unsere Themen heute:
Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts wird heute im Bundestag beschlossen. Die Folgen sind schwer abschätzbar.
Haseloff fordert im Pioneer-Podcast Kanzler Scholz auf, Bauernproteste zur Chefsache zu machen.
Der Haushaltsausschuss hat den Etat für das laufende Jahr verabschiedet.
Die Arbeitsagentur hat drei Milliarden Euro Überschuss gemacht.
Ex-Verfassungsrichter Peter Müller hält ein Verfahren wegen Grundrechte-Entzug gegen Björn Höcke für unklug.
Nach einer peinlichen Panne gibt es neue Rufe nach digitalen Abstimmungen im Bundestag.
Neues Einbürgerungsgesetz mit schwer vorhersagbaren Folgen
Die Reform des Staatsbürgerrechts wird heute im Bundestag beschlossen. Die Folgen sind schwer abschätzbar.
Die Reform sei ein „Konjunkturprogramm für die Integration“, sagt SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese unserem Kollegen Jan Schroeder.
Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hingegen warnt vor „massiven Auswirkungen auf unsere Gesellschaft“ und kritisiert, die Staatsbürgerschaft werde „verramscht“.
Doch zuerst: Was wird überhaupt beschlossen?
Eine Einbürgerung soll nach fünf, in Ausnahmefällen sogar nach drei, statt acht Jahren möglich werden.
Die doppelte Staatsbürgerschaft wird generell zulässig.
Statt der „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ gilt nunmehr die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau als entscheidendes Kriterium.
Wer Eltern hat, die mindestens fünf – statt wie früher acht – Jahre in Deutschland leben, bekommt die deutsche Staatsbürgerschaft qua Geburt.
Die in den Sechziger- und Siebzigerjahren eingewanderte Gastarbeitergeneration muss nur noch mündliche Deutschkenntnisse vorweisen und keinen Einbürgerungstest mehr absolvieren.
Fakt ist: Mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ wird sich die Zahl der Einbürgerungen, die gegenwärtig bei etwa 100.000 pro Jahr stagniert, erheblich erhöhen. Dadurch kommt auf die ohnehin schon überlasteten Ausländerbehörden mehr Arbeit zu.
Dirk Wiese © Imago„Wie bitter notwendig hier eine Modernisierung des Rechts ist, zeigen die Einbürgerungszahlen: Sie fallen in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr gering aus“, sagt Wiese. Und:
Damit senden wir ein klares Signal an die vielen gut integrierten Menschen in unserem Land: Ihr gehört dazu!
Die Union sieht das völlig anders, sie befürchtet Fehlentwicklungen.
„Mit der schnellen Einbürgerung besteht die Gefahr, dass Personen eingebürgert werden, die noch nicht nachhaltig integriert sind“, sagt uns der innenpolitische Sprecher der CDU, Alexander Throm. Und weiter:
Alexander Throm © dpaMit der doppelten Staatsbürgerschaft holen wir uns die politischen Konflikte aus dem Ausland ins Inland.
Wie viele neue Staatsbürger wird es geben?
Derzeit leben mehr als fünf Millionen Ausländer schon länger als zehn Jahre in Deutschland. Weitere 3,5 Millionen sind schon länger als fünf Jahre hier. Beide Gruppen – zusammen 8,5 Millionen – könnten nun bald den deutschen Pass zumindest theoretisch beantragen.
„Die Regierung will uns noch immer nicht sagen, mit wie vielen neuen deutschen Staatsbürgern nach der Reform zu rechnen ist“, erklärt CDU-Politiker Stefan Heck.
Experten rechnen mit zwei Millionen – das überfordert nicht nur die zuständigen Behörden, sondern die Integrationskraft unseres Landes insgesamt.
Dirk Wiese von der SPD nennt das Stimmungsmache. Die Zahlen seien zu hoch gegriffen.
Christian Hillgruber © ImagoDer Juraprofessor und Experte für Staatsbürgerschaftsrecht, Christian Hillgruber von der Universität Bonn, hält das Spekulieren mit Zahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht seriös. Die von der Union vorgelegte Rechnung – zwei Millionen neue Staatsbürger – sei „nicht nachvollziehbar“.
Wer sich einbürgern lassen will, müsse etwa uneingeschränkt für seinen Unterhalt sorgen und sehr gute Deutschkenntnisse vorweisen können. Diese Voraussetzungen werden „bei weitem nicht alle Ausländer erfüllen können“, sagt Hillgruber.
Haseloff: Proteste der Bauern müssen ins Kanzleramt
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sieht die Verantwortung für das AfD-Hoch bei der Ampel. In den vergangenen zwei Jahren habe das Vertrauen in die demokratischen Parteien der Mitte gelitten, sagt er im neuen Hauptstadt-Podcast. „Da sind wir dann auch mit betroffen“.
Reiner Haseloff © dpaEs gab noch nie so eine Verantwortung, eine veränderte Politik in Berlin zu machen. Wenn man verhindern will, dass große Teile der Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsruck erleben.
Auch nach fast zweieinhalb Jahren Legislaturperiode hätte das Parlament keinen AfD-Vizepräsidenten im Landtag gewählt.
In jeder Sitzung, jeden Monat wird ein Kandidat von denen präsentiert und nicht gewählt. Also die demokratische Mehrheit ist schon noch da und die ist auch in der Lage, alle Möglichkeiten, die die Demokratie bietet, ganz legitim auch zur Anwendung zu bringen, um Extremismen zu vermeiden.
Die Bauern-Demos müssten Chefsache sein, findet Haseloff.
Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU © dpaEs muss klare Signale geben. Die Proteste der Bauern müssen weg von der Straße in das Bundeskanzleramt. Das ist meine Forderung.
Zur neuen konservativen Programmatik der CDU sagte Haseloff: „Ich glaube, konservative Wurzeln gab es neben anderen Wurzeln immer schon.“ Der Bundesvorsitzende Friedrich Merz hätte automatisch den Vortritt, „wenn es darum geht, seine Kandidatur anzumelden“. Aber bei der Entscheidung müssen auch die Landesverbände mitgenommen werden, gab er an.
Wir haben immer einen kollegialen Meinungsbildungsprozess im Präsidium gesichert.
Das ganze Interview der Woche hören Sie im Hauptstadt-Podcast. Außerdem besprechen Jörg Thadeusz und Karina Mößbauer:
Das Ereignis der Woche: der neue Konservatismus der CDU und die Diskussion um ein AfD-Verbot.
Zwischenruf von Hans-Ulrich Jörges: Der Staat soll bei sich mit dem Sparen anfangen!
In der Sachlage: der Auftritt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor den Bauern.
Das kürzeste Interview der Berliner Republik mit Claudia Kade, Politik-Chefin der Welt.
Der Haushalt 2024 steht
Nach mehr als neun Stunden hat der Haushaltsausschuss gestern den Etat für das laufende Jahr verabschiedet. Bundesrat und Bundestag sollen am 2. Februar zustimmen. Die Kernpunkte für 2024:
Die Ausgaben betragen rund 476,8 Milliarden Euro.
Geplant sind neue Kredite in Höhe von rund 39 Milliarden.
Die Schuldenbremse greift – vorerst.
In der Bereinigungssitzung hat der Ausschuss gestern noch einige Änderungen am Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgenommen:
Ein zuvor geplanter Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ist nun doch nicht nötig.
Die Verschärfung beim Bürgergeld, Totalverweigerern die Stütze für zwei Monate zu streichen, gilt zunächst für zwei Jahre.
Die Bauwirtschaft erhält in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro zusätzlich für den klimafreundlichen Neubau.
Die Hilfen von mehr als 2,7 Milliarden Euro für die Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal werden aus den Überschüssen des Etats 2023 finanziert.
Die Schuldenbremse wird damit eingehalten. Allerdings behalten sich die Ampel-Koalitionäre vor, erneut eine Notlage zu erklären, wenn die Ukraine im Laufe des Jahres mehr Unterstützung nötig hat – zum Beispiel, weil US-Hilfen ausfallen.
Das Ergebnis der Beratung zum Download
Arbeitsagentur mit drei Milliarden Euro Überschuss
Die Bundesagentur für Arbeit hat 2023 einen Überschuss von drei Milliarden Euro gebildet.
Ursprünglich wollte die Ampel 1,5 Milliarden Euro für gezahlte Corona-Hilfen von der Agentur zurückfordern, worauf nun aber verzichtet wird.
Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler © dpa„Das Umdenken der Ampel bei der Arbeitslosenversicherung war zwingend erforderlich, die Signalwirkung wäre fatal gewesen“, sagt Steuerzahlerbund-Präsidenten Reiner Holznagel. Weiter:
Überschüsse und Rücklagen der Sozialversicherungen gehören den Versicherten und nicht der Bundesregierung, die mit Beitragsgeld der Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine selbstverschuldete Haushaltsmisere kitten will. Das wäre eine klare Zweckentfremdung von Beitragsmitteln und kein Ausweis einer verlässlichen Sozialpolitik!
Ex-Verfassungsrichter: Entzug der Grundrechte von Björn Höcke keine gute Idee
Der ehemalige Verfassungsrichter und Justizminister des Saarlandes, Peter Müller, rät davon ab, dem Rechtsaußen der AfD, Björn Höcke, die Grundrechte zu entziehen.
Knapp eine Million Menschen haben eine Petition unterschrieben, die ein solches Verfahren gegen Höcke fordert. Unserem Kollegen Jan Schroeder sagt Müller:
Sie machen den Mann damit zum Märtyrer, zur Ikone.
In den letzten Tagen war der Vorschlag, zum Teil als Alternative zu einem Verbotsverfahren gegen die ganze AfD, heftig diskutiert worden. Grundsätzlich ist es möglich, jemandem die Grundrechte – insbesondere das Wahlrecht und das Recht, für politische Ämter zu kandidieren – zu entziehen, wenn dieser Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit zum „Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht”.
Peter Müller © imagoIn der Geschichte der Bundesrepublik gab es jedoch nur vier solcher Verfahren, die allesamt scheiterten. Eines dieser Verfahren richtete sich gegen eine Führungsfigur der direkten Nachfolgepartei der NSDAP, der SRP, ein anderes gegen den rechtsextremen Verleger Gerhard Frey, der die „Nationalzeitung“ herausgab.
„Die Anforderung für einen Entzug der Grundrechte steht nicht hinter denen für ein Parteiverbot zurück”, sagt Müller. Der ehemalige Verfassungsrichter glaubt nicht an den Erfolg eines solchen Verfahrens. „Außerdem würde es sehr lange dauern.“
Neue Rufe nach digitaler Abstimmung im Bundestag
Peinliche Panne im Bundestag: Am Donnerstagnachmittag musste eine Abstimmung im Plenum unterbrochen werden, weil plötzlich keine Stimmzettel mehr da waren. Die Zettel mussten eilig nachgedruckt werden.
Die Panne hat eine neue Debatte über digitale Abstimmungen im Bundestag ausgelöst.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. © imagoDer CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler:
Das Abstimmungsdesaster ist mal wieder ein Beleg dafür, dass wir endlich zu digitalen Abstimmungen im deutschen Bundestag kommen müssen.
Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring erklärte uns:
Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. © imagoEs ist das erste Mal, dass das schiefgeht. Aber das ist ein guter Anlass, nochmal über digitale Abstimmungen zu sprechen.
Geht es um namentliche Abstimmungen zu Gesetzen oder Anträgen, dann werfen die Abgeordneten vorbereitete und an den Namen gebundene Stimmkärtchen aus Plastik in die Wahlurnen. Nur wenn es um die Wahl von Personen geht, wird noch schriftlich abgestimmt.
In der Chaos-Abstimmung ging es um die Positionen des Bundestagsvizepräsidenten und einen Platz im parlamentarischen Kontrollgremium.
Beide Posten beansprucht die AfD für sich, deren Vertreter aber regelmäßig keine Mehrheit im Bundestag bekommen. Die Abstimmungen stehen deshalb in nahezu jeder Sitzungswoche wieder auf der Tagesordnung des Bundestages.
Wer sollte der nächste Kanzler werden? Wenn es nach den Deutschen geht, am liebsten der bayrische Ministerpräsident Markus Söder – und nicht der CDU-Chef Friedrich Merz. Hier nicht zu sehen: In NRW liegt Merz sogar hinter Kanzler Olaf Scholz.
Eine Infografik mit dem Titel: Kanzlerschaft: Am liebsten Söder
Kanzlerpräferenzen Anfang 2024 in Deutschland, in Prozent
Forsa-Chef Manfred Güllner kommentiert:
Dass die Union nicht stärker vom Unmut über die Ampel-Politik profitiert, dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass (...) Merz, nicht über viel mehr Vertrauen verfügt als der von ihm als „Klempner der Macht“ diskreditierte Kanzler.
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
Die Nato hat ihre größte Übung seit Ende des Kalten Krieges angekündigt. Mit 90.000 Soldaten will sie im Februar den Angriff Russlands auf das Verteidigungsbündnis proben.
Der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) dringt auf dauerhaft höhere Verteidigungsausgaben. In der Augsburger Allgemeinen forderte der 75-Jährige: „Es ist eine massive Aufrüstung nötig.“ Aufgrund der Drohungen des russischen Präsidenten gegen den Westen sagte er: „Es ist ein Muss! Wir können Wladimir Putin nicht mehr vertrauen.“
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Mit einer großen Gedenkfeier wird heute in der Allianz Arena Abschied von Franz Beckenbauer genommen. Der „Kaiser“ war am 7. Januar im Alter von 78 Jahren gestorben. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werden auch Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser (SPD) sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an der Feier teilnehmen.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) plant, morgen Abend in Münster an der Demonstration „Kein Meter den Nazis“ teilzunehmen.
Die Unabhängigkeitsfrage Taiwans steht – vor allem nach dem dortigen Wahlsieg der Demokratischen Fortschrittspartei – im Zentrum der chinesisch-amerikanischen Rivalität. Im Pioneer Gastbeitrag warnen die US-Experten Josef Braml und Mathew Burrows davor, den Konflikt zu unterschätzen und raten den USA, sich vorzubereiten.
Auf – Lars Klingbeil. Der SPD-Chef richtet im Bundestag eine klare Botschaft gegen die AfD und an alle Deutschen mit Migrationshintergrund: „Allen diesen Menschen, die sich von der AfD und anderen Rechtsextremen bedroht fühlen, sagen wir als demokratische Mitte des Parlaments heute, wir passen auf euch auf!“ Union, FDP und Grüne schlossen sich ihm an und richteten ihre Worte gegen die AfD. Geschlossenheit geht doch! Wichtig und richtig.
Ab – Ursula von der Leyen. Das EU-Parlament verklagt die EU-Kommission, weil diese EU-Gelder in Höhe von 10,2 Milliarden Euro an die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán freigegeben hat, obwohl diese nicht die europäischen Standards erfülle. Sowohl Konservative als auch Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke stimmten für die Klage. Fortsetzung folgt.
Zum Geburtstag gratulieren wir herzlich:
Am Freitag, den 19. Januar:
Steffi Lemke, Ministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, 56
Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 65
Hermann-Josef Tebroke, CDU-Bundestagsabgeordneter, 60
Am Samstag, den 20. Januar:
Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister in Hamburg, 58
Am Sonntag, den 21. Januar:
Edgar Franke, Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium, 64
Carsten Hölscher, Deutscher Botschafter in Burundi, 62
Dorothee Martin, SPD-Bundestagsabgeordnete, 46
Konstantin von Notz, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 53
Michael Ohnmacht, Deutscher Botschafter in Tripolis, 54
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre