Kiffen am Steuer bedingt erlaubt

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zur Sommer-Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters, mit neuen Rubriken, anderen Themen, aber der gleichen Leidenschaft.

Unsere Themen heute:

  • Der Cannabis-Konsum soll legalisiert werden, dann muss es auch eine THC-Grenze für Autofahrer geben. Erste Ideen aus der SPD-Fraktion liegen uns vor.

  • Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagt im Interview, was auf die privaten Haushalte und die Industrie im Winter zukommen könnte.

  • Der neue Klimaminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt, erklärt im Interview, welche Ungerechtigkeiten im System" der Erneuerbaren Energien er entdeckt hat.

  • Die Mitgliederzahl der Grünen steigt weiter an, obwohl die Partei mit ihrer neuen Militärlogik den Pazifisten in der Partei einiges zugemutet hat.

  • In unserer neuen Sommer-Rubrik Seat of the day stellen wir Ihnen vielversprechende Bundestagsabgeordnete vor. Mit ihren Fachthemen, ihren Interessen und heimlichen Leidenschaften und ihren Lieblingskollegen.

  • Zum Abschluss des Newsletters melden sich ab heute Persönlichkeiten zu Wort, die zwar aus der aktiven Politik ausgeschieden sind, aber ihr politisches Engagement nie verloren haben. Was machen sie heute? Wo sind sie gerade? Ein Selfie gibt Auskunft.

Neue Kiffer-Regeln für Autofahrer

Die Ampel-Koalition geht jetzt ihre Pläne zur Cannabis-Freigabe an. Es geht nicht um eine generelle Legalisierung, sondern um die kontrollierte Abgabe an Erwachsene.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will im Herbst Eckpunkte vorlegen, bis Ende des Jahres dann seinen Gesetzentwurf.

Das Vorhaben sei „alles andere als trivial“, für ihn gehe es dabei um „Safety First“, so der SPD-Politiker kürzlich.

Karl Lauterbach © Anne Hufnagl

Sicherheit zuerst – was bedeutet das eigentlich für Autofahrer, die gerne mal kiffen? Unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner liegt dazu ein Positionspapier aus der SPD-Bundestagsfraktion vor.

Darin heißt es, der aus Cannabis-Konsum resultierende Rausch habe unmittelbare Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit:

Es ist daher auch künftig von Cannabiskonsument:innen zu verlangen, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs eindeutig zu trennen.

Da Cannabis bisher eine illegale Droge ist, gab es auch keinen offiziell festgeschriebenen THC-Grenzwert fürs Autofahren.

Die SPD-Experten sprechen sich bei Fahranfängern für einen vergleichsweise strengen THC-Grenzwert im Straßenverkehrsgesetz (StVG) aus: 1,0 Nanogramm (ng) pro Milliliter Blut sollen es erst einmal sein.

Für alle Übrigen wären es 3,0 ng, bei Konsum zusammen mit Alkohol 1,0 ng.

Zur Einordnung: Wer nicht regelmäßig kifft, liegt mitunter erst acht Stunden nach dem Joint wieder unterhalb der 1,0-Nanogramm-Marke.

© The Pioneer

Bei Überschreiten der von den SPD-Experten vorgeschlagenen Grenzwerte müsste es sich in jedem Fall mindestens um eine Ordnungswidrigkeit handeln. Daraus könnten sich dann Punkte in Flensburg ergeben, Bußgelder, unter Umständen auch ein Fahrverbot.

Offen lassen die SPD-Experten, ob es analog zum Alkohol auch einen gesonderten Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit geben sollte.

Spannend wird, wie die Regelungen zur Fahreignung angepasst werden. Bisher ist es so, dass notorische Kiffer ihren Führerschein verlieren und eine MPU („Idiotentest“) machen müssen, wenn Bluttests nach einer Verkehrskontrolle den Schluss zulassen, dass sie regelmäßig Cannabis konsumieren.

Die SPD-Experten können sich hier eine Lockerung vorstellen und plädieren für derlei Konsequenzen nur bei denjenigen, die bekifft fahren.

SPD-Verkehrsexperte Mathias Stein sagte uns, man wolle mit „einer verhältnismäßigen Regelung" dafür sorgen, dass alle, „die Fahren und Konsum trennen, keine Sorge um ihre Fahrerlaubnis mehr haben müssen".

Netzagentur-Chef rechnet mit zweiter Gaspreis-Welle

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rechnet mit weiter steigenden Gaspreisen.

„Die Preise steigen rasant. Das kann jeder an den Gasbörsen sehen", sagte uns Müller in einer Sonderausgabe des Hauptstadt-Podcasts.

Schon heute müssten die Gasversorger die hohen Preise an ihre Kunden weitergeben, darin seien aber nur die Preissteigerungen des vergangenen Herbstes enthalten.

Der erste Schock ist da. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es eine zweite Preisrunde gibt, die wird sich über das Jahr 2023 verteilen.

Derzeit sind die Gasspeicher mit 63 Prozent gefüllt.

Ab diesem Montag wird die Gaspipeline Nord Stream 1 vorübergehend abgestellt, offiziell wegen einer technischen Wartung.

„Was macht Putin nach der Revision von Nord Stream 1? Das kann keiner voraussagen", so Müller.

Sollte die Pipeline trocken bleiben, könnte es im Winter zu Engpässen kommen. Ob man die gesetzliche Vorgabe, ab November die Speicher zu 90 Prozent zu füllen, erreicht, hänge auch von den Einsparungen und vom Wetter ab, sagt Müller.

Es gehe jetzt darum, so viel Gas wie möglich weltweit einzukaufen und zugleich Gas einzusparen. Einen Automatismus zu dem Ausrufen der Notfallstufe, falls die Pipeline nicht wieder angeschaltet wird, sieht er aber nicht.

„Ich bin gewillt, diesem Sturm zu trotzen. Wir haben stabile Gaszuflüsse aus Norwegen. Wir nutzen die LNG-Terminals in Belgien und Holland, wir sind in Gesprächen mit Frankreich. Und die Bundesregierung will zwei schwimmende Terminals in diesem Winter anlanden."

Zugleich sehe man bereits Gasreduktionen in der Industrie und in den privaten Haushalten.

Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur in Bonn.  © dpa

Eine Liste mit systemrelevanten Unternehmen, die im Notfall zuerst beliefert würden, gebe es nicht. Den Anteil der Industrieunternehmen, die Gas als Grund- und Produktionsstoff benötigen, bezeichnet Müller als unter 20 Prozent.

Wie Einsparungen in den Privathaushalten erreicht werden könnten, müsse die Politik entscheiden.

Es könne aber ähnlich der Pandemie-Bekämpfung politisch verbindliche Regeln zu dem Verhalten der Industrie und der privaten Haushalte geben, so Müller.

Hier geht es zu dem gesamten Gespräch mit Klaus Müller.

“2023 droht ein weiterer Preisschock”

Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller über die Versorgung mit Gas

Podcast hören

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker .

Podcast mit der Laufzeit von

Katastrophenschützer zahlten Millionen für Eigenwerbung

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat in den vergangenen Jahren rund 5,3 Millionen Euro für eigene Werbemaßnahmen ausgegeben.

Zwischen 2019 und 2021 kostete allein eine Kampagne mit der Berliner Agentur ORCA Affairs GmbH rund 4,1 Millionen Euro („Für alle Fälle vorbereitet").

Das geht aus einem Dokument hervor, das unser Investigativreporter Christian Schweppe recherchiert hat.

Wir veröffentlichen hier die BBK-Werbeliste:

© The Pioneer

Die Aufstellung zeigt, welche Agenturen von den durch öffentliche Mittel finanzierten Kampagnen profitierten – vor allem für eine Kampagne, die auch TV-Spots vorsah, gab man beim BBK erhebliche Summen aus.

Die Bundesoberbehörde ist im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern angesiedelt und hierzulande das zentrale Organisationselement für die zivile Sicherheit.

2020 hatte der langjährige Bundestagsabgeordnete Armin Schuster (CDU) das Amt des Präsidenten übernommen, ehe er kürzlich neuer Innenminister in Sachsen wurde.

Auszug aus PR-Kampagne © ORCA Affairs GmbH/ BBK

Seither leitet der Jurist Ralph Tiesler das BBK, dessen Bedeutung seit der Pandemie sowie zahlreichen Extremwetterlagen im ganzen Land deutlich gestiegen ist.

Ex-Präsident Schuster hatte zusätzliche Mittel von fünf bis zehn Milliarden Euro für das BBK in den nächsten zehn Jahren gefordert. Allein die Modernisierung von Alarmsirenen in Städten und Dörfern würde eine Milliarde Euro kosten, sagte Schuster noch im März.

Stromleitungen in Schleswig-Holstein. © dpa

Widerstand aus dem Windkraft-Wunderland

Schleswig-Holstein produziert heute schon mehr als 150 Prozent seines Eigenbedarfs an Strom mit Windkraft. Das Land ist das Powerhouse der deutschen Energiewende. Dennoch zahlen die Verbraucher dort höhere Netzentgelte als anderswo.

Das muss anders werden, sagt der neue Klimaminister des Landes, Tobias Goldschmidt (Grüne), im Interview mit unserem Kollegen Thorsten Denkler. Von der Bundesregierung fordert er, die „Ungerechtigkeiten im System" endlich zu beseitigen.

In den jüngsten und aktuell noch geplanten Energiegesetzen ist eine Reform der Netzentgelte nicht enthalten. Goldschmidt warnt, die Frage dürfe nicht auf den Sankt Nimmerleinstag" verschoben werden. Lesen Sie hier das ganze Interview mit Tobias Goldschmidt.

"Da gibt es Ungerechtigkeiten im System"

Schleswig-Holstein ist Windkraft-Land. Zahlt aber hohe Netzentgelte. Tobias Goldschmidt will da ran.

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Veröffentlicht von Thorsten Denkler.

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Grüne wachsen trotz Abkehr von urgrüner Politik

Der militärpolitische Kursschwenk der Grünen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich nicht negativ auf die Mitgliederzahlen der Partei ausgewirkt.

Von Ende Februar bis Ende Juni dieses Jahres habe es ein Nettowachstum im dreistelligen Bereich gegeben, hieß es uns gegenüber aus der Parteizentrale.

Genaue Zahlen liegen dort erst wieder Anfang 2023 vor.

Die Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour. © Imago

Insgesamt sind 125.000 Personen Grünen-Mitglieder. Als die Grünen Anfang 1999 für den Bundeswehr-Einsatz im Kosovo stimmten, verließ rund ein Siebtel der damals 50.000 Mitglieder die Partei.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Gabriele Katzmarek, ist Ansprechperson für Fraktionsmitglieder, die wegen des Vorfalls bei dem Fraktionsfest Hilfe oder Beratung suchen. Katzmarek ist Awareness-Beauftragte im Vorstand der Fraktion. Bereits in dieser Woche organisieren sich innerhalb der Fraktion mehrere Gesprächskreise, um die Vorfälle aufzuarbeiten, darunter auch einer nur für Frauen. Mindestens neun Personen wurden bei einer internen Fraktionsfeier am vergangenen Mittwoch von einer unbekannten Person K.o.-Tropfen verabreicht, in einigen Fällen musste der Krankenwagen gerufen werden. Es handelt sich bei den Opfern ausschließlich um junge Mitarbeiterinnen von Abgeordneten und der Fraktion.

Bundeskanzler Olaf Scholz setzt Angela Merkels Tradition der sommerlichen Bürgerdialoge fort und beginnt mit seiner Reihe der „Kanzlergespräche" heute Abend in Lübeck. Ab 18 Uhr stellt er sich bei der „moderierten Diskussionsveranstaltung" im Strandsalon 90 Minuten lang den Fragen von 150 Bürgerinnen und Bürgern. In den nächsten Monaten sollen weitere Veranstaltungen in allen 16 Bundesländern folgen.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) startet heute ihre Truppenbesuchsreihe der Bundeswehr. In Munster besucht sie den Stab Test und Versuch, der seit 2019 den Grundstein des neu aufzubauenden Systemzentrums Digitalisierung bildet. Am Mittwoch (13. Juli) geht es dann zum Aufklärungsbataillon 3 nach Lüneburg, Donnerstag (14. Juli) geht es zum Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg und zum Marinefliegerkommando in Nordholz.

Bis zum 24. August möchte die Ministerin auf ihrer Sommerreise zahlreiche weitere Truppenstandorte im gesamten Bundesgebiet besuchen.

© The Pioneer

Auf - Michael Theurer. Der FDP-Chef aus Baden-Württemberg und Parlamentarische Staatssekretär zeigt ungewohnte Einsicht in die Widersprüche seiner eigenen Regierung. Atomstrom und Fracking-Gas zu importieren, aber hierzulande eine Debatte darüber zu meiden, ist unlogisch. Recht hat der Mann. Aufsteiger.

Ab - Andrij Melnyk. Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat überzogen. Streitbar, kämpferisch und mit viel Leidenschaft nutzte er jede mediale Bühne für Kritik am zögerlichen Ampel-Kurs. Doch den Deutschen die Hilfsbereitschaft abzusprechen, war wohl zu viel. Nun wird er entlassen. Absteiger!

„Es ziehen dunkle Wolken auf. Das Land ist auf die kommende Krise schlechter vorbereitet als andere europäische Staaten", sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Interview mit der Welt am Sonntag. Für die Energieversorgung müsse das Motto lauten: „Whatever it takes!" Er halte es nicht nur für richtig, bestehende Kernkraftwerke weiter laufen zu lassen, sondern auch alte Kohlekraftwerke zu reaktivieren. Die Ampel fordert er auf, Ersatzgas zu besorgen, statt „nur Kaskaden von Verzicht- und Abschaltprogrammen zu machen." Hier geht es zum Interview.

Die Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Welt-Journalistin Franca Lehfeldt beschäftigte an diesem Wochenende nicht nur die Boulevardmedien. Roland Preuß von der Süddeutschen Zeitung hält die Kritik an der großen Feier auf Sylt für unberechtigt. „Er hat das getan, was viele tun: Er hat seine Hochzeit aufwendig gefeiert, in einer dafür beliebten Kirche", schreibt der Parlamentskorrespondent in seinem Kommentar. Die Behauptung, dass eine solche Feier in Krisenzeiten nicht angemessen sei, bezeichnet er als „moralinsaure Sicht von Kritikern, die erst zufrieden sind, wenn Politiker mit dem Leihrad an der Kirche vorfahren." Lesenswert!

Eine „nationale Sicherheitsstrategie" soll helfen, die zahlreichen Krisen – Ukraine, Gas, Lieferketten, Inflation – zu bewältigen. Denn: „Die Welt schaut darauf, was Deutschland denkt und will, tut oder unterlässt", schreibt Hans-Peter Bartels in seiner neuesten Kolumne Situation Room. Welche Bestandteile dieser Strategie nicht fehlen dürfen, erfahren Sie hier:

Die deutsche Strategie

Woran orientiert sich die Nationale Sicherheitsstrategie 2022? Eine Kolumne von Hans-Peter Bartels.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Hans-Peter Bartels.

Artikel

Heute gratulieren wir herzlich:

Macit Karaahmetoğlu, SPD-Bundestagsabgeordneter, 54

Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeits- und Gesundheitsminister in NRW, 65

Filiz Polat, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 44

Sebastian Schäfer, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 43

Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter, 49

Dirk Wiese, stellv. SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, 39

Garrelt Duin bei einer Radtour in den Niederlanden.  © Privat

Keine Energiewende ohne Handwerk. Dafür braucht es Fachkräfte.

Garrelt Duin war 2005 bis 2010 SPD-Chef in Niedersachsen, von 2005 bis 2012 Bundestagsabgeordneter der SPD und unter anderem Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, bevor er von 2012 bis 2017 in NRW als Wirtschaftsminister arbeitete.

Heute ist er Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in Köln. Seine große Herausforderung ist der Arbeitermangel. Junge Leute für den Job zu begeistern, das sei „Schwerpunkt meiner Arbeit", sagt der 54-Jährige, der am vergangenen Wochenende für eine Radtour einen Abstecher in die Niederlande machte (siehe Foto).

An dieser Stelle fragen wir bis zum Ende der Sommerpause regelmäßig ehemalige Spitzenpolitikerinnen und -politiker nach ihrem neuen Leben. Was treibt sie um? Was machen sie heute eigentlich? Einzige redaktionelle Vorgabe: ein aktuelles Selfie.

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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