unsere Themen heute:
Der öffentliche Bodentruppen-Vorstoß von Emmanuel Macron sorgte im Kanzleramt erst für Überraschung, dann für Widerstand.
Es gibt eine neue Sparidee für die Anstalten des ÖRR. Wir kennen die Details.
Oberst Rapreger hat den Taurus mitentwickelt. Uns sagt er, warum die Waffe problemlos der Ukraine gegeben werden kann.
In den Ministerien gibt es keine einheitliche Gender-Regelung. Wir wissen, wer wie vorgeht.
CDU-Vize Andreas Jung benennt gute und schlechte Seiten der CCS-Strategie von Robert Habeck.
Macron allein auf weiter Flur
In einer Runde von 20 Staats- und Regierungschefs, die seiner Einladung nach Paris gefolgt waren, brachte der französische Präsident Emmanuel Macron die Möglichkeit ins Spiel, auch Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden.
Die Idee wurde, wie unser Kollege Thorsten Denkler hört, unter den Staatschefs umgehend verworfen. Keiner der anwesenden Staatslenker, darunter auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), wollte sich auf so eine Debatte einlassen.
Der Grund: Durch ein solches Einschreiten würden die westlichen Verbündeten unweigerlich zu Kriegsparteien.
Macron aber wiederholte seine Überlegungen nach dem Treffen öffentlich – zur Überraschung von Scholz, wie wir hören. Die Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine dürfe nicht ausgeschlossen werden, so das Argument. Seitdem ist die Debatte in der Welt – eine äußerst unglückliche Debatte, findet das Kanzleramt.
Stéphane Séjourné © ImagoFrankreichs Außenminister Stéphane Séjourné versuchte sich in Schadensbegrenzung: Es ginge nur um eine Präsenz westlicher Truppen, die die „Schwelle zur kriegsführenden Macht“ nicht überschreiten. Etwa für die Minenräumung oder Sicherstellung der Cybersecurity.
Scholz sieht das anders: „Es wird keine Bodentruppen europäischer Staaten oder der Nato geben.“ Ausnahmsweise steht er mit seiner Meinung nicht alleine da:
Eine Absage an die Entsendung von eigenen Soldaten kam auch aus dem Weißen Haus und damit vom wichtigsten Unterstützer der Ukraine.
In der SPD-Fraktion hält Außenpolitiker Ralf Stegner das Handeln von Macron für unverantwortlich. Er sagt uns:
Manche in der Politik befinden sich anscheinend in einem kollektiven Fieberwahn. Die einen fordern eine europäische Atombombe, andere wollen den Krieg nach Russland tragen. Und jetzt der französische Präsident, der über Bodentruppen schwadroniert. Das ist unverantwortlich und kann keine Politik für Deutschland sein.
In der FDP wird das genauso gesehen. Sogar Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, „Deutschland muss seine (Macrons) Einschätzung nicht teilen.“
Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) schließt Bodentruppen ebenfalls kategorisch aus. Und richtet sich an Macron: „Wenn ich den Hinweis geben darf: Liefert mehr Waffen.“
Macron hat seit Kriegsbeginn militärische und finanzielle Hilfen im Gegenwert von 1,8 Milliarden Euro geliefert. Deutschland kommt auf 22 Milliarden Euro, die USA auf 68 Milliarden Euro.
Eine Infografik mit dem Titel: Waffenlieferungen: Frankreich hinten
Militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung ausgewählter Länder für die Ukraine seit Kriegsbeginn bis 15.Januar 2024, in Milliarden Euro
Im Kanzleramt wird Macrons Bodentruppen-Vorstoß deshalb als verunglückter Versuch wahrgenommen, von diesen Zahlen abzulenken. Ob das nun sein Kalkül war oder nicht: Funktioniert hat es.
Fazit: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte, besagt ein Sprichwort. In diesem Fall kann das nur Wladimir Putin sein.
Oberst Rapreger zu Taurus für die Ukraine: „Ich sehe kein Problem“
Weniger Gleichgesinnte als beim Thema Bodentruppen findet der Bundeskanzler im Hinblick auf den Taurus: Unter Kennern des Waffensystems gibt es erhebliche Zweifel an Scholz’ Aussage, dass Deutschland mit der Lieferung an die Ukraine zur Kriegspartei werden könne, weil deutsche Soldaten die Zielprogrammierung vornehmen müssten. So hatte Scholz es am Montag erklärt.
Ein Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus © dpaUlrich Rapreger, Oberst der Luftwaffe, Tornado-Pilot und in einer frühen Phase an der Einsatzprüfung des Taurus beteiligt, sagt unserem Kollegen Thorsten Denkler: „Die Programmierung der Ziele kann nach entsprechender Ausbildung und Aufbau von Planungssystemen ohne deutsche Beteiligung auf ukrainischem Boden erfolgen.“ Und weiter:
Wir haben der Ukraine schon andere, ähnlich komplexe Systeme zur Verfügung gestellt und ukrainische Soldaten erfolgreich daran ausgebildet. Ich sehe nicht, warum das mit dem Taurus nicht möglich sein soll.
Wie wir aus dem Kanzleramt hören, ist es wohl mehr eine Frage des Vertrauens. Der Taurus ist mit seiner Reichweite von 500 Kilometern und seinen einzigartigen Sensoren theoretisch in der Lage, direkt in Putins Büro im Kreml einzuschlagen.
So eine mächtige Waffe wolle der Kanzler nicht einfach unkontrolliert den Ukrainern überlassen. Oberst Rapreger plädiert für Pragmatismus:
Wenn es da ein Vertrauensproblem geben sollte, dann kann für die Zielerfassung ja verabredet werden, dass bestimmte Ziele nicht eingegeben werden dürfen.
Und das könne natürlich vor Abschuss überprüft werden. „Das sehe ich kein Problem.“ Wichtigstes Ziel der Ukrainer wäre wohl die Kertsch-Brücke, die vom russischen Festland zur von Russland besetzten Krim reicht. Ein Ziel, wie gemacht für den Taurus.
Oberst Rapreger: „Der Taurus kann – richtig programmiert – die Brückenpfeiler in der Tiefe derart zerstören, dass die Brücke in sich zusammenbricht.“
Sparidee bei ARD und ZDF: Immobilien verkaufen
Eine neue Sparidee für die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) kursiert durch Berlin: der Verkauf der Immobilien. Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagt unserem Kollegen Christian Schlesiger: Die Liegenschaften, die sich im Eigentum der Anstalten befänden, könnten „im Bedarfsfall verkauft werden“.
Hintergrund ist die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), den monatlichen Rundfunkbeitrag ab 2025 von 18,36 Euro auf 18,94 Euro anzupassen. Hacker und viele Länder lehnen das ab. Die KEF selbst sieht beim Immobilienmanagement „erhebliche Potenziale zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit“.
Konkret könnten 58 bis 84 Millionen Euro pro Jahr bei den Bewirtschaftungskosten eingespart werden. Außerdem seien 0,8 bis 1,7 Milliarden Euro an einmaligen Grundstückserlösen möglich. ZDF und Deutschlandradio nutzten nur 44 Prozent ihrer Brutto-Flächen, die durchschnittliche Nutzungsquote liege bei 52 Prozent. Die KEF fordert „minimal 65 Prozent“.
Hacker empfiehlt eine „sorgfältige Analyse“. Einnahmen seien möglich durch Untervermietung und Verkäufe. Auch Sale & Lease-Back-Deals, also der Verkauf und die anschließende Anmietung, sollten „im Einzelfall geprüft werden“.
Auch Helge Lindh, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagt, dass der Verkauf von Immobilien „definitiv in Betracht gezogen werden“ sollte. Zu bedenken sei, dass „dauerhafte Kostenreduzierungen Einmaleffekten vorzuziehen sind“.
Keine einheitliche Gendersprache in den Ministerien
Das Finanzministerium hat den Genderstern verbannt. Damit ist Christian Lindners (FDP) Haus nicht allein. Doch jedes Ministerium folgt seinen eigenen Regeln, wie unsere Kollegin Paolina Longk erfuhr:
Neben dem Finanzministerium haben zehn weitere Ministerien Formulierungen ohne Stern für ihre Mitarbeiter verbindlich gemacht und nutzen stattdessen die Doppelnennung („Expertinnen und Experten“) oder eine neutrale Ersatzform („Fachpersonen“).
Das Landwirtschaftsministerium schließt sich dem an – empfiehlt im innerdienstlichen Schriftverkehr allerdings „vor dem Hintergrund der Erfordernisse an die digitale Barrierefreiheit“ die Verwendung des Gendersterns.
Das Entwicklungsministerium „traut seinen Mitarbeitenden“ mehr zu, „sie sollen selbst entscheiden, welche Form der gendergerechten Sprache verwendet wird“.
Ebenso sieht es das Bauministerium. Doppelnennung oder eine neutrale Ersatzform werden hier allerdings als Orientierung genutzt.
Das Umweltministerium nutzt als einziges das Gendersternchen, um „Geschlechtsstereotypen entgegenzuwirken und um insbesondere Menschen nicht-binärer Geschlechtsidentität einzubeziehen.“
Es gebe „keine Bestrebung innerhalb der Bundesregierung“, eine einheitliche Regelung anzugehen, hatte der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, am vergangenen Freitag bekannt gegeben.
Union begrüßt CCS-Strategie von Robert Habeck – in Teilen
Der stellvertretende CDU-Chef und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Jung, spricht über die neue CCS-Strategie aus dem Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck mit unserem Kollegen Thorsten Denkler.
Andreas Jung © imagoDie CCS-Strategie soll regeln, wie Kohlendioxid in Deutschland in der Erde verpresst werden kann. Hat sich das Warten gelohnt?
Jetzt, weit in ihrer zweiten Halbzeit, hat die Ampel noch immer keine gemeinsame Linie zur CO₂-Abscheidung gefunden. Wir hatten eine Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung erwartet. Und einen Aufschlag nur von Robert Habeck bekommen. Es steht zu befürchten, dass der interne Streit in der Ampel damit noch nicht beigelegt ist.
Ist denn gut, was drin steht?
Grundsätzlich weist der Ansatz in die richtige Richtung. Wir begrüßen, dass sich Habeck für internationale Partnerschaften, ein CO₂-Transportnetz und auch für Speicherung in der zu Deutschland gehörenden Nordsee öffnet. Wir sollten auch CO₂-Speicherung an Land nicht von vornherein abschreiben. Das ist eine sensible Debatte. Aber sie muss geführt werden: mit Sorgfalt und der Abwägung aller Aspekte.
Was fehlt?
Unbeantwortet ist etwa die Frage, was mit unvermeidbaren CO₂-Restmengen gemeint ist, die mit CCS unschädlich gemacht werden können. Dazu darf nicht nur CO₂ gehören, das sich technisch nicht vermeiden lässt, etwa in der Zement-Produktion. Sondern auch CO₂ aus industriellen Restemissionen, deren Vermeidung wirtschaftlich völlig unverhältnismäßig und damit nicht umsetzbar wäre.
Junge Menschen werden immer süchtiger nach TikTok, Instagram und WhatsApp: Rund 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche nutzen soziale Medien „riskant“ viel – das geht aus einer neuen Studie der Krankenkasse DAK und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hervor. Das sind dreimal so viele wie im Vor-Corona-Jahr 2019. Suchtkriterien erfüllen rund 360.000 Kinder und Jugendliche – fast doppelt so viele wie 2019.
Eine Infografik mit dem Titel: Social Media: Hohes Suchtpotenzial
Anzahl von 10- bis 17-Jährigen, die Social Media lange nutzen oder Suchtverhalten zeigen, in Prozent
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Bewegungsmelder: Der Bundestagsabgeordnete Sören Bartol will beim Parteitag am 9. März neuer hessischer SPD-Landesvorsitzender werden – und damit auf Innenministerin Nancy Faeser folgen.
Fahndungserfolg: Nach jahrzehntelanger Suche hat die Polizei gestern in Berlin die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette festgenommen. Die heute 65-Jährige sitzt wegen mehrerer Raubtaten in Untersuchungshaft.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Die „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) überreicht dem Bundeskanzler ihr Jahresgutachten. Es geht darin auch um Künstliche Intelligenz.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) reist zum G20-Gipfel der Finanzminister nach Sao Paulo. Bei dem Treffen wird unter anderem über die Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft diskutiert.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) besucht Soldaten in der Oberpfalz, die künftig in Litauen Dienst tun sollen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) besucht die internationale Handwerksmesse in München.
Das EU-Parlament stimmt über neue Führerscheinregeln ab.
Was passiert eigentlich mit Menschen, wenn sie Kinder bekommen? Was passiert mit ihnen ganz individuell, wenn sie Mutter oder Vater werden?
Über diese Fragen spricht Alev Doğan mit Familientherapeutin Nina Grimm im Achten Tag. Ein Gespräch über die eigenen Grenzen, die während des Elternwerdens spürbar werden, und die Muster, in die wir verfallen, wenn alles zu viel wird.
Auf - Anna Stolz. Nach der Pisa-Schlappe steuert die Kultusministerin aus Bayern gegen und kündigte mehr Unterricht in den Problemzonen Deutsch und Mathe für Bayerns Grundschüler an. Kreative Fächer werden dafür zusammengelegt. Eine Priorisierung, die sicherlich auch in anderen Ländern Sinn macht. In diesem Fall ist spicken und kopieren erlaubt.
Ab - Wolodymyr Selenskyj. Fernab der Weltbühne musste sich die ukrainische Armee aus zwei weiteren Dörfern in der Nähe von Awdijiwka zurückziehen. Es mangelt vor allem an Munition und an Personal. Weil die USA mit innenpolitischen Themen beschäftigt sind und Europa über Taurus und Bodentruppen streitet, wirbt der ukrainische Präsident um Unterstützung bei Saudi-Arabien – ein Verbündeter von Russland.
Heute gratulieren wir herzlich:
Verena Bentele, VdK-Präsidentin, 42
Tanja Eichner (CDU), Staatssekretärin im hessischen Justizministerium, 50
Matthias Seestern-Pauly, FDP-Bundestagsabgeordneter, 40
Klaus-Peter Willsch, CDU-Bundestagsabgeordneter, 63
Niclas Herbst (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments, 51
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre