Die NATO kritisiert in einem internen Papier „hohle Strukturen“ bei der Bundeswehr.
Bauministerium und Verbände beraten heute über ein milliardenschweres Förderprogramm.
Deutschland enthält sich bei der EU-Abstimmung zu Lkw-Flottengrenzwerten.
Die Bundesregierung stellt heute eine weitere – diesmal internationale – Digitalstrategie vor.
Trotz Anti-Homosexuellengesetz unterstützt die Bundesregierung weiter Projekte in Uganda.
NATO moniert „hohle Strukturen“ bei der Bundeswehr
Deutschland wird in der NATO nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen, warnen hochrangige Bundeswehr-Angehörige in einem internen Papier, das uns vorliegt. Besonders brisant: Es wird vor militärischen und politischen Risiken gewarnt.
Der Befund: Deutschland halte seine Versprechen nicht, trickse und unterbiete NATO-Mindeststandards.
Deutsche NATO-Soldaten © dpaDie Kritik im Einzelnen:
In Gesprächen habe die NATO zum wiederholten Male festgestellt, dass Deutschland zu wenig Kampftruppen-Bataillone bereitstelle. So fehlten zum Beispiel vier dieser Bataillone für die Regionalplanung des SACEUR (Oberbefehlshaber der NATO).
Schon vor dem Ukraine-Krieg sei in der NATO „zur Kenntnis genommen“ worden, dass Deutschland seine Ziele „lediglich durch ein Verschieben“ von Kampftruppen-Bataillonen, die derzeit unter anderem wegen fehlendem Material „nicht aktiv“ seien, erreichen wolle. Diese würden einfach an aktive Strukturen gehängt. Heißt: Die Verbände werden künstlich aufgeblasen. Wegen des Mangels an Ausstattung und Personal sind sie aber nicht vollwertig.
Deutschland unterschreite NATO-Vorgaben zur Anzahl von Hauptwaffensystemen in den Kamptruppen-Bataillonen bewusst, heißt es in dem Papier. So sind es anstatt 53 Kampf- und Schützenpanzer pro Kampftruppen-Bataillon nur 44.
Das Fehlen wird von der NATO „unmissverständlich als ,hollow structures’ (hohle Strukturen) moniert“, schreiben die Heeres-Experten.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius © imagoVerteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte Litauen zur Abschreckung gegen die Bedrohung aus Russland die Stationierung einer Brigade zugesagt – und zwar dauerhaft, ein Novum.
Die NATO befürchte wegen dieser Zusatz-Aufgabe allerdings die „weitere Aufblähung dieser hohlen Strukturen, wenn keine Bemühungen für einen Ersatz der beiden dorthin verschobenen aktiven Kampftruppen-Bataillone" erfolge.
Übersetzt: Werden die nach Litauen entsandten Bataillone in Deutschland nicht ersetzt, bleibt eine geschwächte Bundeswehr zurück.
Der Schützenpanzer Puma bei einer Schießübung der Bundeswehr. © imagoAbschließend warnen die Verfasser: Jede weitere Unterschreitung zugesagter Forderungen sei „sowohl militärisch, als auch politisch hoch risikobehaftet“.
Im Fazit heißt es: „Ein weiteres Abweichen nach unten von den Vorgaben (…) wird Zweifel an der Zuverlässigkeit und den Zusagen Deutschlands weiter verstärken.“
Das Papier ist eine Warnung und zugleich ein klarer Arbeitsauftrag. Die Politik sollte den Weckruf hören – besonders in unsicheren Zeiten wie diesen.
KfW-Förderprogramm: Bauministerin lädt zum Beratungsgespräch ein
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) lädt heute Nachmittag Vertreter von Spitzenverbänden ins Ministerium ein, um über das KfW-Förderprogramm für den klimafreundlichen Neubau zu beraten.
Mit dabei sind unter anderem der Immobilienverband Deutschland, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentrale Immobilien Ausschuss. Das geht aus einer Einladung hervor, die unserer Kollegin Laura Block vorliegt.
Klara Geywitz und Olaf Scholz © imagoAuch mit dabei sind Haus & Grund und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen – beide sagten noch im September aus Protest gegen die Bau-Politik der Ampelregierung die Teilnahme am Wohnungsgipfel im Kanzleramt ab.
Ende Januar hatte das Bauministerium überraschend ein umfangreiches KfW-Förderprogramm für den Wohnungsbau im unteren und mittleren Preissegment bekanntgegeben. Für 2024 und 2025 stünden dafür jeweils eine Milliarde Euro zur Verfügung. Die Programm-Details sind bisher noch nicht bekannt – sie werden derzeit ausgearbeitet.
Dazu passt: Die neue Folge Wohngold – der Immobilienpodcast von unserer Kollegin Laura Block ist heute erschienen. Sie spricht über die geplanten Förderprogramme des Bauministeriums mit Aygül Özkan, der neuen Hauptgeschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA).
Lkw-Flottengrenzwerte: Deutschland enthält sich
Deutschland wird sich bei der EU-Abstimmung über die neuen CO2-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge wie Lastwagen und Busse enthalten, wie unsere Kollegin Claudia Scholz aus Regierungskreisen hört. Die Abstimmung unter den Vertretern der EU-Länder ist für diesen Mittwoch geplant.
Das FDP-geführte Verkehrsministerium unter Volker Wissing will die Verordnung blockieren. Der Grund: Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels fänden nicht ausreichend Berücksichtigung. Außerdem ist eine Überprüfung der Regelung erst 2027 geplant.
Laut der Verordnung sollen die durchschnittlichen CO2-Emissionen neuer Lastwagen bis 2040 um rund 90 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken, mit Zwischenzielen von 45 Prozent bis 2030 und 65 Prozent bis 2035. Diese Grenzwerte können mit alternativen Kraftstoffen und E-Fuels nicht erreicht werden, sondern nur mit Strom und Wasserstoff.
Bernd Reuther, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagt uns:
Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass alle klimaneutralen Antriebssysteme die gleichen Marktchancen erhalten. In der aktuellen Regelung werden nur bestimmte Ansätze bevorzugt, die einer technologieoffenen Herangehensweise im Wege stehen würden.
Die EU-Regelung würde Investitionen bis 2027 bremsen und sei für die Bestandsflotte der Europäischen Union bedenklich, sagt Reuther.
FDP-Verkehrssprecher Bernd Reuther © ImagoOhne die deutsche Stimme könnte die geplante Grenzwertverordnung scheitern. Denn auch Italien und einige osteuropäische Länder sind dagegen.
Vom federführenden Umweltministerium unter Steffi Lemke (Grüne), das den EU-Plan unterstützt, heißt es: „Wir suchen weiter nach einer gemeinsamen Position.“
Bundesregierung beschließt internationale Digitalstrategie
Nach einer Reihe nationaler digitalpolitischer Strategien verabschiedet das Bundeskabinett heute eine internationale Digitalstrategie. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, hält die Strategie für gelungen. Unserer Kollegin Clara Meyer-Horn sagt er:
Maximilian Funke-Kaiser (FDP) © dpaDie Strategie zeigt: Deutschland will nicht mehr an der Seitenlinie stehen, sondern internationale Entscheidungen aktiv mitprägen.
Die Idee: Deutschland möchte stärker selbst internationale Standards setzen, vor allem in den Bereichen Medizin und Telekommunikation. Die Bundesregierung wolle Standards nicht „aufoktroyiert“ bekommen – im schlimmsten Fall von autoritären Ländern. Funke-Kaiser sagt:
Vor allem Standardisierung und Interoperabilität spielen eine große Rolle, um digitale Souveränität zu bekommen.
Aufgrund der vielen aktuellen geopolitischen Krisenherde sei es wichtiger denn je, auch Digitalpolitik in einen internationalen Kontext zu stellen, sagt der Staatssekretär im Digitalministerium Stefan Schnorr. Zu den Krisenherden zählen der geopolitische Wettstreit zwischen den USA und China und die zunehmende Machtkonzentration bei Tech-Konzernen.
Tobias Bacherle, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Obmann im Digitalausschuss, sagt uns:
Die Strategie soll einen klaren Leitfaden für die Arbeit aller Ministerien schaffen – und die deutsche Position als Gegenentwurf zu den aufstrebenden Tendenzen des digitalen Autoritarismus auf dem internationalen Parkett formulieren.
Zu den neun sehr breitgefächerten handlungsleitenden Grundsätzen der Strategie zählt der Schutz von Menschenrechten on- wie offline, ein globales, offenes Internet ohne regionale Unterschiede und sichere grenzüberschreitende Datenflüsse. Sie listet keine konkreten Maßnahmen auf, sondern soll lediglich als Handlungsrahmen dienen.
Trotz Anti-Homosexualitätsgesetz: Weitere Finanzierung der Projekte in Uganda
Die Bundesregierung hält an Unterstützungen für Projekte der Entwicklungsarbeit in Uganda fest, obwohl dort seit vergangenem Jahr Homosexuelle gesetzlich zum Tode verurteilt werden können.
Das geht aus einer Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, Bärbel Kofler, an den Menschenrechtspolitischen Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, hervor, die uns vorliegt.
Michael Brand, CDU-Abgeordneter aus Fulda. © imagoKofler schreibt, dass zwar „die Auswirkungen des Anti-Homosexualitätsgesetzes“ mit anderen EU-Ländern und der USA besprochen und „Positionen für den politischen Diskurs mit der ugandischen Regierung abgestimmt“ werden. Von konkreten Maßnahmen, wie erfragte Zahlungsstopps, ist aber nicht die Rede. Es heißt:
Derzeit sieht keiner der in diesem Kreis tätigen Geber vor, aufgrund des oben genannten Gesetzes laufende Projekte zu stoppen oder die Entwicklungszusammenarbeit mit Uganda einzustellen.
Hingegen wolle sich die Bundesregierung mit ihren Partnern über Schritte zur Stärkung menschenrechtlicher Standards abstimmen.
Dafür brauche es laut Brand vor allem eines: bilaterale Gespräche mit Uganda. Weil der Brief darüber keine Auskunft gibt, vermutet er, dass es „keine direkten Gespräche mit der dortigen Regierung“ gebe. Unserer Kollegin Phillipka von Kleist sagt er:
Schon vor der Pandemie war die Möglichkeit von Frauen in Uganda zur selbstbestimmten Familienplanung eingeschränkt - Corona verschärft ihre Lage. © ImagoUnsere Regierung spricht von werteorientierter Außenpolitik, hat aber nicht den Mut, dann aktiv zu werden, wenn es für die Opfer lebenswichtig ist. Wer Menschenrechte ernst nimmt, darf hier nicht schweigen.
Seit Mai 2023 gibt es in Uganda das Anti-Homosexualitätsgesetz. Demnach gilt die Todesstrafe für „schwere Homosexualität“ – sexuelle Beziehungen, an denen mit HIV infizierte Personen beteiligt sind. Die Bundesregierung hatte das Gesetz verurteilt.
Laut den neuesten Umfragen von Forsa würden aktuell mehr Menschen die Partei von Sahra Wagenknecht wählen als die Regierungspartei FDP. Die AfD büßt weiterhin Stimmen ein und kommt diese Woche auf 18 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: BSW auf, FDP raus, AfD runter
Durchschnittliche Zustimmungswerte der Parteien seit Oktober 2023, in Prozent
Über das Verhalten junger Menschen gibt es viele Meinungen. Die Bertelsmann Stiftung hat jetzt herausgefunden: Junge Menschen – gemeint sind 18- bis 31-Jährige – in Deutschland haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern mehr Vertrauen in Institutionen.
Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland: Vergleichsweise hohes Vertrauen
Vertrauen 18- bis 31-Jähriger in Deutschland und anderen europäischen Ländern*, in Prozent
Überraschend ist auch ein weiterer Befund: Nicht etwa die Jüngeren, sondern die Über-31-Jährigen versuchen stärker, nachhaltig zu leben.
Eine Infografik mit dem Titel: Ältere leben nachhaltiger
Durchschnittliche Zustimmung: Ich versuche umweltbewusst zu leben, in Prozent
Das war heute außerdem los:
Streik: Angesichts des für heute angekündigten Warnstreiks ihres Bodenpersonals hat die Lufthansa das Flugprogramm massiv zusammengestrichen. Laut dem Unternehmen sollen nur 10 bis 20 Prozent des ursprünglich geplanten Programms angeboten werden. Mehr als 100.000 Passagiere müssten umplanen.
Klimaziele: Auf dem Weg zur Klimaneutralität will die EU-Kommission bereits bis 2040 einen Großteil der Treibhausgasemissionen in der EU reduzieren. Die Kommission stellte gestern im Straßburger Europaparlament eine entsprechende Empfehlung für ein Klimaziel vor. Es sieht vor, die Treibhausgasemissionen bis zu diesem Jahr um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.
Putin-Interview: Der umstrittene amerikanische TV-Host und ehemalige Moderator von Fox News, Tucker Carlson, hat angekündigt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu interviewen. Carlson befindet sich bereits in Moskau. Er kündigte an, er werde das Interview „unbearbeitet“ und „ungekürzt“ auf seiner privaten Webseite veröffentlichen.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) nimmt am Auftakt von #MeForHer.International in Berlin teil, einer Kampagne, die auf häusliche Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen will.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält eine Rede im Rahmen der Verabschiedung des Hamburger Bildungssenators a.D., Ties Rabe (SPD).
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) informiert sich im Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn über die aktuelle Forschung zu Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport.
In der ersten Folge des MY WAY Podcasts für und über Familienunternehmen spricht Frank Dopheide mit Bernhard Paul, dem Gründer vom Circus Roncalli.
Roncalli hat keine Kunden, er hat Publikum. Statt eines Verkaufsraums gibt es eine Manege. Der 1975 in Wien gegründete Zirkus hat viele andere überlebt – wie Paul das geschafft hat, wie er mit Rückschlägen umgeht und woher der Name des Zirkus kommt, hören Sie hier.
Dazu passt: Die MY WAY – der Strategiegipfel der Familienunternehmen findet am 10. und 11. September im Westhafen in Berlin statt. Tickets zum Super-Early-Bird-Preis sind noch bis zum 29. Februar 2024 zu haben!
Auf – Joe Biden. Sein größter Widersacher, Donald Trump, darf strafrechtlich dafür belangt werden, dass er Bidens Sieg nach den vergangenen Wahlen nicht anerkannt hatte. Denn der Ex-Präsident ist mit seinem Antrag auf Immunität vor Gericht gescheitert. Bei einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft. Doch Biden sollte sich nicht zu früh freuen: Trump will in Berufung gehen und vor den Obersten Gerichtshof ziehen.
Ab – Marco Buschmann. In der Ampel werden wieder Briefe geschrieben. Und zwar äußert der Justizminister seinen Unmut über den stockenden Bürokratieabbau gegenüber dem „sehr geehrten Kollegen, lieben Robert“. Seit Monaten werfen die beiden Ministerien sich gegenseitig Versäumnisse vor. Unbürokratische Kommunikationswege sehen allerdings anders aus.
Heute gratulieren wir herzlich:
Valentin Abel, FDP-Bundestagsabgeordneter, 33
Benedikt Kuhn (CDU), Chef der Hessischen Staatskanzlei, 38
Claudia Middendorf (CDU), Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen, 55
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre