
Hofreiter: Orbán darf sich nicht durchsetzen
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Europäischen Rat auf, gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán unnachgiebig zu bleiben.
Hofreiter sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler:
Anton Hofreiter © dpaIch erwarte vom Bundeskanzler, dass auch er den Druck auf Orbán maximal erhöht. Orbán muss klar sein, es gibt auch einen Tag nach diesem Gipfel.
Orbán fordert, die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine von der Tagesordnung des Rates zu nehmen. Ansonsten werde er dem 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine nicht zustimmen.
Hofreiter: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Viktor Orbán sich auf diesem EU-Gipfel mit seinem Erpressungsversuch durchsetzt.“
Beides müsse beschlossen werden: die 50-Milliarden-Euro-Hilfe für die Ukraine. Und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine.
Grüne bestätigen Fraktionsvorstand
Die Bundestagsfraktion der Grünen hat am Dienstag ihren Fraktionsvorstand neu gewählt.
Die Grünen-Politikerinnen Britta Haßelmann (links) und Katharina Dröge. © Montage: The PioneerFraktionsvorsitzende bleiben Katharina Dröge und Britta Haßelmann.
Als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin wurde Irene Mihalic wiedergewählt.
Genaus so wie die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Filiz Polat, Anja Reinalter und Till Steffen.
Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurden Andreas Audretsch, Agnieszka Brugger, Maria Klein-Schmeink, Julia Verlinden und Konstantin von Notz im Amt bestätigt.
Bundeskabinett berät über Pharmastrategie
An diesem Mittwoch will das im Bundeskabinett die Pharmastrategie der Bundesregierung beschließen. Sie wurde federführend von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitet.
Karl Lauterbach © Anne HufnaglDie Regierung will mit der Strategie Deutschland als Pharmastandort stärken. Der Zugang zu Gesundheitsdaten soll erleichtert, bürokratische Hürden abgebaut und für bessere Forschungsbedingungen gesorgt werden.
Beteiligt waren neben dem Gesundheitsministerium auch das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium unter Minister Habeck (Grüne) sowie das Bildungs- und Forschungsministerium unter Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Auf - Nina Stahr. Die Bundestagsabgeordnete soll übergangsweise Landeschefin der Grünen in Berlin werden. Das ist schon deshalb ungewöhnlich, weil die Hauptstadt-Grünen sonst großen Wert auf die Trennung von Amt und Mandat legen. Nötig ist Stahrs Kandidatur weil am Samstag auf dem Landesparteitag Tanja Prinz als Kandidatin des Realo-Flügels überraschend dreimal durchgefallen war. Die Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, erklärte Stahrs Kandidatur so: „Es braucht eine Person mit Ruhe, Erfahrung und Ansehen in der Breite.“
Ab - Winfried Kretschmann. Der Ministerpräsident gibt seinen Widerstand gegen G9 auf. In Baden-Württemberg machen die Schüler aktuell noch nach acht Jahren das Abitur. Als Reaktion auf eine Empfehlung des Bürgerforums fühlt sich Grün-Schwarz nun gedrängt, ein „neues G9“ zu entwickeln – gegen den ursprünglichen Willen des Grünenpolitikers. Viel Zeit hat er dafür nicht: Das Volksbegehren einer Elterninitiative könnte im kommenden Jahr ein Referendum erzwingen.
Jürgen Trittin legt zum Jahreswechsel sein Bundestagsmandat nieder – das kündigte der ehemalige Grünen-Umweltminister im Interview mit dem Spiegel an. Auch wenn der Abschied nach fast 40 Jahren in der Politik schwerfalle, sei es für ihn zur Mitte der Legislaturperiode „Zeit, um selbstbestimmt zu gehen“. Seine Pläne nach der Politik: Ein bisschen zu sich selbst kommen, „ein bisschen reisen, Clash und Talking Heads hören“.
Die Anklage gegen Reichsbürger ist für den FAZ-Redakteur und Juristen Reinhard Müller ein Lehrstück. „Auch formale Bildung und bedeutende Positionen immunisieren nicht gegen Irrlehren“, stellt er fest. Insbesondere beunruhigt ihn, dass sich unter den Mitgliedern und Unterstützern auch „aktive Staatsdiener“ befanden – von der Justiz bis zum Kommando Spezialkräfte – und offenbar die Bereitschaft bestand, „Mord als Mittel in Kauf zu nehmen“. Hier geht es zu seinem Kommentar.
Heute gratulieren wir herzlich:
Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank a.D., 70
Björn Fecker (Grüne), Bremer Finanzsenator, 46
Krišjānis Kariņš, lettischer Ministerpräsident a.D., 59
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre