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Unsere Themen heute:
Interessenvertreter im politischen Berlin müssen sich offiziell anmelden. Die Frist dafür läuft jetzt ab. Wir haben mehr als 1.000 Einträge des neuen Lobbyregisters ausgewertet und erklären, wo es mit der Transparenz noch hapert.
Die Ukraine hat der Regierung in Berlin eine lange Wunschliste für mögliche Waffenlieferungen übermittelt. Wir kennen die Einzelheiten dazu.
Die frühere Dramaturgin und Musikmanagerin Claudia Roth ist jetzt Kulturstaatsministerin. Nun hat die Grünen-Politikerin einen Kommunikationschef ihres Vertrauens gefunden. Wir sagen, wer es ist.
CDU-Chef Friedrich Merz strukturiert die Abläufe im Konrad-Adenauer-Haus neu. Dazu gehört eine tägliche Morgenlage. Wir haben erfahren, wer dabei ist.
Ein Teil der G7-Treffen in diesem Frühling und Sommer wird auch an der Ostsee stattfinden. Wir wissen, wer sich wo trifft.
Die schillernde Welt der Lobbyisten
In den Chefetagen von Agenturen, Verbänden und Konzernen geht es gerade besonders hektisch zu. Denn bald läuft die Frist für den Eintrag ins neue Lobbyregister auf Bundesebene aus.
Einige Player - große wie kleine - nutzen die Zeit voll aus. Ihre Angaben müssen schließlich vor Veröffentlichung intern erhoben und dann sorgfältig geprüft werden.
Bis zum kommenden Montag, 28. Februar 2022, müssen alle, die geschäftsmäßig und dauerhaft Interessen gegenüber Bundestag und Regierung vertreten, Angaben zu Art und Umfang ihrer Aktivitäten publik machen: Auftraggeber, finanzielle Aufwendungen, Interessengebiete und Mitarbeiterzahlen gehören ab dann nämlich gemeldet.
Bei unrichtigen, unvollständigen oder verspäteten Angaben drohen bis zu 50.000 Euro Geldbuße und, sollte das Fehlverhalten größeres Aufsehen erregen, möglicherweise noch ein veritabler Imageschaden dazu.
Unsere Kollegen Rasmus Buchsteiner und Christian Schweppe haben sich das neue Register einmal näher angeschaut, die bisherigen Einträge dort analysiert.
Hier einige Erkenntnisse:
Deutlich mehr als 1.000 Verbände, Firmen, Agenturen und Einzelpersonen hatten sich bis zum Mittwochnachmittag eingetragen.
Die Zahl derer, die als einzelne Lobbyisten im Register eingetragen waren, belief sich ebenfalls am Nachmittag dabei auf mehr als 6.000.
Im Ranking der bevorzugten Interessengebiete dieser eingetragenen Lobbyisten, wobei Mehrfachnennungen natürlich möglich sind, lag das Thema Wirtschaft mit 49,9 Prozent vorn, gefolgt von Umwelt mit 42,6 Prozent sowie Europapolitik und Europäische Union mit 34 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Top 10 der größten Lobby-Player
Ausgaben für politische Interessenvertretung, in Millionen Euro
Verbände investieren Millionenbeträge für Interessenvertretung im politischen Berlin. Ganz vorn liegt der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft mit einem Lobbyetat von rund 15 Millionen Euro, gefolgt vom Verband der Chemischen Industrie (8,2 Millionen Euro), dem Verband kommunaler Unternehmen (7,9 Millionen Euro) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (7,4 Millionen Euro)
Das Spektrum der professionellen Interessenvertretern reicht von Ex-Abgeordneten, Ex-Staatssekretären und Ex-Ministern über Autohersteller wie Toyota oder Konzerne wie ThyssenKrupp bis hin zu Organisationen wie dem Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Noch ist das Bild allerdings nicht komplett. Einerseits fehlen etliche Lobby-Player noch, insbesondere Großkonzerne. Andererseits waren Angaben zum Teil noch unvollständig.
So nannte die Beratungsgesellschaft Joschka Fischer & Company GmbH zunächst keine Auftraggeber für ihre konkrete Arbeit in der Interessenvertretung.
Ein anderer Fall: Mehrere ehemalige Bundestagsabgeordnete - unter anderem Rainer Spiering, Uwe Beckmeyer, Ludwig Stiegler von der SPD - sowie Ex-Innenstaatssekretär Hans Bernhard Beus oder der ehemalige Präsident des Bundeskartellamts Bernhard Heitzer sind im Lobbyregister vermerkt. Sie alle nennen als Auftraggeber die Münchener EUTOP Europe GmbH. Insgesamt tun dies derzeit rund 20 Einzelpersonen.
Über einen eigenen Eintrag im Register verfügte - zumindest bis gestern (23 Uhr) - die Beratungs- und Lobbyfirma mit Deutschlandzentrale in München jedoch nicht. Die Auftraggeber, für die hier lobbyiert wird, bleiben daher (vorerst) ungenannt.
Auf mehrere Anfragen von uns hin äußerte sich das Unternehmen bis Mittwoch nicht zu den Hintergründen oder der Frage, ob EUTOP schon an einer Registrierung arbeitet oder diese zumindest plant.
Die Bundestagsverwaltung erklärte uns gegenüber, dass solche Konstellationen immer „nur bei Kenntnis des konkreten Einzelfalls abschließend beurteilt“ werden könnten. Es dürfte jedoch „eine Eintragungspflicht“ für die Lobbyagentur im Register bestehen, die dann auch „wiederum ihre eigenen Auftraggeberinnen/Auftraggeber“ in dem entsprechenden Eintrag benennen müsste.
Lesen Sie hier die ganze Analyse unserer Kollegen.
Studie: Flüssiggas-Speicher können Lücke füllen
Deutschland könnte in den kommenden Jahren kurzfristig auch ohne russisches Erdgas auskommen, wenn die Gasspeicher durch Flüssiggas aufgefüllt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der Atlantik-Brücke.
Erdgas machte im Jahr 2020 rund 26 Prozent des deutschen Energiebedarfs aus, davon wird die Hälfte aus Russland geliefert. Sollte Russland den Gashahn nach Europa zudrehen, würden die Gasspeicher, die derzeit zu 67 Prozent gefüllt sind, ein oder zwei Winter reichen.
"Die Bundesrepublik könnte die leeren Gasspeicher über Flüssiggas (LNG) kompensieren: In den vergangenen Jahren ist der LNG-Markt weltweit kräftig gewachsen", heißt es in einer Mitteilung der Atlantik-Brücke.
Deutschland verfüge über die notwendige Infrastruktur, um die Lieferengpässe in den kommenden Jahren kurzfristig auszugleichen. Der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien sei dann aber notwendig, um langfristig die Abhängigkeit von Russland zu senken. Im Falle unvermeidbarer Versorgungslücken stünden "kurzfristig Reservekraftwerke zur Verfügung", heißt es.
Ukraine wollte auch deutsche Raketenabwehr
Die Ukraine hatte zur Abwehr gegen eine mögliche russische Invasion eine Vielzahl von militärischen Mitteln bei der Bundesregierung angefragt. Dies geht aus einem Schreiben von Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller an den CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter hervor, in das wir Einblick erhalten haben.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). © dpaDemnach fragte die Ukraine noch im Februar unter anderem "Kampfmittel zur Luft- und Raketenabwehr mittlerer Reichweite (bis zu 70 km)" sowie "tragbare Flugabwehr-Raketensysteme" an.
Zudem wünschte sich die Ukraine sogenannte Anti-Drohnen-Gewehre, Laserstrahlungs-Erkennungssysteme und optische Beobachtungs- und Aufklärungsgeräte wie Wärmebildkameras.
Auch Minenortungs- und Minenräumungsausstattung waren erwünscht - sowie Pionierschutzanzüge und digitale Funkgeräte.
Die Bundesregierung hatte allerdings frühzeitig klargemacht, dass sie keine Waffen in die Ukraine liefern würde. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte unter anderem 5000 Schutzhelme zur Verfügung gestellt.
CDU-Politiker Beyer pocht auf Waffen für die Ukraine
Die Union bleibt auch nach der Eskalation in der Russland-Krise bei ihrer Forderung nach Waffen für die Ukraine.
„Wir dürfen uns nicht ausruhen auf der Aussetzung von Nord Stream 2", sagte uns Außenexperte Peter Beyer am Rande der gestrigen Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses.
Der CDU-Politiker betont:
Peter Beyer im Interview auf der Pioneer One im Oktober 2020. © Anne HufnaglIn der Ukraine droht ein großer Krieg. Deutschland ist gefordert - wir sollten den Ukrainern mit Waffenlieferungen helfen.
Der Ausschuss-Vorsitzende Michael Roth wies die Forderung abermals zurück. Deutschland werde der Ukraine helfen, ausgenommen sei jedoch die Bereitstellung tödlicher Waffen, so der Sozialdemokrat.
Russlandkrise: Selbst die AfD ist für Diplomatie
Die AfD-Fraktion im Bundestag hat sich in einem internen Papier zur Lage in der Ostukraine positioniert und spricht sich darin für Friedensbemühungen aus. Damit folgt selbst das Lager der Rechtspopulisten im Parlament der Regierungslinie von Kanzler Olaf Scholz.
Eine konkrete Forderung bringt die Fraktion aber doch noch vor: Perspektivisch sei auf ein Referendum "für eine Autonomie der Separatistengebiete unter Aufsicht der Vereinten Nationen und OSZE" hinzuwirken.
SPD-Vize Rehlinger wirbt für Impfpflicht-Kompromiss
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger warnt vor einer Blockade beim Thema Impfpflicht. „Natürlich muss es Kompromissbereitschaft geben“, sagte uns Rehlinger. „Es gibt Anträge. Es geht jetzt um parlamentarisches Handwerk - zumindest für diejenigen, die an der Stelle nicht taktieren wollen.“
Anke Rehlinger © dpaWenn es auch im Herbst bei Freiheiten bleiben solle, „die jetzt neuerdings wieder gewährt werden, dann muss die Impfpflicht jetzt kommen“, sagte Rehlinger, die Vize-Regierungschefin im Saarland ist. Die SPD-Politiker mahnte eine wirksame und ausbalancierte Lösung an: „Dieser Eingriff wird nur dann rechtlich tragen, wenn er im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch als geeignet betrachtet wird.“
Entlastungspaket kostet 15,6 Milliarden Euro
© The PioneerDas Entlastungspaket der Ampel-Koalition kostet 15,6 Milliarden Euro. Das erfuhr unser Kollege Rasmus Buchsteiner am Abend aus Koalitionskreisen.
SPD, Grüne und FDP hatten am Mittwoch unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage, einen höheren Grundfreibetrag, die Anhebung der Pendlerpauschale sowie einen Zuschlag für von Armut betroffene Kinder vereinbart.
Die Koalition erwartet in Zusammenhang mit dem Paket Steuermindereinnahmen von 7,1 Milliarden Euro, davon 2,9 Milliarden Euro für den Bund. Den Rest hätten Länder und Kommunen zu tragen.
Der Bundeshaushalt wird darüber hinaus mit Mehrausgaben von rund circa acht Milliarden Euro belastet. Davon entfallen allein 6,5 Milliarden Euro auf die EEG-Umlage, die ab dem 1. Juli abgeschafft sein soll.
Der so genannte Coronazuschuss von einmalig 100 Euro für Bezieher staatlicher Sozialleistungen wie Hartz IV schlägt mit 500 Millionen Euro zu Buche.
Die Ausgaben für den monatlichen Sofortzuschlag von 20 Euro für von Armut bedrohte Kinder belaufen sich in diesem Jahr auf 334 Millionen Euro, 2023 dann auf 668 Millionen Euro.
Der Bundesagentur für Arbeit entstehen den Angaben zufolge in diesem Jahr zusätzliche Ausgaben für das Kurzarbeitergeld von bis zu 450 Millionen Euro.
Kerber in Spitzenrunde der CDU
Der neue Planungs- und Strategiechef der CDU-Zentrale, der frühere Staatssekretär Markus Kerber, ist auch Teil der neu eingerichteten Morgenlage im Adenauer-Haus.
Der neue Parteichef Friedrich Merz hatte die zentrale tägliche Koordinierungsrunde eingesetzt, um Strategien und Sprachregelungen für die aktuellen Debatten des Tages zu besprechen. Teilnehmer sind immer auch der Generalsekretär Mario Czaja und der Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig.
Markus Kerber, CDU-Abteilungsleiter. © imagoIn der Amtszeit der früheren Vorsitzenden Armin Laschet, Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel hatte es unseren Informationen zufolge eine solche tägliche Spitzenrunde mit dem oder der Vorsitzenden nicht gegeben.
Diehl wird BND-Vize
Der ehemalige deutsche Botschafter im Irak, Ole Diehl, wird neuer Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch bestätigt. Diehl kehrt zurück auf bekanntes Terrain: Er hatte die Position als BND-Vize bereits bis 2019 inne.
Marco Mendorf geht zur Naumann-Stiftung
Der bisherige Referatsleiter Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit in der Landesvertretung NRW in Berlin, Marco Mendorf, wird zum 1. März neuer Fachbereichsleiter Politische Bildung in der Friedrich-Naumann-Stiftung. Damit rückt der frühere Bundesgeschäftsführer der FDP wieder näher an seine Partei.
Althoff spricht künftig für Roth
Jens Althoff wird neuer Kommunikationschef von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Der frühere Sprecher des Grünen-Vorstands hatte zuletzt das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Paris geleitet.
Althoff folgt auf Robin Mishra, bislang Leiter Kommunikation und Digitalisierung im Amt der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Der bisherige Chef des Pressereferats Joachim Riecker übernimmt im Haus neue Aufgaben im Bereich Geschichte und Erinnerung, wie wir hören.
G7 auch in Weißenhäuser Strand
Die Außenminister der G7 werden sich am 12 - 14. Mai in Weißenhäuser Strand in Schleswig-Holstein zu ihrem Gipfel treffen. Dies hören wir aus Kreisen des Auswärtigen Amts. Damit findet die Zusammenkunft mehrere Wochen vor dem Haupttreffen Ende Juni in Schloss Elmau in Bayern statt.
Auf - Markus Blume. Als rauflustiger und zuspitzender Generalsekretär war der eher besonnen agierende CSU-Politiker eher ungeeignet. Dass Blume nun bayerischer Wissenschaftsminister wird und somit in der Logik der CSU als Kabinettsmitglied zum Nachfolgekandidaten im Amt als Ministerpräsident aufrückt - passt besser zu dem Politikwissenschaftler und früheren Unternehmensberater. Blume steigt auf, weil er seinem Chef Söder stets loyal und bis zur Selbstverleugnung diente. Nun ist er einer der Kronprinzen in der CSU für den Fall, dass es Söder 2023 im Land nicht packt.
Ab - Saskia Esken. Die SPD-Vorsitzende ist gelegentlich auf Twitter zu schnell unterwegs. Nun freute sie sich etwas zu früh über einen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine. Zuvor hatte sie auf dem sozialen Netzwerk ihrem Kanzler und der Ampelkoalition zum Ergebnis "beeindruckender Krisendiplomatie" gratuliert und geschrieben: "Well done, Olaf Scholz!" Es kam bekanntlich anders. Eskens vorschneller Tweet ist schlecht gealtert. Unsere Absteigerin.
Interviews mit Angela Merkel waren eher selten in den vergangenen Jahren. Doch der Dokumentarfilmer Torsten Körner sprach kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt gleich zwei Mal lange mit der Kanzlerin. In dem neuen Dokumentarfilm "Angela Merkel – Im Lauf der Zeit" spricht Merkel unter anderem über ihre Beweggründe für die Entscheidungen in der Flüchtlingskrise 2015. "Unser Artikel eins des Grundgesetzes heißt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und das gilt ja nicht nur für Deutsche". Diesen Sonntag ist der Film um 21.45 Uhr in der ARD zu sehen und hier schon in der Mediathek.
Wie die Schmiergeldspur eines ägyptischen Geheimdienstlers, Waffenhändlers und Multiunternehmers über die Genfer Credit Suisse-Filiale direkt in einen der ganz großen Korruptionsskandale der deutschen Geschichte führte, berichtet SZ-Kollege Jörg Schmitt in den #SuisseSecrets. Dabei arbeitete er mit dem Journalisten Meinrad Heck zusammen, der den Flowtex-Skandal maßgeblich aufdeckt hatte. Spannend und kollegial!
Heute gratulieren wir herzlich:
Philipp Rösler, ehemaliger FDP-Chef und Vizekanzler, 49
Lars Castellucci, SPD-Bundestagsabgeordneter, 48
Markus Herbrand, FDP-Bundestagsabgeordneter, 51
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) auf die Frage, ob Deutschland komplett auf russisches Gas verzichten könnte.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre