Neun Millionen Euro für Regierungs-Doppelsitz

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Guten Morgen,

der Bundestag geht in die Osterpause. Wir versorgen Sie hier aber trotzdem diese Woche Montag und Mittwoch und kommende Woche Mittwoch und Freitag mit exklusiven Informationen. Unsere Themen heute:

  • 2023 hat die Regierung über neun Millionen Euro für den Doppel-Sitz ausgegeben. Die wichtigsten Erkenntnisse des Teilungskostenberichts.

  • Die FDP will eine Wissenschafts-Zeitenwende. Wir erklären, was sie plant.

  • Der Resilienzbonus für die Solarwirtschaft ist angeblich vom Tisch.

  • Bau-Turbo stockt, weil sich die Ampel nicht einig wird. Wir kennen die Gründe.

  • Die Ampel-Fraktionen wollen die Bedingungen für Lkw-Fahrer verbessern.

Im Sommer 1999 zog die Bundesregierung nach Berlin. So sah es das Berlin/Bonn-Gesetz vor. Seitdem haben alle Ministerien zwei Standorte – sechs von ihnen sogar ihren Hauptsitz im Rheinland. Beamte und Akten pendeln hin und her. Das kostet.

2023 hat die Regierung dafür 9,12 Millionen Euro ausgegeben, heißt es in dem Teilungskostenbericht 2023 des Finanzministeriums, der unserem Kollegen Christian Schlesiger vorliegt. Adressat: der Haushaltsausschuss.

Das sind 64 Prozent mehr als 2021 – und entspricht dem Niveau von 2019. Die Haupttreiber: Dienstreisen. Auch Kommunikationsgeräte und Software drücken aufs Budget.

Weitere Erkenntnisse aus dem Bericht vom 21. März 2024:

  • Es werden immer mehr Beamte: In den vergangenen zwei Jahren kamen in Berlin „rund 1.861 Stellen/Planstellen“ hinzu. Das sind 1,5 Prozentpunkte mehr als 2021. In Bonn wuchsen die Stellen um rund 210. „Danach beträgt der Bonner Anteil 27,2 Prozent und der Berliner Anteil 72,8 Prozent.“

  • On the road again: 2023 haben 11.202 Dienstreisen stattgefunden – also 47 pendelnde Beamte pro Werktag. Dafür hat der Staat 5,19 Millionen Euro ausgegeben. Pro Werktag also 21.635 Euro. Das ist ein Plus von 255 Prozent gegenüber dem Coronajahr 2021.

  • WebEx statt Eurowings: Die Zahl der Flüge, Auto- oder Bahnfahrten ging gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 44 Prozent zurück, sprich: 8647 weniger Reisen. Die Pandemie wirkt nach.

  • Weniger ist mehr: Die Kosten für eine Bonn-Berlin-Dienstreise sind im Schnitt gegenüber 2019 aber „deutlich“ gestiegen. Ein Grund: Die Beamten seien „vorwiegend mit der Bahn“ unterwegs, „was zu Übernachtungen vor Ort führt“.

  • Man hilft sich: „Strategisch wichtige und politiknahe Aufgabenschwerpunkte“ sind inzwischen in Berlin. „Soweit möglich, wird die Sitzungsvertretung der Fachebene aus Bonn durch Beschäftigte des Berliner Dienstsitzes wahrgenommen.“ Stichwort: Ausschüsse.

  • Bonn-Blase: Zwei Ministerien haben mehr Bedienstete in Bonn als in Berlin: Landwirtschaft (586 zu 501 Stellen) und Forschung (863 zu 569).

  • Die Pendelmeister: Die Verteidigungsbeamten von Boris Pistorius pendelten vergangenes Jahr 2097 Mal – so häufig wie kein anderes Ressort. Sie fliegen auch gerne: 17 Prozent der Reiseausgaben sind Flugtickets. Auch Auswärtiges Amt (11 Prozent) und Entwicklungshilfeministerium (10) reisen gerne via Flieger.

Defense Minister Boris Pistorius issues a press release on the Taurus leak.  © dpa

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) kritisiert den Doppelsitz seit Jahren, fordert ein „Ende der geteilten Ministerialbürokratie“. Es gebe „erhebliche Reibungsverluste“ und das Pendeln sei „aufwendig und klimaschädlich“, sagt er unserer Kollegin Paolina Longk.

Fazit: Die Frage ist doch ganz einfach: Werden wir durch den Doppelsitz besser regiert? Antwort: nein. Wir geben sogar Geld für Verschlechterungen aus.

FDP will Wissenschafts-Zeitenwende

Die FDP-Fraktion fordert nach der geopolitischen nun die wissenschaftspolitische Zeitenwende. Dazu gehöre eine Aufhebung der Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung. In einem Positionspapier, das uns vorliegt, heißt es:

Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt ist nicht nur Garant für unseren Wohlstand, sondern auch entscheidende Komponente der strategischen Autonomie und Wehrfähigkeit Deutschlands und Europas.

Einige Vorschläge:

Mehr Geld für Dual-Use-Forschung: In Bereichen wie Medizin, Natur-, Ingenieur-, Sozial- und Geisteswissenschaften bietet Dual-Use „immense Chancen für zivile und militärische Innovationen“, heißt es.

Ethik in Aus- und Fortbildung: Die Auseinandersetzung mit ethischen Dimensionen von Forschung – insbesondere in sensiblen Feldern wie der KI-Forschung – soll Bestandteil der akademischen Aus- und Weiterbildung werden. Nach dem Vorbild anderer Länder sollen sicherheitsrelevante Studienrichtungen („War Studies“) zum akzeptierten Forschungsfeld werden.

Selbstbestimmtes Forschen: Die FDP lehnt Beschränkungen durch weitreichende „Zivilklauseln“ ab. Die Aufteilung von Forschung in zivile und militärische Anwendungsbereiche ginge „an der Realität vieler wissenschaftlicher Disziplinen vorbei“, heißt es.

Forschungssicherheit braucht effektive Selbstkontrolle: Die FDP befürwortet wissenschaftliche Selbstregulierung und lehnt zentrale staatliche Kontrolle ab.

Prof. Dr. Stephan Seiter, forschungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. © imago

FDP-Obmann im Ausschuss für Bildung und Forschung, Stephan Seiter, sagt uns:

Ergebnisse ziviler Forschung können für militärische Zwecke eingesetzt werden. Das gilt jedoch auch andersrum: Militärforschung kann gezielt vom Dual-Use-Charakter angetrieben sein und hat bereits vielfach zu zivilen Anwendungen geführt.

Zum Download: Positionspapier

Solarpaket I: Resilienzbonus angeblich vom Tisch

Die FDP im Bundestag geht davon aus, dass der Resilienzbonus zur Stützung der deutschen Solarwirtschaft nicht Teil des Solarpaktes I sein wird, das derzeit noch verhandelt wird. Der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Konrad Stockmeier, sagte unserem Kollegen Thorsten Denkler:

Ich gehe nicht davon aus, dass ein Resilienzbonus in Deutschland eingeführt wird.

Die Alternative: Die FDP-Bundestagsfraktion werde „konstruktiv daran mitarbeiten, dass Deutschland gemeinsam mit allen anderen EU-Mitgliedstaaten den Net Zero Industrial Act zum Wohle der ganzen EU umsetzt“. Das werde Unternehmen in allen EU-Mitgliedstaaten „gute Perspektiven eröffnen, also auch deutschen Unternehmen“.

Konrad Stockmeier, FDP © imago

Aus den Fraktionen von SPD und Grünen wird die Einschätzung uns gegenüber weder bestätigt noch dementiert. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagt uns:

Die Verhandlungen auf Ebene der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden laufen.

Das Gesetz zum Solarpaket hätte schon zum Jahresbeginn in Kraft treten sollen. In der FDP gibt es massiven Widerstand gegen den darin vorgesehenen Resilienzbonus. Der Bonus soll Käufer von in Europa produzierten Solaranlagen so entlasten, dass sich damit auch der Kauf teurer, in Deutschland gefertigter Module rechnet.

Bau-Turbo gerät ins Stocken

Mit einem 14-Punkte-Plan will die Bundesregierung das Bauen in Deutschland beschleunigen. Ein Vorhaben ist die Einführung des sogenannten 246e.

Worum geht’s? Mit der Sonderregelung könnten Kommunen Außenbereiche schneller bebauen, da sie keinen Bebauungsplan bräuchten. Gelten soll die Regel für Kommunen mit einer angespannten Wohnungslage, befristet bis Ende 2026. Eigentlich sollte der 246e bereits Ende vergangenen Jahres durch das Kabinett beschlossen werden. Daraus ist aber bisher nichts geworden.

Planänderung: Stattdessen hat das Ministerium den Gesetzesentwurf an die Fraktionen geschickt. Die müssen sich nun einigen und darüber abstimmen anstelle des Kabinetts.

Der Grund: Vor allem die Grünen hadern mit der Sonderregelung. Aus der Partei heißt es, dass es bereits genügend Gesetze gebe, um zu bauen. Einen zusätzlichen Paragrafen bräuchte es nicht. Zudem sorge man sich, dass Kommunen ihre Außenbereiche auf sogenannten „grünen Wiesen“ ohne Umweltstandards bebauen.

Jan-Marco Luczak © imago

Die Opposition verliert die Geduld: In Anbetracht der Wohnungsnot müsse man jetzt handeln, sagt der baupolitische Sprecher der CDU, Jan-Marco Luczak, unserer Kollegin Laura Block:

Eine befristete Sonderregelung im Baugesetzbuch für mehr Wohnungsneubau in angespannten Wohnungsmärkten könnte einen wirklichen Impuls geben.

Ampel-Parteien fordern Klos und Zimmer für Lkw-Fahrer

Die Ampel-Fraktionen erwarten vom Verkehrsministerium in den nächsten Wochen konkrete Vorschläge zu Maßnahmen, um die Bedingungen für Lastwagenfahrer an der Autobahn zu verbessern. Bereits vor sieben Monaten haben sie einen entsprechenden Antrag eingereicht, nun sei die Bundesregierung am Zug.

Udo Schiefner (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sagt unserer Kollegin Claudia Scholz:

Wir müssen für menschenwürdige Bedingungen auf allen Autobahnstellplätzen sorgen.

Worum geht’s? Zehntausende Stellplätze fehlen entlang der deutschen Autobahnen. Regelmäßig parken Lkws in den Zufahrten zu Rastplätzen. Wie es aus Kreisen der Transportbranche heißt, verbringen viele ausländische Fahrer ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten trotz Verbots in ihren Fahrzeugen und nicht in Hotels oder Pensionen.

Das Problem: Es mangele an autobahnnahen Unterkünften mit ausreichend großen Parkplätzen und Sanitäranlagen auf der Autobahn. Es gebe im direkten Umfeld von deutschen Autobahnen allerdings auch kaum mehr verfügbare Flächen.

Schiefner sagt: „Belgien und Frankreich zeigen, dass schmerzhaft höhere Bußgelder bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeitregeln dort deutliche Wirkung zeigen. Noch lohnt es sich für viele, das Bußgeld hierzulande in Kauf zu nehmen.“

Der Vorsitzende des Logistik-Verbands DSLV, Frank Huster, sagt, der Straßengüterverkehr zahle jährlich über 15 Milliarden Euro für die Lkw-Maut. Und weiter:

Ein Teil muss zwingend in die Ertüchtigung von Parkplätzen fließen und dem erhöhten Lkw-Aufkommen angepasst werden.

Welchen Parteien trauen junge Menschen am meisten zu? Laut einer Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung sind es auf EU-Ebene aktuell die SPD und die AfD.

Eine Infografik mit dem Titel: Wer löst die Probleme der Jungen?

Umfrage, welcher Partei die größte Problemlösungskompetenz auf EU-Ebene zugetraut wird, unter Erstwählern, in Prozent

Nur acht Prozent hingegen schreiben der Union die größten Problemlösungskompetenzen zu. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es 22 Prozent. Die FDP sieht sogar nur ein Prozent als bester Problemlöser.

Das war am Wochenende und in der Nacht außerdem los:

  • Anschlag: Bei dem folgenschwersten Anschlag seit 20 Jahren in Russland kamen in einer Konzerthalle in Moskau laut offiziellen Angaben mehr als 130 Menschen ums Leben. Verdächtige wurden festgenommen. Die Terrorgruppe „Islamischer Staat Khorasan“, ein Ableger des IS, hat sich zu dem Attentat bekannt.

  • Terror: Innenministerin Nancy Faeser geht davon aus, dass die Terrorgefahr durch den IS-Ableger auch in Deutschland „akut“ sei.

  • Nahost: Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben einen neuen Militäreinsatz in Chan Yunis im Süden des Gaza-Streifens begonnen. Außenministerin Annalena Baerbock forderte erneut eine sofortige humanitäre Waffenruhe. Sie fliegt heute für Krisengespräche nach Ägypten, Israel und in die Palästinensischen Gebiete.

Palästinensische Kinder im Flüchtlingslager Rafah im südlichen Gazastreifen 

Wer befindet sich heute und morgen wo und welche Termine sind noch relevant?

  • Kanzler Olaf Scholz ist mit Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Spatenstich und Baubeginn für die Batterie-Gigafactory von Northvolt in Heide. Später spricht er im Stahlpalast in Brandenburg an der Havel mit Bürgern im Rahmen der Reihe „KanzlerGESPRÄCH“.

  • Umweltministerin Steffi Lemke nimmt am EU-Umweltrat teil. Er tagt viermal im Jahr und bereitet Themen wie den Schutz der Natur und Ressourcennutzung vor.

  • Verkehrsminister Volker Wissing nimmt teil an der Auftaktsitzung des Sektorbeirats der Deutschen Bahn. Die bisherigen Beiräte sollen in einem neuen Sektorbeirat zusammengeführt werden.

  • Am Dienstag reist der Kanzler nach Slowenien.

Auf – Ivan Korčok. In den Umfragen vor der slowakischen Präsidentschaftswahl lag der pro-europäische Korčok deutlich hinter dem Kandidaten der populistischen und teilweise pro-russischen Regierungspartei von Robert Fico. Doch dann die Überraschung: Bei den Vorwahlen am Samstag rutschte er auf den ersten Platz. In zwei Wochen folgt die Stichwahl. Prädikat: richtungsweisend.

Ab – Bettina Stark-Watzinger. Vor allem die FDP will der Bürokratie den Kampf ansagen. Anscheinend aber weniger bei ihren eigenen Unternehmungen: Eine Ausschreibung für ein Forschungsprojekt aus dem FDP-Hause Stark-Watzinger gibt vor, welches Papier (zum Drucken und für den Toilettengang), welches Reinigungsmittel oder welche Kaffeemaschinen genutzt werden dürfen, berichtet die FAZ. Liest sich wie Satire. Ist aber keine. Traurig!

Heute gratulieren wir herzlich:

Anikó Glogowski-Merten, FDP-Bundestagsabgeordnete, 42

Ulf Poschardt, Welt-Chefredakteur, 57

Morgen gratulieren wir herzlich:

Susanne Daubner, Fernsehmoderatorin und Nachrichtensprecherin, 63

Hermann Färber, CDU-Bundestagsabgeordneter, 61

Andreas Görgen, Amtschef der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, 58

Lydia Hüskens, FDP-Ministerin für Infrastruktur und Digitales von Sachsen-​Anhalt, 60

Jan Plobner, SPD-Bundestagsabgeordneter, 32

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
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