Abgeordnetengesetz

Neues aus dem Nebenjobber-Parlament

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© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Mehr als ein Jahr nach seiner Konstituierung sind im Bundestag noch immer nicht alle Nebentätigkeiten und Einkünfte der 736 Abgeordneten ausgewiesen. Wir haben recherchiert, wie der Stand ist, und sagen, welche Volksvertreter uns konkret auffielen.

  • Zum 1. Mai geht das Deutschland-Ticket an den Start. Doch der Preis von 49 Euro könnte sich rasch erhöhen.

  • Die Jobcenter sollen mehr Geld für die Integration ukrainischer Geflüchteter in den Arbeitsmarkt erhalten. Wir kennen die Zahlen aus dem Haushaltsausschuss.

  • Die Ausbildung ukrainischer Soldaten am deutschen Schützenpanzer Marder beginnt.

  • Die Bundesregierung will Sozialunternehmen durch ein neues Förderprogramm unterstützen. Doch von den Betroffenen kommt Kritik.

Neues aus dem Nebenjobber-Parlament

Im Bundestag werden die Nebentätigkeiten und Zusatzeinkünfte aller Abgeordneten Schritt für Schritt offengelegt – und zwar auf Euro und Cent genau.

Dafür war das Abgeordnetengesetz geändert worden. Seit dieser Wahlperiode sind die Meldeauflagen streng wie nie zuvor.

Auch Firmenbeteiligungen müssen in vielen Fällen gemeldet werden. Bezahlter Lobbyismus neben dem Mandat ist nun verboten, Vorträge mit Mandatsbezug gegen Geld ebenso.

Unsere Reporter Rasmus Buchsteiner und Christian Schweppe ziehen Zwischenbilanz: Denn Angaben zu 473 Abgeordneten sind inzwischen öffentlich.

Wie gläsern sollte der Bundestag sein? © dpa

Der Verwaltung machen die neuen Regeln weiter viel Arbeit – fast 17.000 Papierseiten mit den Angaben der Abgeordneten mussten geprüft werden. Händisch, weil IT fehlt. Aydan Özoğuz (SPD), Vizepräsidentin des Parlaments, fragt regelmäßig nach.

Zuletzt sind etwa 30 neue Abgeordnete wöchentlich auf www.bundestag.de gläsern gemacht worden, sagte sie: „In diesem Tempo sind wir tatsächlich bis Ostern durch.“

Özoğuz meint:

Es ist viel ins Rollen gebracht worden und das ist mir ein wichtiges Anliegen.

Die veröffentlichten Daten sind durchaus aufschlussreich.

Man liest, wem Stiftungen Reisekosten für mehrere tausend Euro übernommen haben und wen das Telekom-Kuratorium sponsert. Oder wer nebenbei für KPMG tätig ist.

Man erfährt auch, dass Kanzler Olaf Scholz Genossenschaftsanteile bei der Berliner taz hält. Und auch, dass Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär deutlich höhere Zusatzeinkünfte hat als Bijan Djir-Sarai, sein Kollege von der FDP.

Aufschluss gibt es zudem über das Honorar, das Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn für sein letztes Buch kassierte (63.750,00 Euro).

Jens Spahn © dpa

Noch nicht online sind Angaben zu Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Unionsfraktionschef Friedrich Merz oder Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Auch mögliche Nebentätigkeiten der Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) fehlen noch.

Künftig könnte die Meldepraxis tatsächlich sogar noch mal geschärft werden: In der vergangenen Woche wurde dazu eine Arbeitsgruppe im Bundestag eingesetzt, die intern prüft, wo die neuen Regeln die erhoffte Wirkung haben und wo sie womöglich unnötige Informationen erfassen.

Antworten soll es noch in diesem Jahr geben, kündigte uns Özoğuz an. Ein Grundsatz bleibe gewiss:

Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, welche Interessen ihre Abgeordneten haben.

Wirtschaftsweiser Werding: Wir haben zu viele Beamte

Martin Werding © imago

Der Wirtschaftsweise Martin Werding fordert grundlegende Einschnitte bei der Beamtenversorgung. „Da wird man auf jeden Fall mit einer Altersgrenze rechnen müssen“, sagte Werding, der Professor für Sozialpolitik und Sozialökonomie an der Ruhr-Universität Bochum ist, unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.

Eine Infografik mit dem Titel: Beamtenpension: Eine Wachstumsgeschichte

Ausgaben des deutschen Staates für Pensionen seit 1991, in Milliarden Euro

Werding sieht erheblichen Handlungsdruck für Bund, Länder und Kommunen. „Da ist jetzt eine relativ große Pensionierungswelle zu erwarten“, sagte er. „Das Beamten-Versorgungssystem ist auch nicht mehr tragfähig – genauso wenig wie das Rentensystem.“

Der Sozialexperte weiter:

Der stärkste Hebel wäre ernsthaft zu überlegen, wo wir wirklich Beamte brauchen, also den Zugang zu diesem Beamtenstatus auf die zu beschränken, wo wir hoheitliche Funktionen haben.

Werding sagte, dies sei bei Polizisten der Fall, bei Zeitsoldaten sowie Richterinnen und Richtern, nicht aber bei Lehrerinnen und Lehrern: „Auch Professorinnen und Professoren müssen nicht zwingend Beamte sein.“

Das gesamte Interview hören Sie in der heutigen Ausgabe des Pioneer Briefing Podcasts.

Deutschland-Ticket: 49 Euro nur „Einführungspreis“

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Das bundesweit gültige Deutschland-Ticket für Bus und Bahn, das zum 1. Mai eingeführt werden soll, könnte rasch teurer werden. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der uns vorliegt und an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

In dem Text werden 49 Euro pro Monat lediglich als „Einführungspreis“ bezeichnet. Bund und Länder wollen zunächst jeweils die Hälfte der angepeilten Summe von drei Milliarden Euro bereitstellen, um das Ticket zu ermöglichen.

Bei höheren Kosten sollen diese ebenfalls aufgeteilt werden. Diese sogenannte Nachschusspflicht gilt jedoch lediglich für das laufende Jahr.

Auf Grundlage des Gesetzentwurfs will der Bund bis einschließlich 2025 insgesamt 4,5 Milliarden Euro zusätzlich für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stellen.

Steigende Jobcenter-Ausgaben für Ukrainer

© dpa

Die Jobcenter-Ausgaben für die Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt steigen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll dafür jetzt 100 Millionen Euro freigeben.

Das geht aus einer Vorlage des Bundesfinanzministeriums hervor, die unser Kollege Rasmus Buchsteiner erhalten hat.

Die Zahl der Ukrainer, die von den Jobcentern betreut werden, sei in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen.

Wörtlich heißt es in dem Papier:

Zunehmend wechseln Geflüchtete aus der Ukraine nach dem Durchlaufen der Integrations- und Berufssprachkurse in Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit.

Für Planung und Umsetzung sei zeitlicher Vorlauf erforderlich: „Deshalb müssen in den Jobcentern die Vorbereitungen jetzt anlaufen, um Kapazitäten rechtzeitig bereitzustellen und das Ziel der Eingliederung erreichen zu können.“

Aktuell seien schätzungsweise 20.000 ukrainische Flüchtlinge in geförderten Job-Maßnahmen, für viele weitere würden im Laufe des Jahres Angebote benötigt: „In den Sprach- und Integrationskursen befinden sich weitere rund 150.000 ukrainische Geflüchtete.“

Ukrainer in Deutschland: Marder-Ausbildung beginnt

Die Vorbereitungen für die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten sind weitgehend abgeschlossen. Diese Woche beginnt ihr Training am deutschen Schützenpanzer Marder, von dem die Bundesregierung etwa 40 Stück zur Unterstützung im Krieg gegen Russland schicken will.

Für die Ausbildung an dem Waffensystem sind hohe Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, erfuhr unser Investigativreporter Christian Schweppe.

Der Grund: Zuletzt wurden immer wieder verdächtige Drohnenflüge oder andere mutmaßliche Ausspähversuche an jenen Kasernen und Truppenübungsplätzen hierzulande beobachtet, wo ukrainische Kräfte von der deutschen Truppe an Waffen trainiert werden.

Verteidigungsminister Pistorius in deutschem Marder-Panzer © dpa

Das Training am Marder wird unter anderem von Panzergrenadieren aus Norddeutschland durchgeführt und findet in Munster, Niedersachsen, statt.

Dieses dauert etwa acht Wochen, was für die Truppe eine zusätzliche Aufgabe ist. Im Gespräch ist derzeit, dass die beteiligten Soldatinnen und Soldaten sich ganz auf die Ukraineausbildung konzentrieren können sollen und an ihrer Stelle womöglich andere deutsche Truppenteile für den parallel stattfindenden und bald personell neu zu besetzenden Mali-Einsatz eingeplant werden.

Sozialunternehmen mit Kritik an neuem Förderprogramm

Ein neues Förderinstrument der Bundesregierung stößt auf Kritik der Betroffenen. Das Bundeswirtschaftsministerium wird diese Woche das mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds finanzierte 80-Millionen-Euro-Förderprogramm REACT with IMPACT für Sozialunternehmen in Deutschland scharfschalten.

Das Geld sollen die Unternehmen bis Jahresende vor allem für externe Beratungsdienstleistungen beantragen können, oder es soll in Aufbaustrukturen für soziale Unternehmen fließen.

Mitarbeiterin in einem Sozialunternehmen, das Elektrogeräte recycelt. © dpa

Das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) ist nicht beeindruckt. SEND-Vorstand Arnd Boekhoff sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler, das Programm sei „seit eineinhalb Jahren überfällig". Viele Sozialunternehmen und ihr Ökosystem hätten „insbesondere seit letztem Frühjahr diese und weitere Unterstützung bitter nötig gehabt". Für das BMWK und die Bundesregierung gebe es „wenig Grund zu feiern".

Boekhoff sieht zwei Fragen unbeantwortet: Wie wird die Unterstützung des Ökosystems für Sozialunternehmen über 2023 hinaus gestärkt? Wann kommt direkt wirksame Unterstützung für Sozialunternehmen durch geeignete Finanzierungsinstrumente?

Aus dem BMWK hören wir, dass es eine direkte Förderung von Sozialunternehmen nicht geben werde. Förderfähig bleibe allein der Einkauf von Know-how. An einer Fortführung des Programms über 2023 hinaus werde gearbeitet.

Sozialunternehmen sind am Gemeinwohl orientiert und reinvestieren einen Großteil ihrer Gewinne in den sozialen Zweck, für den sie gegründet wurden.

Melanie Bernstein folgt auf Gero Storjohann

Die CDU-Politikerin Melanie Bernstein rückt in den Deutschen Bundestag nach. Das wurde uns in Kreisen der Unionsfraktion bestätigt. Die 46-Jährige aus Schleswig-Holstein, die bislang eine Werbeagentur in Neumünster geführt hatte, folgt auf Gero Storjohann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war am Sonntag im Alter von 64 Jahren gestorben. Bernstein war bereits zwischen 2017 und 2021 im Parlament. Bei der Bundestagswahl hatte sie den Wiedereinzug jedoch verpasst.

Roth verändert Behördenstruktur bei Antisemitismusprävention

In der Behörde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) gibt es grundlegende Umstrukturierungen, wie uns in Regierungskreisen bestätigt wurde.

So übernimmt der bisherige Beauftragte für Extremismus- und Antisemitismusprävention Hagen Philipp Wolf künftig andere Aufgaben.

Das Thema Antisemitismus wird dem Referat Kultur und Erinnerung in einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft zugeordnet, das neu geschaffen und künftig von Joachim Riecker geleitet wird. Der frühere Journalist war bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien zuletzt unter anderem für Politikergedenkstiftungen zuständig gewesen.

Beim Zentralrat der Juden hieß es am Dienstagabend auf Anfrage, man sei über die Veränderungen nicht informiert worden.

Der Verteidigungsausschuss des Bundestags hat einen vollen Reise- und Terminkalender. Am 1. und 2. Februar steht diese Woche eine Delegationsreise nach Bosnien und Herzegowina an. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) soll den Ausschuss dann bald in Berlin besuchen, Ende April.

Im Juni besucht das Gremium die Organisatoren der Invictus Games in Düsseldorf – ein Termin, der allen Soldatinnen und Soldaten traditionell sehr wichtig ist. Das paralympische Turnier für kriegsversehrte Soldaten findet 2023 zum ersten Mal in Deutschland statt.

Schließlich erwarten die Abgeordneten im Bundestag bald auch noch Besuch: Man bot dem ukrainischen Verteidigungsausschuss zuletzt einen Austausch für Ende Juni an. In der zweiten Jahreshälfte soll zudem der Partnerausschuss aus Chile nach Berlin kommen.

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Auf - Stephan Bröchler kann zunächst durchatmen. Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge gegen den Wiederholungswahltermin am 12. Februar abgewiesen. Für den Berliner Landeswahlleiter gilt es nun, alles in seiner Macht stehende dafür zu tun, dass die Wahl pannenfrei über die Bühne geht. Zumindest formell steht dem nun nichts mehr im Wege.

Ab - Roberta Metsola ist als Präsidentin die oberste Repräsentantin des EU-Parlaments. Doch dessen Ruf leidet immer weiter. Gestern wurde bekannt, dass zwei sozialdemokratische Abgeordnete ins Visier der Korruptionsermittler geraten sind, da sie Vergünstigungen des katarischen Emirats erhalten haben sollen. Metsola gibt sich zwar als Chefaufklärerin, muss sich wegen zu spät gemeldeter Reisen jedoch derzeit auch unangenehmen Fragen stellen.

Spiegel-Redakteur Veit Medick sieht in dem möglichen Parteiausschluss Hans-Georg Maaßens aus der CDU ein „gewaltiges Risiko“, da der ehemalige Verfassungsschutzchef außerhalb der Union eine größere Wirkmacht entfalten könne. In der CDU lasse sich Maaßen „kontrollieren, klein halten“. Außerhalb der Partei allerdings wäre er „ein freier Mann, der mit seiner radikalen Gemeinde überall dort in den Kampf ziehen könnte, wo er glaubt, dem ,System' den größtmöglichen Schaden beifügen zu können“. Medick warnt, dass in der Empörung unterschätzt werde, wie anschlussfähig seine Äußerungen vor allem in Ostdeutschland seien. Und der AfD fehle jemand wie Maaßen noch. Medicks These: Er könnte für das rechte Spektrum das werden, was Oskar Lafontaine jahrelang für die SPD links war: „Ein Lockvogel für Enttäuschte. Und ein langer politischer Albtraum.“ Lesenswert! (€)

„In Berlin darf als überraschend gute Nachricht gelten, wenn alles läuft wie geplant“, kommentiert Tagesspiegel-Redakteur Jost Müller-Neuhof die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wiederholungswahl am 12. Februar. Dass die Gründe für die Entscheidung noch ausstehen, zeige allerdings, „dass es sich um einen schwierigen Fall handelt“. Trotzdem sei es zu viel der Sorge, im Hauptverfahren mit der „Rolle rückwärts“ zu rechnen. „In einem so wichtigen Prozess wie diesem wollen die Richter weder die Wähler noch die Kandidaten oder sich selbst überraschen", schreibt er. Zudem spreche die Statistik für diesen Verlauf: „Geht die Eil-Anordnung verloren, ist ein voller Erfolg später selten.“ Spannende Analyse! (€)

Heute gratulieren wir herzlich:

Tobias Hans (CDU), ehem. Ministerpräsident des Saarlands, 45

Victor Perli, Linken-Bundestagsabgeordneter, 41

Lars Rohwer, CDU-Bundestagsabgeordneter, 51

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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