Haushaltskrise

Industrie bangt um Förder-Milliarden

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • Milliardenschwere Förderprogramme für die Wirtschaft stehen durch das Verfassungsgerichtsurteil und die Haushaltssperre auf der Kippe.

  • Obwohl die Union auf eine Verschiebung der Haushaltsberatung für 2024 drängt, soll die Bereinigungssitzung stattfinden.

  • Nancy Faeser erwägt, das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Bedingung bei der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft zu machen.

  • Die Verbände der Fertighaus-Branche schlagen Alarm wegen einer geplanten Umgruppierung ihrer Mitarbeiter bei der Berufsgenossenschaft. Es drohen Insolvenzen.

  • Das Frauen-Netzwerk Frauen 100 präsentiert sich erstmals einem breiten Publikum – mit dabei der SPD-Arbeitsminister und die neue Start-up-Präsidentin.

Die Wirtschaft bangt um Förder-Milliarden

Das Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds und die Haushaltssperre verunsichern die deutsche Industrie. Mehrere milliardenschwere Förderprogramme für die Wirtschaft stehen auf der Kippe. Diese Projekte und Branchen sind betroffen:

Mikroelektronik: Das Projekt IPCEI Mikroelektronik II gehört dazu, erfuhr unsere Kollegin Claudia Scholz von Unternehmen, dem Industrieverband ZVEI und aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums. Als IPCEI bezeichnet die EU „Wichtige Vorhaben im Gemeinsamen Europäischen Interesse“.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte erst vor zwei Monaten 31 deutschen Firmen der Halbleiter-Branche feierlich eine Förderzusage erteilt. Vier Milliarden Euro sollten fließen.

Robert Habeck am Rande der Beratungen des Haushaltsausschusses  © dpa

Doch nur 15 Firmen haben bisher einen rechtsverbindlichen Förderbescheid erhalten. Unter den 16 Firmen, die noch bangen, ist auch Global Foundries, eines der größten Chipunternehmen Deutschlands mit Sitz in Dresden. Dem Unternehmen wurde ein dreistelliger Millionenbetrag zugesagt. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir diesen Förderbescheid mit Verspätung dennoch erhalten werden“, heißt es von Global Foundries.

Es kann nicht einfach die Hälfte der Unternehmen außen vor bleiben - alle haben ihren Beitrag zu dem europäischen Projekt zu leisten.

Global Foundries betreibt eine Halbleiter-Fabrik in Dresden. © dpa

Diejenigen, denen schon verbindlich Geld zugesagt wurde, werden noch bedient, alles andere steht zur Diskussion in der Ampel-Regierung.

Der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber, sagt: „Alle 31 IPCEI-Projekte haben eine öffentliche Zusage erhalten. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung nicht den Investitionsstandort Deutschland nachhaltig beschädigen möchte und daher alle öffentlichen Zusagen auch einhält.“

Wasserstoff und grüner Stahl: Bei den IPCEI-Projekten zu Wasserstoff sind rund 45 Unternehmen beteiligt. Erst sechs Vorhaben wurden bewilligt, bei 25 Vorhaben wurde der vorzeitige Maßnahmenbeginn genehmigt, Unternehmen gehen also bereits in Vorleistung. Sechs Milliarden Euro sollten allein in die dekarbonisierte Stahlerzeugung an Standorten im Saarland (Stahl-Holding-Saar), in Bremen und Eisenhüttenstadt (ArcelorMittal) fließen.

Olaf Scholz besucht das Unternehmen Steelwind, mit dabei ist Jonathan Weber (links), Geschäftsführer SHS Stahl-Holding-Saar © Imago

Chipfabriken: Die Bundesregierung hat dem Taiwanischen Chipfertiger TSMC, der eine Halbleiterfabrik in Dresden bauen möchte, rund fünf Milliarden Euro als Hilfe zugesagt.

Gegenüber dem US-Konzern Intel gibt es Subventionszusagen in Höhe von zehn Milliarden Euro für eine Chipfabrik in Magdeburg. Infineon soll für eine Fabrikerweiterung in Dresden eine Milliarde Euro bekommen.

Noch immer nur ein Modell: Die Intel-Fabrik in Magdeburg © DPA

Batteriezellfertigung: Aus der Branche sind rund 30 Unternehmen in den verschiedenen IPCEI-Projekten dabei. Für die Förderung der deutschen Batterie-Wertschöpfungskette waren Mittel in Höhe von rund einer Milliarde Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds eingeplant.

Mittelstand: Von der Haushaltssperre sind konkret für den Mittelstand folgende Fördermittel betroffen, erfuhr unsere Kollegin Luisa Nuhr vom Mittelstandsbund:

  • Rund 331 Millionen Euro für „Mittelstand: Gründen, Wachsen, Investieren“.

  • Rund 270 Millionen Euro für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM).

  • 17,9 Millionen Euro für Mittelstand Digital.

  • Auch in allgemeineren Bereichen wie Energie und Nachhaltigkeit (1,1 Milliarden Euro) oder Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt wären Mittelständler von einer Nicht-Auszahlung betroffen.

Bereinigungssitzung findet statt

Die Unions-Fraktion drängt auf eine Verschiebung der Haushaltsberatung für 2024, doch der Widerstand innerhalb der Koalition ist groß. Für Donnerstag ist die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses angesetzt.

Unserem Kollegen Christian Schlesiger sagte die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Bettina Hagedorn (SPD):

Ich gehe fest davon aus, dass die Bereinigungssitzung am Donnerstag wie geplant stattfindet. Wir haben in der vergangenen Woche beschlossen, dass wir den Haushalt 2024 am kommenden Donnerstag final bereinigen. Dieser Zeitplan ist nach wie vor gültig.

Bettina Hagedorn © dpa

Für eine Verschiebung der Sitzung wäre „die Mehrheit des Haushaltsausschusses notwendig”, sagte Hagedorn. Die gestrige Anhörung der Sachverständigen habe die Sachlage nicht verändert. Am 1. Dezember würde der Bundestag über den Haushalt 2024 abstimmen, am 15. Dezember würde der Bundesrat folgen. Das Parlament könnte in einem Nachtragshaushalt alle weiteren notwendigen Entscheidungen treffen.

Faeser will Antisemitismus-Klausel bei Einbürgerung

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich offen dafür gezeigt, bei der Einbürgerung von Zuwanderern auch das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu verlangen. Eine entsprechende Klarstellung könne im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht erfolgen, so Faeser am Rande der Islamkonferenz gestern in Berlin.

Bei dem Treffen ermahnte die SPD-Ministerin die muslimischen Verbände zu einer klaren Abgrenzung vom Terror der Hamas und zu einem gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus. Gerade die großen islamischen Verbände müssten „noch sichtbarer” werden, betonte die SPD-Politikerin.

Nancy Faeser bei der Islamkonferenz in Berlin © dpa

Die Imam-Ausbildung in Deutschland soll künftig nicht mehr von der türkischen Religionsbehörde Diyanet erfolgen, sondern hier im Land, durchgeführt von der DITIB.

Vor Gipfel: Bauverbände schlagen Alarm

Kurz vor der am Donnerstag und Freitag stattfindenden Bauministerkonferenz von Bund und Ländern schlagen die Fertighaus-Verbände BDF und DHV Alarm.

Dabei geht es um neue, kostenintensive Bürokratieauflagen durch die Baugenossenschaft. Ab dem 1. Januar 2024 droht demnach eine erhebliche Beitragserhöhung für die Versicherung von Arbeitnehmern in der Baubranche.

Für viele kleine und mittelständische Bau- und Fertighausbauer sei diese Beitragserhöhung existenzgefährdend, heißt es in einem internen Papier der Verbände. Den Plänen zufolge sollen Mitarbeiter aus eher weniger gefährdeten Bereichen der Branche den Zimmereien und Dachdeckereien zugeordnet werden, deren Mitarbeiter ein überdurchschnittliches Unfallrisiko auf den Baustellen haben. Diese Umgruppierung bedeutet etwa 1000 Euro bis 2500 Euro Mehrkosten pro Jahr und Mitarbeiter.

Insolvenzen in großem Maßstab seien dann nicht auszuschließen, da die Kostenbelastung für die Unternehmen insgesamt teilweise um über 100 Prozent steige, heißt es weiter.

Fertighäuser in Schkeuditz, Sachsen.  © dpa

„Die Bürokratie belastet ausgerechnet die Branche, die einen wichtigen Beitrag für die Schaffung von neuem Wohnraum leisten soll”, heißt es bei den Verbänden.

Fast 100 Unternehmen planen juristische Schritte gegen die Neuregelung. Zu den Mitgliedsfirmen, die in den Verbänden organisiert sind, gehören unter anderem die Branchenführer Züblin und Schwörer-Haus.

Frauen 100 mit Tekkal, Heil und Pausder

Das Frauennetzwerk Frauen 100 will sich mit dem neuen Format The Stage am 12. Dezember im Berliner Admiralspalast erstmals einem breiten Publikum öffnen und mit prominenten Persönlichkeiten über gesellschaftlich relevante Themen diskutieren.

Unter anderem werden in verschiedenen Panels die Frauenrechtlerin Düzen Tekkal, die ARD-Journalistin Natalie Amiri, Arbeitsminister Hubertus Heil und die neue Start-up-Präsidentin Verena Pausder diskutieren. Tickets gibt es hier.

Janina Hell und Felicitas Karrer beim Geschlechter-Gipfel im Hotel Adlon für mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. © dpa

Das Netzwerk wurde 2021 von Janina Hell und Felicitas Karrer gegründet, um einflussreiche Frauen aus Politik, Medien, Sport, Wirtschaft und Gesellschaft zu vernetzen und einen Raum für einen ungezwungenen Diskurs über Feminismus zu schaffen.

Bundespräsident verleiht Länderchefs Verdienstkreuz

Frank-Walter Steinmeier  © dpa

Am Freitag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue mehrere Ministerpräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen.

Besonders hervorgehoben wird der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der das Große Verdienstkreuz erhalten wird. Das Große Verdienstkreuz ist die dritthöchste Auszeichnung in Deutschland.

Stephan Weil © Anne Hufnagl

Neben Weil werden auch die Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Dietmar Woidke (SPD), Reiner Haseloff (CDU) und Bodo Ramelow (Linke) mit dem Verdienstorden geehrt.

Auch Bundesinnenminister a.D., Horst Seehofer, wird ausgezeichnet.

Auf - Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister hat gestern in Kiew Militärhilfen im Wert von 1,3 Milliarden Euro für die Ukraine in Aussicht gestellt. Und das trotz Lindners auferlegter Haushaltssperre. Doch nur weil hierzulande falsch gehaushaltet wird, ist die Ukraine nicht weniger angewiesen auf Unterstützung, um sich gegen Russland zu verteidigen. Pistorius zeigt, wie Prioritätensetzung geht.

Ab - Olaf Scholz. Im entscheidenden Moment – wenn die Unsicherheit in Wirtschaft und Gesellschaft am größten ist – taucht der Kanzler wieder einmal unter. Man werde jetzt über die Haushaltsentscheidungen „sorgfältig diskutieren“, erklärte er gestern nach der Sitzung mit den Sachverständigen. Das hieße auch, dass nicht jeder gleich das, was ihm gerade auf dem Herzen liegt, „rausplappern“ müsse. Nicht zu plappern, aber wohl so schnell wie möglich für Klarheit zu sorgen, wird genau jetzt vom Kanzler erwartet.

Christian Lindners (FDP) verhängte Haushaltssperre erinnert Antje Höning von der Rheinischen Post an amerikanische Verhältnisse. „Regelmäßig Ausgabenstopps und Shutdowns“ kenne man vor allem aus den USA. Sie sieht in der Haushaltssperre aber primär eine Chance. So werde „die Koalition gezwungen, ihre vielen unsinnigen Projekte auf den Prüfstand zu stellen.“ Viele Konflikte seien zuletzt „einfach mit Geld überklebt“ worden. Und „ohne dieses Pflaster“, so Höning, werde der Streit um „Sozialleistungen“, „liberale Politik und grüne Staatsbeglückung“ wieder aufflammen. Ihr Fazit: Die Ampel steckt in einer Zerreißprobe. Den ganzen Kommentar lesen Sie hier.

Viele Gastronomen hatten es zuletzt nicht leicht, findet der Leiter des Wirtschaftsressorts beim Spiegel, Stefan Kaiser. Und doch sei es richtig, den Mehrwertsteuerrabatt zum Jahresende auslaufen zu lassen. Denn die Regierung müsse nach dem Urteil aus Karlsruhe sehr genau überlegen, welche Ausgabe für die Zukunft des Landes wirklich wichtig ist: „Um es kurz zu machen: Subventionen für die Gastronomie gehören nicht dazu.“ Es sei nicht die Aufgabe des Staates, jeden Landgasthof und jedes Großstadtcafé zu retten, die mit dem normalen Mehrwertsteuersatz nicht auskömmlich wirtschaften können. Umso fragwürdiger findet Kaiser es, dass Scholz und Lindner den Rabatt überhaupt unbegrenzt fortführen wollten. Lesenswert!

Prof. Lars Feld analysiert das Urteil zum Klima- und Transformationsfond

Gabor Steingart präsentiert das Pioneer Briefing.

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Gabor Steingart.

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The Pioneer Briefing

Heute gratulieren wir herzlich;

Paolo Gentiloni, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, 69

Bettina Jarasch, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, 55

Ska Keller, Grünen-Abgeordnete im Europaparlament, 42

Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag NRW, 37

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Korrespondentin Wirtschaft
Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  3. , Pioneer Editor, Korrespondentin Wirtschaft
  4. , Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“

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