herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Armin Laschet will die EU einer Fitnesskur unterziehen: Abstimmungen erleichtern, Parlamentsort abschaffen und in der Außenpolitik aktiver werden. Im Interview spricht der Kanzlerkandidat auch über Russland, den Nahen Osten und sein Wahlkampfteam.
Geheimbesuch von US-Außenminister Tony Blinken in Berlin. Es geht um Libyen - und hinter den Kulissen buhlen die Kanzlerkandidaten um einen Termin.
Kosten in Zusammenhang mit der Sanierung des Segelschulschiffs der Marine, Gorch Fock, betragen 2,5 Millionen Euro mehr als bekannt. Uns liegen exklusive Zahlen vor.
Laschet will Klimabeauftragten für EU
Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident in der Düsseldorfer Staatskanzlei. © Andreas EndermannDer Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat einen eigenen ressortübergreifend tätigen Klimabeauftragten bei der EU-Kommission gefordert und institutionelle Reformen in den ersten 100 Tagen angekündigt, sollte er Bundeskanzler werden.
“Wir brauchen einen Klimabeauftragten bei der Europäischen Union. Es müsste eine Person geben, die von der gleichen Autorität und Unabhängigkeit wie John Kerry für Europa Klimaaußenpolitik macht”, sagte uns Laschet in einer Spezial-Ausgabe des Hauptstadt-Podcasts.
In den ersten 100 Tagen als Bundeskanzler würde er mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron institutionelle Reformen mit dem Ziel einer europäischen Verfassung anstoßen, betonte Laschet.
Wir brauchen eine Reform der Institutionen. Das Einstimmigkeitsprinzip muss verändert werden, damit die EU wirklich zum Akteur wird.
Die Vorstöße von Macron, die dieser in der Rede an der Pariser Universität Sorbonne gemacht habe, seien gut und müssten nun mit Leidenschaft in die europäischen Prozesse gebracht werden.
“Die Vorschläge sind da. Ich würde sie engagiert aufgreifen.”
Armin Laschet in der Düsseldorfer Staatskanzlei. © Andreas EndermannDer Aachener Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich sei an vielen Punkten noch nicht umgesetzt.
"Es muss jetzt ein Prozess beginnen, der Europa stärker macht. Der kann dann auch in Vertragsänderungen münden, und er kann im Ziel eine europäische Verfassung in den Blick nehmen.”
Konkret nannte der frühere Europa-Abgeordnete auch die Konzentration des Europäischen Parlaments auf einen Standort.
Diese könne aus seiner Sicht aber nur Straßburg sein.
Das Europäische Parlament in Straßburg. © imagoLaschet sagte:
“Die Parlamentssitzungen in Straßburg sind die effektivsten. Da wird das Parlament eigens wahrgenommen, die Kommission reist nach Straßburg. Der umgekehrte Weg ist schwieriger."
NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet und ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker. © Andreas EndermannDie Europa- und Außenpolitik würde Laschet als Kanzler im Falle eines Wahlsiegs noch stärker im Bundeskanzleramt zusammenziehen.
“Die koordinierende Rolle des Kanzleramts muss gestärkt werden. Die Europa- und Außenpolitik wird Chefsache sein.”
Armin Laschet, Michael Bröcker, Stefan Lischka. © Andreas EndermannDas gesamte Gespräch, in dem sich Armin Laschet auch zum aktuellen Nahost-Konflikt äußert und seine Ideen für den Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin und der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 darlegt, hören Sie hier:
1. Gorch Fock: Ministerium muss weitere Millionen zahlen
Die Sanierung des maroden Segelschulschiffs Gorch Fock der Marine wird deutlich teurer als bislang bekannt.
Wie das Verteidigungsministerium auf eine parlamentarische Anfrage hin bestätigte, mussten zusätzliche Kosten in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro beglichen werden.
Unserem Investigativreporter Christian Schweppe liegt das Dokument vor. Bei den zusätzlichen Ausgaben handelt es sich um Kosten für ersatzweise gemietete Segelschiffe, die den Ausfall der Gorch Fock kompensieren mussten.
Segelschiff Alexander von Humboldt II. © dpaZwar soll die reine Instandsetzung des weltweit bekannten Segelschulschiffes den vereinbarten Kostendeckel von 135 Millionen Euro formal nicht übersteigen.
Die nun bestätigten 2,5 Millionen Euro allerdings sind direkte Folgekosten der jahrelangen Werftliegezeit.
Konkret handelt es sich um Charter- und Schulungsgebühren, die seit 2017 für die Schiffe Alexander von Humboldt II., Schulschiff Deutschland sowie den rumänischen Großsegler Mircea fällig wurden.
Der Haushaltsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Karsten Klein, kritisiert:
„Aus den ursprünglich veranschlagten Kosten von rund 10 Millionen Euro wurden stolze 135 Millionen. Über die tatsächlichen Gesamtkosten, die im Zusammenhang mit der Instandhaltung entstehen, werden Bundestag und Steuerzahler im Unklaren gelassen.“
Eine solche Kostenexplosion sei zu verhindern gewesen, so Klein.
Ausriss aus interner Kostenaufstellung © The Pioneer
Weil die Gorch Fock schon seit Ende 2015 modernisiert wird und sich die Instandsetzung immer wieder verzögerte, konnte seit mehr als fünf Jahren keine Kadettenausbildung mehr an Bord stattfinden.
Zuletzt musste die Übergabe des Schiffes erneut vertagt werden. Nun soll sie voraussichtlich im Spätsommer stattfinden. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gab an, dass ein genauer Termin noch nicht feststehe.
2. RWE-Chef hält früheren Kohleausstieg für denkbar
Der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Markus Krebber, hält einen früheren Ausstieg aus der Braunkohle als den bisher geplanten Termin 2038 für denkbar. "Wir können gucken, ob es klappt. Aber dazu müssen wir die Energie darauf verwenden, über das zu reden, was gelingen muss, damit das klappen könnte“, sagte uns Krebber bei einem Besuch auf der Pioneer One.
Dr. Markus Krebber, CEO der RWE AG. © Anne Hufnagl
Man könne allerdings nicht die Stromnachfrage rationieren. „Entscheidend ist, wie schnell bekommen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien hin. Derzeit wird die Kohle täglich gebraucht, um den Strombedarf zu decken. Einfach abschalten geht nicht.“
Deutschland müsse den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen.
„Wind und Sonne werden ausreichen, um Deutschland am Ende mit grüner Energie zu versorgen. Das komplette Begrünen der Stromnachfrage wird uns gelingen.“
Krebber sprach sich für mehr Flächen für Offshore- und Onshore-Windparks und große Solaranlagen sowie standardisierte Umweltprüfungen und Genehmigungsverfahren aus.
Das gesamte Gespräch können Sie hier hören:
3. Sozialökonom Werding wirbt für Aktienrente nach schwedischem Vorbild
© dpaDer Bochumer Sozialökonom Martin Werding fordert eine grundlegende Reform der Altersvorsorge - hin zu einer kapitalgedeckten Säule innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung.
„Wir stehen vor einer neuen Phase der Alterung unserer Gesellschaft“, sagte uns Werding. „Die Babyboomer gehen jetzt in Rente. Wir müssen jetzt handeln.“
Schweden habe Anfang des Jahrhunderts eine Reform wie aus dem Bilderbuch gemacht -mit verpflichtenden kapitalgedeckten Renten als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung, so Werding.
Und das funktioniere so:
Jeder Erwerbstätige muss zwei Prozentpunkte seines Beitrages in ein Prämienrentensystem abführen. Wer klare Überzeugungen hat, in welchen Fonds und zu welchem Anbieter das Geld gehen soll, kann das der zuständigen Behörde mitteilen.
Wer keine Entscheidung treffe, bekomme ein staatlich verwaltetes Standardprodukt.
Dieses habe seit 2003 eine durchschnittliche Rendite von 9,9 Prozent erwirtschaftet. Ein ähnliches Vorsorgemodell hat auch die FDP in ihrem Wahlprogramm.
Das Interview von ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner mit Werding lesen Sie hier.
4. Hauptstadt-Podcast: Gelingt die Reform der Bundeswehr?
Im Hauptstadt-Podcast analysieren wir die Reform der Bundeswehr und sprechen dazu mit Generalinspekteur Eberhard Zorn.
Außerdem diskutieren wir über die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die CDU im Wahlkampf und die jüngsten Pannen & Peinlichkeiten von Franziska Giffey und Annalena Baerbock.
Im kürzesten Interview der Berliner Republik - Ein Satz zu... - ist Digital-Unternehmerin Verena Pausder zu Gast.
Wer den Podcast noch nicht gehört hat, hier gibt es die Chance:
Die Bundesregierung will die Corona-Regeln zur Kurzarbeit bis zum 30. September verlängern. Das gelte für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld sowie die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge, heißt es in einem Verordnungsentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der uns vorliegt.
Ende Juni wären die Sonderregelungen ausgelaufen. Sie sehen vor, dass Kurzarbeitergeld bereits dann gezahlt werden kann, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb von Arbeitsausfall betroffen sind.
Vor der Krise lag die Schwelle bei mindestens einem Drittel. Außerdem war Bedingung, zunächst Minusstunden auf den Arbeitskonten aufzubauen.
Laut Entwurf will die Regierung Entlassungen und Insolvenzen vermeiden. Heil hatte zunächst eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 2021 angekündigt.
Aus einem Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums © ThePioneerApotheken sollen für das Ausstellen von Corona-Impfzertifikaten bis zu 18 Euro erhalten. Das geht aus einem Verordnungsentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hervor, der uns vorliegt.
Apotheken sollen helfen, digitale Zertifikate für Millionen Versicherte auszustellen, deren Impfungen von den Ärzten bislang lediglich im gelben Impfpass dokumentiert waren.
Für eine erstmalige Ausstellung der Zertifikate sollen 18 Euro gezahlt werden. Sechs Euro sind vorgesehen, wenn Impfnachweise für Erst- und Zweitimpfung gleichzeitig erstellt werden. Die Apotheken müssen ihre Aufwendungen monatlich abrechnen.
Auf - Im Spätsommer 2020 hatten sich die Schulen auf eine zweite Corona-Welle nur mangelhaft vorbereitet. Keine Konzepte für Lüftungen und Wechselunterricht, kaum digitale Lehrpläne. Nun will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek das nächste Chaos bei den Impfungen verhindern. Sie schlägt einen Fahrplan für Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren in allen Bundesländern vor. Und zwar "sehr zeitnah", wie sie der Funke Mediengruppe sagte. Der Impfgipfel diese Woche zwischen Bund und Ländern soll sich dem Thema widmen. Richtige Mahnung zur rechten Zeit. Unsere Aufsteigerin!
Ab - Die SPD-Ministerin Giffey tritt zurück, doch eine Nachfolgerin präsentierte die SPD nicht. Warum nicht? Immer wieder gab es aus unterschiedlichen Gründen Bundesminister mit kurzen Amtszeiten, etwa Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU, 62 Tage) oder SPD-Familienministerin Katarina Barley (144 Tage). In einer Chatgruppe mit SPD-Abgeordneten wurde spekuliert, dass man die Stelle lieber unbesetzt lassen sollte, bevor die impulsive und in ihren Äußerungen gelegentlich unorthodoxe SPD-Chefin Saskia Esken das Amt übernimmt. Doch die wollte ohnehin gar nicht. Und eine Überraschungskandidatin - jung, weiblich, ambitioniert - wurde zwar diskutiert, aber verworfen. Im Team von Kanzlerkandidat Olaf Scholz lautete die Losung, dass es nicht gut ankäme, wenn man für drei Monate den hoch dotierten Job besetze. Und Christine Lambrecht, die Justizministerin, sei in den Themen drin. Wie auch immer. Dass die SPD-Vorsitzende gar keine Rolle spielt, wenn im Kabinett ein Platz frei wird, ist auch bezeichnend.
Es ist der erste Besuch eines Ministers der Regierung von US-Präsident Joe Biden in Berlin.
Im Juni soll US-Außenminister Anthony Blinken zu einer Libyen-Konferenz in die deutsche Hauptstadt kommen. Das erfuhren wir aus Koalitionskreisen.
Eine Bestätigung von der US-Botschaft gibt es bisher nicht. Angeblich bemühen sich aber schon die Teams von allen drei Kanzlerkandidaten bereits um ein Gespräch mit Blinken.
Anthony Blinken, US-Außenminister im Weißen Haus. © dpaVergangene Woche war der US-Außenminister bereits in Kopenhagen, um von dort zum Arktischen Rat nach Island und dann weiter nach Grönland zu reisen. Die größte Insel der Erde gilt als zentraler strategischer Ort für die eigene Territorialverteidigung der USA.
Die Leserinnen und Leser dieses Newsletters wussten als Erste, wie CDU-Chef Armin Laschet und CDU-Ikone Wolfgang Schäuble in einer denkwürdigen Nachtsitzung im Reichstag ihrer Partei die Kanzlerkandidatur sicherten (Laschet zu Söder: "Mit dir verlieren wir die Wahl", hier nochmal lesen). Welt-Vize-Chefredakteur Robin Alexander hat den Tag davor, die Nachtsitzung und die Vorstandssitzung der CDU am Tag danach minutiös im Rahmen seines neuen Buches Machtverfall (Siedler-Verlag, 22 Euro) rekonstruiert und dabei zahlreiche neue Details zutage gefördert. Der Text wurde vorab in der Welt am Sonntag veröffentlicht. Ein spannender Bericht aus dem Inneren der Macht. Hier lesen.
CSU-Chef Markus Söder warnt die Union vor einer Juniorrolle in einem möglichen grün-schwarzen Bundeskabinett. Der frühere FAZ-Herausgeber und konservative Focus-Online-Autor Hugo Müller-Vogg gibt ihm in seiner Kolumne recht. "Eine abgewählte Partei gehört in die Opposition", schreibt er. Der CDU-Chef sollte diese offene Flanke besser vor der Bundestagswahl schließen. "Schließlich kann die Partei ihre potentiellen Wähler nicht im Unklaren lassen, was im Fall der Fälle - die Grünen als stärkste Partei – denn passieren werde." Interessante Analyse.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Dietmar Nietan, SPD-Bundestagsabgeordneter, 57
Dieter Janecek, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 45
Katrin Werner, Linken-Bundestagsabgeordneter, 48
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, die FDP-Politikerin Gyde Jensen, zeigt sich auf Twitter entsetzt über die von der weißrussischen Regierung erzwungene Notlandung eines Ryanair-Flugzeugs mit Regimegegnern an Bord in Minsk.
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