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Unsere Themen heute:
Der November soll der Lockdown-Monat werden, damit Weihnachten die Pandemie im Griff ist. Die Kanzlerin will massive Kontaktbeschränkungen.
Die Mittelstandsunion will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren: Ziel: weniger Kosten, mehr Informationen, weniger Unterhaltung und Sport.
Der gesetzliche Mindestlohn soll in den nächsten zwei Jahren um 1,10 Euro pro Stunde steigen. Wir wissen, welche Mehrausgaben auf die Arbeitgeber zukommen.
Der November-Blues
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein Ziel: Weihnachten soll die aufflammende Corona-Pandemie wieder im Griff sein. Dafür will die CDU-Regierungschefin in der Schaltkonferenz heute Mittag mit den Ministerpräsidenten Einschränkungen durchsetzen und das Land im November in eine Art Lockdown schicken.
Ruhe. Zuhause bleiben. Stillstand.
Die Zahl der Kontakte aller Menschen müsse auf ein "absolutes Minimum" reduziert werden, heißt es in der Vorlage von Kanzleramtschef Helge Braun für die heutige Schaltkonferenz.
Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nur noch mit maximal zwei Hausständen möglich sein, darüber hinaus seien Gruppen "feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen" inakzeptabel. Polizei und Ordnungsämter sollen Verstöße ahnden.
Außerdem sollten folgende Einrichtungen bis Ende November geschlossen werden:
Theater, Opern, Konzerthäuser
Messen, Kinos, Freizeitparks
Bordelle
Fitnessstudios
Freizeit- und Amateursportbetrieb
Veranstaltungen
Bars, Diskotheken, Clubs
Schulen und Kindergärten sollen dagegen anders als im März offen bleiben, auch Friseursalons "bleiben unter den bestehenden Auflagen zur Hygiene" geöffnet, heißt es. Der Einzelhandel soll Kunden empfangen können, allerdings soll sich in den Geschäften maximal ein Kunde pro 25 Quadratmeter aufhalten.
Die Nothilfen für Unternehmen und Betriebe sollen verlängert werden. Man sei sich darüber im Klaren, dass es sich "um sehr einschneidende Maßnahmen" handelt, heißt es in der Vorlage.
Aber: "Je später die Infektionsdynamik umgekehrt wird, desto länger bzw. umfassender sind Beschränkungen erforderlich."
© ThePioneerHintergrund für die harten Maßnahmen: Das Horrorszenario mit Bildern von sterbenden Menschen in überfüllten Kliniken an Weihnachten.
Alle sieben Tage würde sich die Zahl der Neuinfizierten derzeit verdoppeln, warnte Merkel in der gestrigen Fraktionssitzung. Wenn jetzt kein harter Schnitt komme, sei das Gesundheitssystem Ende November an seinen Grenzen.
Republik im Corona-Modus © The PioneerDie SPD-Seite hatte vor dem Gipfelgespräch ebenfalls Maßnahmen vorgelegt, die ähnlich weit gehen, wie aus dem Vorbereitungspapier hervorgeht, das uns vorliegt:
Ein Konsens bei dem Verbot von Veranstaltungen, der Schließung von Freizeiteinrichtungen, Bars und Restaurants ist daher zu erwarten. Auch hatte die SPD-Seite vorgeschlagen, bis zum 30. November "in Privatwohnungen nur Personen aus zwei Haushalten" zusammenkommen zu lassen oder "Personen aus einem Haushalt und maximal zwei haushaltsferne Personen".
Leitbild: Die Erklärung der Nationalen Akademie der Wissenschaften
Als Blaupause für die Position der Kanzlerin gilt eine gemeinsame Erklärung der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina).
Die Wissenschaftler warnen darin vor einer "beträchtlichen Zahl von Behandlungsbedürftigen in den Krankenhäusern und einen deutlichen Anstieg der Sterbezahlen in Deutschland", sollten nicht harte Maßnahmen erfolgen.
Aktuell könne die Ausbreitung des Virus in vielen Regionen von den Gesundheitsämtern aus Kapazitätsgründen nicht mehr nachverfolgt werden.
Kanzlerin Merkel sprach über die Maßnahmen am vergangenen Montag auch mit den Chefs aller Fraktionen im Bundestag. Diese Runde soll nun regelmäßig tagen.
Der Gesundheitsausschuss des Bundestages soll mit Wissenschaftlern klären, wie man Parlamentsbeteiligung bei Fragen des Infektionsschutzgesetzes sicherstellen kann. Unter anderem soll häufiger Regierungserklärungen zum Thema Corona geben.
1. Brief von Staatssekretär Tauber war Satire
Das angeblich vom Verteidigungsministerium formulierte Hilfegesuch an die Bevölkerung zum Verbleib von durch mutmaßliche Extremisten gestohlene Munition hat sich als "Satire-Aktion" des Zentrums für politische Schönheit herausgestellt. In einem angeblichen Schreiben von Staatssekretär Peter Tauber (CDU) mit Briefkopf des Parlamentariers hatte dieser die Bevölkerung um Hilfe bei der Suche gebeten. Dieser Brief sei nicht echt und eine "Satire-.Aktion", sagte ein Sprecher des Ministeriums.
In einer früheren Version dieses Newsletters hatten wir den Brief als authentisch angenommen, Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
2. Milliardenschwere Mindestlohn-Erhöhung
Die geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wird im kommenden Jahr bei den Arbeitgebern in Deutschland zu Mehrausgaben von geschätzt 228,42 Millionen Euro führen. 2022 wären es dann rund 1,1 Milliarden Euro.
Das geht aus der entsprechenden Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hervor, die uns vorliegt und an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.
Seit dem 1. Januar beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,35 Euro. Zu Jahresbeginn 2021 soll er laut Verordnung auf 9,50 Euro steigen, zum 1. Juli 2021 dann auf 9,60 Euro. Zum 1. Januar 2022 erfolgt dann die nächste Erhöhung - auf 9,82 Euro, sechs Monate später dann auf 10,45 Euro.
Heils Entwurf zufolge werden von der ersten und zweiten Erhöhung jeweils etwa 1,95 Millionen Beschäftigte profitieren. Bei der dritten Erhöhung sind es dann 2,09 Millionen, bei der vierten Erhöhung 3,85 Millionen.
Ausriss aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs © ThePioneerDer Bundesrechnungshof verlangt eine strenge Zweckbindung der milliardenschweren, durch die Corona-Pandemie bedingten Liquiditätshilfen für die Bundesagentur für Arbeit. Das geht aus einem Bericht der Bonner Behörde an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, der uns vorliegt.
Hintergrund ist, dass die Bundesagentur nach eigenen Angaben voraussichtlich Bundeshilfen von circa 3,8 Milliarden Euro benötigen wird.
„Die Gewährung eines nicht rückzahlbaren Zuschusses ist der Ausnahmesituation aufgrund der Corona-Pandemie geschuldet“, heißt es im Bericht. Ziel müsse sein, dass sich der Haushalt der Bundesagentur wieder aus den Beitragsmitteln finanziert.
„Dies erfordert einen wirtschaftlichen und effizienten Umgang mit den verfügbaren Haushaltsmitteln“, fordert der Rechnungshof. „Fördermaßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit sowie ihre Finanzierbarkeit zu hinterfragen.“ In dem Bericht wird auch Zurückhaltung bei den Personalausgaben angemahnt.
Die Mittelstandsunion von CDU/CSU will heute in einem Werkstattgespräch eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) diskutieren. Mit dabei sind MIT-Chef Carsten Linnemann, Medienpolitiker von CDU und CSU und der Düsseldorfer Wettbewerbsforscher Justus Haucap.
Der Wirtschaftsverband lehnt eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab und verlangt eine Konzentration auf die Grundversorgung. Mehr Information und Nachrichten, weniger Sport und Unterhaltung. Beim nächsten Bundesparteitag will die MIT dazu ein Reformkonzept vorlegen, das eine Aufgabenkritik und eine Kostenreduktion vorsieht. Diskutiert wird auch über neue Finanzierungswege wie Fundraising, Steuermittel, Werbung und eine Art Kopfpauschale.
© dpa/ThePioneerAuf - Stephan Pilsinger ist CSU-Bundestagsabgeordneter - aber nicht nur das. Er ist auch Arzt, arbeitet neben dem Mandat in Teilzeit in einer Praxis im Münchener Umland. Doch inzwischen sind die medizinischen Fähigkeiten auch in der Hauptstadt gefragt. Der 33-Jährige führt Corona-Schnelltests bei seinen Kollegen durch. Jeweils am Anfang und am Ende einer Sitzungswoche lassen sich die CSU-Abgeordneten bei Pilsinger durchchecken. Das gibt Sicherheit im Parlamentsbetrieb. Innerhalb weniger Minuten ist das Ergebnis da. Der CSU-Doktor im Anti-Corona-Einsatz ist unser Aufsteiger.
Ab - Es ist noch nicht lange her, da lag die CDU in Baden-Württemberg in den Umfragen vor den Grünen. Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann freute sich über eine ausgezeichnete Ausgangsposition. Inzwischen sind die Grünen bei den Demoskopen aber wieder vorbeigezogen und der für Anfang Dezember geplante CDU-Bundesparteitag in Stuttgart wurde abgesagt. Das von Eisenmann erhoffte Aufbruchssignal bleibt aus. Sie weiß: Das Führungsvakuum an der Parteispitze kann ihren Wahlkampf schwer belasten. Jetzt sah sich die Spitzenkandidatin auch noch genötigt, ihren Parteichef Thomas Strobl zurückzupfeifen, der einen ebenso kurzfristigen wie umfassenden Lockdown gefordert hatte. Harte Zeit für Eisenmann.
Soziologen sagen, man dürfe gar nicht über den Lockdown reden, wenn man eine Panik in Wirtschaft und Gesellschaft vermeiden will. Der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Moll sieht ein ähnliches Phänomen auch in der Medienlandschaft. Eine übertriebene und ausufernde Berichterstattung über die Corona-Pandemie verzerre die Maßstäbe dafür, was alles relevant sei, argumentiert der Forscher in diesem lesenswerten Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Manfred Behrens, CDU-Bundestagsabgeordneter, 64
Uwe Tellkamp, Schriftsteller ("Der Turm"), 52
Die Hauptstadt-Redakteure des Spiegel, Christoph Hickmann, Martin Knobbe und Veit Medick, haben ein Buch über die erste Phase der Corona-Krise geschrieben. Das Buch mit dem Titel "Lockdown - wie Deutschland in der Coronakrise knapp der Katastrophe entkam" erscheint am 2. November und damit passend zum nächsten kontrollierten Herunterfahren der Republik in der Pandemie.
Die Autoren berichten in ihrem Buch von den entscheidenden politischen Momenten der letzten Monate und beschreiben in einer Chronologie Rollen und Strategien der verschiedenen Akteure in der Krise. Hickmann, Knobbe und Medick sind erfahrene Hauptstadtkorrespondenten, die das Geschehen in Regierung und Parlament seit mehreren Jahren beobachten.
© DVA© ThePioneerDer Generalsekretär des Zentralverbands des Handwerks fordert von der Politik einheitliche Maßnahmen gegen die Pandemie.
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