unsere Themen heute:
Sechs Gründe, warum die SPD ihren Friedenspolitik-Kurs halten wird.
Die Senioren-Union will weiter einen Platz im CDU-Bundesvorstand. Wir wissen, wer es wird.
Die Bauministerkonferenz schreibt einen Beschwerde-Brief an Klara Geywitz. Wir kennen den Inhalt.
Der AfD-Fraktionsvorstand will seine eigenen Bundestagsabgeordneten aus dem Gesundheitsausschuss abstrafen.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich will das Verfassungsgericht gegen Feinde besser schützen.
Olaf, der Eiskönig
Rolf Mützenichs Aussage trifft den Kern eines Konflikts, der an den Grundfesten der Koalition und der Gesellschaft rüttelt. Am Donnerstag fragte der SPD-Fraktionschef im Bundestag:
Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?
In den Reihen der Grünen, der FDP und der Union herrscht Unverständnis. Auch SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius distanzierte sich gestern („würde am Ende nur Putin helfen“).
Doch große Teile der SPD hat Mützenich hinter sich. Und Mützenich wiederum steht hinter seinem Kanzler.
Die SPD will Friedenspartei sein. Und Olaf Scholz der Friedenskanzler. Das ist offenbar die Strategie der Sozialdemokraten bis zur Bundestagswahl 2025.
Unsere Kollegen Laura Block und Thorsten Denkler haben sich umgehört. Und sechs Gründe identifiziert, warum die SPD ihren Kurs halten wird.
1. Selbstvergewisserung. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sozialdemokraten in ihrem Selbstverständnis als Abrüstungs- und Friedenspartei bis ins Mark getroffen. Die Partei des „Wandels durch Annäherung“ liefert plötzlich schwere Waffen in ein Kriegsgebiet.
Die neue Positionierung kann ihnen zumindest das Gefühl geben, dass diese alten sozialdemokratischen Werte auch in Kriegszeiten noch von Bestand sind. Forsa-Chef Manfred Güllner sieht das auch so:
Die Aussagen von Rolf Mützenich nützen der SPD, sie dienen der Stabilisierung der Partei.
2. Mobilisierung. Umfragen zeigen, dass die Unterstützung von immer mehr Waffenlieferungen in der Bevölkerung abnimmt. Viele machen sich Sorgen, dass der Krieg sich ausdehnen, gar ein Flächenbrand werden könnte.
Eine Infografik mit dem Titel: SPD-Anhänger sorgen sich vor Eskalation
Anteil der Parteianhänger, die große Sorge haben, dass Deutschland direkt in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könne (Mitte März 2024), in Prozent
Das Kalkül: Die SPD als einzige demokratische Kraft in Deutschland, die jenen Menschen eine politische Heimat geben kann, die bezweifeln, dass immer mehr Waffen zum Frieden in der Ukraine führen werden. Wer sich wegen der Waffenlieferungen von der SPD abgewandt hat, könnte sich ihr damit wieder zuwenden.
Für Thomas Geisel, EU-Spitzenkandidat des BSW, ist der Kurs der SPD logisch. Er sagt unserem Kollegen Jan Schroeder:
Die Mehrheit der SPD-Mitglieder ist in meinem Alter. Das sind Menschen, die die Friedensbewegung der 80er Jahre erlebt haben. Viele an der SPD-Basis fremdeln mit der Ukraine-Politik von Scholz.
3. Der Union schaden: Die Menschen in Deutschland lehnen die besonders vehement von der Union geforderte Lieferung des Marschflugkörpers Taurus mehrheitlich ab.
Eine Infografik mit dem Titel: Mehrheit gegen Taurus-Lieferung
Umfrage zum Thema: „Sollte Deutschland Taurus an die Ukraine liefern?", in Prozent
In der SPD wächst die Hoffnung, dass die harten Forderungen der Union, den Taurus an die Ukraine zu liefern, den Christdemokraten mehr schadet als nützt. Die klare Position der SPD dagegen soll helfen, diesen Trend zu verstärken, so die interne Spekulation.
Einen Hinweis auf einen möglichen Erfolg gibt es bereits: Laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa legte die SPD bei der Wählergunst diese Woche um 1,5 Prozent zu. Die Union sackte um den gleichen Prozentsatz ab.
4. AfD und BSW schrumpfen: Ausgerechnet die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) klatschten Beifall, als Mützenich das Einfrieren des Krieges ins Spiel brachte. Für manche in der SPD ein Zeichen, dass sie mit einer neu formulierten Friedenspolitik diesen Parteien Wähler abspenstig machen können. Oder wie uns der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sagt:
Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht noch mehr Menschen der AfD oder dem BSW in die Arme treiben. Wer sich darum sorgt, wie der Frieden gelingen kann, der sollte die differenzierte Haltung der SPD als Angebot wahrnehmen.
5. Menschenleben retten. Scholz und Mützenich sind überzeugt, dass ein Versuch der Ukrainer, die russischen Truppen wieder zurück nach Russland zu drängen, wenn überhaupt nur mit enormen menschlichen Verlusten zu leisten sei. Das Einfrieren des Konflikts wäre demnach keine gute Lösung. Aber eine, die neue Verluste vermeiden könnte.
Ukraine-Flaggen für gefallene Soldaten und die Opfer in der Zivilbevölkerung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine am Unabhängigkeitsplatz Maidan © IMAGO / Andreas Stroh6. Druck auf Annalena Baerbock. Viele SPD-Außenpolitiker kritisieren, dass die Grünen-Außenministerin nicht genug tut, um eine Basis für Verhandlungen zu schaffen. Die Außenpolitiker der SPD gehen zwar nicht davon aus, dass dies eine schnelle Lösung versprechen könnte. Sie sind aber überzeugt, dass die Vorarbeiten, die Kanzler Scholz aus ihrer Sicht geleistet hat, von Baerbock nicht aufgenommen worden seien.
Es sei ihre Aufgabe, den Druck auf Indien, China, die Türkei und Brasilien so zu erhöhen, dass diese Länder wiederum den russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch bringen, hören wir aus der SPD.
Annalena Baerbock © dpaFazit: Die nächsten Wahlen werden zeigen, ob das Kalkül der SPD aufgeht. Oder ob sie die Verteidigung der Freiheit aus innenpolitischen Motiven aufs Spiel gesetzt hat. Oder beides.
Senioren-Union will weiter Platz im CDU-Bundesvorstand
Der Bundesvorstand der Senioren-Union hat auf seiner Klausurtagung in Bad Herrenalb in Baden-Württemberg einstimmig beschlossen, auch weiterhin ein Mitglied für den CDU-Bundesvorstand aufzustellen.
Und wer wird es? Kandidat ist der Vorsitzende der Senioren-Union, Sanitätsrat Fred-Holger Ludwig. Er würde dann auf Otto Wulff folgen, den ehemaligen Chef der Senioren-Union, der aktuell noch im CDU-Vorstand sitzt.
Fred-Holger Ludwig, Bundesvorsitzender der Senioren-Union der CDU Deutschlands © Lukas HankeAußerdem: Der geschäftsführende Bundesvorstand und die Landesvorsitzenden verabschiedeten die Bad Herrenalber Erklärung, die uns vorliegt. Darin wird unter anderem dazu aufgerufen, bei der Europawahl demokratische Parteien zu wählen. Die Senioren-Union schreibt:
Als Generation, die die Schrecken des Kalten Krieges erlebt hat, wissen wir, wie wichtig es ist, für Frieden, Freiheit und Demokratie einzustehen.
Und weiter: „Wir müssen und werden unsere Stimme erheben und uns gemeinsam gegen Demokratiefeinde in unserem Land und weltweit stellen. Nur so können wir eine freie und sichere Zukunft für uns und kommende Generationen gewährleisten.“
Der Hintergrund: Die Senioren-Union hat rund 54.000 Mitglieder. Knapp die Hälfte davon ist gleichzeitig in der CDU. Damit ist sie eine wichtige Vorfeldorganisation der Partei.
Bauminister fürchten noch mehr Bürokratie durch neues Gesetz
Die Änderung des Hochbaustatistikgesetzes sollte eigentlich nur eine Formalie sein. Nachdem das Gesetz im Finanzministerium wochenlang festhing, droht nun der nächste Ärger. Die Bauministerkonferenz mit Vorsitz des bayerischen CSU-Bauministers Christian Bernreiter schreibt im Namen aller Bauministerinnen und Bauminister der Länder einen Brief an Chefin Klara Geywitz.
Bauministerin Klara Geywitz © imago / IPONDarin steht:
Die Änderung des Hochbaustatistikgesetzes zeichnet sich durch eine extreme Zunahme bürokratischer Belastung aus.
Der bayerische Bauminister und seine Kollegen kritisieren die falsche Priorisierung des Ministeriums. Es müsste erst die Digitalisierung des Bauantrages in allen Ländern abgeschlossen sein, bevor dann die Statistik folgt. „Die Digitalisierung der Statistik kann erst dann sinnvoll erfolgen, wenn vollständig digitale Daten vorliegen und genutzt werden können.“
Die Forderung: Bernreiter schlägt vor, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen. So sollen die Länder gemeinsam die Umsetzung der Gesetzesänderungen ausarbeiten.
Der Hintergrund: Durch die Novelle des Hochbaustatistikgesetzes will das Ministerium zukünftig mehr Daten zu Bauanträgen, Baugenehmigungen und Bauanfängen in regelmäßigeren Abständen bekommen. Bisher liegen dem Haus von Geywitz nur rudimentär Zahlen zum Baugeschehen in Deutschland vor.
AfD-Vorstand will eigene Mitglieder abstrafen
Der AfD-Fraktionsvorstand will jene eigenen Mitglieder bestrafen, die letzte Woche für einen Eklat im Gesundheitsausschuss gesorgt hatten. Der Vorfall war heute Thema in der Vorstandssitzung der Partei, wie unser Kollege Jan Schroeder von Teilnehmern erfuhr.
Der Vorstand habe das Verhalten der AfD-Parlamentarier Thomas Dietz, Jörg Schneider, Martin Sichert und Kay-Uwe Ziegler „missbilligt“. Auf der nächsten Vorstandssitzung werde ein Antrag über mögliche Konsequenzen eingebracht. In der Vergangenheit hatte der AfD-Vorstand eigenen Bundestagsabgeordneten beispielsweise schon für eine begrenzte Zeit das Rederecht entzogen.
Kai-Uwe Ziegler © dpaDer Hintergrund: Auf der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses hatte der AfD-Abgeordnete Kay-Uwe Ziegler den Sitzplatz der amtierenden Ausschussvorsitzenden Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) eingenommen und Anspruch auf den Vorsitz des Ausschusses erhoben.
Schutz vor AfD: Bayerns CSU-Justizminister will im Gespräch bleiben
Der bayerische CSU-Justizminister Georg Eisenreich hält Gespräche über eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Verfassungsgerichts für nötig. Eisenreich sagt unserem Kollegen Thorsten Denkler:
Der Rechtsstaat muss wehrhaft sein und insbesondere die Hüter unserer Verfassung entschlossen und konsequent schützen.
In vielen Demokratien, in denen autoritäre und extreme Parteien Einfluss gewinnen, seien die Verfassungsgerichte und die gesamte Justiz „eines der ersten Ziele“.
Fast 75 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes „erleben wir derzeit Entwicklungen, die eine Gefahr für unsere Demokratie darstellen“, sagt Eisenreich. Und weiter:
Georg Eisenreich, CSU © dpaFeinde des Rechtsstaats und der Demokratie bedrohen unsere freiheitliche Gesellschaft auch von innen.
Hintergrund: In einer von der Justizministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe wird geprüft, wie das Verfassungsgericht etwa mit einer Grundgesetzänderung besser geschützt werden kann. Aktuell kann etwa das Bundesverfassungsgerichtsgesetz mit einfacher Mehrheit geändert werden.
Warten auf Merz: Die Ampel-Fraktionen wollen mit der Unions-Fraktion über eine Grundgesetzesänderung diskutieren. Erste Gesprächsrunden scheiterten. Merz beklagte „Indiskretionen“, sah keinen zwingenden Bedarf mehr für Änderungen. Zuletzt zeigte er sich wieder offen für eine „vertrauliche“ Debatte.
Gestern hatte sich allerdings auch Kanzler Olaf Scholz kritisch zu einer Veränderung der Struktur des Verfassungsgerichts geäußert:
Ich bin ein bisschen zurückhaltend, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir auch nicht das Narrativ der Rechten und Rechtsextremen bedienen sollten, dass sie schon auf der Siegerstraße gehen.
In Deutschland ist die AfD in den Umfragen aktuell im Abschwung. Anders sieht die Situation bei unseren Nachbarn aus: In Frankreich hat die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zu den Europawahlen die 30-Prozent-Marke überschritten. Damit liegt sie weit vor allen anderen Parteien, auch der Renaissance von Emmanuel Macron.
Eine Infografik mit dem Titel: Frankreich: Le Pen vorn
Wählerpräferenzen für die Europawahl nach Parteien in Frankreich, in Prozent*
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
Sanktionen: EU-Staaten verhängen nach dem Tod des Oppositionellen Alexej Nawalny weitere Sanktionen gegen mehrere Vertreter des russischen Justizsystems. Die EU wirft Wladimir Putin und den russischen Behörden vor, die Schuld am Tod des Politikers zu tragen.
Munition: Tschechien hat 800.000 Stück Munition für die Ukraine organisiert. Dafür sammelt Prag Gelder bei Verbündeten ein, auch Deutschland. Zudem wollen Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein polnischer Kollege Władysław Kosiniak-Kamysz kooperieren, um die Munitionsherstellung für die Ukraine zu steigern, wie die beiden während Pistorius' Besuch in Warschau vereinbarten.
Bewegungsmelder: Alexander Hoffmann ist gestern in der CSU-Landesgruppe mit 38 von 39 Stimmen zum Nachfolger des Parlamentarischen Geschäftsführers (PGF) Stefan Müller gewählt worden. Müllers bisheriger Büroleiter Markus Franzkowiak wird den Bundestag verlassen. Er wird Abteilungsleiter in der hessischen Staatskanzlei. Er hatte gestern seinen letzten Tag.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Kanzler Olaf Scholz hält eine Rede zum 50-jährigen Bestehen des „Seeheimer Kreises“. Danach eröffnet er die Konferenz „Europe 2024“ in Berlin, an der auch Umweltministerin Steffi Lemke teilnimmt. Später ist er mit Finanzminister Christian Lindner und Estlands Premierministerin Kaja Kallas bei der Konferenz der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung.
Kallas wird zudem der Walther-Rathenau-Preis 2024 verliehen. Und sie trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und zahlreiche andere Verteidigungsminister beraten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein erneut über die weitere Unterstützung der Ukraine.
Umweltministerin Steffi Lemke hält eine Rede bei der Veranstaltung „50 Jahre Überwachung der Umweltradioaktivität“.
Familienministerin Lisa Paus besucht die Programmkonferenz des größten Präventionsprogramms des Bundes, „Demokratie leben!“.
Verkehrsminister Volker Wissing eröffnet die Tagung der Stiftung Marktwirtschaft zum Thema „Weckruf für den deutschen Wirtschaftsstandort: Wie gelingt Deutschland die Infrastrukturwende?“.
Die CDU hat das Thema Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ für Mittwoch auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses setzen lassen.
Auf – Karl Lauterbach. Für (potenzielle) Organspender gibt es nun ein Online-Register. Drei Stunden nach der Freischaltung des Portals sollen sich gestern bereits 5.500 Menschen registriert haben. Dass es ein solches Register in Dänemark schon seit knapp 15 Jahren gibt, kommentieren wir an dieser Stelle nicht. Besser spät als nie – denn tausende Menschen warten auf ein überlebenswichtiges Spenderorgan!
Ab – Klara Geywitz. „Zur energetischen Ertüchtigung der Kleingartenvereine und deren Infrastruktur“ bekommt das Bauministerium offenbar zwei Millionen Euro Förderung aus dem Staatshaushalt. Die Schrebergärtner freuen sich, alle anderen wohl weniger. Denn in der Baubranche gibt es wichtigeres als die fehlende Innovationskraft von Gartenhäuschen.
Heute gratulieren wir herzlich:
Nicole Bauer, FDP-Bundestagsabgeordnete, 37
Axel Echeverria, SPD-Bundestagsabgeordneter, 44
Jakob Haselhuber, deutscher Botschafter in Liberia, 64
Alexander Kähler, Berlin-Koordinator von phoenix und Moderator der phoenix runde, 64
Theo Koll, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, 66
Roger Lewentz, SPD-Landesvorsitzender und ehemaliger Innenminister von Rheinland-Pfalz, 61
Bettina Martin (SPD), Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten in Mecklenburg-Vorpommern, 58
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre