Übergangsgeld

Millionen für die MdB a.D.

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© ThePioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • 45 ehemalige Abgeordnete beziehen noch Übergangsgeld vom Steuerzahler - die Summe ist so hoch wie nie.

  • Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) will die Werbeeinschränkungen für Süßigkeiten auch gegen Protest durchsetzen. Wir haben mit ihm geredet.

  • Die Fraunhofer-Gesellschaft, mit fast 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert, steht vor dem personellen Neuanfang. Ein neuer Chef wird schon genannt.

  • Die Prognos AG hat berechnet, dass schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Öko-Energien einen großen Effekt auf den Klimaschutz haben.

  • Die konservative Denkfabrik R21 setzt sich bei einem Kongress in Berlin kritisch mit der Ära Merkel auseinander - und prominente Kritiker stehen auf der Bühne.

Neuer Rekord beim Übergangsgeld im Bundestag

Ihr Abschied aus dem Bundestag liegt nun schon eine ganze Weile zurück.

255 Abgeordnete sind nach der Bundestagswahl 2021 aus dem Hohen Haus ausgeschieden - viele freiwillig, doch längst nicht alle.

Unter ihnen sind Ex-Kanzlerin Angela Merkel, der frühere Kanzleramtschef und Innenminister Thomas de Maizière oder die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Aber es gibt auch Hinterbänkler, die dem Bundestag den Rücken gekehrt haben.

Für alle, die den Parlamentsbetrieb hinter sich lassen, gibt es das Übergangsgeld.

Der Bundestag in Berlin © imago

Es soll - freundlich formuliert - eine Brücke ins Leben nach der Politik sein, finanzielle Hilfe beim Wiedereinstieg in das normale Leben.

Das Übergangsgeld wird maximal für 18 Monate gezahlt - und zwar unabhängig davon, ob jemand bei der letzten Wahl gescheitert oder erst gar nicht angetreten ist.

Die Höhe der Zahlung entspricht der vollen Abgeordnetendiät - von derzeit 10.323,29 Euro im Monat. Ab dem zweiten Monat jedoch kommt es auf mögliche Zusatzeinkünfte an. Einkommen aus neuen Jobs oder - bei ehemaligen Regierungsmitgliedern - Versorgungsbezüge werden angerechnet.

235 Ex-MdB erfüllten nach der 2021er-Wahl die Voraussetzungen: mindestens ein halbes Jahr Mitgliedschaft im Parlament.

Der Tag, an dem auch die Ansprüche der letzten Ex-Parlamentarier enden, rückt nun näher.

Zeit für eine Bilanz. Die Bundestagsverwaltung bestätigte auf Anfrage von Rasmus Buchsteiner, dass bei 190 ehemaligen Abgeordneten der Übergangsgeld-Anspruch bereits ausgelaufen ist.

Bedeutet: 45 Ex-MdB beziehen derzeit die Leistung noch.

Die Ausgaben sind nun kalkuliert. Am Ende werden es 15,2 Millionen Euro sein, die als Übergangsgeld für Abgeordnete gezahlt worden sind - so viel wie nie zuvor.

Unter dem Strich sind es im Schnitt knapp 65.000 Euro für jedes ausgeschiedene Mitglied des Bundestags.

Özdemir bleibt hart bei Werbebeschränkung für Süßes

Grünen-Ernährungsminister Cem Özdemir will an seinen umstrittenen Plänen zur Beschränkung von Süßigkeiten-Werbung für Kinder festhalten.

"Es ist ein Baustein, der den Eltern das Leben leichter macht, wenn die Kinder nicht permanent berieselt werden für Produkte, die nachweislich nicht förderlich sind für die Gesundheit."

Es mache "unter keinerlei Gesichtspunkten Sinn, dass wir das laufen lassen", sagte Özdemir im Pioneer-Podcast von Gabor Steingart.

Es gehe auch nicht um ein Werbeverbot, sondern um eine Beschränkung der "Werbung für Zuckerbomben". Im Schnitt richten sich derzeit etwa 15 Werbespots täglich an Kinder, obwohl es die Selbstverpflichtung gibt.

Jedes sechste Kind in Deutschland leide unter Übergewicht. Das verursache 65 Milliarden Euro gesellschaftliche Kosten, so Özdemir.

Und weiter:

"Kinder unter 14 Jahren können das nicht selbst entscheiden. Ich habe mir angeschaut, ob die Selbstverpflichtung wirkt. Aber sie wirkt nicht. Kinderärzte, Elternvertretungen, Apotheker, Ernährungsexperten, Krankenkassen. Alle sagen, wir schaffen es nicht alleine."

Cem Özdemir im Gespräch mit Michael Bröcker im Konferenzraum seines Ministeriums in Berlin.  © The Pioneer

Die von CDU-Vorgängerin Julia Klöckner eingeführte Kennzeichnung für Lebensmittel, der Nutri-Score, werde weiterentwickelt und beibehalten, so Özdemir. "Der ergänzt das, was wir machen." Er werbe dafür, dass der Nutri-Score möglichst europäisch eingeführt wird.

Auch das Tierwohl-Label werde er vorantreiben, kündigte Özdemir an, allerdings gebe es für eine europaweite Einführung keine Mehrheit.

Das ganze Podcast-Gespräch hören Sie hier.

Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft vor Ablösung

Nach der Spesengeld-Affäre in der Fraunhofer-Gesellschaft in München bereitet das Bundesforschungsministerium offenbar den kompletten Austausch des Vorstands vor.

Das erfuhren wir von Beteiligten des Verfahrens. Das Institut ist Europas größtes Forschungsinstitut mit 30.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von fast 3 Milliarden Euro. Ein Drittel finanziert der Steuerzahler.

Bei den Vorwürfen ging es um üppige Hotel-Übernachtungen, Besuche in Nobel-Restaurants und Luxus-Dienstwagen. Der Vorstand weist die Kritik bislang zurück.

FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger soll indes nach unseren Informationen beim früheren Wirtschaftsminister in NRW, Prof. Andreas Pinkwart, vorgefühlt haben, ob er übergangsweise das Institut leiten könne. Doch Pinkwart wechselte an die TU Dresden.

Nun soll Michael ten Hompel, Professor an der TU Dortmund und geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik, im Gespräch sein.

Michael ten Hompel © imago

Sein Vertrag in Dortmund endet, er gilt als einer der Kritiker des umstrittenen Münchner Fraunhofer-Präsidenten Reimund Neugebauer, der seit 2012 die Gesellschaft leitet.

Stark-Watzinger äußerte sich vergangene Woche zu der Affäre:

„Die Vorwürfe gegen die Fraunhofer-Gesellschaft und den Vorstand wiegen schwer. Neben dem schnellstmöglichen personellen Neustart im Vorstand muss es jetzt darum gehen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schneller zu einer modernen Governance und tragfähigen Compliance-Standards kommt."

Prognos-Studie: Schneller planen, mehr Klimaschutz

Eine schnellere Planung und Genehmigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien könnte den Großhandels-Strompreis massiv absenken und den Klimaschutz befördern.

Das geht aus einer Prognos-Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hervor.

Eine effektive Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien könnte durch Effizienzvorteile und die Reduzierung des Imports von fossilen Energien zu einer Senkung des Großhandelspreises bis 2030 um zusätzlich 20 Prozent führen.

Eine Infografik mit dem Titel: Windkraft: Die Luft ist raus

Jährlicher Zubau von Windanlagen seit 2010

Prognos legt zugrunde, dass das politische Ziel der Klimaneutralität bis 2045 in den kommenden sieben Jahren Investitionen von rund 400 Milliarden Euro auslöst, davon alleine 137 Milliarden Euro im Gebäudesektor, 109 Milliarden Euro im Verkehrssektor und 52 Milliarden in der Industrie.

Die schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren könnten positive Wertschöpfungseffekte bringen, da weniger Importe fossiler Energien notwendig sind und Erneuerbare Energien effizienter genutzt werden.

Im Bericht heißt es:

Volkswirtschaftlich führt jeder in diesem Bereich investierte Euro zu 1,70 Euro BIP-Zuwachs.

Bei einem schnelleren Zubau von Öko-Energien könnte die Brutto-Wertschöpfung in Deutschland 2030 rund vier Prozent oberhalb des “Referenzszenarios” liegen, also der bisher erwarteten Wirtschaftsentwicklung.

Die Produktivitätszuwächse würden durch Digitalisierung, Automatisierung, Effizienzmaßnahmen bei Gebäuden, Energie und Industrie sowie einer Erhöhung der Erwerbstätigenzahl und der Arbeitszeit erzielt werden, schreiben die Autoren des Schweizer Forschungsinstituts.

Die gesamte Studie können Sie hier herunterladen:

Wirkungen von beschleunigten Genehmigungsverfahren und Klimainvestitionen

Söder will gegen Länderfinanzausgleich klagen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat angekündigt, noch im ersten Halbjahr eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich einzureichen. "Es ist einfach nur noch unfair und ungerecht", sagte der CSU-Vorsitzende der Bild am Sonntag.

Bisher steht Söder mit der angekündigten Klage alleine da. Während Hessen sich bisher zumindest nicht festlegen will, lehnen die drei weiteren Geberländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hamburg eine Klage ab.

Wie sich der Länderfinanzausgleich genau auf die Etats auswirkt, haben wir in dieser Grafik zusammengefasst:

Eine Infografik mit dem Titel: Bayern zahlt am meisten

Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2022, in Milliarden Euro

Corona-Enquete: SPD und Grüne lassen FDP abblitzen

Der FDP-Vorstoß, die Corona-Politik mit Hilfe einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag aufzuarbeiten, stößt auf Widerspruch der anderen Koalitionsfraktionen.

„Deutschland ist verhältnismäßig gut durch die Corona-Pandemie gekommen“, sagte uns SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. „Jetzt geht es darum, das Gesundheitssystem fit für die Zeit danach zu machen und zeitgemäße Strukturen zu etablieren.“

Schmidt sagte, die Ampelfraktionen hätten sich zu Beginn der Legislaturperiode auf bestimmte Enquete-Kommissionen geeinigt:

Eine spezifische zur Corona-Pandemie ist bewusst nicht darunter, denn zur Aufarbeitung und insbesondere zur besseren Vorbereitung auf künftige Situationen gibt es besser geeignete Formate.

Dagmar Schmidt © Imago

Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen lehnt eine Bundestags-Enquete ebenfalls ab:

Es kommt jetzt nicht darauf an, mit viel Aufwand in einer Enquete-Kommission theoretische Erörterungen zu in der Pandemie offensichtlich gewordenen Schwachstellen unserer Gesundheitsversorgung anzustellen. Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsdefizit in der Gesundheitspolitik.

Janosch Dahmen © imago

Dahmen sagte, die Menschen würden zu Recht erwarten, „dass alle in Regierungsverantwortung jetzt mit voller Konzentration dafür sorgen, dass unser Gesundheitswesen im Alltag und für die nächste Gesundheitskrise besser aufgestellt wird“.

SPD-Politikerin Schmidt sagte, die Aufarbeitung der Pandemie laufe bereits auf unterschiedlichen Ebenen: „Das Bundesministerium für Gesundheit arbeitet derzeit zudem mit Hochdruck an zahlreichen Reformen, um unser Gesundheitssystem robuster und nachhaltig finanzierbar zu machen.“

Am Mittwoch, 19. April, laden wir Sie wieder zu einer Live-Aufzeichnung unseres Hauptstadt-Podcasts ein. Wie immer mit den Ihnen vertrauten Kategorien - Deep Dive, What's left, What's right, What's next - und zwei spannenden Überraschungsgästen für das Interview der Woche und das kürzeste Interview der Berliner Republik.

Tickets gibt es zum Preis von 20 Euro hier:

Denkfabrik R21 diskutiert mit Börsch-Supan und Stelter

Die konservativ-liberale Denkfabrik R21 lädt am Dienstag, 21. März, zum zweiten Kongress nach Berlin und will dort "Deutschland nach der Ära Merkel" diskutieren.

Als Diskussionsteilnehmer sind einige Merkel-kritische Gäste eingeladen, darunter der ehemalige Wehrbeauftragte und jetzige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels, der Ökonom Daniel Stelter, der Renten-Experte Professor Axel Börsch-Supan, der Welt-Vize-Chefredakteur und Bestseller-Autor Robin Alexander und Multi-Aufsichtsrat Wolfgang Reitzle.

Die Denkfabrik wird von dem Mainzer Historiker Professor Andreas Rödder und der früheren CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder geführt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird auch in der kommenden Sitzungswoche im Plenum des Deutschen Bundestages sprechen. Für Donnerstag, den 16. März 2023, ist eine Regierungserklärung geplant.

Offizielles Thema ist der EU-Gipfel, der eine Woche später - am 23. und 24. März - in Brüssel stattfindet.

In der Regierungsbefragung am Mittwoch, 15. März, sollen Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.

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Auf - Joe Chialo. Der Musikmanager mit CDU-Parteibuch könnte der neue Kultursenator in Berlin werden. Mit den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen steigen seine Chancen. Der 53 Jahre alte CDU-Vorstand will Kultur und Kreativwirtschaft zusammendenken, Philharmonie und Rap-Kultur, Club-Szene und Kunstmuseen - ein spannender Ansatz, denn die Kultur in der Hauptstadt ist ein nicht zu unterschätzender Standort-Faktor.

Ab - Robert Habeck. Das Kabinett sollte auf Schloss Meseberg wieder in einen konstruktiven Arbeitsmodus zurückfinden. Doch auch nach der Klausurtagung scheinen die großen Konflikte ungelöst. Der Wirtschaftsminister sprach bei der Pressekonferenz versehentlich von "Meseburg" - dabei hatte er die Ortschaft am Sonntag sogar noch bei einer medienwirksamen Joggingrunde erkundet.

Der Abschluss der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg wird von der Hauptstadtpresse zum Anlass genommen, einen Blick auf die derzeitige Situation der Ampel zu werfen.

Dirk-Oliver Heckmann vom Deutschlandfunk fühlt sich an die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel erinnert und warnt, dass es schwierig sei, einen durch Dauerstreiterei entstandenen Imageschaden wieder loszuwerden. Bei den anstehenden Haushaltsgesprächen müsse die Koalition daher jetzt Vertrauen zurückgewinnen. "Denn der Vertrauens-Vorschuss scheint nicht nur unter den Ampel-Partnern längst aufgebraucht – sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern". Lesenswert!

Jasmin Kalarickal, Hauptstadtkorrespondentin der taz, ermahnt die Regierung, in einen konstruktiven Arbeitsmodus zurückzukehren und sieht hier vor allem die FDP in der Pflicht: "Man müsste das Dauerthema Tempolimit nicht wochenweise aufwärmen, wenn der Verkehrsminister glaubhafte Pläne präsentieren könnte, wie sich CO2 im Verkehr einsparen ließe." Zudem fordert sie Christian Lindner auf, eigene Vorschläge zu machen, wie die sozial-ökologische Transformation ohne Steuererhöhungen gelingen kann. Hier lesen Sie den Kommentar.

Henrike Roßbach nimmt die FDP in der Süddeutschen Zeitung hingegen in Schutz. "Der FDP schlicht Freude am Berufsquerulantentum zu unterstellen, wäre als Analyse allerdings etwas flach", schreibt sie in ihrem Kommentar. Sie sei nun mal der Koalitionspartner "mit der am stärksten abweichenden DNA", alle derzeit strittigen Themen rührten an den Grundüberzeugungen der Partei. Trotz aller Querelen, so ihr Fazit, könne das Mahnen und Zweifeln der Liberalen in diesen "Zeiten großer Umbrüche" nicht schaden. Spannend!

Heute gratulieren wir herzlich:

Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, 59

Antje Leendertse, Ständige Vertreterin Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York, 60

Pascal Meiser, Linken-Bundestagsabgeordneter, 48

Thomas Schmidt (CDU), Minister für Regionalentwicklung in Sachsen, 62

Ria Schröder, FDP-Bundestagsabgeordnete, 31

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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