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Unsere Themen heute:
Die Koalition eilt durch die Gesetze für das Konjunkturpaket. Die Strompreisbremse gehe nicht weit genug, sagt der Unions-Wirtschaftsflügel.
In Malta droht eine neue Flüchtlingskrise. Die Vertreter des Inselstaats rufen einem internen EU-Protokoll zufolge die Mitgliedsländer um Hilfe.
Die große Koalition wollte eine Steuer-Trickserei beenden - doch nun stockt die Reform. Wir erklären, worum es geht.
Reform der EEG-Umlage geht Experten nicht weit genug
Union und SPD planen eine Milliarden-Entlastung für Privatkunden und industrielle Stromverbraucher: Die Senkung der EEG-Umlage - derzeit sind es 6,756 Cent pro Kilowattstunde - ist Teil des Konjunkturpakets der großen Koalition. Doch die Stromwirtschaft ist unzufrieden mit dem Ergebnis - sie hätte sich mehr gewünscht. Und auch der Wirtschaftsflügel der Union meldet sich zu Wort.
Die Senkung der EEG-Umlage ist eine der kostspieligeren Maßnahmen in dem 130 Milliarden Euro umfassenden Konjunkturpaket. Im kommenden Jahr soll der staatlich festgelegte Strompreis-Aufschlag zur Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien auf 6,5 Cent abgesenkt werden. 2022 wären es dann 6,0 Cent. Die jährliche Stromrechnung eines durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalts würde dann im Vergleich zur heutigen Belastung rund 26 Euro geringer ausfallen. Das Bundesfinanzministerium beziffert die Kosten für die Entlastung auf elf Milliarden Euro.
Eine Infografik mit dem Titel: Strompreise auf Rekordniveau
Durchschnittlicher Strompreis für Privathaushalte, in Euro-Cent
In einer internen Stellungnahme des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, die uns vorliegt, wird die Maßnahme zwar als "ein Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet. "Allerdings sehen wir eine stärkere Senkung, u.a. auch die Senkung der Stromsteuer und eine mögliche Deckelung der EEG-Umlage als erforderlich an." Der Verband pocht auf "eine dauerhafte Reduzierung“. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland die Strompreise so hoch wie in kaum einem anderen Land in Europa. Allein in den letzten 10 Jahren sind Kosten für gewerblichen und privaten Strom hierzulande um rund 40 Prozent gestiegen. Mehr als die Hälfte des Strompreises machen staatliche Gebühren, Abgaben und die EEG-Umlage aus.
Vertreter des Wirtschaftsflügels von CDU und CSU wünschen sich daher eine stärkere Entlastung. Der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, lobt die vorübergehende Absenkung. "Gleichzeitig zeigen die immensen Kosten aber auch, wo das eigentliche Problem liegt. Die Kosten für die staatliche Dauersubventionierung der erneuerbaren Energien sind einfach zu hoch." Der Bundeshaushalt werde perspektivisch überfordert, sagt der CDU-Politiker. "Ziel muss es sein, das EEG als Förderinstrument auslaufen zu lassen."
Dass das System stärker aus dem Haushalt finanziert werden müsse, sieht Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) dagegen nicht so kritisch. "Ich halte es für wichtig, dass wir in Deutschland Industriestrompreise bekommen, wie es sie in vielen Ländern um uns herum gibt. Dabei geht es um Wettbewerbsfähigkeit", sagte uns Nüßlein. "Die Verschiebungen daraus wird man über den Haushalt decken müssen." Auch die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck hatten sich Anfang Mai für eine Absenkung der EEG-Umlage ausgesprochen.
1. Malta bittet um EU-Hilfe bei Flüchtlingen
Der Inselstaat Malta hat die Innen- und Justizminister der EU um Hilfe bei der Bewältigung einer neuen Flüchtlingskrise gebeten. Das geht aus einem Protokoll des Auswärtigen Amts zu der informellen Videokonferenz der europäischen Justiz- und Innenminister am 5. Juni hervor, das uns vorliegt.
Malta © ThePioneerIm Rahmen des Treffens seien die Themen Seenotrettung und Migration besprochen worden. Dabei habe der Vertreter Maltas von einer "großen Anzahl von Flüchtlingen" berichtet, die das Land seit Anfang des Jahres aufgenommen habe und die "in keinem Verhältnis zur Größe bzw. Einwohnerzahl des Landes" stehe. Mittlerweile seien die Aufnahmeeinrichtungen in Malta überlastet, was auch mit Blick auf die derzeitige Pandemielage problematisch sei, heißt es in dem Protokoll weiter. Es würden inzwischen auch Fährschiffe zur Seenotrettung eingesetzt.
Migranten gehen in einem Hafen in Malta von Bord. © Jonathan Borg/XinHua/dpaAngesichts der Corona-Pandemie würden aktuell keine Überstellungen dieser Flüchtlinge an das Festland erfolgen. Malta könne aber die Last nicht alleine tragen, heißt es in dem Protokoll zur Konferenz. Man bekämpfe zusammen mit Libyen die Menschenhändler. Aber die anderen Mitgliedsstaaten müssten nun helfen.
EU-Kommissarin Ylva Johansson erklärte, man tue alles, um Malta zu unterstützen, aber es mangele an der Bereitschaft anderer Mitgliedsländer, freiwillig Flüchtlinge zu übernehmen. Nur Portugal, Frankreich und Luxemburg hätten demnach ihre Unterstützung zugesagt.
© dpaBundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) berichtete in der Videokonferenz anschließend von den neuen Schwerpunkten der deutschen Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli. Beim Katastrophenschutz solle ein einheitliches Verfahren beschlossen werden (RescEU). Außerdem will Deutschland die stockende Reform des gemeinsamen Asylsystems in der EU vorantreiben. Seehofer verwies dabei auf die Wortmeldung des Vertreters aus Malta, die "zeige, dass hier Handlungsbedarf bestehe".
2. Stillstand bei Reform von Steuer-Trickserei
Bei der geplanten Reform eines Steuerschlupflochs bei der Grunderwerbsteuer kommt die große Koalition nicht voran. Es geht um die sogenannten "Share Deals", bei denen die Zahlung von Grunderwerbsteuer auf Grundstücke umgangen wird, indem das Grundstück in eine GmbH eingegliedert und dann scheibchenweise verkauft wird.
In der Praxis wird eine solche Transaktion dann nicht vollständig vollzogen, sondern nur zu einem Prozentsatz von knapp unterhalb von 95 Prozent - die restlichen gut fünf Prozent werden nach weiteren fünf Jahren überschrieben. Diese Praxis ändert an dem Besitzerwechsel nichts, die Steuer wird so aber nicht fällig. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag Besserung versprochen, eigentlich sollte dies im ersten Halbjahr des Jahres 2020 geschehen.
Nun stockt die Reform. Grund dafür ist nicht zuletzt die Union, deren Wirtschaftsflügel nach unseren Informationen bremst, um eine Neuregelung insgesamt zu verzögern. Auch die SPD stellt weitere Forderungen. Sie will den Prozentsatz, der Steuerfreiheit ermöglicht, von 95 Prozent auf 75 Prozent herabsetzen. Aktuell wird erwartet, dass bei einer Einigung der Satz auf 90 Prozent verringert werden könnte und die zeitliche Frist für Steuerfreiheit auf 10 Jahre steigt. Schon das würde die "Share Deals" unattraktiver machen. Ein Gesetzentwurf liegt seit dem vergangenen Jahr vor - das Verfahren stockt nun in der parlamentarischen Umsetzung.
3. Corona-App: DGB pocht auf Lohnersatz bei Quarantäne
Ab kommender Woche soll sie zum Download für alle Bürger bereitstehen: die Corona-Warn-App der Bundesregierung. Sie soll beim Nachverfolgen von Infektionsketten helfen und Nutzer warnen, wenn sie länger in der Nähe von Infizierten waren, die dies selbst in der App freiwillig angegeben haben. Umfragen zufolge wollen etwa 42 Prozent der Deutschen die App herunterladen.
Die Corona-App braucht Akzeptanz. Die bekommt sie aber nur, wenn sie freiwillig funktioniert.
Die Gewerkschaften mahnen nun eine Umsetzung an, die für Arbeitnehmer nicht zum Nachteil werden darf. "Die Corona-App braucht Akzeptanz. Die bekommt sie aber nur, wenn sie zum einen freiwillig funktioniert und Arbeitnehmer keine finanziellen Einbußen fürchten müssen, wenn sie in Quarantäne gehen", sagte uns Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Es braucht eine Lösung, die 100 Prozent Lohnersatz während der Quarantäne garantiert".
© The PioneerDie Regierung will die Kfz-Steuer im Zuge des Konjunkturpakets ökologisch reformieren und stärker an den CO2-Emissionen der Fahrzeuge ausrichten. Das geht aus dem Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums hervor, der uns vorliegt. Demnach soll es für neu zugelassene Fahrzeuge progressiv gestaffelte Steuersätze von zwei bis vier Euro je Gramm CO2 pro Kilometer geben. Sie gelten bei Kohlendioxid-Emissionen ab 95 Gramm je Kilometer. „Der Spitzensteuersatz von 4 Euro je g/km betrifft nur Fahrzeuge mit besonders hohem Emissionspotenzial von mehr als 195 g/km”, heißt es in der Vorlage. Die Bundesregierung verspricht sich eine Lenkungswirkung hin zu emissionsarmen Fahrzeugen. Außerdem wird die bereits geltende zehnjährige Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge noch bis zum 31.12.2025 gewährt und bis 31.12.2030 verlängert.
Das Gesetz soll noch diesen Freitag im Bundeskabinett beschlossen, die Umsetzung im Parlament aber erst nach der Sommerpause erfolgen.
Auf und Ab mit Yvonne Gebauer und Kevin Kühnert © The Pioneer / Henning SchmitterAuf - Ab dem 15. Juni werden im bevölkerungsreichsten Bundesland wieder alle Kinder im Grundschulalter montags bis freitags zur Schule gehen. „Wenn es um die Bildung unserer Kinder geht, zählt jeder Tag“, sagte NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP). In NRW ist die Öffnung der Schulen angesichts rund 600.000 Grundschülern und des Lehrermangels ein besonderes Risiko, doch Elternvereine sind erleichtert über die vollständige Öffnung der Schulen. Man darf gespannt sein, wie die Hygienekonzepte umgesetzt werden. Doch dass die Ministerin Mut zeigt und notfalls gegen ihren Ministerpräsidenten agiert, hat sie bereits bewiesen, als sie Ende April in einer Mail an die Schulen auf die geplante Öffnung hinwies - und Armin Laschet sie zurückpfiff. Jetzt kommt es doch so wie von Frau Gebauer geplant.
Ab - Ist es das Amt oder ist es die neue Verantwortung in der Parteispitze, die ihn verändert hat? Es ist still geworden um den Co-Vorsitzenden der SPD, Juso-Chef Kevin Kühnert. Vor knapp einem Jahr gab der Juso-Vorsitzende die Richtung vor, organisierte mit der #NoGroko-Kampagne eine Graswurzelbewegung in der SPD gegen die Regierungs-SPD - jetzt schweigt er oder lobt das Krisenmanagement von Olaf Scholz, dem Minister, gegen den er im Wahlkampf um den SPD-Vorsitz trommelte. Auch inhaltlich ist in der größten Krise der Nachkriegsrepublik wenig von dem 30-Jährigen zu hören. Wo ist er geblieben, der streitbare und debattenfreudige Sozialdemokrat?
Kurzarbeit verhindert in der Corona-Krise einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit - mit Hilfe staatlicher Milliarden-Zahlungen. Die Frage ist nur, wie lange noch. Die Regierung traut sich eine Antwort nicht zu. Noch nicht jedenfalls. Erst nach der Sommerpause - im September - soll Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) „eine verlässliche Regelung“ für den Bezug von Kurzarbeitergeld ab dem 1. Januar 2021 vorlegen.
Unsere Leseempfehlungen für heute:
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das Menschen vor Benachteiligung durch Behörden schützen soll. Frauen, die sich sexistische Witze im Bürgeramt anhören müssen, Anträge, die wegen mangelnder Sprachkenntnis abgelehnt werden, Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens von der Polizei wie Verdächtige behandelt werden. Doch das Gesetz wird heftig kritisiert - an vorderster Front von den Innenministern aus Bund und Ländern und der Polizeigewerkschaft. In seinem Kommentar für die Zeit nimmt Christian Vooren den Kritikern ein wenig Luft aus den Segeln. Lesenswert!
In der Regierung gilt sie als freundlich aber nicht besonders durchsetzungsstark. Bildungsministerin Anja Karliczek ist Kritik gewohmt, seit sie im März 2018 Bundesministerin für Bildung und Forschung wurde. Nun aber gehen auch Studierende auf die Straße. Sie protestieren gegen ihre Hochschulpolitik in Corona-Zeiten. Warum, hat Maximilian Senff für den Spiegel-Ableger bento eine der Organisatorinnen der Demos gefragt und interessante Antworten bekommen. Hier lesen!
Heute gratulieren wir zum Geburtstag:
Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete (Die Linke), 69
Michael Meister, Bundestagsabgeordneter (CDU), 59
Marian Wendt, Bundestagsabgeordneter (CDU), 35
Carsten Erdmann, Chief Digital bei der Funke Mediengruppe, 55
An diesem Mittwoch wird das Bundeskabinett grünes Licht für die Wasserstoffstrategie geben, die wir hier bereits vorgestellt haben. Die Regierung will den Ausbau der Technologie in Deutschland vorantreiben und lässt sich dabei von Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben. Nach unseren Informationen soll der Nationale Wasserstoffrat 25 Mitglieder zählen, darunter Professor Karsten Lemmer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Uniper-Vorstandschef Andreas Schierenbeck, IG BCE-Chef Michael Vassiliadis sowie Robert Schlögl, Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion.
In der SPD bereitet die Bundestagsabgeordnete Gabriele Hiller-Ohm aus Lübeck in Schleswig-Holstein das Ende ihrer Parlamentskarriere mit Abschluss der Legislaturperiode vor. Hiller-Ohm ist seit 2002 Teil der Fraktion - bei der kommenden Bundestagswahl will die 67-Jährige nicht mehr antreten.
Das letzte Wort von Oliver Zipse © The Pioneer / Henning SchmitterIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
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