herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.
Unsere Themen heute:
Die Seeheimer wollen ihren Einfluss in der Fraktion ausbauen – kommende Woche kommt es zum Showdown.
Der Kanzler ist eine absolute Person der Zeitgeschichte. Wir fragen, wie geschichtsträchtig die Augenklappe ist, die Olaf Scholz gerade trägt.
Lange hat der Koalitionsausschuss nicht mehr getagt. Und bis zum nächsten Mal wird es auch noch etwas dauern.
Deutschland hat das Umfeld für Start-ups deutlich verbessert. Von den Spitzenreitern aber ist Deutschland immer noch weit entfernt.
Kurz vorm Durchbruch: Rostock könnte schon bald Standort für den Bau von Konverterplattformen werden.
Die neue Vize-Büroleiterin des Bundeskanzlers war früher Chefin einer Anti-Geldwäsche-Einheit im Bundesfinanzministerium.
Der Bundeskanzler lädt Ende September zum Chemie-Krisengipfel ins Kanzleramt. Es geht um Subventionen und neue Staatshilfen – aber Christian Lindner ist nicht dabei.
Nach Hackerangriff: IHK Fosa nur eingeschränkt handlungsfähig
In Deutschland fehlen etwa eine halbe Million Fachkräfte. Viele Unternehmen suchen händeringend qualifizierte Mitarbeiter, auch im Ausland.
Doch die wichtigste deutsche Institution für ausländische Facharbeiter ist derzeit nur eingeschränkt handlungsfähig, wie unser Kollege Thorsten Denkler erfuhr.
Eine Infografik mit dem Titel: Fachkräftemangel nimmt zu
Entwicklung der Fachkräftelücke nach Qualifikationsniveau
Die IHK Fosa (Fosa steht für Foreign Skills Approval) mit Sitz in Nürnberg ist die zuständige Behörde für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, doch wurde die IHK Ende vergangenen Jahres Opfer eines folgenreichen Hackerangriffs, wie ein Sprecher bestätigte.
Der Angriff konnte abgebrochen werden, doch haben sich in der Folge die Bearbeitungszeiten von Anerkennungsanträgen von drei auf sechs Monate verlängert.
Und: Anträge können jetzt nicht mehr digital gestellt werden, sondern müssen per Post übersandt werden. Die Unterlagen müssen „mit allen erforderlichen Dokumenten als Loseblattsammlung“ eingereicht werden, heißt es. Im DIN A4-Format und als Farbkopie. Ohne Anerkennung dürfen potenzielle ausländische Arbeitnehmer ihre Beschäftigung bisher nicht aufnehmen.
Eine Infografik mit dem Titel: Wie soll der Fachkräftemangel gelöst werden?
Umfrageergebnis des ARD-DeutschlandTrends Januar 2023*, in Prozent
Außerdem heißt es in den Anforderungen für ausländische Fachkräfte nun:
Verzichten Sie bitte auf jegliche Art der Heftung.
Die Frage, ob dieses umständliche Verfahren eine Folge des Hackerangriffs sei, wollte die IHK nicht bestätigen, ein Sprecher betonte nur:
Die Tatsache, dass wir noch nicht wieder digitale Anträge entgegennehmen, ist dem Umstand geschuldet, dass wir uns in dieser Hinsicht anders aufstellen.
Wann es wieder möglich sein werde, Anträge per E-Mail zu stellen, ist unklar. Die IHK Fosa betont, man arbeite mit Hochdruck daran.
Möglicherweise ist der Gesetzgeber schneller. Ab November greifen die Regeln des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.
Ab März 2024 ist es dann möglich, ohne Anerkennung der IHK eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen in einer „Anerkennungspartnerschaft“ nur versprechen, diese nachzuholen.
Vielleicht dann sogar wieder digital.
Kindergrundsicherung soll schnell ins Kabinett
Die umstrittene Kindergrundsicherung könnte nach der Einigung der Koalition auf Schloss Meseberg nun schnell ins Kabinett kommen.
Aus Regierungskreisen erfuhren wir, dass bereits am Freitag eine digitale Verbändeanhörung in der Regierung stattgefunden hat und die Ressorts sich am Sonntag bereits abgestimmt haben.
Sollte die Staatssekretärs-Runde an diesem Montag keine Bedenken mehr äußern, könnte das Gesetz schon am Mittwoch ins Kabinett kommen, heißt es.
Außerdem ist der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire zu Gast und das Kabinett will laut der internen Tagesordnung, die uns vorliegt, die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes im Irak und das UN-Hochseeschutzabkommen beschließen.
Regierung skeptisch bei EU-Gebäuderichtlinie
Der Bundestag hat das umstrittene Heizungsgesetz der Ampel beschlossen, doch neuer Streit droht bei der EU-Gebäuderichtlinie.
Die Sanierung von Häusern und Wohnungen kostet viele Milliarden Euro. © dpaDie von der EU-Ebene erarbeitete neue Gebäuderichtlinie will bis 2030 einen hohen Energieeffizienzstandard in allen EU-Mitgliedsstaaten (mindestens Klasse E) und eine Sanierungspflicht für Bestandsgebäude durchsetzen.
Doch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat für die Bundesregierung bisher ihr Veto eingelegt, sie will einen Sanierungszwang für Bestandsgebäude auf jeden Fall vermeiden, erfuhren wir aus der Regierung. Ohne die Zustimmung der Bundesregierung kann die Richtlinie allerdings nicht in nationales Recht umgesetzt werden.
Ob es vor der Europawahl 2024 noch zu einer Einigung kommt, ist fraglich.
Sven Odia, Chef der Immobilienmakler Engel & Völkers, schätzt, dass 16 Millionen Wohngebäude in Deutschland betroffen wären, sollte die Richtlinie umgesetzt werden. Das sagte er unserer Kollegin Laura Block im neuen Pioneer-Podcast Wohngold, den sie hier abrufen können.
Das Unternehmen rechnet mit Kosten von 1.000 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter. Eigentümer eines sanierungsbedürftigen Hauses mit 100 Quadratmeter Wohnfläche müssten mit Sanierungskosten von bis zu 150.000 Euro rechnen.
Was die Richtlinie bedeuten könnte, hat Thorsten Denkler hier zusammengefasst.
Arbeitsmarktforscher: Gen Z will anders arbeiten
Die Gen Z, die Generation der zwischen 1996 und 2010 Geborenen, hat nach Ansicht von Arbeitsmarktforscher Enzo Weber kein grundsätzlich anderes Verhältnis zum Thema Leistung.
„Dass die Gen Z weniger leisten will als frühere Generationen, ist nicht richtig“, sagte uns Weber, der am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) tätig ist.
Enzo Weber © dpaDie durchschnittliche gewünschte Arbeitszeit der jungen Leute sei zwar deutlich gesunken. Das habe aber vor allem etwas damit zu tun, „dass der Anteil von Studierenden gestiegen ist, die nebenbei erwerbstätig sind“.
Weber weiter:
Die Gen Z will anders arbeiten, nicht unbedingt weniger. Und: Sie kommt auf einen Arbeitsmarkt, auf dem Beschäftigte so knapp sind wie seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr.
Mit den Arbeitszeit-Präferenzen der Deutschen, dem neuen Wert der Freizeit und der Debatte über die Vier-Tage-Woche, beschäftigen sich unsere Kollegen Christian Schlesiger und Rasmus Buchsteiner in ihrer Coverstory, die Sie hier lesen können.
Ex-Linken-Chef Klaus Ernst: „Ich weiß von nichts“
Vertraute um die Parteirebellin der Linken, Sahra Wagenknecht, kennen keine konkreten Pläne, eine neue Partei zu gründen.
Allerdings gibt es in der Fraktionsführung die Erwartung, dass es im Januar zu einer Parteigründung kommen könne.
Aus der Fraktion hören wir, dass in diesem Fall bis zu neun Abgeordnete – alle aus dem Westen – Wagenknecht folgen könnten.
Klaus Ernst, Linke © dpaEiner ihrer engsten Vertrauten und Fürsprecher, der frühere Parteichef Klaus Ernst, sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler zu einer angeblich gefallenen Entscheidung:
Es gibt nichts Neues. Sahra wird sich bis Ende des Jahres entscheiden.
Nach einem Bericht der BILD sollen vier Wagenknecht-Vertraute dem Blatt berichtet haben, die Entscheidung über eine Parteineugründung stehe kurz bevor.
Ernst erklärte: „Welche vier Vertrauten das sein sollen, weiß ich nicht. Ich würde mich mal zu den Vertrauten dazu zählen. Ich weiß von nichts.“
Sahra Wagenknecht und Bernd Riexinger © dpaWagenknecht-Gegner Bernd Riexinger sagte uns: Sollten die Gerüchte stimmen, dann „wäre es gut, wenn sie das auch ihrer Partei und Fraktion sagen würde“.
Riexinger sagte weiter:
Die permanente Spekulation, ob oder ob nicht, schadet uns am meisten und ist unanständig. Ich gebe einer linkskonservativen Partei keine lange Lebensdauer.
Die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan wollten sich nicht äußern. Am Wochenende tagte der Parteivorstand. Heute soll das EU-Wahlprogramm der Linken vorgestellt werden.
Spekuliert wird in Fraktion und Partei, dass es im Wagenknecht-Lager Streit um den Kurs gebe. Manche scheinen zu glauben, dass Wagenknecht zum Jagen getragen werden müsse.
In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung klang Wagenknecht jedenfalls noch nicht sehr entschieden. Dort sagte sie:
Eine Parteigründung ist nicht einfach. Ob man das Wagnis eingeht, kann nicht eine Person entscheiden. Eine Partei braucht fähige Organisatoren und ein Mindestmaß an Strukturen in den Ländern. Wer unvorbereitet startet, bringt ganz sicher kein Erfolgsprojekt auf den Weg.
Link bleibt Transatlantik-Koordinator
Der FDP-Abgeordnete Michael Link soll auch nach seiner Beförderung zum Fraktionsvize Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen bleiben. Dies hören wir aus Kreisen der Fraktion.
In verschiedenen Kreisen gab es allerdings auch Überlegungen, ob es durch die gesteigerte Arbeitsbelastung für Link in dem Posten zu einer Rotation kommen könne. Die Entscheidung ist nun aber – definitiv für dieses Jahr – für Link gefallen. Er gilt im Auswärtigen Amt als anerkannt und guter Gesprächspartner auch für die grüne Hausleitung.
Özdemir und die Wölfe in Deutschland
Bei der Herbst-Agrarministerkonferenz in Kiel vom 20. bis 22. September wird Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einen Zwischenstand zum Wolfs-Monitoring in Deutschland geben. Özdemir will es leichter machen, Wölfe zu erlegen.
Cem Özdemir © imagoAußerdem stehen bei der Konferenz der Landesagrarminister unter anderem die Rückführung der „Regelungsdichte für die Land- und Forstwirtschaft“, der Rebschutz im Weinbau und die Entwicklung der Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft auf der Tagesordnung. Thema ist auch der verstärkte Einsatz von Drohnen in Landwirtschaft und Weinbau.
Diese Woche ist im Deutschen Bundestag sitzungsfrei. Das Parlament tagt wieder in der Woche vom 18. September bis 22. September.
Am 20. September werden Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) Rede und Antwort stehen.
Am selben Tag wird es im Plenum noch eine vereinbarte Debatte zum Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini im Iran geben. Die kurdische Studentin war im September 2022 von der Sittenpolizei aufgegriffen worden und starb nach schweren Misshandlungen.
Im Donnerstag stehen unter anderem die erste Lesung des sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetzes und des Krankenhaustransparenzgesetzes auf der Tagesordnung. Am Freitag berät das Parlament ebenfalls in erster Lesung über das Haushaltsfinanzierungsgesetz.
Auf - Boris Pistorius. Der SPD-Verteidigungsminister hatte am Wochenende gleich zwei souveräne Auftritte. Bei den Spielen der Kriegsversehrten, den Invictus Games in Düsseldorf, beeindruckte Pistorius mit einer emotionalen Solidaritätsadresse an die anwesenden ukrainischen Soldaten. Am Abend traf er zwei Mal an der Torwand des ARD-Sportstudios. Ein Mal mehr als die Fußball-Nationalelf Tore gegen Japan erzielte. Kanzlertauglich!
Ab - Alice Weidel. Es gab gute Gründe, im Mai nicht am Empfang der russischen Botschaft zum Jahrestag der Kapitulation Deutschlands 1945 teilzunehmen. Der Angriffskrieg, den Russland führt, dürfte der wichtigste sein. Auch AfD-Chefin Alice Weidel war nicht da. Weil sie „die Niederlage des eigenen Landes“ nicht „befeiern“ wollte. Aus der Geschichte nichts gelernt.
Laut FAZ-Redakteur Nikolas Busse sei den USA und Europa bei dem G20-Gipfel in Indien die Zusammenarbeit mit Schwellenländern wichtiger gewesen als Solidarität für die Ukraine. Der Westen wäre bereit gewesen, den Preis zu zahlen, dass der russische Überfall nicht direkt verurteilt werde. Im Vergleich zum Vorjahr auf Bali habe sich gezeigt, dass die G20 derzeit nicht für strategische Vorhaben geeignet sei, so Busse. Eine multipolare Welt sei vor allem „eine der Bündnisse, nicht der globalen Zusammenarbeit“. Den gesamten Kommentar können Sie hier lesen.
Der G20-Gipfel zeige für den stellvertretenden Chefredakteur der Welt, Robin Alexander, dass sich die internationalen Gewichte weiter weg vom Westen, von Europa und „von Deutschland sowieso“ verschieben würden. Die Worte der Außenministerin Annalena Baerbock könnten dementsprechend bald hohl klingen, so Alexander. Bemerkenswert sei für den Welt-Redakteur auch, dass die aufstrebenden Länder des Südens in Neu-Delhi nicht auf Russlands Seite gewechselt seien. Sie betonten, dass der Ukrainekrieg nicht das einzige Problem auf der Welt sei. Hier können Sie seinen gesamten Kommentar lesen.
Heute gratulieren wir herzlich:
Simone Borchardt, CDU-Bundestagsabgeordnete, 56
Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D. der Bundeswehr, 60
Karoline Otte, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 27
Paola Ruffo di Calabria, Königin von Belgien, 86
Nina Scheer, SPD-Bundestagsabgeordnete, 52
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre