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Unsere Themen heute:
Das Thema Migration wird zum Streitfall zwischen Bund und Ländern. Berlins Regierungschef Kai Wegner nimmt nun den Kanzler in die Pflicht – und fordert ein Spitzengespräch nächste Woche.
Bald ist Steuerschätzung. Und da sich die Konjunktur eingetrübt hat, rechnen Experten mit schlechten Nachrichten – die Regierung aber bleibt zuversichtlich.
Die Mindestlohn-Erhöhung fällt deutlich geringer aus als von den Gewerkschaften gefordert. Trotzdem ergeben sich natürlich Mehrkosten für die Arbeitgeber. Nun lassen sie sich beziffern.
20 Prozent der Studenten haben die 200-Euro-Einmalzahlung nicht beantragt. Der Chef des Bildungsausschusses möchte, dass das ungenutzte Geld nicht zurück in die Staatskasse fließt.
Großer Bahnhof beim Arbeitgebertag am 17. Oktober: Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner, Arbeitsminister Hubertus Heil und CDU-Chef Friedrich Merz kommen.
Migration: Wegners Weckruf für Scholz
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) fordert angesichts steigender Flüchtlingszahlen ein Bund-Länder-Spitzengespräch mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der kommenden Woche.
„Es ist ein Pulverfass, auf dem wir sitzen“, sagte Wegner am Mittwoch im Interview auf der Pioneer One.
Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir nicht nur über die finanzielle Unterstützung reden müssen.
Bislang ist für die kommende Woche lediglich die turnusgemäße Herbst-Ministerpräsidentenkonferenz geplant - allerdings ohne den Kanzler.
Man sei gerade dabei, die Unterkunft auf dem ehemaligen Flughafen Tegel auf 7.000 Plätze aufzustocken - und dort Willkommensklassen für die Kinder einzurichten.
Wegner sagte, Politik habe die Aufgabe, Menschen Halt und Orientierung zu geben, auch Sicherheit. „Zurzeit haben wir eine Situation im Land, wo viele Menschen verunsichert sind, Zukunftsängste haben“, sagte der CDU-Politiker.
Kai Wegner im Gespräch mit Michael Bröcker © Anne HufnaglWegner nimmt angesichts der Lage ausdrücklich den Kanzler in die Pflicht. Der Kanzler habe eine Führungsrolle:
Ich erwarte jetzt vom Bund eine Kraftanstrengung, dass wir mit unseren europäischen Partnern versuchen, Humanität und Ordnung wiederherzustellen.
Der CDU-Politiker forderte schnellere Verfahren durch mehr sichere Herkunftsstaaten. Nun müssten grundlegende Fragen gelöst werden: „Da geht es wirklich um Grenzsicherung: Wen lassen wir rein?“
Kai Wegner © Anne Hufnagl / CDU BerlinGut fünf Monate ist Wegner nun im Amt, führt relativ geräuschlos eine große Koalition in Berlin. Er verspricht Bürgeramts-Termine innerhalb kurzer Zeit und eine smarte Lösung, die Behördengänge überflüssig macht.
Wir bauen derzeit eine Berlin-App auf, wo immer mehr Dienstleistungen digital hinterlegt werden sollen. Ich glaube, dass wir das in einem halben Jahr schon am Laufen haben können.
Wegner möchte nicht nur die Klimaaktivisten, die das Brandenburger Tor beschmiert hatten, zur Kasse bitten. Über die Aktionen der Letzten Generation sagte er:
Diese Klimakleber sind Kriminelle. Ich verstehe niemanden, der auch nur annähernd Sympathie für diese Leute hat.
Der CDU-Mann will den notorischen Streit um die Verkehrspolitik in Berlin endlich befrieden.
Hendrik Wüst, Kai Wegner und Daniel Günther tanzen bei den Feierlichkeiten zum 03. Oktober © Michael BröckerIch will diese Stadt wieder zusammenführen.
Das Video, das ihn mit anderen CDU-Regierungschefs tanzend zum Ballermann-Kracher („Helikopter 117“) zeigt, kommentiert Wegner schmunzelnd.
Ich weiß nicht, ob das jetzt so fulminant war. Dass ich immer beschrieben wurde als langweilig – so habe ich mich nie gesehen. Jetzt lernt man mich vielleicht etwas besser kennen.
Steuerschätzung: Regierung rechnet nicht mit „bad news“
Die Bundesregierung rechnet offenbar nicht mit neuen schlechten Nachrichten in Folge der Herbst-Steuerschätzung, die am 26. Oktober präsentiert werden soll. Das wurde unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner in Koalitionskreisen bestätigt.
Die letzte Steuerschätzung war für das kommende Jahr von Steuereinnahmen in Höhe von 962,2 Milliarden Euro ausgegangen, 377,3 Milliarden Euro davon für den Bund. Es werde derzeit mit „+/-0“ gerechnet, heißt es. Das bedeutet: Von größerem zusätzlichen Konsolidierungsbedarf geht die Regierung nicht aus.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) © imagoIn den Haushaltsverhandlungen muss gegenüber dem Kabinettsentwurf von vor der Sommerpause noch eine Lücke von 3,3 Milliarden Euro geschlossen werden, heißt es.
Die Mehrausgaben seien unter anderem Folge des Wachstumschancengesetzes und der Bürgergeld-Erhöhung, die stärker ausfällt als zunächst geplant.
Die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2024 ist für den 16. November im Haushaltsausschuss des Bundestages geplant. Der Etat soll am 1. Dezember vom Parlament beschlossen werden.
Mit Spannung werden mögliche weitere Finanzzusagen des Bundes an die Länder in Zusammenhang mit Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen erwartet.
Mindestlohn-Erhöhung kostet Arbeitgeber knapp 750 Millionen Euro pro Jahr
Die zu Jahresbeginn 2024 geplante Mindestlohn-Erhöhung um 41 Cent kostet die Arbeitgeber auf ein Jahr gerechnet knapp 750 Millionen Euro.
Das geht aus der Mindestlohnanpassungsverordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hervor, die wir erhalten haben.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) © imagoAktuell liegt der Mindestlohn bei zwölf Euro. In zwei Schritten – 2024 und 2025 – soll die Lohnuntergrenze auf 12,82 Euro steigen. Das bedeutet: Für die Arbeitgeber ergeben sich 2025 noch einmal zusätzliche Kosten in Höhe von knapp 750 Millionen Euro.
Die Erhöhung basiert auf einer Empfehlung der Mindestlohnkommission aus dem Sommer, die erstmals nicht einstimmig zustande gekommen war. Die Gewerkschaftsvertreter in dem Gremium hatten dagegen gestimmt.
Die Bundesregierung verteidigt die Entscheidung. Im Verordnungsentwurf verweist sie zudem darauf, dass der Mindestlohn bereits zum 1. Oktober 2022 um knapp 14,8 Prozent erhöht worden war.
CDU will Duldung bei Asylbewerbern erschweren
Die Unionsfraktion will die Bedingungen für abgelehnte Asylbewerber im Land verschärfen. Die sogenannte Duldung, bei der die Ausreisepflicht vorübergehend ausgesetzt wird, soll durch rechtliche Änderungen nur noch seltener greifen können.
„Natürlich haben Gesetzgeber und Verwaltung noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Beispielsweise muss die Anwendung der ,Duldung light' für alle Ausreisepflichtigen mit verschleierter Identität erweitert werden. Das vereinfacht Rückführungen“, sagte uns Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.
„Geduldete sind prinzipiell ausreisepflichtig und sollten daher staatliche Leistungen in der Regel auch nur noch in Sammelunterkünften bekommen.“
So könnte der Staat „wirklich schutzbedürftige Asylbewerber“ zügiger in eine Wohnung bringen, so Krings.
Zuletzt hatte die Union einen 5-Punkte-Plan zur Begrenzung und Steuerung der Migration vorgelegt, der unter anderem Grenzkontrollen und eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen beinhaltet.
Studenten-Einmalzahlungen: 142 Millionen Euro verfallen
Von dem Gesamtvolumen der 200-Euro-Einmalzahlungen für Studenten sind 20 Prozent nicht abgerufen worden.
Insgesamt 2,84 der 3,55 Millionen Berechtigten haben bis zum Ablauf der Frist am 2. Oktober einen Antrag gestellt, wie das Bundesbildungsministerium mitteilte.
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), fordert, die nicht abgerufenen Mittel nicht einfach in die allgemeine Haushaltskasse fließen zu lassen.
Er sagte unserem Kollegen Maximilian Stascheit:
Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. © imagoDas Geld war für Studierende gedacht und sollte für Studierende ausgegeben werden. Wäre ich Bildungsminister, würde ich das Geld nicht an den Finanzminister zurückgeben, sondern in die Studienstarthilfe, internationale Studierende und soziale Infrastrukturen für alle investieren.
Doch dazu wird es nicht kommen. „Die Mittel für die Einmalzahlung im Haushalt 2023 sind zweckgebunden und können daher nicht anderweitig verwendet werden“, teilte eine Sprecherin von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf Anfrage mit.
Das Ministerium geht davon aus, dass ein Teil der Berechtigten neben Studium oder Ausbildung bereits einem Beschäftigungsverhältnis nachgegangen ist und damit auch von der Energiepreispauschale für Beschäftigte profitiert hat.
„Ein Doppelbezug schloss sich rechtlich zwar nicht aus, ggf. haben diese Personen aber dennoch Abstand davon genommen, die Einmalzahlung zu beantragen“, so die Sprecherin.
Scholz, Lindner, Habeck und Merz bei den Arbeitgebern
Der Deutsche Arbeitgebertag am 17. Oktober im Berliner Congress Center bcc dürfte in der Berliner Republik ein besonderer Termin sein.
Denn Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger bringt die Spitzen der Ampel-Koalition und die wichtigsten Gewerkschaftsführer und Vertreter der Wirtschaft zusammen.
Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind unter anderem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP), Arbeitsminister Hubertus Heil, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, Verdi-Chef Frank Werneke und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) geladen.
Einer der Moderatoren der politischen Panels: Pioneer-Chefredakteur Michael Bröcker.
CDU-Chef Friedrich Merz im Gespräch mit Michael Bröcker beim Arbeitgebertag im vergangenen Jahr. © dpaInteressant auch: Die dänsiche Botschafterin Susanne Hyldelund ist zu Gast und dürfte sicher auch zu den Erfahrungen ihres Landes in der Migrationspolitik befragt werden.
Neue Direktorin für den Rechnungshof
Der Bundesrechnungshof hat eine neue Direktorin: Die Ministerialrätin Sabine Schneider wurde auf die neue Position befördert und erhält ab sofort die Besoldungsstufe B6, vergleichbar mit einer Unterabteilungsleitung in einem Bundesministerium. Das Bundeskabinett hat die Personalie am Mittwoch bestätigt.
Was nächste Woche im Bundestag geht
Annalena Baerbock © imagoBundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird die Regierung in der kommenden Woche in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vertreten – gemeinsam mit Umweltministerin Steffi Lemke (ebenfalls Grüne) wird sie den Abgeordneten am Mittwoch, 11. Oktober 2023 Rede und Antwort stehen.
Am Freitag, 13. Oktober, berät das Parlament erstmals über die Gesetzespläne der Koalition zur kommunalen Wärmeplanung.
Auf - Hendrik Wüst. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gewinnt diese Woche gleich zwei Mal im inoffiziellen Kandidaten-Duell der Union. Zunächst landete der CDU-Mann durch seine Tanzeinlage am Vorabend des Einheitsfestes einen viralen Hit, nun ist er am Freitag auf Einladung von Markus Söder der zentrale Redner der CSU-Abschlusskundgebung. Fingerzeig?
Ab - Carola Rackete. Der Einsatz der privaten Seenotretter bekommt aus der Bundesregierung immer weniger Rückhalt. Unter anderem fordert FDP-Fraktionschef Christian Dürr, die Zahlungen des Auswärtigen Amtes für die Organisationen zu beenden. Rackete zählt als Kapitänin der Sea-Watch 3 zu den bekanntesten Aktivisten und Aktivistinnen.
Seit Beginn des Wahlkampfes habe Boris Rhein genau ein Ziel gehabt, kommentiert Gianna Niewel von der SZ: „Vorsprung halten –, und das verfolgte er mit einer einfachen, man könnte auch sagen, mit einer minimal aufwendigen Taktik.“ Dass die CDU an der Macht bleiben würde, ohne nie wirklich begründen zu müssen, wie sie dieses Land gestalte, sei das vielleicht größte Versäumnis des Wahlkampfes. Nancy Faeser hingegen sei die Hoffnung der SPD gewesen, aber ihre Bekanntheit habe nicht gezogen. „Ein Grund dafür ist ihre Doppelrolle als Bundesinnenministerin und Wahlkämpferin, denn während sie in Berlin wie eine Getriebene wirkte – etwa in der Frage, wie Deutschland mit der Zuwanderung umgehen soll –, sanken in Braunfels und Baunatal ihre Beliebtheitswerte.“ Für die Grünen sei schwierig, dass sie beim Klimaschutz gerade zu viele Kompromisse eingingen. Spannende Perspektive!
Panajotis Gavrilis fordert in seinem Deutschlandfunk-Kommentar mehr Solidarität und Empathie mit Geflüchteten: „In der Migrationsdebatte stellt Europa sich auch als ein offener, toleranter Schutzraum dar, in dem Menschenrechte und Solidarität zählen. Nichts davon scheint mehr zu gelten.“ Stattdessen werde der Eindruck erweckt, dass niemand mehr reinkommen solle, koste es, was es wolle – auch Menschenleben im Mittelmeer. Sein Appell: „Was nötig ist: Keine Abschottungsrhetorik, kein Wahlkampf auf Kosten von Geflüchteten und migrantischen Communitys. Sondern eine differenzierte Auseinandersetzung, mehr konstruktive Lösungsansätze statt Scheinlösungen. Und vor allem: mehr Humanität.“ Lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich:
Heiko Geue (SPD), Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, 58
Florian Graf (CDU), Chef der Berliner Senatskanzlei und Staatssekretär für Medien und die Metropolregion, 50
Philipp Hartewig, FDP-Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der FDP Sachsen, 29
Stephan Holthoff-Pförtner (CDU), Medienunternehmer und ehem. Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in NRW, 75
Thomas Lückerath, Chefredakteur DWDL.de, 41
Awet Tesfaiesus, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 49
Jens Twiehaus, ehem. Medienjournalist, Senior Redakteur Scholz & Friends, 36
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre