herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Das Kanzleramt wird größer, und der nächste oder die nächste Regierungschef(in) bekommt eine 250 Quadratmeter große Zweitwohnung. Wir haben Details.
Thomas Gottschalk schlägt eine Radikalkur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. ARD und ZDF sollen fusionieren und sich auf die Kernaufgaben konzentrieren.
In der SPD Niedersachsen gewinnt Arbeitsminister Hubertus Heil den innerparteilichen Rangordnungskampf gegen Generalsekretär Lars Klingbeil.
Im Gesundheitsministerium steigt der Mann, der für die Maskenbestellung mitverantwortlich war, auf und ein Ex-Journalist wird Lobbyist in guter Sache.
Angela Merkel wird längst aus der Politik raus sein, wenn dieser Bau eingeweiht wird. 2028 wäre es vermutlich soweit.
Es geht um die Erweiterung des Kanzleramts, der größten Regierungszentrale der westlichen Welt. Die Kosten werden bereits auf 600 Millionen Euro geschätzt.
© ThePioneerWenige Monate vor der Bundestagswahl wollte die FDP von der Regierung wissen, warum der Bau überhaupt benötigt wird und welche Aufträge vergeben sind.
Und wie der Plan B aussähe, wenn – wer auch immer die nächste Regierung führt – sich dagegen entscheidet, die neue Kanzlerwohnung zu nutzen, die alleine 250 Quadratmeter umfassen soll.
Die Antwort der Regierung: Viele Aufträge sind bereits raus. Die bisherigen Planungs- und Vorbereitungskosten belaufen sich auf 24,2 Millionen Euro.
Möglicher Baubeginn? „Ab März 2024“, heißt es in dem Regierungsdokument.
Das Vorhaben ist umstritten. Unter anderem wegen der hohen Baukosten von 18.529 Euro je Quadratmeter Nutzfläche, wegen des neuen Hubschrauberlandeplatzes für zehn Millionen Euro, der zweiten Kanzlerwohnung und einer 2,8 Millionen Euro teuren Kita, in der nicht mehr als 15 Kinder betreut werden sollen.
Erst 2020 hatte der Bundesrechnungshof Alarm geschlagen und vor ausufernden Kosten gewarnt. Die Liberalen und der Bund der Steuerzahler fordern jetzt einen – zumindest – vorübergehenden Stopp des Projekts.
Begründung: Vom Ressortzuschnitt der neuen Regierung wird entscheidend abhängen, wieviel Platz für wie viele Beamte tatsächlich im Kanzleramt benötigt werden.
Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel sagte uns, der Kanzleramts-Neubau sei in seinem geplanten Umfang aus der Zeit gefallen: „Die nächste Bundesregierung wird die Weichen für eine effizientere und maßvolle Verwaltung stellen müssen.“
Der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann forderte Zurückhaltung:
Man kann einer neuen Regierung die Neustrukturierung von Fachministerien und Bundeskanzleramt nicht vorwegnehmen.
Die vollständige Antwort der Bundesregierung zu dem XXL-Kanzleramt liegt ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner exklusiv vor.
Seinen Bericht mit allen Fakten lesen Sie hier.
1. Gottschalk schlägt Fusion von ARD und ZDF vor
Der langjährige ZDF-Moderator Thomas Gottschalk (71) schaltet sich in die Debatte um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein.
Er fordert eine radikale Reform.
Gottschalk sagte uns gestern:
Das öffentlich rechtliche System hat nur in der Fusion eine Chance.
Die dramatischen Veränderungen in der Mediennutzung gerade bei den Jüngeren ließen keine andere Möglichkeit zu, um das System zukunftstauglich zu machen.
„Kein Vierzehnjähriger klappt seinen Laptop auf, um nach ARD oder ZDF zu suchen.“
Der 71-jährige Entertainer, der seit Anfang des Jahres unter anderem für ProSieben moderiert und als Einzelaktionär bei Media Pioneer engagiert ist, dem Medienunternehmen, das unter anderem diesen Newsletter herausgibt, schlägt die Konzentration der öffentlich-rechtlichen Sender auf das Wesentliche vor.
„Die sollen das liefern, wofür man sie bezahlt: Information und Kultur! Dafür wurden sie geschaffen, das können sie besser als alle anderen, die Quote darf dabei keine Rolle spielen.“
Chefredakteur Michael Bröcker (l.) mit TV-Moderator und Media-Pioneer-Aktionär Thomas Gottschalk © Anne HufnaglDass nach einer solchen Radikalkur auch jene Formate gefährdet wären, wie die, die Gottschalk selbst berühmt gemacht haben („Wetten, dass..?“), weiß der Entertainer.
„Das ist so, ja.“
Die FDP hatte auf ihrem Bundesparteitag die Forderung einer „Auftrags- und Strukturreform“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ihr Wahlprogramm aufgenommen und war damit auf scharfe Kritik gestoßen, etwa vom Deutschen Journalisten Verband.
Der frühere ARD-Chefredakteur und Koordinator für die Bundestagswahl, Rainald Becker, warf der FDP Populismus vor.
2. Wieder Regierungsstreit um Kurzarbeit
© The PioneerDie Bundesregierung streitet wieder einmal über eine mögliche Verlängerung der Corona-Sonderregelungen zur Kurzarbeit. Das wurde uns am Dienstag in Koalitionskreisen bestätigt.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will eine Verlängerung bis Ende des Jahres. Das Kanzleramt möchte die Krisen-Regel nicht über Ende September hinaus ausdehnen.
Hintergrund: Ende Juni laufen unter anderem die Regelungen für den erleichterten Zugang zur Kurzarbeit aus.
Kurzarbeitergeld wird derzeit gezahlt, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Vor der Krise mussten mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein. Außerdem war Bedingung, zunächst Minusstunden auf den Arbeitskonten aufzubauen.
Heil sagte am Dienstag: „Wir sind noch in Verhandlungen. Mein Vorschlag liegt im Kanzleramt.“
Die Bundesagentur für Arbeit steuert angesichts der Corona-Pandemie auf ein historisch hohes Defizit zu – im Haushaltsausschuss des Bundestages stößt die Informationspolitik des Arbeitsministers auf Kritik.
BA-Chef Detlef Scheele bestätigte am Montag in einem Gespräch mit Fachpolitikern, dass derzeit mit einem Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro – 9,4 Milliarden Euro mehr als noch vor wenigen Wochen angenommen – gerechnet wird. Das Defizit dürfte bei einer Verlängerung der Corona-Regelungen zur Kurzarbeit noch höher ausfallen.
Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz sagte uns, von den erforderlichen Milliarden würden auch Unternehmen profitieren, die nicht unter der Pandemie leiden: „Ich erwarte schon, dass die Regierung sich gegenüber dem Haushaltsausschuss klar erklärt, Modalitäten und Kosten frühzeitig offenlegt.“
3. Niedersachsen: Heil vor Miersch und Klingbeil
Die SPD wird in Niedersachsen mit Arbeitsminister Hubertus Heil in der Spitzenposition in die Bundestagswahl gehen. Heil setzte sich damit gegen Fraktionsvize Matthias Miersch und gegen Generalsekretär Lars Klingbeil durch, die auf den Plätzen drei und fünf antreten. Dies geht aus einem Vorschlag der Bezirke für den Landesparteitag am Freitag hervor, den uns Leser dieses Briefings zukommen ließen.
© ThePioneerHeil war als Bundesarbeitsminister Favorit für den Spitzenplatz. Er und der drittplatzierte Miersch hatten Klingbeil gegenüber den Vorteil, neben ihren herausgehobenen Rollen im Bund auch Bezirksvorsitzende in den mächtigen Regionen Braunschweig und Hannover zu sein.
Klingbeil stünde als Vertreter des kleinen Bezirks Nordniedersachsen eigentlich bestenfalls Platz sieben zu – diese Reihung wurde mit Blick auf Klingbeils Bedeutung als Generalsekretär für die Partei jedoch zu seinen Gunsten geändert.
In einer Vierergruppe mit der Wilhelmshavenerin Siemtje Möller (Platz sechs) gelten Heil, Miersch und Klingbeil auch als mögliche Führungsfiguren für die Bundespartei nach der Wahl im Herbst.
Vorschlag für die SPD-Landesliste Niedersachsen © ThePioneer4. Konrad-Adenauer-Stiftung sieht Lindner im Aufwind
Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich in einer ausführlichen Analyse zum FDP-Parteitag der Rolle des Parteichefs Christian Lindner gewidmet – und sieht diesen in erheblichem Aufwind.
Christian Lindner © dpa„Christian Lindner fand auf dem Bundesparteitag zu seiner alten Stärke zurück“, schreiben die Verfasser.
„Von der einstigen Erschütterung des Medienprofis vor der Corona-Krise war nichts mehr zu spüren.“
Der oberste Liberale habe sich als „verlässlicher Staatsmann“ präsentiert, der „angemessene Worte“ zu der Situation in Israel gefunden habe. Insgesamt habe die FDP ihren Anspruch „auf Regierungsfähigkeit“ unterstrichen. Einen Dämpfer für die Parteispitze habe es lediglich mit der knappen Ablehnung der Europäischen Einlagensicherung durch die Parteitagsmehrheit gegeben (wir berichteten).
5. Pioneer-Umfrage: Wohin steuert Deutschland?
Es ist eine besondere zeitliche Parallelität, die sich in diesem Jahr vollzieht. Wenn die Pandemie im Spätsommer kontrollierbar werden dürfte, wählen wir einen neuen Bundestag.
Nie zuvor geschah dies am Ende einer solchen gesellschaftlichen Grenzerfahrung.
Aber was sind dann die Themen, die die Bürgerinnen und Bürger wirklich interessieren?
Wie sollen Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur nach der Pandemie aussehen?
Was soll kommen, was soll bleiben?
Das sind Fragen, über die wir bei ThePioneer berichten und nachdenken. Aber wir wollen das nicht alleine tun, sondern mit Ihnen.
Zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa starten wir deshalb das ThePioneer Panel.
In zehn Runden befragen wir Sie, unsere Pioneers, was Sie für wirklich wichtig halten.
Wem Sie vertrauen und wem nicht, welche Themen Sie bewegen.
Die Ergebnisse bereiten wir hier und auf ThePioneer.de in den nächsten Wochen bis zur Bundestagswahl für Sie auf.
Wenn Sie an dieser großen, politisch unabhängigen Befragung teilnehmen wollen, hier geht es zum ThePioneer Panel:
Ihre Meinung zählt.
Die Lage auf Deutschlands Intensivstationen hat sich spürbar entspannt, wie aus dem internen Corona-Lagebild der Bundesregierung hervorgeht.
Nur Bremen liegt mit einem Anteil an freien Intensivbetten von neun Prozent unter der kritischen Zehn-Prozent-Marke. Besonders gut ist die Situation in Schleswig-Holstein, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz.
© ThePioneerIn der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 17. Mai äußerte sich laut Wortprotokoll Florian Hoffmann, der Vertreter der Interdisziplinären Vereinigung für Notfall- und Intensivmedizin, optimistisch:
„Die Lage auf den Intensivstationen entspannt sich ganz langsam. Wir haben den Peak von knapp 5.000 Patienten verlassen.“
Die jüngsten antisemitischen Ausschreitungen in deutschen Städten, an denen auffallend viele junge Menschen mit Migrationshintegrund beteiligt waren, haben auch Deutschlands Bildungsminister alarmiert.
Bei ihrer nächsten, für den 10. Juni, terminierten Sitzung wird die Kultusministerkonferenz den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sowie Ludwig Spaenle zu Gast haben. Spaenle vertritt als Antisemitismus-Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung die Gemeinsame Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens.
Britta Ernst, Kultusministerin in Brandenburg und amtierende KMK-Chefin. © ImagoBritta Ernst, amtierende KMK-Präsidentin und brandenburgische Bildungsministerin, unterstrich die Verantwortung von Schule. „Wir sehen uns insbesondere in der Verantwortung, dass jetzige und künftige Schülergenerationen weiter ausführlich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts kennen, dass die Geschichte des jüdischen Vorkriegslebens in Europa im Schulunterricht thematisiert wird und wir die Erinnerung an den Holocaust altersgerecht wachhalten.“
Junge Menschen müssten dafür sensibilisiert werden, „dass Demokratie, Pluralismus, Persönlichkeitsrechte, die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit kostbare Güter sind, die es zu achten und zu verteidigen gilt“, sagte uns die SPD-Politikerin.
Auf - Neuer Job für einen geschätzten Kollegen. Der langjährige Cicero-Herausgeber Christoph Schwennicke wird Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Schwennicke wird gemeinsam mit Markus Runde das Unternehmen führen, das sich um die Durchsetzung der Rechte für Verlage gegen digitale, marktbeherrschende Plattformen wie Facebook oder Google bemüht. „Es gibt gerade ein Momentum. Nicht nur bei den Nutzerinnen und Nutzern, sondern auch bei den Plattformen gibt es eine neue Bereitschaft, für guten Journalismus auch in der digitalen Welt zu bezahlen“, sagt Schwennicke. „Das halte ich für die Schlüsselfrage unserer Branche im digitalen Zeitalter und damit für den Beruf, den ich liebe und lebe.“ Ein idealer Botschafter für Journalismus, der einen Wert und deshalb auch einen Preis hat. Unser Aufsteiger!
Ab - Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte sich zu Beginn seiner Amtszeit mit dem Thema Antisemitismus und Nahost einen Schwerpunkt ausgesucht, der zunächst gar nicht als herausragendes außenpolitisches Thema erschien – zu sehr war die Welt mit Donald Trump, dem Erstarken Chinas und der neuen Rolle Russlands beschäftigt. Am Ende seiner Amtszeit ist das Thema nun präsenter denn je. Es sind Momente, die ein deutscher Außenminister nutzen kann - in bester Erinnerung ist die Pendeldiplomatie Joschka Fischers. Doch Maas blieb in beobachtender Rolle: Die Initiativen sollten aus Brüssel, nicht aus Berlin kommen. Es ist nicht alleine Maas' Schuld, denn der Einfluss Deutschlands in der Region ist zuletzt schlicht gesunken. Am Ende aber verstreicht für den Außenminister – erneut – eine Chance.
Beförderung für den Beamten, der in der Hochphase der Pandemie im Bundesgesundheitsministerium das Chaos bei der Beschaffung der Schutzausrüstung ordnen und die Bestellung der Masken organisieren musste.
Der promovierte Jurist Tobias Pohl, der erst im September 2020 zum Leiter der Unterabteilung Zentrale Verwaltung aufgestiegen war, soll nun als Ministerialdirigent in die Besoldungsstufe B6 (ca. 10.400 Euro brutto pro Monat) aufsteigen, wie aus der Unterlage für die Kabinettssitzung an diesem Mittwoch hervorgeht.
Pohl war 2011 bis 2014 Energiereferent im Kanzleramt, später an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausgeliehen und arbeitet seit 2018 im Ministerium.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Frankfurter Europapolitiker Axel Schäfer als ihren Vertreter für die Konferenz zur Zukunft Europas entsendet. Das hat die Fraktion gestern beschlossen.
Das von der EU-Kommission und dem EU-Parlament einberufene Gremium soll bis 2022 Antworten zur Zukunft der europäischen Demokratien formulieren.
Sie gehören zu den großen Verlierern der Pandemie. Kindern fehlte es über ein Jahr lang an Bildung, an sozialem Miteinander, an Aufmerksamkeit. Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, kritisiert im Gespräch mit unserer Chefreporterin Alev Doğan den Umgang der Politik mit Kinderrechten. Anfang des Jahres hatte sich die Bundesregierung nach jahrelangen Diskussionen auf einen Gesetzentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz geeinigt. Weshalb Hilgers den Regierungsentwurf als unzureichend bemängelt und Nachbesserungen fordert, erläutert er im Gesellschaftspodcast „Der 8. Tag“.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Stefan Schmidt, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 40
Friederike Langenbruch, Grundsatzabteilung, Bundesumweltministerium, 42
Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, beklagt mangelndes Engagement der Europäer zur Beilegung des Nahost-Konflikts. Die Positionen der EU-Regierungen zur eskalierten Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern lägen zu weit auseinander, so Brantner. 26 von 27 EU-Außenminister einigten sich gestern bei ihrem virtuellen Treffen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell auf eine „allgemeine Erklärung“ – darin fordern sie die sofortige Einstellung der Gewalt. Ungarn schloss sich dem nicht an.
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