Merkels Joker

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© The Pioneer / Henning Schmitter

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Spekulationen um Kanzleramtschef Helge Braun (CDU): Wechselt Merkels wichtigster Mann noch vor der Bundestagswahl nach Hessen?

  • Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wollen die Lieferketten der deutschen Unternehmen ethischer organisieren - nun protestieren die Wirtschaftsverbände.

  • Die Rubrik Wiedervorlage gibt es heute in eigener Sache: In der Sommerpause wird das tägliche Briefing aus der Hauptstadt zum politischen Magazin - und es wird mehr Reportagen und Analysen geben. Bleiben Sie uns gewogen!

Merkels wichtigster Mann vor dem Absprung?

Kanzleramtschef Helge Braun wird in der Corona-Krise selbst von sozialdemokratischen Ministern als verlässlich, strukturiert und kompetent gelobt. Und als bienenfleißig. Alles Eigenschaften, die die Kanzlerin schätzt. Und die auch außerhalb der Hauptstadt wahrgenommen werden.

Nun mehren sich Spekulationen, dass der 47-jährige CDU-Politiker noch vor der Bundestagswahl 2021 in die Heimat wechseln und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier ablösen könnte. Mögliche Szenarien würden in kleiner Runde besprochen, erfuhren wir aus der Spitze der Bundes-CDU und von einer Person aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten in Hessen.

Ein Szenario sieht vor, dass die Landes-CDU nach der Kommunalwahl im März 2021 den Generationenwechsel einleitet und so neuen Schwung für die Landespartei und die Spitze der Landesregierung inszeniert. Der Anspruch sei, auch nach der nächsten Landtagswahl den Ministerpräsidenten zu stellen und da sei ein Wechsel im Amt hilfreich, hieß es.

Zumal Volker Bouffier, 68 Jahre alt, nicht erneut antreten wird. Für den beliebten Ministerpräsidenten wäre es der ideale Ausstieg. Bouffier hat die Hessen-CDU als einst konservativen Kampfverband in eine schwarz-grüne Koalition geführt und regiert seither geräuschlos. Er habe "schon jetzt unglaublich viel für Hessen und die Hessen-CDU getan", sagt einer, der an den Gesprächen beteiligt war. "Er muss und er will nicht bis 2023 im Amt bleiben."

Volker Bouffier und Helge Braun 2017 in Gießen. © dpa

Intensiver wurden die Gedankenspiele nach dem Selbstmord des früheren hessischen Finanzministers Thomas Schäfer im März dieses Jahres. Der enge Vertraute und Freund Bouffiers galt als dessen möglicher Nachfolger. Der Tod seines Ministers traf den Regierungschef völlig überraschend. Danach geriet Helge Braun ins Blickfeld, der in der Corona-Krise einen guten Job macht und sich aus dem Schatten der Kanzlerin gespielt hat.

Mit Braun verbindet Bouffier eine langjährige Partnerschaft. Er ist Brauns Mentor. Beide kommen aus Gießen. Er sei "ein Hoffnungsträger für die Hessen-CDU", sagte Bouffier unlängst gegenüber einer CDU-Persönlichkeit. Helge Brauns Frau Katja arbeitet für die Landesregierung in der Landesvertretung in Berlin. Die Familien treffen sich auch privat.

2002 fragte der damalige Innenminister Bouffier den gelernten Notarzt und engagierten Kommunalpolitiker, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle. Seither unterstützt "Buffe", wie der Regierungschef intern genannt wird, Helge Braun. Und der enttäuschte ihn nicht. In Berlin legte Helge Braun eine Blitzkarriere hin. 2009 Staatssekretär im Bildungsministerium, 2013 Staatsminister im Kanzleramt, seit 2018 Kanzleramtschef.

Und vielleicht bald Ministerpräsident? In der Hessen-CDU gilt auch der frühere Fraktionschef und jetzige Finanzminister Michael Boddenberg als Alternative. Doch sei bei Braun der Überraschungsfaktor größer und die bundespolitische Erfahrung könnte im Wahlkampf helfen. Der Wechsel eines Bundespolitikers müsse allerdings "aus der Landespartei" kommen, heißt es in Wiesbaden. Die Hessen-CDU und ihre Landtagsfraktion gilt als besonders selbstbewusst und eigenständig.

Ein Sprecher Bouffiers nannte die Spekulationen über einen Rückzug Bouffiers aus "der Luft gegriffen". Beim Landesparteitag Ende des Jahres werde Bouffier erneut als Landesvorsitzender antreten. Ob der dienstälteste Ministerpräsident der Bundesrepublik aber auch bis 2023 im Amt bleiben will, sei "eine andere Frage", heißt es.

Die Gespräche über einen "geordneten Wechsel" seien substanziell.

1. Wirtschaft protestiert gegen Lieferkettengesetz

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stoßen mit ihren Plänen für ein Lieferkettengesetz auf Widerstand in der Wirtschaft. „In der momentanen Krise benötigen die Unternehmen alle Ressourcen im Kampf gegen die Corona-Auswirkungen. Für viele Firmen geht es dabei um die Existenz“, heißt es in einem Brief der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft - BDI, DIHK, ZDH und BDA - an Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der uns vorliegt. Das Vertrauen "in ein Belastungsmoratorium" werde durch Gesetzesvorhaben mit Zusatzbelastungen zerstört.

"Prävention und Abhilfe"

Geht es nach Müller und Heil sollen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten verpflichtet werden. Dabei geht es auch um Arbeitsschutzstandards und den Ausschluss von Kinderarbeit.

Eckpunkte aus dem Arbeitsministerium sehen vor, dass die Firmen prüfen müssen, „ob sich ihre Aktivitäten nachteilig auf Menschenrecht auswirken und angemessene Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe greifen“.

600 Unternehmen haben freiwillig den umfassenden Fragekatalog zu den Menschenrechten in ihren Lieferketten beantwortet.

Eric Schweitzer

Kommende Woche sollen die Ergebnisse der zweiten Befragung im Auftrag der Regierung veröffentlicht werden. Dabei soll geklärt werden, ob Unternehmen schon jetzt genügend für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten tun.

„Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Corona-Krise haben 600 Unternehmen freiwillig den umfangreichen Fragebogen zu Menschenrechten in ihrer Lieferkette beantwortet. Wenn dabei fast ein Drittel mit Exzellenz abgeschnitten hat, ist das ein sehr beachtliches Ergebnis“, sagte uns Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.

"Lieferanten aus aller Welt nach deutschen Standards haftbar"

Schweitzer ergänzte, es gebe tiefe Verunsicherung über die Pläne, "deutsche Betriebe für jeden ihrer Lieferanten sowie die Lieferanten dieser Lieferanten aus aller Welt nach deutschen Standards haftbar zu machen“.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält die Entscheidung über ein Gesetz noch für offen. Falls man zu dem Ergebnis komme, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreiche, werde die Bundesregierung über eine gesetzliche Regelung entscheiden, so eine Sprecherin. Dabei werde auch die angekündigte Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission zu berücksichtigen sein.

2. Warum Walter-Borjans nicht nach Berlin will

Nicht wenige in Berlin hatten mit einer Kandidatur von SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans für den kommenden Bundestag gerechnet. Doch es kommt anders.

"Ich werde mich auf die Arbeit als Parteivorsitzender konzentrieren", sagte der frühere Finanzminister Nordrhein-Westfalens nun dem WDR. In der SPD geht nun eine ganz eigene Deutung dieser Entscheidung um: Walter-Borjans habe selbst Zweifel daran, ob er über eine zweijährige Amtszeit hinaus an der Spitze der Partei bleiben wolle. Dabei dürfte auch das schwierige Verhältnis des Kölners zu seiner Ko-Parteichefin Saskia Esken eine Rolle spielen.

Norbert Walter-Borjans (l.) und Saskia Esken © dpa

Mit der Entscheidung gegen eine Kandidatur nimmt sich der Sozialdemokrat Einflussmöglichkeiten nach der kommenden Bundestagswahl. "Er braucht es nicht", sagen die, die es gut mit ihm meinen. "Wir müssen raus aus dem 'Das macht man so'. Ich will das Profil der SPD schärfen und nicht aus Koalitionen heraus argumentieren", sagt Walter-Borjans selbst. Ein Aussage, die viele Interpretationen offen lässt.

3. Jens Spahn: "Kein zweites Konjunkturpaket"

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat als erster Bundesminister Spekulationen über ein mögliches zweites Konjunkturpaket eine Absage erteilt. "Die Wahrheit ist natürlich. Ein zweites Konjunkturpaket können wir uns nicht leisten", sagte Spahn im DUB Business Talk, der digitalen Talkshow des Unternehmermagazins DUB. Dabei komme der wirtschaftlich schwierige Teil der Krise erst noch, so Spahn.

Damit stellt sich der CDU-Minister Spahn gegen SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der Anfang der Woche im Morning Briefing-Podcast auf die Frage zu einem möglicherweise notwendigen Nachschlag zum Konjunkturpaket gesagt hatte: "Wir haben noch Puffer."

4. Merkel kommt nicht zum Landesparteitag

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nicht am Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow am 7. August teilnehmen. Dies erfuhren wir von Parteikollegen Merkels. Auf dem Landesparteitag wollte sich ursprünglich der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor zum neuen Landeschef wählen lassen. Er zog wegen der Affäre um seine Nebentätigkeiten zurück. Neuer Landeschef und Nachfolger von Vincent Kokert soll nun der Greifswalder Landrat Michael Sack werden.

Soll zum Chef der CDU-Mecklenburg-Vorpommern gewählt werden: Landrat Michael Sack (r.). © dpa

Die Zahl der Hartz-IV-Sanktionen ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Praxis der Jobcenter im vergangenen November deutlich zurückgegangen. Das geht aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach ging die Zahl der wegen mangelnder Kooperation Langzeitarbeitsloser - zum Beispiel unentschuldigt versäumter Termine - zurück auf 42.902 im Dezember 2019, 25.210 im Januar sowie 22.336 im Februar.

Vor dem Urteil, mit dem die Richter die Sanktionen deutlich eingeschränkt hatten, lag die Zahl der monatlich verhängten Leistungskürzungen bei mindestens 64.000. An diesem Freitag veröffentlicht die Bundesagentur neue Zahlen zu den Sanktionen.

Die Wiedervorlage gibt es diesmal in eigener Sache von Ihrem Team des The Pioneer-Hauptstadt-Newsletters: Die parlamentarische Sommerpause ist die Zeit, in der Ausschüsse nicht tagen, Parteigremien pausieren und in Berlin das politische Leben stillsteht. Natürlich stehen wir nicht still - aber wir ändern unseren Rhythmus: In den kommenden Wochen wird Ihr Briefing aus der Hauptstadt Sie immer Freitags mit den News aus Berlin versorgen. Wir wandeln uns für einige Wochen also zum politischen Wochenmagazin - bis es Anfang September wieder im alten Rhythmus weitergeht.

An allen anderen Tagen können Sie auf ThePioneer.de spannende Reportagen, Interviews, Kolumnen und Analysen lesen: Zum Beispiel über Regierungsbeamte, die wichtig sind, aber im Schatten der Mächtigen stehen, über eine junge Frau, die selbst die Kanzlerin einmal verunsichern konnte - oder über die besondere Rolle der Frauen der CDU-Kandidaten für den Vorsitz. Auch eine besondere Geschichte über die Sicht aus dem Ausland auf die deutsche Kanzlerin bereiten wir vor.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Zeit mit uns - und freuen uns auf Ihr Feedback!

© The Pioneer

Auf - Gestern stellten Thomas Haldenwang, Chef des Inlandsgeheimdienstes, und Bundesinnenminister Horst Seehofer den Verfassungsbericht 2019 vor. Haldenwang versuchte dabei nicht zu beschönigen, sprach von Gewalt, die exorbitant gestiegen sei und von “Superspreadern von Hass, Radikalisierung und Gewalt”. Kein Mann also, der Informationen zurückhält, weil er weite Teile der Bevölkerung damit verunsichern könnte, sondern einer, der die Dinge beim Namen nennt. Dafür geht es bergauf.

Ab - Karl Lauterbach ist eines der politischen Gesichter der Corona-Krise. Immer wieder forderte der SPD-Politiker strenge Hygienemaßnahmen im Kampf gegen das Virus. Jüngst warnte Lauterbach davor, dass Infizierte Waren in Geschäften kontaminieren könnten. Für diese Aussage kritisierte der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit Lauterbach und bezeichnete sie als Dramatisierung. „Solche Äußerungen führen zu einer Daueraufgeregtheit und können zu einer Corona-Müdigkeit führen. Und das ist hochgefährlich“, sagte er in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Rückschlag für den Epidemiologen Lauterbach.

US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter, dass die Gefahr, an den Folgen einer Covid-19-Infektion zu sterben, in den USA mit am niedrigsten sei. Zwar stützen die dazugehörigen Zahlen seine Aussagen; aber nur auf den ersten Blick. Warum man das differenzierter sehen sollte, schreiben Andreas Ross und Sibylle Anderl in ihrem FAZ-Artikel. Sie zeigen auf, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen geben kann.

Die Satzungskommission der CDU hat eine verbindliche Frauenquote beschlossen, im Dezember stimmt der Parteitag über die Regelung ab. Doch nicht alle in der Union sind glücklich mit dieser Entscheidung. Besonders die jungen Frauen der Partei scheinen keinen Gefallen an dieser Entscheidung zu finden. Bei Bento beleuchtet Jan Petter die weibliche Sicht auf die Quotenregelung. Wer also wissen will, warum die älteren Frauen dafür und die jüngeren dagegen sind, sollte sich den Text hier durchlesen.

Wir gratulieren zum Geburtstag:

Julia Bönisch, frühere Vize-Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung und jetzt Digital-Chefin bei der Stiftung Warentest, 40

Martina Krogmann, CDU-Politikerin, Unternehmensberaterin und frühere Chefin der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin, 56

Bei den Grünen in Baden-Württemberg bahnt sich ein Duell zweier prominenter Politikerinnen um den Listenplatz Nummer eins für die nächste Bundestagswahl im Jahr 2021 an: In Konkurrenz stehen Agnieszka Brugger, Fraktionsvize und Verteidigungsexpertin sowie Europapolitikerin Franziska Brantner.

Brugger gilt als gut vernetzte Parteilinke mit Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz. Brantner wiederum ist im pragmatischen Realo-Lager verortet - und hat damit viel Rückhalt im eigenen Landesverband. "Die Chancen für beide stehen Fünfzig-Fünfzig" heißt es uns gegenüber.

Ihre Informationen für uns © Media Pioneer

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Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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