Kindergrundsicherung: Länder fordern Nachbesserungen

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Der Streit um die Kindergrundsicherung geht weiter. Die Bundesländer fordern parteiübergreifend erhebliche Nachbesserungen an dem Gesetz.

  • Die Bundesregierung verhandelt mit sechs Staaten Rückführungsabkommen – eine erste Einigung erreichte Joachim Stamp nun mit Kolumbien.

  • Die deutschen Kampfschwimmer sollten neue Einsatzboote erhalten. Doch der Millionen-Deal platzte. Die Opposition sieht Fehlverhalten bei der Regierung.

  • Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach will nach der Wahl mehr Kompetenzen für ihr Haus. Die CSU-Politikerin möchte den Kommunen Vorgaben machen können.

  • Der CDU-Sozialminister in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, fordert höhere Mittel für die Eingliederungshilfen in Arbeit bei den Job-Centern.

Kindergrundsicherung: Länder fordern Nachbesserungen

Mehrere Bundesländer sehen in den Plänen für die Kindergrundsicherung erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Das ergab eine Umfrage unseres Kollegen Maximilian Stascheit in den zuständigen Ministerien.

Vor allem die Doppelstrukturen, die etwa bei der Beantragung für Familien mit Bürgergeldempfängern entstehen, und die Zuständigkeitsverlagerung zum Familienservice der Bundesagentur für Arbeit sorgen für Skepsis.

So sagte uns Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU):

"Eine vereinfachte und papierlose Antragstellung für Familien fehlt, weiter müssen sie Leistungen an vier verschiedenen Stellen beantragen und die Unterstützung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket muss weiter einzeln bearbeitet werden". Der vorgelegte Entwurf sei noch "zu lückenhaft und nicht im Sinne einer nachhaltigen Armutsprävention".

Katharina Günther-Wünsch (CDU), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie in Berlin. © Imago Images

Günther-Wünsch weiter:

Mit dieser Hau-Ruck-Aktion des Bundes kommen wir nicht weiter und haben bereits unseren sehr konkreten, weiteren Abstimmungsbedarf deutlich gemacht.

Kritik kommt jedoch nicht nur von der Union, sondern auch aus den Reihen der Ampel-Parteien.

Ein Sprecher von Hamburgs SPD-Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer kritisierte, dass bei dem bisherigen Gesetzentwurf Familien sich an unterschiedlichen Stellen wenden müssten, um ihre Leistungen zu erhalten.

Man müsse aber vielmehr den Grundgedanken der "Leistungen aus einer Hand" weiter stärken.

Ähnlich äußert sich eine Sprecherin von Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD). Sie betonte, dass die Leistung ortsnah zu bekommen sein müsse.

Ob das mit einer Verlagerung der Zuständigkeiten von der in der Fläche breit aufgestellten kommunalen Ebene hin zu neuen Strukturen in der Bundesagentur für Arbeit gelingen kann, wird von Sachsen bislang bezweifelt.

Es bestehe die Gefahr, dass es zu "Parallel- und Doppelstrukturen kommen könnte", so die Sprecherin.

Katharina Binz (Grüne), Familienministerin in Rheinland-Pfalz, kritisiert das geplante Kinderchancenportal, über das die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket gebucht werden sollen.

"Das schafft unnötige und verwaltungsaufwendige Hürden für Leistungen, mit denen Kindern Teilhabe ermöglicht werden soll", sagte sie uns.

Katharina Binz (Grüne), Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration in Rheinland-Pfalz. 

Aus einer Reihe von Studien wisse man, "dass Eltern eher an sich selbst sparen, um ihren Kindern Förderung und Teilhabe zu ermöglichen". Sie wünsche sich, dass dies auch im Gesetzentwurf berücksichtigt werde. "So viel Vertrauen sollten wir unseren Eltern in Deutschland entgegenbringen", so Binz.

Die Kritik der Länder könnte für den von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) avisierten Zeitplan zum Problem werden, da das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Fachpolitiker rechnen schon jetzt fest damit, dass dafür der Vermittlungsausschuss angerufen werden muss.

Die Kindergrundsicherung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Stamp will schnelles Asyl-Abkommen mit Kolumbien

Die Bundesregierung verhandelt mit sechs Ländern über Rückführungsabkommen von abgelehnten Asylbewerbern. Das bestätigte der Sonderbevollmächtigte der Regierung, Joachim Stamp. Zu den Ländern gehören Moldau, Georgien, Kirgistan, Kolumbien, Kenia und Usbekistan.

Vergangene Woche hat der FDP-Politiker mit der Botschafterin Kolumbiens die Verhandlungen über ein rasches Abkommen beschlossen. "Leider sind die Asylanträge aus Kolumbien in die Höhe geschossen. Umso mehr freue ich mich, dass ich mit der kolumbianischen Botschafterin Salazar-Mejia verabreden konnte, sofort mit der Vorbereitung einer umfassenden Migrationspartnerschaft zu starten", sagte uns Stamp.

Joachim Stamp, Bevollmächtigter für Migrationsabkommen.  © dpa

Ziel sei es, sämtliche unberechtigte Asylanträge überflüssig zu machen und andererseits Arbeitskräfte in den deutschen Arbeitsmarkt einzuladen.

"Mit einer gezielten Informationsstrategie können wir hier dafür sorgen, dass Menschen aus Kolumbien nicht irregulär in Flüchtlingsheimen landen, sondern in Betrieben oder als wichtige Kräfte in der Pflege." Das entlaste die Kommunen.

Anfang 2024 will Stamp mit einer interministeriellen Delegation nach Kolumbien reisen, um Fachkräfte unabhängig von der Asyl-Thematik anzuwerben.

Ungereimtheiten um Boots-Bestellung für deutsche Navy SEALs

In Zusammenhang mit der zuletzt geplatzten Bestellung von Einsatzbooten hat der Bund weder Vertragsstrafen eingefordert noch erhalten.

Das geht aus der Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens hervor, die unser Kollege Rasmus Buchsteiner erhalten hat.

© Imago

Hintergrund: Der Bund hatte vergangenes Jahr bei der finnischen Werft Boomeranger Boats OY neue Einsatzboote für das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) geordert.

Im Frühjahr 2023 teilte das Unternehmen jedoch mit, die Boote nicht in gewünschter Ausführung liefern zu können. Bereits bevor der Hersteller den Auftrag erhalten hatte, gab es Bedenken, die vom Bund vorgegebenen Anforderungen für die Boote könnten technisch nicht umsetzbar sein.

Mehrere Werften zogen deshalb ihr Angebot zurück oder verzichteten darauf, ein solches abzugeben. Die Finnen bekamen den Zuschlag. Wir berichteten hier.

„Wer den Kauf von wichtigem Material für unsere Spezialkräfte so dermaßen versemmelt, darf nicht ohne jede Konsequenz aus der Geschichte herauskommen“, sagte uns CDU-Politiker Gädechens.

Ingo Gädechens  © Imago

Der Bundeswehr und auch dem deutschen Steuerzahler sei durch die gescheiterte Vergabe ein riesiger Schaden entstanden, so der Verteidigungsexperte weiter: „Die Boote werden – wenn alles gut läuft – erst mit einer fast zweijährigen Verspätung bei der Truppe ankommen.“ Darunter würden die Einsatzbereitschaft der Spezialkräfte und die Motivation der Soldaten leiden.

Osten wird bei ARD und ZDF meist negativ gesehen

Die ostdeutschen Bundesländer kommen in den Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks meist nur in negativem Zusammenhang vor.

Das geht aus einer Auswertung des Instituts Media Tenor hervor, die uns vorliegt.

"Ostdeutschland bleibt bei ARD, ZDF und DLF auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer eine Region, vor der gewarnt wird", heißt es in der Studie.

Bei den negativen Berichten geht es der Untersuchung zufolge meist um Kriminalität und Innere Sicherheit, Asyl oder Migrationsfragen oder Unfälle und Katastrophen (siehe Schaubild).

Ausriss aus der Analyse des Instituts Media Tenor zur medialen Sicht auf Ostdeutschland.  © Media Tenor

Carsten Schneider, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, hatte auf die wachsende Kluft zwischen Ost und West verwiesen und auch die Rolle der Medien bei der Sicht auf die ostdeutschen Länder in die Pflicht genommen.

Bayerns Digitalministerin will nach der Wahl mehr Macht

Judith Gerlach © imago

Am Sonntag wird in Bayern gewählt: Digitalministerin Judith Gerlach will in der neuen Legislaturperiode mehr Macht. „Wir müssen die digitale Verwaltung weiter vorantreiben“, sagte die CSU-Politikerin unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.

Gerlach weiter:

Mir geht es um zentrale Vorgaben. Wenn wir für bestimmte Dienstleistungen digitale Prozesse und Anträge entwickeln, soll auch die Verpflichtung bestehen, sie dann auch anzubieten.

Das A und O, so Gerlach, sei Nutzerfreundlichkeit. Das Bild bei den digitalen Services in den 2.056 Kommunen des Freistaats sei sehr heterogen.

„Wir haben bereits mehr als 200 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert“, so die Ministerin. Doch längst nicht überall würden sie von den Kommunen auch angeboten: „Manche bieten nicht einmal 50 Services digital an. Das will ich ändern.“

Der bayerische Weg mit einem Digitalministerium habe sich bewährt. „Ich habe total Spaß an diesem Thema. Ich mag es sehr, diese Dinge weiter voranzutreiben“, so CSU-Politikerin Gerlach. „Es macht einen Unterschied, wenn man ein selbstständiges Digitalministerium hat, das die anderen Ministerien antreiben kann.“

Laumann kritisiert Heils Jobcenter-Kürzungen

Die von der Ampel-Koalition umgesetzten Kürzungen der Mittel für die Eingliederung in Arbeit bei den Jobcentern stoßen bei NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann auf Kritik.

Dies habe fatale Auswirkungen für die Jobcenter, schreibt Laumann in einem offenen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD):

„Diese Entscheidung bedeutet nicht nur ein ‚Weniger‘ in der aktiven Arbeitsförderung, sondern damit ist die Betreuung und Integration von Langzeitleistungsbeziehenden und Langzeitarbeitslosen in ihren Grundfesten gefährdet.“

NRW fordert von der Bundesregierung für 2024 eine Anpassung der Mittel nach oben.

Pistorius macht Ex-BND-Vize zum Generalleutnant

Wolfgang Wien © dpa

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat einen seiner wichtigsten Generäle befördert: Wolfgang Wien, zuletzt Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, wird in seiner designierten Rolle als deutscher militärischer Vertreter bei Nato und EU zum Generalleutnant befördert.

Wien folgt auf Klaus-Michael Nelte, der altersbedingt im Herbst ausscheidet. Das Bundeskabinett soll der Personalie planmäßig bei der heutigen Sitzung zustimmen.

Das Bundeskabinett verabschiedet am kommenden Mittwoch, 11. Oktober, den Entwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für ein Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz. Das geht aus der internen Kabinettzeitplanung hervor, die wir erhalten haben.

Kern des Gesetzes ist der Aufbau eines Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF), das laut dem Referentenentwurf "in einem ganzheitlichen Ansatz Analyse, straf- und verwaltungsrechtliche Ermittlungen und Aufsicht unter einem Dach" zusammenführen soll. "Auf diesem Wege sollen die Strukturen und Kompetenzen geschaffen werden, die eine nachhaltige Priorisierung der Geldwäschebekämpfung, insbesondere internationaler und bedeutsamer Fälle mit Deutschlandbezug, sicherstellen", heißt es in dem Entwurf weiter.

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Auf - Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident schaltet sich – endlich – in die Debatte um die gestiegenen Flüchtlingszahlen und die mögliche Überforderung der Kommunen ein und fordert eine "Begrenzung" der Zahlen. Viele Grüne sind zu solchen Äußerungen noch nicht bereit, dabei ist die Lage vor Ort brisant. Gut, dass der Präsident nun Tacheles redet.

Ab - Elon Musk. Mit der Übernahme von Twitter ist dem Tesla-Gründer ein medialer Coup gelungen, doch die Stimmung auf der Plattform (jetzt X) ist aufgeheizter denn je. Auch weil der Chef selbst Debatten gegen Flüchtlinge anheizt oder den ukrainischen Präsidenten verspottet. Bitte einfach mal zurückhalten!

Die Migrationsabkommen, über die Deutschland derzeit mit sechs Staaten verhandelt, seien "ein sinnvoller, langfristiger Weg aus der aktuellen Migrationskrise", kommentiert RND-Hauptstadtkorrespondent Jan Sternberg. In Zeiten des Fachkräftemangels sei es im Interesse Deutschlands, durch die Abkommen Wege zur legalen Migration zu eröffnen. Der Plan, irreguläre Migration durch Anwerbung und Arbeitsvisa zu ersetzen, habe bisher nicht funktioniert, "weil die Hürden schlicht zu hoch waren". Das jedoch könne sich jetzt ändern. "Wenn die ersten Abkommen – wie von Scholz versprochen – als Muster für viele weitere Verträge gelten könnten, wäre das wirklich ein neuer, langfristiger Weg aus der Migrationskrise", so Sternberg. Klar müsse allerdings auch sein, dass er kurzfristig nicht helfe. Hier geht es zum Kommentar.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist für Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff angesichts der Migrationskrise die "Ministerin für die Jahrhundertaufgabe". Die SPD-Politikerin wolle nicht nur Geld verteilen, sondern darüber auch Einfluss auf Entwicklungen nehmen, insbesondere in Ländern des Globalen Südens. Casdorff schreibt: "Ob in Bündnissen, auf internationalen Konferenzen, durch Beteiligung an einer Reform der Weltbank – die Ministerin ist in jederlei Hinsicht politisch unterwegs. Und ob in der Sahelzone oder sonst wo in Afrika: Dort wird ihre Stimme gehört." Im Inland müsse das noch ankommen. Lesenswert!

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“Wir haben viel geschafft und trotzdem das Vertrauen der Menschen verloren.”

Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang über Migration, Streit in der Koalition und Anstand in der Politik.

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast

Der 8. Tag

Heute gratulieren wir herzlich:

Sigrid Erfurth, Grünen-Vorsitzende in Hessen, 67

Lars M. Heitmüller, Strategieberater, Leiter Marketing bei S-Kreditpartner, 48

Swantje Michaelsen, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 44

Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete, 55

Oliver Rabe, Staatssekretär im Finanzministerium von Schleswig-Holstein, 51

Rezzo Schlauch, ehem. Grünen-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, 76

Thomas Steinmann, Capital-Redakteur, 45

Franz Vranitzky, ehem. österreichischer Bundeskanzler, 86

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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