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Unsere Themen heute:
Die Energiepreise galoppieren, die Regierung ringt um eine adäquate Antwort. FDP-Finanzminister Christian Lindner trifft die Wirtschaft zum Krisengipfel.
Hendrik Streeck stimmte als einziges Mitglied des Expertenbeirats der Bundesregierung gegen eine weitere gesetzliche Grundlage für Corona-Maßnahmen.
Kanzler Olaf Scholz hat die Grünen mit seinem Vorstoß für ein Sondervermögen Bundeswehr überrumpelt - jetzt stellt sich die Fraktion gegen den Plan, 100 Milliarden Euro ins Militär zu investieren. Wir kennen die Hintergründe.
Der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sieht seine Position gegen die allgemeine Impfpflicht durch das Aussetzen der Impfpflicht in Österreich bestätigt.
Kurzarbeit ist in der Corona-Krise als Brücke für Beschäftigung genutzt worden. Dieses Jahr droht der Bundesagentur für Arbeit ein größeres Defizit als gedacht. Wir haben die Details.
Wir waren mit der Verteidigungsministerin in Frankreich. Unser Reporter beschreibt, wie man Christine Lambrecht in der Krisenzeit aktuell als Oberbefehlshaberin erlebt
Der Blick in den Abgrund
Die Szenarien sind düster. Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine und die dramatischen Preissteigerungen bei Energie erfassen Deutschlands Wirtschaft.
Im Berliner Regierungsviertel setzt sich nun die Erkenntnis fest, dass diese Krise anders ist als andere. Und dass Corona im Vergleich dazu noch relativ leicht zu bewältigen gewesen sei.
Am Montagabend hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Verbandschefs und CEOs zu einem Krisengipfel zusammengerufen, wie unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner bestätigt wurde.
Mit dabei: Christian Kullmann, Chef des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Maschinenbau-Präsident Karl Haeusgen, Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer, Industriepräsident Siegfried Russwurm, Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und Rainer Kirchdörfer, Chef der Stiftung Familienunternehmen. Per Video zugeschaltet war der neue Chefberater von Lindner, der Freiburger Ökonom Lars Feld.
„Wir stehen am Rande einer Weltwirtschaftskrise“, hören wir aus Teilnehmerkreisen.
Ein großer Teil der Wirtschaft werde demnächst vor allem mit Überleben beschäftigt sein. Auch deswegen hatten bei einer Besprechung der Energie- und Wirtschaftsminister von Bund und Ländern am Dienstag die Teilnehmer darauf gedrängt, kein Embargo für russisches Öl oder Gas umzusetzen.
Offiziell wird über ein neues, großes Hilfsprogramm für die Wirtschaft nicht geredet. Intern heißt es aber, dass die Regierung ihr erst vor zwei Wochen vereinbartes, 15,6 Milliarden schweres Entlastungspaket noch einmal nachbessert.
Hinter den Kulissen wird geprüft, was geht.
Die Wirtschaft drängt.
Lindner soll lediglich auf den seit Pandemiebeginn bestehenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) verwiesen haben. Tatsächlich wäre ein Hilfsprogramm nicht leicht aufzusetzen - und unter Einhaltung der Schuldenbremse kaum zu finanzieren.
An einen Härtefallfonds könnte gedacht werden - aber das allein dürfte kaum reichen. Nicht zu vergessen sind die Belastungen für Verbraucher.
Die Opposition drängt hier auf ein Gegensteuern. CSU-Finanzexperte Sebastian Brehm:
Die aktuelle Krise zwingt uns zum sofortigen Handeln. Warum die Bundesregierung hier zögert, die Mehrwertsteuer auf Öl, Gas und Benzin von 19 Prozent auf sieben Prozent zu reduzieren, ist mir nicht begreifbar.
Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sagte uns, in der deutschen Wirtschaft gebe es breite Zustimmung für die harten Sanktionen.
"Aufgrund konkreter Hinweise aus den Unternehmen weisen wir zugleich darauf hin, dass die Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten nicht unterschätzt werden dürfen“, so Wansleben weiter. Das gelte nicht nur für weiter steigende Energiepreise, sondern auch für Verwerfungen in Lieferketten mit großer Breitenwirkung in der Wirtschaft.
Schon vor Kriegsbeginn hätten zwei Drittel der Betriebe aus allen Branchen und Regionen die hohen Energie- und Rohstoffpreise in einer DIHK-Umfrage als ihr größtes Geschäftsrisiko genannt, in der Industrie sogar 85 Prozent: „Solche Werte hat es noch nie gegeben.“ Und sie würden weiter steigen.
Sondervermögen: Grüne wollen nicht alles der Bundeswehr geben
Die Grünen lehnen den Plan von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ab, das angekündigte Sondervermögen für die Bundeswehr ausschließlich ins Militär zu investieren.
"Wir haben im Koalitionsvertrag einen erweiterten Sicherheitsbegriff vereinbart“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler, unserer Kollegin Marina Kormbaki.
Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler. © ImagoKindler betont:
Im Koalitionsvertrag steht es schwarz auf weiß: Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben ist gekoppelt an die Ausgaben für zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.
Diese Kopplung sei unabhängig von der Art des Topfes, aus dem Militärausgaben getätigt werden. "Es geht um konkrete Ausgaben im Bundeshaushalt und es wird explizit nicht unterschieden zwischen einem Sondervermögen und einem Einzelplan eines Ministeriums - beide befinden sich im Bundeshaushalt“, so Kindler.
Der Grünen-Chefhaushälter mahnt die Koalitionspartner:
Wenn jemand bewusst vom Koalitionsvertrag abweichen will, sollte man das auch ehrlich so sagen und nicht das Offensichtliche, was jeder nachlesen kann, bestreiten.
Kindler bezweifelt zudem, dass das Verteidigungsministerium zum effektiven Einsatz einer so hohen Summe imstande ist: "Das Verteidigungsministerium hat größere Probleme als fehlende finanzielle Mittel. Bei der Bundeswehr ist eine grundlegende Strukturreform mit klaren Prioritäten, deutlich mehr Effizienz und hartem Controlling notwendig, insbesondere beim Beschaffungswesen."
FDP-Vize: "Impfpflicht versenken"
FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht durch die Aussetzung der Impfpflicht in Österreich den Rückhalt für seinen Antrag gegen eine allgemeine Impfpflicht steigen.
„Das österreichische Beispiel zeigt, dass eine Impfpflicht mit der Omikron-Variante nicht mehr infektiologisch begründet werden kann", sagte uns Kubicki.
"Leider müssen wir in Deutschland feststellen, dass die Diskussion über die Impfpflicht die sachliche Ebene verlassen hat und mittlerweile eine politische Machtfrage geworden ist."
Er forderte alle Beteiligten auf, selbstkritisch zu hinterfragen, "ob wir das österreichische Beispiel nicht zum Anlass nehmen sollten, dieses Thema ideologiefrei zu versenken", so der Bundestagsvizepräsident.
Zollbürokratie bei Hilfslieferungen an die Ukraine
Deutsche Hilfsorganisationen hadern mit den Zollbestimmungen für Hilfssendungen in die Ukraine. Denn auch bei karitativen Spenden gelten bisher weiterhin die allgemeinen Zollvorschriften, wie die Finanzbehörde mitteilt.
Demnach müssen Waren im Wert von über 1000 Euro vorher in Deutschland bei der örtlich zuständigen Ausfuhrzollstelle elektronisch in ein zweistufiges Ausfuhrverfahren eingetragen werden, anschließend müssen die Waren an der EU-Außengrenzstelle erneut registriert werden.
FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler plädiert für ein Aussetzen der Vorschriften.
"Ich befürchte, dass viele Helfer diesen zollrechtlichen Umstand nicht kennen", sagte uns Schäffler. "Die vielen Helfer dürfen nicht in einer rechtlichen Grauzone unterwegs sein, daher muss dieses Bürokratiemonster schnellstmöglich beseitigt werden, damit Hilfslieferungen nicht an den Zollbestimmungen scheitern.“
FDP-Finanzexperte Frank SchäfflerBundesagentur für Arbeit 2022 wohl mit höherem Defizit als bislang erwartet
© The PioneerDie Bundesagentur für Arbeit steuert in diesem Jahr auf einen höheres Defizit zu als bislang erwartet. Das geht aus einem Bericht der Nürnberger Behörde an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, der unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vorliegt.
Die Bundesagentur stehe im Jahr 2022 mehreren Herausforderungen gegenüber, unter anderem den Auswirkungen der Pandemie, dem Strukturwandel und dem zunehmenden Fachkräftemangel. „Vor diesem Hintergrund ist ein größerer Fehlbetrag als bisher erwartet im BA-Haushalt Ende des Jahres 2022 wahrscheinlich“, heißt es in dem Papier.
Bisher wurde mit einem Zuschussbedarf von rund 1,4 Milliarden Euro gerechnet - und von der Regierung genehmigt. Der Bericht basiert auf Zahlen von Mitte Januar. Damals waren für die konjunkturelle Kurzarbeit rund 2,3 Milliarden Euro veranschlagt worden. Das entspricht 290.000 Beschäftigten in Kurzarbeit. Inzwischen hat die Regierung eine Verlängerung der Corona-Sonderregelungen auf den Weg gebracht - dafür sind zusätzliche Ausgaben von bis zu 450 Millionen Euro geplant.
CSU-Expertin Silke Launert beklagte, dass die von den Arbeitgebern während der Kurzarbeit zu tragenden Sozialbeiträge inzwischen nur noch zu 50 Prozent übernommen werden, obwohl die Krise unser Land noch immer fest im Griff habe: "Dies stellt eine große Belastung gerade von mittelständischen und familiengeführten Unternehmen dar."
Weizen-Engpass? Agrarministerium gibt Entwarnung
Trotz wegbrechender Weizenexporte aus Russland und der Ukraine schließt das Bundeslandwirtschaftsministerium Engpässe bei der Versorgung mit Weizen in Deutschland und Europa aus.
"Der Selbstversorgungsgrad von Weizen liegt in Deutschland bei über 120 Prozent. Die Versorgungssicherheit ist somit gewährleistet", sagte uns eine Sprecherin.
Weizenfelder in der Ukraine, in Friedenszeiten. © imagoRussland und die Ukraine lieferten vor allem in die Länder Nordafrikas, die Türkei und Teile Asiens. Dort könnten die aktuellen Preissteigerungen bei Weizen, Mais und Raps sowie Ernteausfälle und Handelsbeschränkungen die angespannte Lage verschärfen.
"Vor diesem Hintergrund ist es durchaus kritisch zu sehen, dass derzeit rund 47 Prozent der weltweiten Gesamtgetreideerzeugnisse in die Tierversorgung gehen und nicht für die Ernährung zur Verfügung stehen", sagte uns eine Sprecherin von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
Lambrecht: „Werden künftig noch mehr Verantwortung tragen“
Die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ist gestern zum Kurzbesuch in Frankreich gewesen. Dort wurde die erste C130J-Maschine der neuen deutsch-französischen Lufttransportstaffel in den Dienst gestellt.
Damit beginnt ein bilaterales Prestigeprojekt, das noch unter Ursula von der Leyen aufgesetzt worden war. Es geht um gemeinsame Flüge, etwa zur Bergung, Evakuierung und Betankung.
Lambrecht sagte gegenüber ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly:
„Gerade in diesen finsteren Zeiten müssen wir auf die deutsch-französische Freundschaft setzen.“
Tatsächlich sind schon jetzt erste Flüge der Franzosen von Evreux aus an die Nato-Ostflanke gestartet: Sie brachten Munition in den Osten. Bis 2024 soll die gesamte Staffel noch anwachsen, in diesem Jahr sollen zwei weitere deutsche Maschinen dafür folgen.
Wer in diesen Tagen mit der Ministerin reist, schrieb uns unser Reporter Christian Schweppe vom Militärstützpunkt Evreux, der erlebt Lambrecht als Ministerin, die Stärke zeigen will. Die jetzt aber auch Stärke zeigen muss: Bei der Ausstattung der Bundeswehr. Und bei der schnellen Reform des Beschaffungswesens.
Ihre Ankündigungen als deutsche Oberbefehlshaberin in Frankreich jedenfalls dürften bei den Nato-Partnern genau verfolgt werden.
Lambrecht versprach:
Wir werden künftig mehr Verantwortung tragen.
Corona-Expertenrat erstmals uneins
Der Expertenrat der Bundesregierung hat erstmals seit seiner Einberufung eine nicht vollständig geeinte Stellungnahme abgegeben.
Bei der Sitzung am vergangenen Montag stimmte der Bonner Virologe Hendrik Streeck gegen das Votum des Rates. Das Ergebnis bestand damit erstmals lediglich aus 18 von 19 zustimmenden Voten.
Hendrik Streeck © dpaDer Expertenrat hatte am Montag darauf gedrungen, eine rechtliche Regelung für die Zeit nach dem 19. März zu finden, wenn das Infektionsschutzgesetz ausläuft.
Es werde absehbar ohne weitere Kontrollmaßnahmen zu einer erheblichen Zahl von Infektionen kommen, „wobei die Krankheitsschwere und Krankheitslast momentan nicht vorhersagbar sind“, urteilt der Rat in seiner Mehrheit. „Eine erneute Systembelastung ist daher nicht auszuschließen.“
Fahrplan für den Ampel-Haushalt
Die Ampel-Koalition will Ende März den Bundeshaushalt zur ersten Lesung in den Bundestag bringen. Am 27. April soll es im Verteidigungsausschuss eine Beratung zum Sondervermögen Bundeswehr geben, wie aus dem internem Fahrplan zum Finanzplan hervorgeht.
Die Beratungen für die einzelnen Ressorts starten am 12. Mai, in der so genannten Bereinigungssitzung am 19. Mai wird der Haushalt dann endgültig inhaltlich vom Parlament festgezurrt.
Den Zeitplan sehen Sie hier.
Fahrplan des Finanzministeriums für die Haushaltsberatungen. © ThePioneerAuf - Michael Link ist neuer Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung. Das Kabinett ernannte den FDP-Bundestagsabgeordneten gestern zum neuen Zuständigen für die Beziehungen zu den USA und Kanada. Link, der bereits Staatsminister im Auswärtigen Amt war und das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte in Warschau leitete, hat Glück: Die Beziehungen zu Washington waren lange nicht mehr so eng und vertrauensvoll wie jetzt. Dass dies so bleibt, ist jetzt auch Links Aufgabe. Aufsteiger.
Ab - Anne Spiegel. Die Bundesfamilienministerin aus Rheinland-Pfalz hat Ärger wegen interner SMS ihres Pressestabs im früheren Job. Spiegel war während der Flutkatastrophe im Ahrtal Landes-Umweltministerin und ihre Medienberater sorgten sich ausweislich der nun im Focus veröffentlichten SMS-Nachrichten vor allem um ihr Image bei den Auftritten im Flutgebiet. Schon am Morgen nach der katastrophalen Flut ging es in den internen Nachrichten um die Rolle Spiegels und machttaktische Überlegungen. Kein guter Auftritt.
Die USA stecken in einem Dilemma. Einerseits wollen sie die Ukraine maximal unterstützen, aber eine Beteiligung an dem Krieg, etwa durch die Weitergabe von Militärjets an die Ukraine, will die Biden-Administration unbedingt vermeiden. Majid Sattar, Washington-Korrespondent der FAZ, ordnet dies in seinem Bericht kompetent ein. "Bei Kampfflugzeugen ist für die Amerikaner Schluss. Von Warschaus Vorschlag, Amerika solle polnische Flugzeuge russischer Bauart im Namen der NATO an die Ukraine liefern, will das Pentagon nichts wissen. Die Furcht, die Allianz als Partei in den Ukrainekrieg hineinzuziehen, wog dort am späten Dienstagabend schwerer als die Sorgen um das einheitliche Auftreten des Westens", schreibt Sattar. Lesenswert!
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine rückt auch Russlands international wichtigsten Verbündeten ins Zentrum: China. Wie lange hält die Unterstützung aus Peking? Tagesschau.de-Autorin Angela Göpfert analysiert die Situation und kommt zu dem Schluss: "Egal wie düster die internationale Lage ist, China und Russland werden ihre umfassende strategische Partnerschaft in der neuen Ära fortsetzen." Die Bande zu Moskau seien eine der wichtigsten bilateralen Beziehungen weltweit. So habe der chinesische Außenminister Wang Yi erst zu Wochenbeginn die Freundschaft Chinas zu Russland gepriesen, schreibt Göpfert. Hier geht es zu dem Text.
Heute gratulieren wir herzlich:
Katja Schneider, ehemalige Sprecherin Vorwärts, 47
Mario Geisenhanslüke, Vize-Chef Content Management, Verlagsgruppe Rhein-Main, 31
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, 64
Susanne Ferschl (Linke), stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, 49
Hans-Peter Friedrich, CSU-Bundestagsabgeordneter, 65
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre