Merkels letzte Kulturrevolution

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Ein großer Schritt für die CDU: Die Kanzlerinnen-Partei will in ihren Reihen eine Frauenquote einführen - diesmal sogar verbindlich.

  • Auch Kanzlerin Angela Merkel steht vor einem Corona-Sommer. Was sie machen wird und kann - und was sie ausfallen lassen muss, beschreiben wir.

  • Das letzte Wort hat Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), der sich im Gespräch mit uns über die Kanzlerkandidatur erfreut über seine plötzliche Beliebtheit zeigt.

Merkels letzte Kulturrevolution

Die Struktur- und Satzungskommission der CDU will sich heute in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause auf eine verbindliche Frauenquote für die Partei einigen. Das geht zumindest aus dem Beschlussentwurf der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für die Sitzung hervor, der uns vorliegt. Eine Mehrheit für einen verbindlichen Vorschlag zur Frauenförderung ist wahrscheinlich, bestätigten Parteikreise uns am Montagabend. Die Frauen-Union will sich nicht erneut wie beim Parteitag im Oktober 2019 abspeisen lassen, hieß es.

Ein verbindlicher Fahrplan zur Umsetzung der Frauenquote in der Partei: Es wäre mehr als nur eine kleine Korrektur - unter der Regie der scheidenden Parteichefin Kramp-Karrenbauer.

Es ist auch die Fortsetzung des von Kanzlerin Angela Merkel eingeschlagenen Kurses der Öffnung. Begonnen hatte es mit dem Kita-Ausbau, es folgten Atom-Ausstieg, Wehrpflicht-Aus und die Ehe für alle. Nun also die Frauenquote. Kritiker vom Wirtschaftsflügel und aus der Jungen Union fühlen sich durch diesen Kurs mindestens herausgefordert. Die Sitzung beginnt um 14 Uhr, es wird eine Verhandlung bis tief in die Nacht erwartet. Ein einheitlicher Beschluss aller 40 Mitglieder der Kommission ist das erklärte Ziel.

Ab 2023 soll in der CDU eine Frauenquote von 50 Prozent gelten

In dem Beschlussvorschlag wird für jede Gruppenwahl, egal ob im Bund, in den Ländern oder Kommunen, eine 30-prozentige Quote vorgeschlagen, die ab 1. Januar 2022 zu einer 40-prozentigen Quote und ab dem 1. Januar 2023 zu einer 50-prozentigen Quote (Parität) ausgebaut werden soll.

“Frauen sollen an Parteiämtern in der CDU und an öffentlichen Mandaten gleich beteiligt sein”, heißt es in dem Papier, das uns aus der CDU-Führung erreicht hat.

Im Parteipräsidium liegt der Frauenanteil aktuell bei 33 Prozent und im Bundesvorstand bei 36 Prozent. Von den Delegierten des Bundesparteitages waren zuletzt knapp 35 Prozent weiblich. In der CDU-Mitgliedschaft sind lediglich 26 Prozent Frauen. In einigen Landesparlamenten ist der Anteil der Frauen seit 1998 sogar zurückgegangen.

Das Ziel ist klar: Die CDU soll weiblicher werden © dpa

Die Frauen-Union hatte schon zum Parteitag im vergangenen Jahr versucht, eine Frauenquote von 30 Prozent für alle Parteigremien durchzusetzen - vergeblich. Der Parteitag hatte den Antrag an die Kommission verwiesen, die nun ihre Empfehlungen vorlegt. Seit 1996 verlangt die Satzung der CDU eigentlich die Vorgabe einer Drittelbeteiligung von Frauen an Parteiämtern und an öffentlichen Mandaten.

In ihrem Antrag hatte die Frauen-Union geklagt, das Quorum werde in der Praxis zu oft umgangen und nicht eingehalten. Schon damals hieß es: „Das Quorum alleine reicht daher nicht mehr aus." Jetzt könnten die Frauen ihr Ziel erreichen. Dass die Kommission unter den Vorschlägen des letzten Parteitags bleibt, erscheint unwahrscheinlich.

1. Gefahr für Zivilbevölkerung in Afghanistan steigt

Die Zivilbevölkerung in Afghanistan ist in den vergangenen Wochen zunehmend Opfer von Anschlägen geworden. Dies geht aus einem internen Bericht der Bundeswehr vom 1. Juli hervor, der uns vorliegt. Am 27. Juni wurden demnach eine Mitarbeiterin der Afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC) sowie deren Fahrer in Kabul durch Unbekannte mit einer Autobombe getötet. "Dieser Anschlag fügt sich ein in eine Reihe gezielter Attentate gegen Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft bzw. der afghanischen Verwaltung in den letzten Wochen", heißt es in dem Bericht.

Immer wieder erschüttern Anschläge Afghanistans Hauptstadt Kabul - hier im Mai 2020 © dpa

Zudem töteten Unbekannte am 22. Juni fünf Mitarbeiter des Generalstaatsanwalts in Kabul, die über einen Gefangenenaustausch zwischen Taliban und Regierung verhandelten. Ebenfalls im Juni war ein Imam vor seiner Moschee getötet worden. Der Bundeswehrbericht beschreibt weitere Fälle von Anschlägen - rund 19 Jahre nach Beginn des Einsatzes erscheint die Lage des Landes fragil wie selten zuvor.

2. Europäische Gesundheitsminister wollen mehr Grippe-Impfungen

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will gemeinsam mit seinen vier europäischen Kollegen aus dem deutschsprachigen Raum (Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg) die Bevölkerung zu mehr Grippe-Impfungen motivieren. Das geht aus einer Erklärung des jährlichen Treffens der Gruppe hervor, die an diesem Dienstag veröffentlicht werden soll und uns vorab erreicht hat. "Schon jetzt ist das Zusammentreffen von Covid-19 und der Influenza im Herbst vorzubereiten, da dies ansonsten zu einer Überlastung der Krankenhaus- und Intensivbetteninfrastruktur und zu einer Überbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen führen könnte", warnen die Gesundheitsminister.

Gegen Influenza sei ein effektiver Impfstoff vorhanden, jedoch spiegele sich dies nicht in der Durchimpfungsrate der Bevölkerung wieder. "Wir erklären, dass wir zum Schutze unserer Gesundheitssysteme vor der Doppelbelastung von Covid-19 und Influenza verstärkt Informations- und Aufklärungsarbeit leisten und insbesondere die Influenza-Impfung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich forcieren werden", heißt es von Spahn und seinen Kollegen des Gesundheitsquintett. Neben dem Punkt verpflichten sich die Politiker zu gemeinsamer Koordinierung der Corona-Pandemiebekämpfung sowie den gemeinsamen Einsatz zur Suche eines Impfstoffs.

3. Corona-Pandemie: Auch reine Briefwahl wäre möglich

Auch eine reine Briefwahl zum Bundestag im Jahr 2021 wäre im Fall einer bleibenden Corona-Pandemie wohl möglich. Staatsrechts-Professor Ulrich Battis sagt, dass diese Variante zwar im Konflikt mit der Verfassung stehen könnte, aber dennoch einmalig realisierbar wäre. "Genauso wie man Ausgangsbeschränkungen möglich gemacht hat, könnte man auch eine reine Briefwahl möglich machen", sagte Battis im Gespräch mit uns. Voraussetzung dafür sei, dass der Gang zur Urne wegen der Pandemie eine Gefahr für die Gesundheit der Wähler darstellen würde.

Zusätzlich dürfte die Briefwahl nur zu einem konkreten Termin stattfinden. Zugleich warnte Battis vor einer steigenden Gefahr der Wahlmanipulation - etwa weil beim stellvertretenden Ausfüllen der Wahlzettel der Willen der wahlberechtigten Personen missachtet werden könne.

In einem Schreiben an den Verteidigungsausschuss beschreibt Staatssekretär Peter Tauber (CDU) das Verfahren zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr © The Pioneer

Nach einem Jahre andauernden Prozess hat sich die Bundesregierung mittlerweile entschlossen, für die Bundeswehr bewaffnungsfähige Drohnen zu beschaffen. Doch den politisch heiklen Teil des Prozesses wird zumindest diese Bundesregierung nicht mehr erklären müssen: Die Beschaffung der Waffen würde alleine 12 Monate Vorbereitungszeit erfordern. Da erst nach der Sommerpause der Prozess beginnt, würde sich diese Zeit bis nach der Bundestagswahl ziehen. Dies geht aus einem Schreiben von Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber (CDU) an den Bundestags-Ausschuss hervor - wir konnten es vorab lesen.

Soll trotz Corona wieder stattfinden: Angela Merkels Sommerpressekonferenz © dpa

Ein Kanzlerinnen-Sommer mit Abstand

Der Sommer 2020 verläuft für die meisten Menschen in Deutschland anders als in den Jahren zuvor - und auch die Kanzlerin muss umplanen. Der übliche Start in die Ferienzeit mit den Wagner-Festspielen in Bayreuth fällt wegen der Corona-Pandemie aus - und auch auf ihren Italien-Urlaub verzichtet Angela Merkel in diesem Jahr. Nicht nur wegen Corona: Aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hält sich Merkel in diesem Sommer noch etwas näher zum Kanzleramt auf und wird planmäßig bestenfalls zwischen Ende Juli und Anfang August Zeit zur Erholung in Deutschland haben. Nicht verzichten will die Kanzlerin aber auf ihre Sommer-Pressekonferenz. Wir vernahmen aus dem Kanzleramt, dass hierfür der wahrscheinlichste Termin in der Woche ab dem 10. August liegen wird - nach dem Urlaub also.

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Auf - Zum ersten Mal wird mit Michèle Rubirola in Marseille eine Frau Bürgermeisterin. Nach der 25-jährigen Amtszeit des Konservativen Jean-Claude Gaudin übernimmt die Grünen-Politikerin nun das Ruder im Rathaus. Für die weibliche Premiere im Chefsessel der zweitgrößten Stadt des Landes gibt es auch von uns einen Daumen nach oben.

Ab - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wird eine geplante Studie zum sogenannten “Racial Profiling”, also zu rassistisch motivierten Polizeikontrollen, nicht in Auftrag geben. Die Begründung aus dem Ministerium: Da die Praxis des Racial Profiling sowieso verboten sei, müsse sie auch nicht untersucht werden. Doch gerade weil sie verboten ist, sollte sie eigentlich untersucht werden. Seehofer erweckt so den Eindruck, etwas verbergen zu wollen. Daumen runter.

Heute empfehlen wir Ihnen:

Der Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist in Spendierlaune. Die Autoindustrie, die Rentner, die Selbstständigen – sie alle bekommen zusätzliches Geld vom Staat. In seiner Spiegel-Online-Kolumne geht Autor Nikolaus Blome mit der Finanzpolitik des Vizekanzlers hart ins Gericht. Blomes These: Scholz erkauft sich damit die Kanzlerkandidatur. Lesenswert!

Für seinen Vorschlag, die Maskenpflicht im Einzelhandel zu beenden, kassierte der Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns viel Kritik. Das Thema erhitzt nicht nur die Gemüter der Politiker, sonder auch der Bevölkerung. Michael Gassmann und Karsten Seibel bringen mit ihrem Welt-Artikel eine angenehme Sachlichkeit in die Debatte. Sie schauen sich an, wie der Wegfall der Maskenpflicht sich auf den Einzelhandel und die Infektionsraten in Ländern wie Italien oder Österreich auswirkt.

Wir gratulieren zum Geburtstag:

Daniela Ludwig, CSU-Bundestagsabgeordnete und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 45

Sebastian Hartmann, SPD-Bundestagsabgeordneter, 45

Wolfgang Clement, Ex-Wirtschafts- und Arbeitsminister, 80

Zum 1. August übernimmt Markus Schick die Leitung der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit im Bundeslandwirtschaftsministerium. Bisher war der Human- und Veterinärmediziner Präsident des Bayerischen Landesamtes für Pflege. Schick ersetzt Bernhard Kühnle, den Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) Ende Mai in den einstweiligen Ruhestand versetzt hatte.

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) äußerte sich beim Besuch auf der "PioneerOne" zur Debatte um die Kanzlerkandidatur seiner Partei.

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