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Unsere Themen heute:
Das Bürgergeld empört die Union. Doch hinter den Kulissen wird längst an einem Kompromiss gearbeitet. Wir haben die ersten Details.
Beton trägt 5 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Auf der COP27 wird besprochen, wie sich das ändern lässt.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will Biodiversität im Rahmendokument der COP27 verankern. Wir haben mit ihr gesprochen.
Wegen rechtsextremer Umtriebe bei der Parlamentspolizei ermittelte der Bundestag in eigenen Reihen. Wir wissen, welche neuen Erkenntnisse es jetzt dazu gibt.
Alternative zur Fußball-WM: Die Pioneer-Medienmannschaft Wortspieler spielt mit und gegen die Frauen von Viktoria Berlin. Mit prominenter Unterstützung.
Der Bürgergeld-Showdown
© The PioneerUnter Leitung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und seinem NRW-Amtskollegen Karl-Josef Laumann hat am Mittwoch eine informelle Bund-Länder-Arbeitsgruppe in Berlin die Beratungen über einen möglichen Bürgergeld-Kompromiss aufgenommen.
Die vertrauliche Runde im Arbeitsministerium soll eine Verständigung bei der für kommenden Mittwoch geplanten Sitzung des Vermittlungsausschusses vorbereiten.
Mit unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner haben wir mit Teilnehmern der Beratungen gesprochen. Die Unterhändler von Ampel-Koalition und Union zeigten sich zuversichtlich, dass eine Verständigung in den nächsten Tagen möglich ist.
Zum Auftakt seien noch einmal die jeweiligen Positionen markiert worden, hieß es am Abend aus der Runde. Am Freitag soll weiter verhandelt werden.
Tatsächlich sind Einigungen bei gutem Willen möglich:
Das geplante Schonvermögen von 60.000 Euro für Einzelpersonen und 30.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft könnte verringert werden, jedenfalls für jüngere Bürgergeld-Bezieher. Arbeitsminister Heil hatte das Schonvermögen in seinem Gesetzentwurf so angesetzt, dass er hier durchaus noch nachgeben könnte.
Die sechsmonatige Vertrauenszeit nach Abschluss eines Kooperationsplans zwischen Jobcenter und Bürgergeld-Bezieher, in der nur bei mehrfachen Terminsäumnissen Leistungskürzungen von höchstens zehn Prozent möglich sein sollen, wollen CDU und CSU nach Möglichkeit streichen. Der Kompromiss könnte bei drei Monaten liegen.
Die Union will bei Langzeitarbeitslosen, die nicht mit dem Jobcenter kooperieren, das volle Instrumentarium von Sanktionen nutzen können. Bedeutet konkret: Leistungskürzungen um bis zu 30 Prozent. Bei diesem Thema dürften der SPD, vor allem aber den Grünen, Zugeständnisse am schwersten fallen. "Die Sanktionsfrage wird der Knackpunkt", so ein Teilnehmer aus der Union. Dazu solle die Koalition jetzt Vorschläge präsentieren.
Bei der Karenzzeit wäre ein Kompromiss dagegen leichter möglich. Bisher ist zumindest bei Neufällen eine Dauer von zwei Jahren vorgesehen. In dieser Zeit sollen beispielsweise die tatsächlichen Wohnkosten übernommen werden, sofern sie angemessen sind.
Kommt es nicht zum Durchbruch, will die Union nach unseren Informationen im Bundestag erneut beantragen, die Regelsätze wie geplant zum 1. Januar 2023 zu erhöhen.
Hintergrund: Die Jobcenter benötigen bis Monatsende Klarheit, damit sie die höheren Beträge rechtzeitig auszahlen können.
Wohngeld-Reform: NRW-Bauministerin rechnet mit bis zu einem halben Jahr Verzögerung
Ina Scharrenbach (CDU), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen. © imagoNordrhein-Westfalens Bauministerin Ina Scharrenbach rechnet mit bis zu einem halben Jahr Verzögerung bei der Umsetzung der von der Ampel-Koalition geplanten Wohngeld-Reform.
Die CDU-Politikerin sagte uns:
Die Wohngeldreform ist in der Kürze der Zeit in den Verwaltungen vor Ort nicht umsetzbar: Es fehlt massenhaft Personal zur Umsetzung dieser Reform – das zahlen die Kommunen übrigens selbst.
Der Bundesrat beschäftigt sich am Freitag nächster Woche abschließend mit der Wohngeld-Reform, die der Bundestag in der vergangenen Woche beschlossen hatte. Die Leistung steigt zum 1. Januar 2023 um durchschnittlich 190 Euro auf rund 370 Euro monatlich.
Von der Erhöhung sollen rund zwei Millionen Haushalte profitieren, 1,4 Millionen davon erhalten erstmals oder wieder Wohngeld.
Scharrenbach sagte, die Bundesregierung bestelle, überlasse die Zahlung aber wieder einmal anderen: „Die IT muss umprogrammiert werden, damit die Anträge überhaupt bearbeitet werden können. Das dauert zwischen vier bis sechs Monate in den Bundesländern.“
G20 raufen sich zusammen - ein Kommentar
Mitten in Kriegs- und Krisenzeiten haben die 20 Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer trotz Meinungsunterschieden über den Ukraine-Krieg eine gemeinsame Abschlusserklärung angenommen.
Darin verurteilt die große Mehrheit der Länder den seit mehr als acht Monaten andauernden russischen Angriffskrieg aufs Schärfste.
Einer der Autoren des Briefings hat den Bundeskanzler nach Bali begleitet. Seinen Kommentar sehen Sie hier im Video.
Klimakonferenz I: Wie Beton aus der CO2-Falle kommt
"Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht." Der alte Slogan der Bauindustrie muss künftig wohl lauten: Es kommt drauf an, was man nicht draus macht.
Zement ist für fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zu viel, sagt der deutsche Think Tank Future Cleantech Architects. An diesem Donnerstag stellt er auf der Klimakonferenz COP27 in Sharm el-Scheich eine neue Studie vor, die Wege aufzeigt, Beton nachhaltiger zu machen. Die Studie liegt unserem Kollegen Thorsten Denkler vor.
Beton-Ruine in Ludwigshafen © dpaFuture Cleantech Architects empfiehlt drei Wege, um die CO2-Emissionen in diesem Sektor zu senken:
Vermeidung. Zement sei so billig, dass es im Übermaß eingesetzt werde. Bauregeln müssten an die tatsächliche Funktion der Gebäude angepasst werden. Manche Gebäude ließen sich mit weniger Beton genau so sicher bauen.
Innovation: Die Autoren werben für Alternativen. Zement ist ein Bindemittel, das Sand und Kies zu Beton verklebt. Diesen Effekt könnten auch Kalziumsilikat, Magnesiumoxid oder sogenannter Bio-Zement, der auf Algen basiert, erzielen.
Erneuerbare Energien: Die sollen künftig Prozesswärme und Strom liefern. Noch gibt es die nötige Technologie dafür nicht.
Carbon Capture and Storage: Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es "extrem schwer" werde, ein Null-CO2-Ziel zu erreichen. Es brauche die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid.
Eine Infografik mit dem Titel: Das alles steckt in Beton
Zusammensetzung des Betons nach Gewicht
60 Prozent des Kohlendioxids stammen aus dem Rohstoff Kalkstein. Daraus muss unter großer Hitze das Kohlendioxid gelöst werden, um Kalk zu gewinnen, die Basis für Zement.
Klimakongress II: Lemke will Naturschutz stärken
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will mit Rückenwind von der Klimakonferenz in Sharm el-Scheich zur 15. UN-Konferenz zu Biodiversität in Montreal, Kanada, fahren. Das sagte sie unserem Kollegen Thorsten Denkler in einem Video-Interview auf der COP27.
Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin © Thorsten DenklerIhr Ziel sei, dass im noch zu beschließenden Rahmendokument der 27. Klima-COP Naturschutz als Lösungsstrategie für Klimafragen anerkannt werde. Und zudem eine Brücke zur Biodiversitäts-COP in Montreal geschlagen werde.
Lemke sagte uns:
Es ist unverzichtbar, dass wir Klimaschutz und Naturschutz enger miteinander verbinden.
Die Natur sei kaum zu retten, wenn das Klima nicht geschützt werde. "Andererseits können wir unsere Klimaziele nicht erreichen, wenn wir nicht naturbasierte Lösungen nutzen", sagte Lemke. Dazu gehöre der Schutz der Meere, des Regenwaldes oder die Renaturierung der Moore.
Auf der Biodiversitäts-COP15 in Kanada soll vom 7. bis 19. Dezember ein neues Biodiversitäts-Rahmenwerk zum Schutz von Arten und Lebensräumen beschlossen werden.
Lemke hat auf der COP27 gemeinsam mit Ägypten die ENACT-Initiative ins Leben gerufen. ENACT steht für Enhancing Nature-based Solutions for an Accelerated Climate Transformation (Ausbau des natürlichen Klimaschutzes für eine schnellere Klimawende).
Ziel der Initiative ist es, mindestens eine Milliarde schutzbedürftiger Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, bis zu 2,4 Milliarden Hektar landwirtschaftlicher Ökosysteme zu sichern und die Erhaltung und die Wiederherstellung kohlenstoffreicher Ökosysteme auszuweiten.
Hier sehen Sie das Video-Interview mit Steffi Lemke.
Extremismus bei der Bundestags-Polizei
Wegen mehrerer rechtsextremer Vorfälle bei der Parlamentspolizei hat die Bundestagsverwaltung umfangreiche Ermittlungen durchgeführt, zu denen es nun neue Erkenntnisse gibt. So gab es nach einem Bericht der taz, welcher die Vorgänge im Sommer 2021 enthüllt hatte, nicht nur zwei Suspendierungen, sondern auch fünf interne Disziplinarverfahren. Drei dauern an.
Wie unser Investigativreporter Christian Schweppe erfuhr, wurden diese inzwischen in Eilverfahren teils gerichtlich bestätigt. Vor dem Oberverwaltungsgericht ist wegen des Arbeitsstreits zwischen Parlament und einem betroffenen Polizeihauptmeister noch ein zweitinstanzliches Verfahren anhängig. Strafrechtliche Folgen gab es keine.
Dienten Extremisten ausgerechnet im Reichstag? © dpaDie taz hatte berichtet, wie ein Polizist sich in einer Reichsbürgerpartei engagiert hatte, die das Grundgesetz ablehnt. Ein anderer der Bundestagsbeamten habe zu einer Querdenken-Demo aufgerufen, so die taz, und ein dritter soll in einem Pausenraum mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Chatgruppen enthielten demnach rechtsextreme Inhalte.
Nach Bekanntwerden gab es im Bundestag Vernehmungen von 200 Personen. Auch dazu, wer mit der taz gesprochen hatte. Die kritisierte das scharf – Quellenschutz.
Auf Anfrage hieß es aus dem Bundestag, man habe klären wollen, wie die Presse an Daten von Beschäftigten gekommen war. Einzelheiten „der noch laufenden Verfahren“ könne man nicht nennen. Intern gibt es seit dem Vorfall nun Schulungen und Fachtage gegen Extremismus. Außerdem eine Vertrauensperson, mit der über Extremismus und Diskriminierung gesprochen werden kann.
Bildungsministerin Stark-Watzinger reist nicht nach Katar
Auch die Ministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), wird nicht zu der am Sonntag startenden WM nach Katar reisen.
Allerdings benannte ihr Ministerium - im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen - den Grund dafür sehr deutlich:
Aufgrund der Herausforderungen im Inland und der Menschenrechtslage vor Ort wird Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger nicht zum Turnier nach Katar reisen.
Das teilte uns ein Sprecher ihres Ministeriums mit. Sie ist damit eine der wenigen Politikerinnen und Politiker, die so deutlich zu den Menschenrechtsverletzungen vor Ort Bezug nehmen.
Nancy Faeser reiste vor der WM nach Katar, um sich einen Überblick über die Einhaltung der Menschenrechte zu verschaffen. © dpaIhre Kollegin, Innenministerin Nancy Faeser, hatte angekündigt, am 23. November zum Spiel der Nationalmannschaft gegen Japan zu reisen.
Laut der Zeit will aber auch sie die Pläne gerade überdenken, nachdem der katarische WM-Botschafter in einer ZDF-Dokumentation sagte, dass Homosexuelle einen "geistigen Schaden" hätten.
Vergessen Sie die WM: Pioneers spielen gegen Viktoria
In Katar ist Frauenfußball nicht gerne gesehen, bei uns umso mehr.
Wir laden Sie deshalb ein zu einem Fußballspiel gegen eine der vielversprechendsten Mannschaften des Landes: die 1. Frauen-Mannschaft des FC Viktoria Berlin.
Am Freitag, 25. November, trifft das Regionalliga-Team auf die von Pioneer-Journalisten gegründete Medienmannschaft Wortspieler.
Nach dem 8:1 Kanter-Sieg gegen den FC Bundestag vor einem Jahr ist dies das zweite Spiel der Medientruppe.
Der FC Bundestag hatte aus Mangel an Fachkräften den Termin für ein Rückspiel abgesagt.
Nun also die Viktoria, Tabellen-Erste der Regionalliga Nordost.
Nina Ehegötz und Katja Friedl nach dem 1:0 der Viktoria gegen Türkiyemspor Berlin. © ImagoDas Team wurde unter anderem von der ehemaligen Fußball-Weltmeisterin, Nationalspielerin und heutigen DFB-Trainerin Ariane Hingst, der Berliner Unternehmerin Katharina Kurz und der Investorin und Bildungsexpertin Verena Pausder gegründet.
Ex-Schwimm-Star Franziska von Almsick und ZDF-Moderatorin Dunja Hayali gehören zu den prominenten Unterstützern der Mannschaft bei ihrem Ziel: 1. Bundesliga.
Für Pioneer laufen beide Autoren dieses Briefings, Produktmanager und Fast-Profi Kiran Lenk, Redaktionsmitglied Josh de Buhr und Podcast-Produzent Lorenz Lanig auf.
Aus den Medien verstärken uns u. a. Jenni Thier (NZZ), Maximilian Popp (Spiegel) und Peter Dausend (Zeit). Mit dabei sind auch ein Ex-Sänger, ein prominenter Manager der Ampel-Koalition und ein Vize-Weltmeister an der Seitenlinie.
Lassen Sie sich überraschen!
Hier unsere spielerische Ankündigung.
Auf - Frank-Walter Steinmeier. Endlich gute Nachrichten für den Bundespräsidenten. Nach der offenen Kritik an seiner früheren Russland- und Iran-Politik wird Steinmeier in diesen Tagen in New York von den früheren US-Außenministern Henry A. Kissinger und Condoleezza Rice mit dem Henry-Kissinger-Preis geehrt. Der 99-Jährige Kissinger ist persönlich anwesend. Große Auszeichnung! Aufsteiger!
Ab - Franziska Giffey. Super-GAU für die Hauptstadt-SPD. Das Verfassungsgericht erklärt die Chaos-Wahl in Berlin für rechtswidrig und verlangt eine komplette Neuwahl. Das Bild einer überforderten und in der Verwaltung kaum funktionsfähigen Stadt bekommt einen neuen Anstrich. Die neue Bürgermeisterin war damals zwar nicht im Amt, muss aber nun öffentlich eine "reibungslose" Wahl versprechen. Bitter!
„Lobbyisten sehen Grüne als Gewinner der Krise“, berichtet der Chefreporter der Wirtschaftswoche, Daniel Goffart. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung MSL Group setzten die Public-Affairs-Manager der großen Unternehmen Habeck und Baerbock an die Spitze, die Kommunikation von Kanzler Scholz werde hingegen schlechter bewertet. „Gut 95 Prozent der Lobbyisten gaben Habeck die Note sehr gut oder gut – bei Baerbock waren es knapp 91 Prozent.“ Die von Scholz ausgerufene Zeitenwende würden die Grünen am besten meistern - knapp gefolgt von der Union. Spannende Auswertung!
Heute gratulieren wir herzlich:
Stephan Auer, Deutscher Botschafter in Äthiopien, 61
Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 53
Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, 46
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre