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Unsere Themen heute:
In Thüringen bahnt sich mit einer Mehrheit aus CDU, FDP und AfD ein Politikwechsel in der Windkraft an. Friedrich Merz muss nun unangenehme Fragen beantworten.
Überfüllte Züge, überfüllte Bahnhöfe, Polizei-Einsätze: Das Pfingstwochenende war besonders wegen des 9-Euro-Tickets ein Stresstest für die Bahn. Wir haben die Bilanz.
Die Krankenkassen stehen finanziell unter Druck. Es fehlen Milliarden. Anders als Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Union auch über eine Begrenzung der Ausgaben reden.
Außen- und Verteidigungsministerium bereiten einen Bundeswehr-Einsatz in Bosnien-Herzegowina vor. Wir sagen, was der Planungsstand ist.
Merz und die AKK-Falle
An diesem Mittwoch kommt Friedrich Merz nach Sonneberg. Der CDU-Chef unterstützt die Kandidatin seiner Partei im Bürgermeister-Wahlkampf. Ein lange angekündigter Termin. Brisant ist er seit dieser Woche.
Denn der Gast aus Berlin wird in dem 23.000-Einwohner-Städtchen in Südthüringen eine grundsätzliche Frage zu beantworten haben:
Wie hält es die CDU mit der AfD?
Annegret Kramp-Karrenbauer stürzte über dieses Thema als Parteichefin. Ihr Nachfolger Armin Laschet geriet ins Schlingern, als der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen für die CDU in Thüringen kandidierte - und dabei die Nähe der AfD suchte.
Annegret Kramp-Karrenbauer © dpaDer aktuelle Fall: Die Landes-CDU und ihr Fraktionschef Mario Voigt wollen mit einem Antrag schärfere Regeln für den Windkraft-Ausbau durchsetzen.
Mindestens 1000 Meter sollen Windräder künftig von Wohnbebauung entfernt sein, bisher sind es 750 Meter. Die AfD will für den Antrag stimmen - und würde mit der FDP für eine Mehrheit sorgen.
Die AfD signalisiert auch Zustimmung für ein Vorhaben der CDU, bei dem es darum geht, dass Azubis in Gesundheitsfachberufen de facto kein Lehrgeld mehr zahlen müssen.
Dass CDU und AfD das gleiche politische Ziel mit ihren Stimmen befördern, hat in Thüringen schon 2020 für einen Eklat gesorgt, bei der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten. Auch die FDP muss damit nun umgehen.
Die SPD in Berlin frohlockt: Die Thüringer CDU erwies sich bereits unter Kramp-Karrenbauer als ebenso wenig steuerbar wie einsichtig. Von "erneutem Tabubruch" ist in der SPD die Rede, bewusst werden Parallelen zu 2020 gezogen. Doch hält der Vergleich Stand?
CDU-Fraktionschef Voigt beharrt, wie Rasmus Buchsteiner erfuhr, auf seiner Position. Mehrfach habe seine Fraktion der rot-rot-grünen Minderheitsregierung von Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow zu Mehrheiten verholfen: zweimal beim Haushalt.
Friedrich Merz © dpaIm vergangenen Jahr, als es um eine Neuwahl ging, signalisierte Voigt Unterstützung. Letztlich zog Rot-Rot-Grün den Plan zurück.
Heute hat Voigt nicht nur den Termin mit Merz im Kalender. Er wird auch Vier-Augen-Gespräche mit Ramelow und Vize-Ministerpräsidentin Anja Siegesmund (Grüne) führen.
Regulär wählt Thüringen im Herbst 2024. Um vorzuziehen, braucht Rot-Rot-Grün eine Zwei-Drittel-Mehrheit, Voraussetzung dafür wären fast alle Stimmen der CDU-Fraktion.
Geht es weiter mit Rot-Rot-Grün, bliebe Ramelows Minderheitsregierung auf die CDU angewiesen. Im Herbst wird der Haushalt für 2023 beschlossen.
Krankenkassen in Finanznot: Union will Ausgaben begrenzen
Die gesetzlichen Krankenkassen sind in Finanznöten - das absehbare Defizit beläuft sich auf mindestens 17 Milliarden Euro. Angesichts dieser Ausgangslage fordert die Union eine Begrenzung der Ausgaben.
Tino Sorge © ImagoCDU-Politiker Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, sagte unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner, es müsse auch über unbequeme Maßnahmen diskutiert werden:
Dass der Gesundheitsminister jegliche Form von Leistungskürzungen ausschließt, mag populär sein. Es bringt die Fachdebatte aber nicht voran, Instrumente zur Stabilisierung des Systems pauschal auszuschließen.
Sorge sagte, in der Krise werde es unausweichlich sein, dass die Kassenbeiträge temporär steigen. Die Regierung müsse sich in diesem Sommer ehrlich machen und den Versicherten sagen, „wie hoch die Belastungen in Zukunft sein werden“.
Aktuell liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung, der jeweils zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlt werden muss, bei 14,6 Prozent. Hinzu kommt ein Zusatzbeitrag, dessen Höhe von Kasse zu Kasse unterschiedlich ist. Im Schnitt sind es 1,3 Prozent.
Deutsche im Ukraine-Krieg: Ausreisen verhindert
Aus der Bundesrepublik sind inzwischen mehrere deutsche Gefährder und Personen mit Bezügen zur politisch motivierten Kriminalität in das Kriegsgebiet in der Ukraine ausgereist. Dem Bundesinnenministerium (BMI) liegen entsprechende Erkenntnisse vor, bestätigte man auf Anfrage der CSU im Bundestag.
Demnach waren dem BMI bis zum 30. Mai 2022 Ausreisen „von einer niedrigen zweistelligen Anzahl an Personen“ bekannt. Von diesen Personen, so das BMI weiter, haben Deutsche – auf ukrainischer und russischer Seite – auch an Kampfhandlungen teilgenommen oder dies zumindest beabsichtigt.
Unterstützer des Regiment Asow (2016 in Mariupol) © dpaHier läge die Anzahl „im jeweils niedrigen einstelligen Bereich“. An der Ausreise gehindert wurden mehrere deutsche Staatsbürger, das BMI spricht von einer Zahl im „mittleren einstelligen Bereich“. Details nannte das Innenressort nicht.
Unser Kollege Christian Schweppe hatte hier über die Sorge der Behörden vor Deutschen im Krieg berichtet. Die CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz sagte ihm nun: "Ich habe gewisse Zweifel an der Verlässlichkeit dieser Angaben. Die Bundesregierung verweigert systematische Kontrollen im Grenzraum und kann daher keinen wirklich verlässlichen Überblick über die tatsächlich erfolgten Ausreisen haben.“
Ausreisen von Extremisten müsse die Bundesregierung konsequent unterbinden. Zuständig dafür sind Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei.
Stresstest auf der Schiene: Erste Bahn-Bilanz zum 9-Euro-Ticket
Überfüllter Bahnsteig in Hamburg © ImagoDas Pfingstwochenende ist auch wegen des 9-Euro-Tickets zu einem großen Stresstest für die Bahn geworden. Das geht aus einem internen Sonderbericht der Bahn-Tochter DB Regio hervor, der unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vorliegt.
In dem Papier sind für den Pfingstmontag Zug-Räumungen, Notarzt- und Polizeieinsätze sowie überfüllte Bahnhöfe aufgelistet.
Ausriss aus internem Bahn-Bericht © The Pioneer„Ab 11:00 Uhr sehr hohes Fahrgastaufkommen“, heißt es mit Blick auf die Region Nord. „Viele Züge sehr hoch ausgelastet, oft keine Fahrradmitnahme mehr möglich.“ Busse seien zur Entlastung unterwegs gewesen. Die Bahnhöfe in Rostock, Stralsund und Schwerin waren laut Bericht am Montag überfüllt.
In Glückstadt in Schleswig-Holstein wäre es den Angaben zufolge fast zu einem Unfall mit einem Regionalexpress nach Sylt gekommen - eine „betriebsfremde Person“ habe sich im Gleis aufgehalten.
In vielen Regionen wurden laut Bericht wegen überfüllter Züge Fahrgäste zurückgelassen - nicht nur Reisende, die mit ihrem Fahrrad zusteigen wollten. Fünf Regionalzüge in Bayern sind am Montag vollständig geräumt worden, auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen gab es Räumungen.
Konzertierte Aktion bei Kanzler Scholz wohl erst Anfang Juli
IG Metall Chef Jörg Hofmann © Media PioneerDie Gespräche von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Sozialpartnern über mögliche Reaktionen auf die rasante Inflationsentwicklung werden nach Angaben von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann erst Anfang Juli stattfinden.
Scholz hatte kürzlich eine Konzertierte Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern angekündigt.
Im Gespräch mit Pioneer-Herausgeber Gabor Steingart sagte der Gewerkschaftschef, man habe Wert darauf gelegt, „dass die Terminierung jetzt so ist, wie sie wahrscheinlich kommen wird, nämlich erst Anfang Juli“.
Dann sei die IG Metall mit ihren Debatten über ihre Tarifforderung für die Metall- und Elektroindustrie durch. Für die Stahlindustrie gebe es dann voraussichtlich schon einen Abschluss. Man sei gerne bereit, mit der Politik über Maßnahmen gegen die Inflation zu beraten: „Eine Einmischung in unsere Tarifpolitik halte ich für nicht akzeptabel.“
Das Gespräch mit Hofmann hören Sie hier im Pioneer-Briefing-Podcast.
Carline Mohr, Social Media Mastermind hinter Kanzler Olaf Scholz in dessen Wahlkampagne, hat nach drei Jahren ihren Abschied aus dem Willy-Brandt-Haus angekündigt. Es wäre zuviel gesagt, dass Scholz nur wegen Mohrs Arbeit Bundeskanzler geworden ist, aber sie darf auf wirklich erfolgreiche Jahre zurückblicken.
Nun wird Carline wieder Kollegin, sie wechselt in die Chefredaktion des Business Insider. Weitere Details? Stay tuned. Wir gratulieren den Kolleginnen und Kollegen!
Die Bundesregierung bereitet derzeit den Wiedereinstig der Bundeswehr in die EU-Mission Eufor Althea in Bosnien-Herzegowina vor. Am Freitag, 24. Juni, soll der Bundestag in erster Lesung darüber beraten - so sieht es die vorläufige Tagesordnung für die nächste Sitzungswoche vor.
Das federführende Außenministerium berät zurzeit mit dem Verteidigungsministerium darüber, Stabspersonal und Verbindungsteams in den Westbalkanstaat zu entsenden, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki. Vom Tisch ist demnach die Idee, ein Reservekontingent in Deutschland vorzuhalten oder gar schweres Material wie etwa Transporthubschrauber zu entsenden.
Noch vor dem 2. Oktober sollen deutsche Kräfte vor Ort sein - dann wählt Bosnien-Herzegowina ein neues Parlament.
Auf - Landwirtschaftsminister Cem Özdemir lässt mit Eckpunkten für ein Tierwohllabel aufhorchen. Jahrelang hieß es aus dem Agrarressort, ein solches Label könne es aus europarechtlichen, wettbewerbspolitischen oder sonstigen Gründen nicht geben. Der Grüne will nun den Beweis erbringen, dass Transparenz im Supermarktregal möglich ist und alle davon profitieren: Kunden, Landwirte, Tiere. Ein wichtiges Unterfangen, das Özdemirs Bilanz im Amt prägen dürfte. Aufsteiger.
Ab - Annalena Baerbock hatte sich für ihre Drei-Länder-Reise viel vorgenommen. In Pakistan wollte die Außenministerin die schwierige Ausreise bedrohter Menschen aus dem Nachbarstaat Afghanistan voranbringen. In Griechenland wollte sie auf eine Entspannung im Streit mit dem Nato-Partner Türkei hinwirken. Und in Ankara wollte Baerbock für das türkische Ja zum Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens werben. Aus all dem wird nichts. Baerbock wurde kurz nach Ankunft in Islamabad positiv auf Corona getestet. Alle Termine sind gestrichen, heute fliegt die Ministerin zurück. Unsere Absteigerin.
Mit der Polit-Serie Borgen hat der dänische Drehbuchautor Adam Price einen internationalen Erfolg gelandet. Die 2010 zum ersten Mal erschienene Serie gilt als eine der besten Politik-Serien aller Zeiten.
Die bisher aus drei Staffeln bestehende Serie handelt von Intrigen und Machtspielen in der Politik, vom trickreichen Organisieren politischer Mehrheiten und der schwierigen Rolle der Medien.
Unsere Chefreporterin Alev Doğan hat den Drehbuchautor in Berlin getroffen und mit ihm exklusiv über die vierte Staffel und über Politik, Macht und Frauen gesprochen.
Der US-Streaming-Anbieter Netflix hat die Neuauflage übernommen und aus der ohnehin weltbesten Politik-Serie eine noch bessere Serie ("Welt") gemacht.
In dem Interview im Achten Tag hören Sie, warum Brigitte Nyborg in der neuen Staffel noch gewiefter agiert, und warum Frauen in der Politik anders agieren. Das Interview lesen Sie hier.
Adam Price, Erfinder von Borgen. © imagoDie Ampel steuert auf harte Verteilungskämpfe zu. Im Zentrum der Auseinandersetzung: die Schuldenbremse. Die Grünen fordern immer lauter deren Lockerung. Die Haushaltspolitiker Jamila Schäfer und Sebastian Schäfer listen in einem Beitrag für das Handelsblatt die grünen Wünsche auf: Investitionen trotz Schuldenbremse, eine stärkere Vermögensbesteuerung, höhere Abgaben für Einkommen über 100.000 Euro, eine Übergewinnsteuer. "Wir brauchen größere finanzpolitische Spielräume", schreiben Schäfer und Schäfer. FDP-Finanzminister Christian Lindner dürfte an diesem Gastbeitrag keinen Gefallen finden.
Heute gratulieren wir herzlich:
Anja Hajduk (Grüne), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, 59
Michael Donth, CDU-Bundestagsabgeordneter, 55
Martina Englhardt-Kopf, CSU-Bundestagsabgeordnete, 41
Gerhart Baum, früherer FDP-Bundesinnenminister, übt im Gespräch mit dem RND scharfe Kritik an seiner Partei.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre