Mehr Raum für die Sau

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© The Pioneer/ Henning Schmitter

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Ministerin Julia Klöckner stellt heute in Düsseldorf Pläne zum Umbau der Tierhaltung vor. Fleisch soll teurer werden. 40 Cent pro Kilogramm ist ihr Vorschlag.

  • Die Digitalisierung kann die Gesundheitsversorgung verbessern, sagt CDU-Minister Jens Spahn. Die elektronische Patientenakte soll ein Instrument dafür sein.

  • Die Entscheidungen in der EU sind meist nur im Konsens aller 27 Mitgliedsländer möglich. Wenn es nach der Union geht, soll sich das nun ändern.

40 Cent pro Kilo Fleisch mehr

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will Fleisch verteuern und mit einer Tierwohl-Abgabe pro Kilogramm Milliarden-Investitionen in tierfreundlichere Ställe ermöglichen. „Für den Umbau unserer Tierhaltung müssen wir richtig Geld in die Hand nehmen“, sagte uns Klöckner. Das heiße, dass Fleisch und Wurst etwa 40 Cent pro Kilogramm teurer werden müssten. Damit sollten etwa Schweinebauern ihre Ställe tierfreundlicher umbauen und den Tieren mehr Platz geben können.

Die CDU-Politiker äußerte sich vor einem Spitzentreffen mit Branchenvertretern und ihren Agrarminister-Kolleginnen aus Niedersachsen, Barbara Otte-Kinast, und Nordrhein-Westfalen, Ursula Heinen-Esser (beide CDU), an diesem Freitag in Düsseldorf.

Die Kontrollen in den Ländern müssen intensiver werden

Julia Klöckner

Mit dem Treffen reagiert Klöckner auch auf die Corona-Infektionsfälle unter anderem im Schlachthof Tönnies in Ostwestfalen und die Debatte über die Zustände in der Fleischindustrie. Klöckner sagte, notwendig seien mehr Wertschätzung für Fleisch und ein Umbau der gesamten Lebensmittelkette vom Stall bis zur Theke. „Das sollten uns mehr Tierwohl und anständige Arbeitsbedingungen auch wert sein“, so die CDU-Politikerin. "Der Preis für Fleisch gibt sehr häufig den Wert nicht wieder."

Das Bundesagrarministerium rechnet damit, dass die Tierwohlabgabe zunächst 1,5 Milliarden Euro pro Jahr einbringen könnte. Das Geld könnten Fleischerzeuger für mehr Tierwohl in ihren Ställen erhalten. Bioprodukte sollen von der Abgabe allerdings ausgenommen bleiben. Ein eigenes Gesetz sei dafür notwendig, betonte sie.

Julia Klöckner kündigte außerdem Unterstützung für die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen an. Damit können Unternehmen bestimmte Arbeiten bei anderen Firmen einkaufen, die sich dann um die komplette Ausführung kümmern. Das soll Flexibilität bringen, doch erschweren diese Vertragskonstruktionen mit mehrfach verschachtelten Subunternehmern die Kontrollen. Ein Gesetz will Heil spätestens zum 1. Januar 2021 in Kraft setzen.

Bei der Überwachung von Schlachtbetrieben sieht Klöckner ebenfalls Handlungsbedarf: „Die Kontrollen in den Ländern müssen intensiver werden.“ Dort sei zuletzt massiv Personal eingespart worden. Dies sei aber Ländersache. Außerdem will die 47 Jahre alte CDU-Politikerin die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um auf europäischer Ebene ein einheitliches Tierwohlkennzeichen umzusetzen.

Julia Klöckner  © dpa

1. Elektronische Patientenakte soll künftig an Gesundheits-Checks erinnern

Krankenversicherte sollen künftig durch die elektronische Patientenakte an Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsangebote erinnert werden - wenn sie vorher zugestimmt haben. „Den Krankenkassen wird ermöglicht, für den Bereich der Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen ergänzende Satzungsleistungen vorzusehen und individuelle Versorgungsleistungen zu unterbreiten“, heißt es in einem Änderungsantrag von Union und SPD zum so genannten Patientendaten-Schutzgesetz. Dieses soll in der kommenden Woche vom Bundestag beschlossen werden.

Patientenakte ab 2021 auf Smartphone und Tablet

Ab 2021 sollen Krankenversicherte Anspruch auf eine elektronische Patientenakte haben. Sie soll auf dem Smartphone oder dem Tablet zu nutzen sein. In ihr können Diagnosen, Behandlungsberichte, Arztbriefe, Befunde sowie Angaben zu Medikationen oder Impfungen gespeichert werden.

„Ob Röntgenbild, Impfausweis, Mutterpass oder Zahn-Bonusheft – wie bei der Corona-Warn-App gilt: Wo der Nutzen greifbar ist, wird die Akzeptanz für digitale Lösungen gegenüber der Zettelwirtschaft wachsen“, sagte uns CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Versicherte sollen selbst bestimmen können, wer Zugang auf welche Informationen erhalten soll. Ursprünglich war eine Beschränkung der Zugriffsberechtigung auf 18 Monaten vorgesehen. Diese soll nun laut Änderungsantrag nicht mehr in den Gesetzestext.

2. Finanzministerium will BaFin reformieren

Das Bundesfinanzministerium will schnelle Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal ziehen und die Kompetenzen für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erweitern. "Wir müssen bei der BaFin schauen, was schief gelaufen ist. Wir müssen überlegen, ob die Möglichkeiten der BaFin einzuschreiten, ausreichen. Ob Unternehmen wie die Wirecard AG, die ja effektiv Finanzdienstleistungen erbringt, nicht auch in ihrer Gesamtheit als Finanzdienstleister beaufsichtigt werden können“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies bei einem Besuch auf der Pioneer One.

Es muss alles schonungslos zur Diskussion gestellt werden. Es ist doch völlig klar, dass wir da Konsequenzen ziehen müssen.

Jörg Kukies, Finanzstaatssekretär

Das Ministerium prüfe eine rasche Reform nun intensiv: „Es muss alles schonungslos zur Diskussion gestellt werden. Es ist doch völlig klar, dass wir da Konsequenzen ziehen müssen." Schon in den kommenden Tagen sollen Gespräche über die erweiterten Zuständigkeiten der BaFin in der Regierung geführt werden. Eine europaweite Regelung wäre allerdings die beste Variante, sagte Kukies.

Im Gespräch mit Tech Briefing-Host Christian Miele äußerte sich der Finanz-Staatssekretär auch positiv zu dem geplanten Zukunftsfonds für junge, digitale Unternehmen. Und er sprach über eine steuerliche Reform der Mitarbeiterbeteiligung, allerdings müsse diese fair und gerecht umgesetzt werden. "Leider wissen wir, dass in Deutschland sehr viele Steueroptimierer rumlaufen."

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

3. CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament will Mehrheitsentscheidungen forcieren

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, hat sich für eine Reform der Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse in der EU während der deutschen Ratspräsidentschaft ausgesprochen. Es müsse zu mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit kommen, um Europa voranzubringen, sagte uns Caspary. In der EU gilt bei wichtigen Entscheidungen stets das Konsensprinzip. Jedes Land, ob Malta, Luxemburg oder Deutschland kann so Entscheidungen verhindern.

Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary © dpa

Deutschland könnte nun mit gutem Beispiel vorangehen, schlägt der CDU-Politiker vor. „Deutschland sollte auf ein Veto in der Außen- und Sicherheitspolitik verzichten, wenn wir als einziges Land gegen eine Initiative sind“, sagte Caspary. "Wir müssen zu effektiven Entscheidungsprozessen kommen und Mehrheitsentscheidungen zulassen."

Aktuell kursiert in Berlin und in Brüssel der Entwurf für den „Jahresbericht über die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP), der bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll. In ihm schließt sich auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU), der Forderung nach einer Einführung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen (65% der EU-Bevölkerung und 55% der EU-Mitgliedsstaaten) in der Außen- und Sicherheitspolitik an. Die EU-Kommission ist ebenfalls dafür.

4. Corona-Studienkredite finden nur wenige Abnehmer

Um die wirtschaftlichen Folgen von Studierenden, die Corona-bedingt in eine finanzielle Schieflage geraten sind, abzufedern, hat die Bundesregierung Überbrückungshilfen auf den Weg gebracht. Sie bestehen aus einer modifizierten Version der KfW-Studienkredite und aus Zuschüssen. Wie die Antworten auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Kai Gehring nun zeigen, entwickeln sich aber vor allem die Studienkredite zum Rohrkrepierer.

So schreibt Michael Meister, Staatssekretär im Bildungsministerium, in seiner Antwort, dass im Mai lediglich 2.864 Anträge bewilligt und 5.300 weitere bearbeitet wurden. Im Vergleich zu Schätzungen, nach denen rund 40 Prozent der drei Millionen Studierenden in Deutschland ihren Nebenjob verloren haben, ist das ein überraschend niedriger Wert. Die Bundesregierung will auch die Zinsbelastungen, die für Studenten zwischen Mai 2020 und März 2021 entstehen, aussetzen. Die Entlastung beträgt indes selbst bei einer maximalen Auszahlungshöhe und einer Auszahlungsdauer von sechs Monaten nur 49,60 Euro.

Gehring beklagt, dass Corona die chronischen Defizite in der staatlichen Studienfinanzierung offenlege: "Statt Studierenden in Not unter die Arme zu greifen, hat Ministerin Anja Karliczek eine Nothilfe nach dem Muster 'Geiz-ist-Geil' gezimmert." Eine vorübergehende Öffnung des Bafög für eine größere Zahl an Studenten wäre besser gewesen. "Stattdessen gibt die Bundesregierung Überbrückungshilfe für Wenige und nötigt einen Großteil der Studierenden dazu, den riskanten Ladenhüter 'KfW-Studienkredit' aufzunehmen. Die großspurig verkündete Zinsentlastung entpuppt sich als Lockangebot in eine erschreckende Schuldenfalle."

Zudem scheinen ausgerechnet die Studierenden mit dem teuersten Studium gar nicht von den KfW-Krediten zu profitieren - zumindest wenn sie am Ende ihres Studiums stehen. Die Bundesregierung hat die erstmalige Beantragung des Studienkredits auf das 10. Fachsemester gedeckelt. Für Medizinstudenten liegt die Regelstudienzeit bei zwölf Semestern.

© The Pioneer

Bund und Länder wollen den Gemeinden als Folge der Corona-Pandemie entgangene Gewerbesteuereinnahmen ausgleichen. Das Kabinett hat am vergangenen Mittwoch den Gesetzentwurf dazu auf den Weg gebracht. Der Bund stellt aus seinem Etat insgesamt 6,1 Milliarden Euro bereit.

Eine Übersicht im Entwurf zeigt, welche Summen in welches Bundesland fließen: Nach Nordrhein-Westfalen überweist der Bund 1,39 Milliarden Euro, nach Bayern 1,05 Milliarden Euro und nach Baden-Württemberg 841 Millionen Euro.

Am Freitag, 3. Juli, spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundesrat. Kanzlerinnen-Auftritte in der Länderkammer sind eine große Seltenheit - Merkel war erst zwei Mal als Regierungschefin da, zuerst 2005, knapp vier Wochen nach ihrem Amtseintritt und dann noch einmal etwa 14 Monate danach. „Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass ich heute vor Ihnen über die Prioritäten und Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sprechen darf“, begann sie am 16. Februar 2007 ihre Rede im Bundesrat. Den Einstieg von damals kann Merkel gut wieder verwerten: Bei ihrem Auftritt heute in einer Woche geht es erneut um die Regierungs-Agenda für die EU-Ratspräsidentschaft.

Auf und Ab Giffey/Roßbach © The Pioneers

Auf - In Deutschland sind knapp 68.000 Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat eine neue brisante Untersuchung dazu vorgestellt und das Thema wieder in die Öffentlichkeit geholt. Im Vergleich zu den im Februar 2017 vom Ministerium veröffentlichten Zahlen ist das ein Anstieg von 44 Prozent. Grund sei eine stärkere Zuwanderung aus Staaten, in denen weibliche Genitalverstümmelung praktiziert werde. Die SPD-Politikerin rief dazu auf, mehr hinzuschauen und Fälle anzuzeigen. Zudem müsse es mehr Aufklärungsarbeit geben. Und die SPD-Frau erklärte, dass auch die im Ausland vorgenommene Verstümmelung in Deutschland strafbar sei. Wichtige Initiative!

Ab - Zuletzt hatte Gundula Roßbach fortwährend gute Nachrichten zu verkünden: Die 56-jährige Verwaltungsjuristin ist Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung. Zum 1. Juli gibt es für die Rentner noch ein Plus von 3,45 Prozent im Westen und 4,2 Prozent in den neuen Ländern. Allerdings: Da die Renten von der Lohnentwicklung abhängen und die Löhne angesichts der Corona-Krise nicht mehr so steigen werden wie zuletzt, wird Rentenpräsidentin Roßbach erst einmal keine positiven Botschaften mehr haben. Stand jetzt werden die Renten 2021 im Westen nicht steigen, im Osten zumindest um 0,7 Prozent. Ende der Rentenhausse!

Unsere Leseempfehlungen für heute:

Wumms, Bumms und Rumms: Olaf Scholz' Krawallmetapher zieht Kreise. Die Infantilisierung der Politik schreitet voran. Wann hat das angefangen, dass man Wähler für Sandförmchenschmeißer mit ausgebranntem Dachstuhl hält, fragt RND-Kolumnist Imre Grimm und meint: Politische Willensbildung beginnt mit der Bildung von ganzen Sätzen. Unbedingt lesenswert.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gehen den nächsten Schritt bei ihren Plänen für ein Gesetz gegen Dumping, Ausbeutung und Umweltzerstörung in globalen Lieferketten. Handelsblatt-Korrespondent Frank Specht liegt das Eckpunktepapier mit den Details vor. Interessant!

Heute gratulieren wir zum Geburtstag:

Rainer Stinner, ehemaliger Bundestagsabgeordneter (FDP), 73

Jörg Blank, Kanzlerinnen-Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa, 55

Und am Samstag gratulieren wir:

Kai Diekmann, Ex-Bild-Chefredakteur und Gründer Storymachine, 56

Frank Vollmer, Politikredakteur Rheinische Post, 44

Ralf Geisenhanslüke, Chefredakteur Neue Osnabrücker Zeitung, 60

Steffen Reiche, Pfarrer, Ex-Bildungsminister in Brandenburg (SPD), 60

Und am Sonntag gratulieren wir:

Micky Beisenherz, Moderator, Podcaster, Kolumnist, 43

Michele Marsching, Ex-Chef des NRW-Verbands der Piratenpartei, 42

Neue Aufgaben stehen vor dem Investor und gefragten Politik-Berater Frank Thelen. Mit seinem 2016 gegründeten Start-Up "Neufund" wollte er die Fin-Tech-Branche in Deutschland verankern, scheiterte nun aber an zu vielen Regularien. Im Gespräch mit uns erklärt er, woran es aus seiner Sicht genau lag. Das Interview lesen Sie hier.

Das letzte Wort von Irene Mihalic © The PioneersIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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