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Unsere Themen heute:
Lange verhinderte Corona eine echte Kabinettsklausur. Jetzt ist es so weit. Der Krieg dominiert das Treffen in Meseberg, das heute beginnt. Wir sagen, worum es geht.
Gerhard Schröder unter Druck. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert die EU auf, persönliche Sanktionen gegen den Altkanzler zu erlassen.
Die SPD könnte Ärger mit dem DGB bekommen. Die Gewerkschafter lehnen eine Verfassungsänderung wegen des Bundeswehr-Sondervermögens ab.
Vermischt SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht Amt und Mandat? Ein Auftritt der Ministerin im Landtagswahlkampf im Norden wirft Fragen auf.
Die EU steht vor der Entscheidung für ein Öl-Embargo gegen Russland. Deutschland ist nach einem Bericht des Wirtschaftsministeriums darauf zusehends besser vorbereitet.
Helmut Scholz und der Geist von Meseberg
Wenn sich Olaf Scholz und seine Minister heute früh auf den Weg zur Kabinettsklausur nach Meseberg machen, fährt auch Zuversicht mit: Die Hoffnung, dass die kommunikativen Schwierigkeiten der vergangenen Wochen vorerst überwunden sind.
Als Indiz dafür wird auch intern die Resonanz auf das Video vom Auftritt des Kanzlers von der 1.-Mai-Demo in Düsseldorf gesehen. Sein engagiertes Plädoyer für Waffenlieferungen an die Ukraine hat auch im Ampel-Kabinett Eindruck hinterlassen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) lobte bei Twitter, Scholz habe „einen echten Helmut-Schmidt-Moment“ gehabt.
© TwitterIn der Ministerrunde gibt es den Wunsch, wieder näher zusammenzurücken.
Daher dient die zweitägige Klausur im Gästehaus der Regierung, das Theodor Fontane einst Zauberschloss nannte, auch dem Teambuilding. Zumal das Kabinett nach dem Rücktritt von Kurzzeit-Familienministerin Anne Spiegel mit Lisa Paus bereits den ersten Neuzugang hat. Da kommt der Termin für das Gruppenfoto im Barockgarten von Meseberg gerade recht.
Zunächst jedoch soll es ein außenpolitisches Signal geben.
In Meseberg werden die Regierungschefinnen von Schweden und Finnland, Magdalena Andersson und Sanna Marin, zu Gast sein. Die Einladung zur Klausur ist als Rückendeckung für die Pläne beider Länder zu verstehen, rasch Mitglied der NATO zu werden.
Nach dem Mittagessen wird es dann innenpolitisch: Zwei Stunden werden die Folgen der Ukraine-Krise für die Arbeitsbereiche Innen (Nancy Faeser), Familie (Lisa Paus), Bildung (Bettina Stark-Watzinger) und Arbeit (Hubertus Heil) diskutiert. Die vier Ressortchefs dürfen fünfminütige Impulse geben. Dann gibt es einen Kaffee...
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf der Pioneer One © Anne Hufnagl...und es folgt Teil drei. Dabei geht es um die Frage, wie die deutsche Volkswirtschaft resilienter gegenüber Krisen werden kann und wie geplant bis 2045 klimaneutral wird. „Eine Jetzt-erst-Recht-Botschaft“ solle von Meseberg ausgehen, hören wir.
Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft und Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut sind hier um Impulse für die Debatte gebeten worden. Der Kanzler hat frühzeitig klargemacht, dass sozialpolitische Vorhaben der Koalition trotz Kriegsfolgen und höherem Klimaschutz-Tempo nicht aufgegeben werden sollen.
Prof. Michael Hüther © The PioneerFür den Mittwoch ist im Gartensaal des Schlosses eine reguläre Sitzung des Bundeskabinetts mit Beschlussvorlagen geplant. Die Pläne von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) für ein Dokumentationszentrum zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs sollen beschlossen werden.
Möglicherweise wird die Tagesordnung noch um weitere Vorhaben ergänzt.
FDP erhöht Druck auf Gerhard Schröder
Die FDP hat den Druck auf SPD-Altkanzler erhöht und fordert die EU auf, den früheren Regierungschef wegen seiner Nähe zu Präsident Wladimir Putin und der finanziellen Engagements für russischen Gaskonzern Rosneft auf die Sanktionsliste zu setzen.
„Gerhard Schröder hat überzogen und sich als Staatsmann unmöglich gemacht", sagte uns FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
"Die EU sollte den früheren Bundeskanzler als direkten Profiteur des Systems Putin auf die Liste der Personen setzen, gegen die Sanktionen verhangen werden." Außerdem müsste der Bundestag "eine finanzielle Ausstattung für sein Büro streichen", so der FDP-Politiker.
Bijan Djir-Sarai © ImagoDer Haushaltsausschuss des Bundestages prüft derzeit die rechtliche Handhabe bei der Ausstattung des Altkanzlers.
Schröder stehen wie für alle ehemaligen Kanzler und Kanzlerinnen ein lebenslanger "Ehrensold" von rund 240.000 Euro pro Jahr sowie ein Büro, mehrere Mitarbeiter, Sicherheitspersonal und ein Fahrdienst zu.
Lambrechts heikle SPD-Termine im Norden
Als Verteidigungsministerin hat Christine Lambrecht wegen des Ukraine-Krieges gerade eigentlich genug zu tun. Trotzdem nimmt sie Parteitermine für ihre SPD wahr – sogar in den Wahlkampf in Schleswig-Holstein mischt sie sich nun ein.
In Eckernförde, einem wichtigen Marine-Stützpunkt, traf die Ministerin am 1. Mai Soldaten und nahm ihre zwei Parteikollegen Thomas Losse-Müller und Sönke Rix mit. Das ist problematisch, weil Losse-Müller gerade Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Landtagswahl ist, die am Sonntag ansteht.
Der gemeinsame Termin nur eine Woche zuvor zeigt, wie Lambrecht ihr Amt und die Parteipolitik in unüblicher Weise miteinander vermischt. Wie unser Investigativreporter Christian Schweppe recherchiert hat, verstößt das im Grunde gegen eigene Dienstvorschriften des Verteidigungsministeriums.
CSU-Politiker Florian Hahn sagte uns: "Die Soldatinnen und Soldaten haben es nicht verdient, als Kulisse für den SPD-Wahlkampf herhalten zu müssen. Als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt ist sie zur Neutralität verpflichtet."
Deshalb müsse geprüft werden, so Hahn, "ob es nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Grenzüberschreitung gab". Im Ministerium fragten wir dazu nach, insbesondere zu Posts von Christine Lambrecht auf Instagram – prompt wurden Einträge nachträglich verfälscht und verändert.
Hier lesen Sie die ganze Geschichte:
Streeck wehrt sich gegen Unterstellungen
Im Streit um den Rücktritt von Christian Drosten aus dem Sachverständigenausschuss zur Bewertung der Corona-Maßnahmen hat sich der Virologe angeblich in Gesprächen mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach auch über Indiskretionen beklagt.
Bei Unterstützern Drostens in dem Gremium und im Gesundheitsministerium wird gemutmaßt, dass der Bonner Virologe Hendrik Streeck dahinter steckt, der in den letzten beiden Jahren immer wieder mit Drosten aneinandergeraten war.
Streeck dementiert dies vehement: "Unterstellungen und Behauptungen sind destruktiv, und sollen Vertrauen erschüttern. Das ist und bleibt nicht meine Art, genauso wenig wie solche Methoden anzuwenden", sagte uns Streeck.
DGB gegen Gas-Importstopp und Verfassungsänderung für Bundeswehr-Sondervermögen
© dpaDer Deutsche Gewerkschaftsbund warnt vor einem Importstopp für russisches Gas und lehnt eine Verfassungsänderung für das geplante Bundeswehr-Sondervermögen ab. Das geht aus dem Entwurf eines Initiativ-Antrags für den am kommenden Sonntag beginnenden DGB-Bundeskongress hervor, das Pioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner vorliegt.
Das Papier soll an diesem Dienstag bei einer Bundesvorstandssitzung des Gewerkschafts-Dachverbandes beraten werden. Die russische Regierung wird darin aufgefordert, die Kampfhandlungen sofort einzustellen und ihre Truppen zurückzuziehen.
Von der Bundesregierung verlangt die DGB-Spitze weitere Entlastungen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Rentner: „Die bisherigen Pläne der Ampel-Koalition gehen in die richtige Richtung – sie reichen aber nicht aus, um die Belastungen vor allem für Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen spürbar zu verringern.“
Am kommenden Montag soll die bisherige SPD-Politikerin Yasmin Fahimi zur neuen DGB-Chefin gewählt werden. Lesen Sie hier eine Analyse unseres Kollegen zur aktuellen Lage der Gewerkschaften.
Deutschlands Abhängigkeit von Russen-Öl sinkt
Ein Öl-Embargo gegen Russland oder ein Stopp der Öl-Lieferungen von Russland hat zusehends weniger Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft.
Aus einem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums an den Bundestag geht hervor, dass in den vergangenen Wochen die Mineralölwirtschaft schrittweise die Lieferbeziehungen mit Russland beendet hat und die Abhängigkeit deutlich unter 35 Prozent liegt wie noch zu Beginn des Krieges.
Laut einem anderen Bericht ist der Anteil russischen Öls an den deutschen Öl-Importen bereits auf 12 Prozent abgesunken.
"Es konnten so bereits wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um mit einer mehrmonatigen Anpassungsfrist ohne RUS Öl-Importe zurecht zu kommen, wenngleich dies mit deutlich höheren Preisen und (ohne substanzielle Maßnahmen zur Verbrauchsreduktion) vorraussichtlich mit regionalen, temporären Mangelsituationen verbunden wäre", heißt es in dem Bericht.
Das Ministerium geht wegen der hohen Nachfrage davon aus, dass die Ölpreise und in der Folge die "inländischen Kraftstoff- und Heizölpreise weiter steigen", heißt es.
Ein Ölembargo hätte jedoch "sehr wahrscheinlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Versorgungssicherheit mit Elektrizität."
Wenn heute die Öllieferungen gestoppt würden, könnte Deutschland alleine mit der staatlichen Ölreserve für rund 200 Tage versorgt werden, heißt es weiter.
Ausriss aus dem Ministeriumsbericht an den Bundestag. © The PioneerDie EU-Botschafter der Mitgliedsländer wollen an diesem Mittwoch über ein Embargo beraten. Die Bundesregierung ist inzwischen dafür.
Geistige Waffen dürfen nicht unterschätzt werden
Diktatoren fühlen sich nicht nur durch Panzer und andere militärische Waffen bedroht, sondern auch durch "geistige Waffen" wie Pressefreiheit, Kunst und Kultur. Genau deshalb versucht Putin mit seinem Krieg nicht nur die Ukraine als Land zu zerstören - auch die Kultur, die der Bevölkerung Halt gibt und mit der sie den Krieg verarbeitet, hat er fest im Visier, schreibt Elisabeth Motschmann.
Wer einem Volk seine Kultur nimmt oder gar auslöscht, raubt ihm seine Seele.
Die ganze Kolumne von Motschmann über die Kraft, die Kultur im Krieg spenden kann, lesen Sie hier:
Das Hauptstadt Team bekommt (temporär) Zuwachs - Seit heute unterstützt uns Carlotta Diederich als Praktikantin. Carlotta ist Kölnerin und erklärt seit zwei Jahren auf ihrem Instagram-Format jungen Menschen politische Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Dort visualisiert sie Wahlprogramme und bringt damit Politik in die sozialen Medien. Journalismus lernt sie an der Journalistenschule ifp in München mit Stationen beim Kölner Stadt-Anzeiger und dem funk-Format Die Da Oben.
Im September hat Carlotta einen der Autoren dieses Briefings in Köln gesichtet, brach aus der Fridays for Future Demonstration aus und bewarb sich quasi auf dem Bürgersteig um ein Praktikum, das wir bei derartigem Engagement sofort zusagten. In dieser Woche geht es los. Hallo Carlotta!
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat für kommendes Wochenende seine G7-Agrarminister nach Deutschland eingeladen - in seine Heimat Stuttgart.
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne). © ImagoAm Freitag und Samstag wollen die Agrarminister über die Folgen des russischen Angriffs für die Ukraine und über dessen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit weltweit beraten. Mit dabei ist auch der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi. Auf der Tagesordnung steht zudem eine Führung durch den botanischen Garten der Universität Hohenheim.
Auf - Ulrich Matthes. Der Berliner Schauspieler ist ein echtes Urgestein in der deutschen Schauspiellandschaft. Seit seinem zehnten Lebensjahr spielt er, unter anderem am Deutschen Theater oder als Joseph Goebbels in Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“. Morgen bekommt er von Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Damit tritt der 62-Jährige in die Fußstapfen seines Vaters Günter Matthes, der 1979 als Tagesspiegel-Journalist ebenfalls mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Unser Aufsteiger.
Ab - Polemiken und einen humoristischen Umgang mit anderen Parteien sind wir gewöhnt, insbesondere von Markus Söder. Am vergangenen Samstag aber schien es, als forderte der CSU-Vorsitzende auf dem Parteitag in Würzburg die Auflösung der Linkspartei: „Wenn die verschwinden, machen wir drei Kreuze drauf“, sagte Söder. Die Linkspartei ist zurecht in der Krise, womöglich sogar in ihrer Existenz gefährdet, aber bei Frotzeleien sollte es bleiben - ohne hämische "Kreuze drauf". Söder ist unser Absteiger.
Die EU-Energieminister haben gestern in Brüssel über einen Einfuhrstopp von russischem Öl beraten. Wir werfen einen Blick in die Kommentare:
Tagesspiegel-Außenexperte Christoph von Marschall sieht die Gefahr eines sofortigen EU-weiten Embargos: „Beim Blick auf ganze Volkswirtschaften darf man zudem nicht übersehen, welche Folgen ein Boykott für einzelne Regionen haben kann, in Deutschland zum Beispiel für die Stadt Schwedt. Deren Existenz hängt am russischen Öl. Zweitens schwächt das Ölembargo den Zusammenhalt der EU.“ Seine Einschätzung können Sie hier lesen.
Die Brüssel-Korrespondentin Katrin Pribyl kommentiert das Öl-Embargo für die Augsburger Allgemeine als einen Schritt, der Russland massiv unter Druck setzen würde und fordert ein Ende der Öl-Importe: „Wenn der Aufnahmestopp auch erst in einigen Monaten vollzogen wäre, ist es schon jetzt ein weitreichender Schritt, der Putin unter massiven Druck setzen würde. Seine Drohungen, den fossilen Brennstoff schlichtweg ins energiehungrige Asien umzuleiten, sind leer und nicht ernst zu nehmen.“ Ihren Blick auf die Lage und ihren Vorschlag für den Weg aus der Krise lesen Sie hier.
Heute gratulieren wir herzlich:
Bärbel Bas (SPD), Präsidentin des Deutschen Bundestages, 54
Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, 56
Ronja Kemmer, CDU-Bundestagsabgeordnete, 33
Konrad Stockmeier, FDP-Bundestagsabgeordneter, 45
Jan Hollitzer, Chefredakteur Thüringer Allgemeine, 42
Amalia Heyer, Redakteurin Der Spiegel, 42
Martin U. Müller, Redakteur Der Spiegel, 41
Der CDU-Vorsitzende über seine geplante Reise nach Kiew.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre