unsere Themen heute:
Der Taurus-Antrag der Union wird wieder keine Mehrheit bekommen. Doch er hat Folgen für den Kanzler.
Nach neuen Enthüllungen über Rechtsradikale im Bundestag sucht die Ampel nach Lösungen. Wir kennen ihre Ansätze.
Die AfD torpediert den Berufungsprozess gegen den Verfassungsschutz mit einer grotesken Verzögerungstaktik.
Alexander Dobrindt war kürzlich in Ruanda. Wir haben mit ihm über Drittstaatenabkommen gesprochen.
Das Bauministerium hat kaum Daten zum Wohnungsbau. Eine Gesetzesnovelle soll das ändern.
Die Union bringt am Donnerstag zum dritten Mal in diesem Jahr die Taurus-Frage zur Entscheidung in den Bundestag. Der Kanzler bleibt bei seinem Nein. In der Ampel-Regierung entfaltet sich derweil ein ungewöhnlicher Vorgang:
Mehr als ein Dutzend Abgeordnete der Grünen haben bis Dienstagabend eine persönliche Erklärung unterschrieben, in der sie sich gegen den Unions-Antrag, aber für die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine aussprechen. Sie liegt unserem Kollegen Thorsten Denkler vor.
Dort heißt es: Deutschland müsse die Ukraine befähigen, „militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien" anzugreifen. Diese Fähigkeiten „kann und sollte“ auch Deutschland „mit dem Marschflugkörper Taurus zur Verfügung stellen“.
Die Unterzeichner unterstützen „ausdrücklich Überlegungen hinsichtlich eines Ringtausches und ermutigen die Bundesregierung, diesen Weg zu gehen“. So sieht das auch Außenministerin Annalena Baerbock.
Aus der FDP-Fraktion hat zudem Wolfgang Kubicki angekündigt, neben Marie-Agnes Strack-Zimmermann und womöglich zehn weiteren FDP-Abgeordneten zu erwägen, dem Antrag der Unions-Fraktion für die Taurus-Lieferung zuzustimmen.
Es gehört zu den parlamentarischen Grundregeln, dass eine Koalition nicht für einen Antrag der Opposition stimmt. Schon gar nicht, wenn es um ein derart strittiges Thema geht. Eine persönliche Erklärung hilft, dem Dilemma zu entkommen, einen Antrag abzulehnen, der eigentlich auf der eigenen Linie ist.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) © dpaNur eine Partei steht hinter dem Kanzler: Die SPD. Und wer dies nicht tut, der sagt es nicht öffentlich. Fraktionschef Rolf Mützenich forderte gestern sogar „Konsequenzen innerhalb der jeweiligen Fraktionen“ für eventuelle Abweichler in der Ampel. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem generell ein einheitliches Abstimmungsverhalten verabredet sei.
Kanzler Scholz und Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Fraktion © imagoDer Druck auf Scholz wächst: Wie wir hören, hat Anton Hofreiter in der Fraktionssitzung der Grünen gestern großen Applaus für seine harsche Kritik am Kurs des Kanzlers bekommen. Auch er will dem Unions-Antrag nicht zustimmen, machte aber seine Absichten klar:
Ich erwarte, dass wir ganz anders Druck auf den Kanzler ausüben. Er erhöht gerade ganz aktiv die Gefahr, dass Russland ein Nato-Land angreift.
Zu den Erstunterzeichnern der persönlichen Pro-Taurus Erklärung gehören neben Hofreiter die Grünen-Politiker Katrin Göring-Eckardt und Robin Wagener. Gestern Nachmittag hatten bereits 13 Abgeordnete die Erklärung unterschrieben. Wie wir hören, gibt es nur einen Grund, warum nicht noch deutlich mehr unterschreiben werden: Koalitionsdisziplin.
Ampel will auf AfD-Recherchen reagieren
In den Ampel-Fraktionen wird über den Umgang mit offenbar mehr als 100 Mitarbeitern der AfD-Fraktion mit engen Verbindungen zu rechtsradikalen Organisationen nachgedacht. Eine BR-Recherche hatte die Verbindungen aufgedeckt.
Der Klick auf's Bild führt Sie zum Artikel. © The PioneerWie unser Kollege Thorsten Denkler hört, wird über folgende Fragen nachgedacht:
Darf bestimmten Personen der Zugang zu Parlamentsgebäuden und Bundestag verwehrt werden? Und wenn ja, wie?
Für eine Verschärfung der Zugangsregeln müssten rechtssichere Kriterien definiert werden. Es müsse etwa geklärt werden, ob allein die Mitgliedschaft einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation als Sicherheitsrisiko bewertet werden kann.
Dürfen Abgeordneten Vorschriften für die Einstellung von Mitarbeitern gemacht werden?
Bisher können Abgeordnete und Fraktionen einstellen, wen sie möchten. Denn das in Grundgesetzartikel 38 festgelegte freie Mandat des Abgeordneten erlaubt es nach gängiger Lesart nicht, hier Vorschriften zu machen. Ob sich das aber so halten lässt, soll jetzt geprüft werden, hören wir. Denkbar könnte sein, dass jemand, der wegen verfassungsfeindlicher Taten vorbestraft ist, nicht Mitarbeiter eines Abgeordneten oder einer Fraktion sein kann.
Wie wir hören, wird sich jetzt der Ältestenrat des Bundestages mit diesen Fragen befassen.
AfD setzt im Prozess auf Verzögerungstaktik
Auch AfD, anderer Sachverhalt: In dem gestern gestarteten Berufungsprozess der AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland setzt die Partei vor dem Oberverwaltungsgericht Münster offensichtlich auf eine groteske Verzögerungstaktik. „Es wird bis morgen Abend kein Urteil geben“, hört unser Kollege Jan Schroeder aus dem Anwaltsteam der Partei am Dienstag.
Worum geht es? Die AfD wehrt sich gegen die Einordnung als „rechtsextremer Verdachtsfall“. Damit will die Partei verhindern, durch den Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet zu werden. Der Prozess gilt als wegweisend für ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - Verfahren der AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland © ImagoDie Taktik der AfD: Gleich zu Beginn des Verfahrens hatte sie eine Vertagung gefordert. Als dem nicht stattgegeben wurde, stellte AfD-Anwalt Christian Conrad schon am ersten Verhandlungstag etliche, zum Teil fast wortgleiche Beweisanträge, verlangte die Öffentlichkeit auszuschließen und die Verhandlung wegen „arbeitsrechtlichen Bedenken“ frühzeitig abzubrechen.
Nach der Mittagspause unterbrach Conrad die Tagesordnung mit dem Einwurf, jemand habe versucht, einen Sicherheitsmitarbeiter der Partei gegen Geld für Spionagetätigkeiten zu gewinnen. Dem Mitarbeiter sei ein „Papierschnipsel“ mit einer Adresse zugesteckt worden.
Am zweiten Verhandlungstag (heute) wolle man mehr als 200 Beweisanträge stellen. Ein AfD-Anwalt sagt uns:
Für die mündliche Aufnahme der Beweisanträge im Rahmen des Gerichtsprozesses haben wir eine Nettoarbeitszeit von 25 Stunden kalkuliert.
Damit müsste der Prozess womöglich um mehrere Monate vertagt werden. Die Gegenseite beklagte eine „Prozessverschleppung“ durch die AfD.
Dobrindt: Ruanda will Teil der Lösung des Flüchtlingsproblems sein
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt war jüngst in Ruanda, um sich dort über eine Migrations-Zusammenarbeit zu informieren. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Herr Dobrindt, was genau haben Sie in Ruanda gemacht?
Ich habe Gespräche mit der Regierung geführt und ein UN-Flüchtlingslager nahe der Hauptstadt Kigali besucht. Dort sind aktuell 2.500 Menschen untergebracht, die in Libyen gestrandet waren. Klare Erkenntnis der Reise: Ruanda ist ein Land, mit dem wir eine Drittstaaten-Lösung erreichen können. In Ruanda könnten Asylverfahren nach unseren Standards ablaufen, Menschen werden vor Ort angemessen untergebracht und versorgt. Organisatorisch, politisch und gesellschaftlich ist Ruanda zu einem Drittstaaten-Abkommen in der Lage.
Alexander Dobrindt © Anne HufnaglAber 2.500 Plätze lösen nicht das Migrationsproblem der EU. Gibt es die Bereitschaft, die Kapazitäten zu erweitern?
Die Regierung in Ruanda ist sehr konstruktiv und möchte Teil einer innovativen Lösung des europäischen Flüchtlingsproblems sein. Das hat mir der ruandische Flüchtlingsminister Albert Murasira so gesagt. Die ruandische Regierung möchte eng mit Deutschland zusammenarbeiten. Der Mechanismus muss begonnen werden mit ein paar hundert Plätzen für geordnete Asylverfahren nach europäischen Standards.
Das Signal dabei ist entscheidend: Deutschland unternimmt etwas zum Stopp der illegalen Migration. Mittelfristig werden wir mehrere tausend Plätze für geordnete Asylverfahren brauchen. Das wird natürlich nicht alle Ankünfte in Europa verhindern, keinen Grenzschutz ersetzen und natürlich müssen weiter nationale Maßnahmen, wie die Einführung der Bezahlkarte, erfolgen.
Hat sich die Bundesregierung auch schon um Gespräche vor Ort bemüht?
Meine Ansprechpartner berichteten, dass es bislang keinerlei Bemühungen der Bundesregierung gab. Das ist erstaunlich, denn die Ampel prüft ja angeblich seit dem MPK-Beschluss im November die Möglichkeit der Umsetzung von Drittstaatenlösungen.
Datenerhebung zum Wohnungsbau wird modernisiert
Möchte das Bauministerium die Zahlen zum Wohnungsbau in Deutschland erfahren, ist es oftmals auf die Datenlage der Bau- und Immobilienverbände angewiesen. Denn das Statistische Bundesamt erhebt bisher nur rudimentär die entsprechenden Zahlen.
Das ändert sich nun: Die Zahlen von Baugenehmigungen und Baufertigstellungen sollen im Rahmen des Hochbaustatistikgesetzes gründlicher erfasst werden. Die Novelle des Gesetzes soll heute laut Vorhabenplanung des Bauministeriums, die unserer Kollegin Laura Block vorliegt, ins Kabinett eingebracht werden. Der Beschluss gilt als Formalie.
Bauministerin Klara Geywitz © imago / IPONEine gezielte Wohnungsbaupolitik ist momentan kaum möglich, da das Haus von Klara Geywitz zum Beispiel auch erst im Mai die Zahlen der fertiggestellten Wohnungen aus dem vergangenen Jahr bekommt. Ab der nächsten Legislaturperiode, also ab 2026, werden die Zahlen vierteljährig erhoben.
Im Rennen um das Kanzleramt liegt bei einer hypothetischen Wahl zwischen Kanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Oppositionschef Merz zwar noch letzterer vorn bei der Wählergunst, wie die neuesten Erhebungen von Forsa zeigen. Aber: Robert Habeck schleicht sich an ihn heran. Nur noch zwei Prozentpunkte trennen die beiden.
Eine Infografik mit dem Titel: Robert Habeck holt auf
Präferierter Kanzler bei der Auswahl zwischen drei Optionen, in Prozent
Die Probleme des Landes kann allerdings für den Großteil der Befragten weder SPD, Grüne noch FDP lösen – sondern keiner der Parteien.
Eine Infografik mit dem Titel: Wer löst unsere Probleme?
Umfrage zu der den Parteien zugeschriebenen politischen Kompetenz*, in Prozent
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
Streik I: Verdi ruft für Donnerstag zu ganztägigen Streiks in den Bereichen Luftsicherheit und Fahrgastkontrolle auf. Mehrere Flughäfen, darunter Berlin und Köln Bonn, sind betroffen.
Streik II: Verkehrsminister Volker Wissing deutet an, das Streikrecht verschärfen zu wollen. „Wenn dieser Tarifkonflikt beigelegt ist, muss geprüft werden, ob wir eine Änderung brauchen oder nicht“, sagte er im ARD-Morgenmagazin.
EU-Gelder: Das EU-Parlament verklagt die EU Kommission. Präsidentin Ursula von der Leyen hatte Fördermittel für Ungarn freigegeben, obwohl diese wegen Korruptionsvorwürfen blockiert worden waren.
Ukraine: Das Weiße Haus hat ein 300 Millionen Dollar schweres militärisches „Nothilfepaket“ für die Ukraine beschlossen. Es enthalte unter anderem eine große Zahl an Artilleriegeschossen.
Spitzentreffen: Die FDP hat den Bundeskanzler für nächste Woche in die Fraktion eingeladen, wie wir erfahren haben. Die Liberalen wollen mit Olaf Scholz unter anderem über die Ukraine und die Wirtschaftswende sprechen.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Der Kanzler hat viel vor: Erst tagt das Kabinett. Dann stellt sich Scholz seiner ersten Regierungsbefragung in diesem Jahr. Zusätzlich nimmt der Kanzler an einer Veranstaltung der IG Bergbau, Chemie, Energie zum 60. Geburtstag teil. Danach empfängt er den Ministerpräsidenten Thailands, Srettha Thavisin.
Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner, Umweltministerin Steffi Lemke, Arbeitsminister Hubertus Heil und Verkehrsminister Volker Wissing besuchen den Zukunftstag Mittelstand.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger eröffnet die Konferenz des BMBF „Stadt-Land-Zukunft“.
Verkehrsminister Volker Wissing spricht auf einem Event der Mobil Deutschland e.V. zur Kampagne „HVO100 Diesel goes Germany“.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir trifft sich mit dem Deutschen Bauernverband.
Auf der Agrarministerkonferenz beschäftigen sich Bund und Länder zudem mit den Bauernprotesten, dem Bürokratieabbau und der Agrardieselsubvention.
Das Europaparlament will an diesem Mittwoch in Straßburg grünes Licht für ein KI-Gesetz geben.
Auf – Steffi Lemke. Die Ministerin könnte schon bald zur Möglichmacherin des Sommermärchens 2024 werden. Das Umweltministerium will die Vorschriften für das Public Viewing für die Fußball-EM im Sommer lockern, berichtet der Spiegel. Nächste Woche soll im Kabinett entschieden werden. Den Sieg der Nationalelf bis in die Nacht draußen feiern? Lieben wir!
Ab – Boris Pistorius. Die Kritik-Strähne des Verteidigungsministers will nicht abbrechen. „Substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur“ ließen auf sich warten, urteilt die Wehrbeauftragte Eva Högl zwei Jahre nach der Zeitenwende. Dazu gehören auch viele erhoffte Effekte von Pistorius' Reformen. Der Verteidigungsminister muss beweisen, dass er nicht nur Versprechen äußern, sondern sie auch halten kann.
Heute gratulieren wir herzlich:
Till Backhaus (SPD), Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern, 65
Karl Bär, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 39
Barbara Havliza, Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Opferschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, 66
Manfred Lucha (Grüne), Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg, 63
Dagmar Schmidt, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, 51
Steffen Schwarzkopf, Chefreporter von Welt TV, 51
Nadja Sthamer, SPD-Bundestagsabgeordnete, 34
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre