Corona-Politik

Lauterbachs Wissenschaftler-Streit

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Unsere Themen heute:

  • Christian Drostens Ausstieg aus dem Sachverständigenausschuss von Bundestag und Regierung wird zum Grundsatzstreit. Wir kennen die Hintergründe.

  • Nach der Ernennung von Lisa Paus zur Familienministerin suchen die Grünen eine oder einen neuen Fraktionsvize – ein Flügelstreit zeichnet sich ab. Wir haben die Details.

  • Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) richtet eine neue Abteilung in seinem Haus ein. Wir erklären, warum und wer sie leitet.

  • Zwei bekannte Berliner Journalistinnen steigen zu Büroleiterinnen ihrer Medien in Washington auf. Wir sagen, um wen es geht.

Lauterbachs Wissenschaftler-Streit

Mal wieder eine kernige Auseinandersetzung in der Corona-Politik: Nachdem Chefvirologe Christian Drosten aus dem Sachverständigenausschuss ausgeschieden ist, der bis Ende Juni für Bundesregierung und Bundestag das Infektionsschutzgesetz evaluieren soll, wird der Graben in der Bewertung der Corona-Politik deutlich, der Politik, Gesellschaft und Wissenschaft teilt.

In Sachen Wissenschaft steht Drosten auf der einen Seite, der Bonner Virologe Hendrik Streeck auf der anderen.

Karl Lauterbach © Anne Hufnagl

Drosten hatte am 25. März in einer Videokonferenz mit den Beiratsmitgliedern, SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eine abschließende wissenschaftliche Bewertung der Corona-Politik durch den Ausschuss bis Ende Juni als unmöglich bezeichnet. Kernschwierigkeit ist die Frage, ob Masken hilfreich gewesen sind in der Pandemiebekämpfung. Ein eindeutiges Votum sei kaum denkbar, dafür brauche man mehr Zeit, Daten und Expertise.

Streeck dagegen, so hören wir von denen, die es wissen, wollte ebenso wie die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff, ein Ergebnis vorlegen. Allerdings eher als Zusammenstellung von bereits existierenden Studienergebnissen – sagen seine Skeptiker.

Christian Drosten © dpa

“Wenn wir jetzt auf Sommer 2023 schieben, können wir es auch sein lassen”, hören wir von einem Mitglied des Expertenrats.

Drosten hatte auch die Durchstechereien aus dem Gremium kritisiert, das sei wie bei Ministerpräsidentenkonferenzen. Die Nachrichten landeten binnen Minuten in der Öffentlichkeit. Im Verdacht: Streeck.

Lauterbach muss die freie Stelle nun neu besetzen. Doch viele Virologen vom Range Drostens gibt es nicht. Melanie Brinkmann wäre eine Kandidatin. Aber: "Wer will schon gegen Streecks Methoden ankämpfen", heißt es aus dem Lager der Drosten-Linie.

Klar ist: Es muss eine Bewertung der vergangenen Jahre geben. Die Frage der Impfungen und der Maskenpflicht seien auch wissenschaftlich klar zu beurteilen, heißt es. Einen Vor-Entwurf für die Evaluierung habe es schon gegeben.

Hendrik Streeck © dpa

Lauterbach bat nun in einem Schreiben an Parlamentspräsidentin Bas um einen abgespeckten Auftrag an die Kommission. Es könne nur vorläufige Ergebnisse geben.

Die Stimmung bei den Mitgliedern ist mies. “Es weiß keiner genau, wie es jetzt weitergeht”, sagte uns ein Teilnehmer.

Im Expertenbeirat der Bundesregierung, zu dem der Virologe Drosten weiter gehört, soll die Evaluation bei der Sitzung diese Woche angesprochen werden.

Merz fährt mit dem Zug nach Kiew und trifft Selenskyj

Eigentlich wollte CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz bereits am 24. Februar nach Kiew reisen und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj treffen.

Doch an dem Tag überfiel Russland die Ukraine und der ukrainische Staatschef reiste an die Front.

Nun holt Merz am heutigen Montagabend die ausgefallene Reise nach und wird nach seinem Termin bei der CDU/CSU-Klausurtagung in Köln und einem Wahlkampfauftritt in Olpe mit dem Zug nach Kiew reisen, wie wir aus seinem Umfeld erfuhren.

Dabei sind nur wenige Mitarbeiter. Journalisten begleiten Merz nicht, das BKA hatte laut Tagesspiegel-Informationen abgeraten.

Ein Treffen mit dem Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj ist angeblich von ukrainischer Seite avisiert, auch Vertreter des ukrainischen Parlaments will Merz in Kiew treffen. Und der CDU-Fraktions- und Parteivorsitzende werde den Ort Butscha besuchen, wo russische Truppen mutmaßlich gezielt Hunderte Zivilisten kaltblütig ermordet hatten.

Grüne I: Linke und Realos ringen um freien Fraktionsvize-Posten

Mit dem Wechsel von Lisa Paus ins Amt der Bundesfamilienministerin tut sich eine Lücke im Grünen-Fraktionsvorstand auf. Gesucht wird eine oder ein neuer Fraktions-Vize zuständig für die zentralen Bereiche Haushalt, Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales.

Die Konkurrenz um den Posten ist groß, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki. Hinter den Kulissen ist ein Flügelkampf darum entbrannt.

Weil Paus zur Parteilinken zählt und weil dem linken Flügel als Entschädigung für die Unterrepräsentanz bei den Ministerämtern von der Parteispitze die Mehrheit im Fraktionsvorstand zugesichert wurde, pocht die Parteilinke auf eine linke Nachbesetzung.

Als Favorit gilt der Berliner Sozialexperte Andreas Audretsch.

Die Grünen-Bundestagsfraktion. © Kaminski

Allerdings macht sich auch der Realo-Flügel Hoffnungen auf den Job hier sind gleich mehrere Anwärter im Gespräch: der Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek, der Haushaltsfachmann Sebastian Schäfer, die Finanzexpertin Katharina Beck und der Arbeitsmarktpolitiker Wolfgang Strengmann-Kuhn.

Aus beiden Lagern heißt es, dass auf Paus nicht zwangsläufig eine Frau folgen müsse, da der Fraktionsvorstand überwiegend weiblich ist. „Da herrscht bereits das Matriarchat“, sagte uns ein Fraktionsmitglied.

In der nächsten Woche soll die Entscheidung fallen.

CDU will Sicherheit neu definieren

In einer Kölner Erklärung fordern die Präsidien von CDU und CSU eine neue Sicherheitsarchitektur für Deutschland und machen dafür konkrete Vorschläge. Die Spitzen der beiden Parteien kommen heute zu einer Klausur in Köln zusammen, um NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst vor den Landtagswahlen zu unterstützen.

In dem Entwurf, der uns vorliegt, heißt es, Deutschland müsse endlich seine Rolle in der Welt annehmen und "Sicherheit umfassend denken und danach handeln".

Unter anderem schlägt die Union vor:

  • Ein Gefahrenradar, mit dem Sicherheitsbedrohungen frühzeitig erkannt werden, dazu können auch Klimafolgeschäden oder wirtschaftliche Abhängigkeiten zählen.

  • Ein Nationaler Sicherheitsrat und klare Beschaffungs- und Investitionsziele für die Bundeswehr sowie eine Strukturreform.

  • Eine Gobalisierungsstrategie, die gezielt Wachstumsperspektiven in der EU, in Amerika und in Asien untersucht.

  • Ein internationaler Klimaclub, in dem Innovations- und Technologie-Transfer zur effizienten Umsetzung der Klimaziele ermöglicht wird.

  • Sicherheitspolitik ist Konsequenz und Härte in der inneren Sicherheit, aber auch die Abwehr von äußeren Bedrohungen. Wörtlich heißt es: "Deutschland braucht Strukturen der Wehrhaftigkeit."

Friedrich Merz und Hendrik Wüst beim Wahlkampfauftakt in NRW am 23. April.  © imago

Grüne II: Basis stellt sich hinter Habeck und Baerbock

Die Grünen haben am Samstag auf einem kleinen Parteitag in Düsseldorf den Kurs von Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock im Umgang mit dem Ukraine-Krieg bestätigt.

Die rund 100 Delegierten stimmten mit großer Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine und die Aufnahme eines 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens für die Bundeswehr.

Zugleich wiesen Spitzengrüne ein ums andere Mal den Vorwurf zurück, ihre Partei verrate pazifistische Prinzipien. „Wir werden immer Friedenspartei bleiben“, versprach Grünen-Chef Omid Nouripour.

Unsere Kollegin Marina Kormbaki war vor Ort. Hier lesen Sie ihren Hintergrundbericht über eine Partei, die mit sich und ihrem neuen martialischen Image ringt.

Die Grünen: Ein bisschen Friedenspartei

Plötzlich Militaristen? Wie die Grünen ihren Ruf als Friedenspartei zu retten versuchen.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Marina Kormbaki .

Artikel

Ex-Familienministerin gegen Scholz-Linie

Renate Schmidt © dpa

Den offenen Brief der Intellektuellen, die sich kritisch mit der Regierungslinie von Bundeskanzler Olaf Scholz auseinandersetzen, haben auch mehrere namhafte Sozialdemokraten unterzeichnet.

Zu den Unterzeichnerinnen gehört unter anderem die langjährige bayerische Landeschefin und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt und der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Auch der sozialdemokratische Künstler Klaus Staeck hat unterzeichnet. In dem umstrittenen Brief fordern zahlreiche Kulturschaffende wie Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer und Schriftstellerin Juli Zeh eine zurückhaltendere Politik der Waffenlieferungen an die Ukraine.

Neue Abteilung für "Bessere Rechtsetzung"

Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat in seinem Haus eine neue Abteilung für „Bessere Rechtsetzung; Digitale Gesellschaft und Innovation“ eingesetzt.

Wie wir aus Ministeriumskreisen hören, soll sie von Klaus Meyer-Cabri geführt werden. Er war zuletzt Vizepräsident von Eurojust, der EU-Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in Den Haag.

In der neuen Abteilung sollen Kompetenzen zu Digitalisierung, Entbürokratisierung und moderner Gesetzgebung gebündelt werden. Zu den ersten Aufgaben gehört es, den geplanten „Digitalpakt für die Justiz“ vorzubereiten.

„Weitere Projekte werden ein bundeseinheitliches System für Videoverhandlungen und ein zivilgerichtliches Online-Verfahren sein“, ist aus dem Ministerium zu hören.

Zwei Top-Journalistinnen steigen in Washington auf

Zwei in der Berliner Politik angesehene Journalistinnen steigen in ihren Medienhäusern zu Büroleiterinnen in Washington D.C. auf.

Michaela Küfner, Chief Political Editor bei der Deutschen Welle in Berlin, soll im Sommer nach Washington D.C. wechseln und dort die Berichterstattung über die US-Politik für den international ausgestrahlten deutschen TV-Sender übernehmen.

Gebürtig aus Bayern, arbeitet Küfner seit 2001 bei der Deutschen Welle, seit 2018 als Politik-Chefin.

Michaela Küfner, Chief Political Editor und bald USA-Korrespondentin.  © DW

Bei der Nachrichtenagentur dpa soll Christiane Jacke im Sommer den Posten als Büroleiterin Nordamerika übernehmen, wie wir erfuhren.

Die USA-Korrespondentin arbeitet seit 2018 für die dpa und folgt auf Can Merey, der als neuer Leiter Investigatives zum Redaktionsnetzwerk Deutschland wechselt.

Jacke war zuvor Korrespondentin im Hauptstadtbüro der Nachrichtenagentur.

Herzlichen Glückwunsch an beide Kolleginnen!

Morgen Dienstag, 3. Mai 2022 sind die Finanzminister der Eurogruppe und der Europäischen Union zu Videokonferenzen verabredet.

Nach einem vertraulichen Bericht aus dem Bundesfinanzministerium, der uns vorliegt, ringen die Minister um einen Arbeitsplan für die Vollendung der Bankenunion. Strittig sind vor allem Fragen der Ausgestaltung einer möglichen europäischen Einlagensicherung.

Außerdem geht es um die Auszahlung der Mittel aus dem im vergangenen Jahr als Reaktion auf die Corona-Krise beschlossenen EU-Wiederaufbaufonds. Der sieht 723,8 Milliarden Euro für Investitionen in nachhaltiges Wirtschaften vor. Auf der Tagesordnung am Dienstag stehen die Projektpläne von Schweden und Bulgarien.

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Auf - Andrij Melnyk. Der ukrainische Botschafter hatte einen beeindruckenden Auftritt beim Bundespresseball am vergangenen Freitagabend. Er bedankte sich in seiner emotionalen Ansprache an die Medienvertreter für die intensive Berichterstattung aus seinem umkämpften Land und zählte alle knapp 40 in der Ukraine arbeitenden Kriegsreporter namentlich auf. Eine starke Geste! Aufsteiger!

Ab - Monika Heinold. Die Grünen-Spitzenkandidatin in Schleswig-Holstein muss trotz des günstigen Rückenwinds aus Berlin fürchten, dass in Kiel künftig eine schwarz-gelbe Regierung ohne Beteiligung der Grünen agiert. In den Umfragen ist der CDU-Ministerpräsident mit fast 38 Prozent enteilt, ein Zweier-Bündnis mit der FDP ist rechnerisch möglich. Nichts ist sicher, erst ab dem 8. Mai wird abgerechnet, doch ein Comeback einer schwarz-gelben Landesregierung wäre angesichts des Grünen-Aufschwungs im Bund überraschend.

Tagesspiegel-Autor Stephan-Andreas Casdorff setzt sich mit dem neuen Job von Daniel Holefleisch auseinander als Lobbyist der renommierten MSL Group. Casdorff sieht in der neuen Rolle des Ehemanns von Annalena Baerbock Potential für Interessenkonflikte, die auftreten können, aber nicht müssen. Den Artikel lesen Sie hier.

Der Düsseldorf-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Reiner Burger, analysiert die Rolle der gestärkten Grünen im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Die Partei unter Spitzenkandidatin Mona Neubaur ziele bewusst auf Wirtschaftsthemen und komme damit gut an. Hier geht es zum Text.

Heute gratulieren wir herzlich:

Andreas Steppuhn, SPD-Politiker, früherer Chef des AfA-Ausschusses, 60

Silvia Neid, Fußball-Legende, 58

Achim Post, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, 63

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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