Klöckner will ausmisten

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will am Freitag einen Masterplan Fleischwirtschaft vorstellen. Wir sagen, was sie vorhat.

  • In der Nordost-CDU ist nach dem Rückzug Philipp Amthors nun auch die Vize-Chefin Martina Liedtke zurückgetreten.

  • Postenwechsel im CDU-geführten Wirtschaftsministerium. Ein Kohl-Mann kommt, ein Schröder-Mann muss weichen.

Klöckner legt sich mit der eigenen Lobby an

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will den Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies zu einer groß angelegten Reform der Fleischwirtschaft nutzen und die Rahmenbedingungen für die Branche verschärfen.

Am kommenden Freitag will sie zu einem Branchengespräch einladen und dabei Maßnahmen vorlegen, wie die Masttierhaltung reformiert werden könnte und Deutschland zum Vorbild beim Thema Tierwohl werden kann. Die CDU-Frau will die Regelungen für die Schlachthöfe und die Haltebedingungen für Schweine verschärfen. Auch denkt die Ministerin an eine "Tierwohlabgabe", mit der die Umbauten der Ställe finanziert werden können. Das habe Klöckner gegenüber Parteifreunden signalisiert.

Die Ministerin wolle sich die gesamte Kette von der Schweinehaltung bis zum (Billig-)Fleisch im Discounter anschauen und Reformen vorschlagen, heißt es. Betriebe, die in der Nutztierhaltung mehr für das Tierwohl tun, sollen gefördert werden.

Eine Sau in einem Stall in Niedersachsen.  © dpa

Das staatliche Tierwohlkennzeichen, das Klöckner initiiert hatte und das im Herbst 2019 vom Kabinett beschlossen wurde, soll nun im Lichte der Probleme beim größten deutschen Fleischhof Tönnies forciert umgesetzt werden. Im Gespräch ist im Ministerium angeblich auch, ob die bisher geplante Freiwilligkeit für das Kennzeichen nun doch zur Pflicht werden könnte. Das Kennzeichen soll wie das vom Landwirtschaftsministerium 2001 entwickelte Biosiegel dem Verbraucher schnell und klar signalisieren, unter welchen Bedingungen das Fleisch in der Warenausgabe hergestellt wurde.

Erheblichen Widerstand erwarten Beamte im Landwirtschafts- und Ernährungsministerium bei den Schweinebauern, aber auch in der eigenen Unions-Bundestagsfraktion. Dort hätte die Fleischindustrie "große Fürsprecher", sagte uns ein Beamter. Doch sei die Chance für Reformen in der Fleischindustrie wohl nie so groß gewesen wie derzeit.

1. Nordost-CDU kommt nicht zur Ruhe

In der CDU Mecklenburg-Vorpommern herrscht auch nach dem Rückzug von Philipp Amthor als Bewerber um den Landesvorsitz Unruhe im Vorstand. Die Vize-Vorsitzende Martina Liedtke teilte den Vorstandsmitgliedern gestern in einer WhatsApp-Nachricht ihren Rücktritt mit. "Ich sehe leider keine Möglichkeit mehr, dieses Amt sowohl loyal gegenüber den Parteimitgliedern und Delegierten als auch gegenüber dem Parteivorstand wahrzunehmen", schreibt sie demnach. "Dies beschädigt meiner Einschätzung nach das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden und gefährdet die Integrität meiner Person."

Eckhardt Rehberg und Philipp Amthor © dpa

Nach Auskunft von Vorstandsmitgliedern sei Liedtke enttäuscht vom kommissarischen Vorsitzenden Eckhardt Rehberg, der die Nominierung des Landrats Michael Sack nicht mit seinen Stellvertretern oder dem geschäftsführenden Vorstand besprochen hatte. Liedtkes Verhältnis zu Rehberg sei angeschlagen. Außerdem habe sie Justizministerin Katy Hoffmeister favorisiert. Ob die Pharmazeutin Liedtke Angela Merkel bei der Bundestagswahl 2021 in dem Wahlkreis 15 Vorpommern-Rügen / Greifswald beerbt, ist noch offen. Das werde erst nach der Sommerpause entschieden.

Aus dem Lager Amthors hieß es, dass der Abgeordnete mit einer vorgefertigten Erklärung zur Sitzung des Landesvorstands gekommen sei und die Entscheidung zum Rückzug aus freien Stücken getroffen habe. Mit Michael Sack als Kandidaten für den Vorsitz, könne Amthor gut leben, hieß es. Entscheidend sei für Amthor nun, sagt einer seiner Vertrauten, dass er sich auf seinen Wahlkreis konzentriere und die Berliner Öffentlichkeit nicht zu sehr suche. Falls keine neuen Vorwürfe auftauchen.

2. Immer mehr Waldbrände in Deutschland

Im deutschen Forst brennt es immer häufiger. Die Waldbrandstatistik 2019 der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zeigt, dass die Brandfläche im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen ist. Die Statistik liegt unserem Kollegen Adrian Arab vor. 2711 Hektar Wald standen demnach in Flammen. Allein in Brandenburg waren es 1352 Hektar. Bundesweit lag die Waldbrandfläche damit dreimal höher als der jährliche Durchschnittswert.

Ein kleiner Waldbrand in Sachsen-Anhalt 2018.  © dpa

Als Brandursache zählten die Statistiker in 244 Fällen Brandstiftung, in 159 weiteren zudem “sonstige handlungsbedingte Einwirkungen” - also beispielsweise Unachtsamkeit. Insgesamt verursachten die Brände Schäden und wirtschaftliche Verluste in Höhe von 2,2 Millionen Euro.

Eine aktuelle Erhebung des “Fire Information for Resource Management” (FIRMS) der NASA, die größere Brandgeschehen dokumentiert, zeigt zudem, dass im laufenden Jahr bereits 210 Hektar Wald brannten. Die Vorbeugung von Waldbränden hat die Bundesregierung 2019 rund fünf Millionen Euro kosten lassen. Dazu zählt die Ausrüstung der Feuerwehren mit Branderkennungssystemen, die Bepflanzung gefährdeter Wälder mit schwer brennbaren Laubbäumen oder die Bewirtschaftung von Wegen, um den Feuerwehren die schnelle Erreichbarkeit von Brandherden zu garantieren. Allein Mecklenburg-Vorpommern gab dafür rund 1,5 Millionen Euro aus.

Für Karlheinz Busen, Sprecher für Jagd- und Fortswirtschaft der FDP-Bundestagsfraktion, nehmen die Waldbrände “erschreckende Ausmaße” an. Er fordert eine Löschflugzeugstaffel, die durch den europäischen Katastrophenschutz “rescEU” aufgebaut werden müsse. “Der Katastrophenschutz ist für jährliche Waldbrände auf vielen Millionen Quadratmetern nur unzureichend gerüstet”, kritisiert er.

3. Ischinger warnt vor globalen Kampf um Corona-Impfstoff

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, fürchtet globale Ungerechtigkeiten bei der Verteilung eines möglichen Impfstoffes gegen Corona-Infektionen. "Ich fürchte, dass sich am Schluss vielleicht doch diejenigen durchsetzen könnten, die vielleicht mehr Geld anbieten können", sagte er im Gespräch mit uns auf der Pioneer One. "Um es schlicht auszudrücken: dass die Reichen den Impfstoff bekommen, bevor die Armen den Zugang haben. Das wäre moralisch betrachtet natürlich verheerend."

Ischinger forderte bindende Beschlüsse, um dies zu verhindern. "Man müsste, wenn ich mal träumen darf, die WHO instand setzen, einen solchen Beschlussvorschlag an den Weltsicherheitsrat nach New York zu überweisen", sagte der ehemalige deutsche Botschafter in Washington. Der Weltsicherheitsrat könne dann einen Beschluss erlassen, der die Modalitäten klärt. "Leider sind wir davon meilenweit entfernt, und ich fürchte, dass uns da ein unerfreuliches Spektakel bevorstehen könnte", sagte Ischinger.

Zum gesamten Interview geht es hier.

Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz © imago

4. Mitwirkungspflicht für Paketfirmen im Kampf gegen Handel mit Drogen und Waffen

Die Bundesregierung will - wie die Länder - eine bessere Zusammenarbeit zwischen Postdienstleistern und Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Handel mit Drogen, Arzneimitteln, Waffen und Sprengstoff erreichen. Die Bundesregierung befürworte eine entsprechende Regelung, heißt es in einer Kabinettsvorlage von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die uns vorliegt.

Die Regierung reagiert damit auf einen Vorstoß des Bundesrats. Der illegale Handel mit Hilfe von Postdienstleistern nimmt nach Ministeriumsangaben zu. Geordert wird meist im "Darknet". Bereits nach bisheriger Rechtslage dürfen sich Postfirmen in bestimmten Fällen den Inhalt von Sendungen ansehen - etwa wenn diese beschädigt sind, der Empfänger nicht feststellbar ist oder Gefahr besteht.

500.000 Euro Geldbuße - Bund prüft Vorschlag

Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates, soll die Unternehmen verpflichtet werden, Polizei oder Staatsanwaltschaft einzuschalten, wenn sie in Postsendungen etwa auf Drogen oder Waffen finden. Bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verstoß gegen diese Mitwirkungspflicht, soll nach dem Willen der Länder ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro fällig werden. Was diesen Punkt angeht, zeigt sich die Bundesregierung allerdings zurückhaltend: „Die im Gesetzentwurf vorgesehene Bußgeldnorm bedarf noch der weiteren Prüfung.”

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Das Bundeskabinett befasst sich an diesem Mittwoch mit dem jährlichen Bericht der Bundesstiftung Baukultur. Diesmal sind besonders die Schlussfolgerungen interessant. Beim Thema Verkehr fordert die Stiftung radikales Umdenken mit einem stärkeren Zurückweichen der motorisierten Mobilität: „Eine nutzergerechte Neuaufteilung der Verkehrsflächen ist vielerorts unerlässlich. Maßstab dafür muss der Fußgängerverkehr sein!”

In der kommenden Woche, am Donnerstag, 2. Juli, verabschiedet der Bundestag den Zweiten Nachtragshaushalt, der die Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr auf 218,5 Milliarden Euro ansteigen lässt. Die letzte parlamentarische Woche vor der Sommerpause beginnt diesmal bereits am Montag. Für den 29. Juni sind 65 Minuten im Plenum für die abschließende Beratung des so genannten Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes eingeplant. Grund für den ungewöhnlichen Ablauf: Für den gleichen Tag ist eine Sondersitzung des Bundesrates angesetzt, der dem Paket, zu dem unter anderem die befristete Mehrwertsteuersenkung und der Kinderbonus von 300 Euro gehört, auch noch zustimmen muss.

Auf und Ab © The Pioneer

Auf - Sie ist energisch, selbstbewusst und redet schneller als andere denken. Britta Haßelmann ist Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im Bundestag und könnte demnächst einen Erfolg feiern. In der Regierungskoalition finden sich immer mehr Unterstützer für ein Lobbyregister, das nach der Affäre Amthor die politischen Interessenvertretungen in der Hauptstadt nachvollziehbar machen soll. Die 58-jährige gebürtige Niederrheinerin, die in Bielefeld und Berlin lebt, setzt sich seit Jahren für das Thema ein. Jetzt könnte es Gesetz werden. Deshalb: Daumen hoch für Unbeirrbarkeit.

Ab - Bundesinnenminister Horst Seehofer ist einer der heimlichen Krisengewinner der Corona-Monate. Er stand schon kurz vor der Ablösung, zu viele Eigenartigkeiten hatte er sich geleistet - dann retteten ihn verschobene Prioritäten im Krisenfrühling. Nach langen Ruhephasen hat sich der Minister nun mal wieder zu Wort gemeldet - mit der Drohung einer Anzeige gegen die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah wegen eines umstrittenen Artikels über die Polizei (wir berichteten). Nun kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert ein Gespräch zwischen der Kanzlerin und ihrem Innenminister an und sagte: "Über die Anzeige wird noch zu entscheiden sein." Eine Notbremse von Angela Merkel, eine Demütigung für Seehofer.

Unsere Leseempfehlungen für heute:

Der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans zieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten in Erwägung. "Dass Olaf Scholz eine ernst zu nehmende Option ist, bestreitet niemand", sagte er Andreas Niesmann vom Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Reihenfolge lautet aber: zuerst Gespräche führen, dann entscheiden – und nicht umgekehrt“, so Walter-Borjans weiter. Hier lesen Sie das ganze Interview!

Das überwiegend kritische Medienecho gegenüber Bundesinnenminister Horst Seehofer wertet seine Ankündigung als politischen Schnellschuss und zeigt, dass eine Vorgehen gegen die Pressefreiheit sehr bedacht gewählt werden muss. Einen Überblick über die Meinungsreaktionen bieten unsere Kollegen von der taz.

Wir gratulieren zum Geburtstag:

Mahmut Özdemir, SPD-Bundestagsabgeordneter, 33

Klaus von Dohnanyi, SPD-Politiker und früherer Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, 92

Lars Martin Klieve, CDU Essen, Stadtwerke-Vorstand, 50

Andreas Hermes © The Pioneer

Kohl-Mann kommt, Schröder-Mann geht. Für eine Schlüsselposition im Bundeswirtschaftsministerium, den für Haushalt und Personal zuständigen Abteilungsleiter Z, hat Minister Peter Altmaier (CDU) unseren Informationen zufolge den früheren Referenten von Helmut Kohl und bisherigen Chef der Bonner Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, Andreas Hermes, im Blick. Hermes muss in Bonn weichen, weil Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles neue Präsidentin der Behörde werden soll, die dem Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD) unterstellt ist.

Im Wirtschaftsministerium muss für Hermes wiederum ein Sozialdemokrat weichen. Ministerialdirigent Harald Kuhne war schon in der Ära Gerhard Schröder Regierungsmitarbeiter, und wurde zuletzt 2014 vom früheren SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel befördert.

Das letzte Wort von Thomas Oppermann © The PioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
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