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Unsere Themen heute:
Entwicklungsminister Gerd Müller hat eine enge Mitarbeiterin zur Referatsleiterin gemacht - doch nun stellt sich sein eigener Personalrat gegen den CSU-Mann.
Verkehrsminister Andreas Scheuer will (endlich) etwas gegen die Funklöcher tun, die sich durch das ganze Land ziehen. Wir sagen, wie es gehen soll.
Das letzte Wort hat bei uns eine Grünen-Politikerin aus Berlin, die einen außergewöhnlichen Solidaritätszuschlag fordert - einen für den ÖPNV.
Die bemerkenswerte Karriere der Minister-Vertrauten
Die Referentin Sandra Groß begleitet Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in dessen politischer Karriere schon seit Jahren, vom Bundestag bis ins Ministerium. Ihre Treue hat sich nun ausgezahlt. Gleich mehrfach machte Groß Karriere in Müllers Schatten. Erst holte er sie aus seinem Bundestagsbüro und machte sie zu seiner persönlichen Referentin. Im April dieses Jahres folgte gar die Beförderung zur Referatsleiterin im Leitungsstab, im Organigramm des Hauses zu finden unter Chiffre "LK 3 – Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen".
Es ist ein bemerkenswerter Aufstieg für eine Fachkraft, die erst seit wenigen Jahren im Entwicklungsministerium arbeitet - gerade in dem international ausgerichteten Haus zählen Qualifikationen wie Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrung besonders viel. Erst ein aufwändiges Assessment-Center ermöglicht den Aufstieg in die vielversprechende Ministeriumskarriere. Jeder normale Bewerber muss den Prozess durchlaufen. Bei Sandra Groß lagen die Dinge offenbar anders. Und zwar derart anders, dass der Personalrat Minister Müller persönlich in einem internen Schreiben angreift. Es wurde uns zugespielt.
"Klare Abweichungen von den Standards"
Kurz nachdem die Mitteilung der Beförderung durch das Haus geschickt wurde, meldete sich der Personalrat Anfang April mit einem weiteren Schreiben. Das hatte es in sich. Man wolle "aus aktuellem Anlass darauf hinweisen, dass wir klare Abweichungen von den Standards für die Neubestellungen, also erstmalige Berufung zur Referatsleitung nicht für akzeptabel halten", heißt es in dem Rundbrief. "Dies belastet die so wichtige vertrauensvolle Zusammenarbeit im Haus."
Man bedaure sehr, schrieb der Personalrat weiter, "wie bestimmte Entscheidungen, die zudem durch ihre Ausgestaltung der Mitwirkung des Personalrats bewusst entzogen wurden, mittlerweile gefällt worden sind". Dies könne auch zum Anlass von Konkurrentenklagen genommen werden. "Der Personalrat hält es für wichtig, das alle Personen, die im BMZ dauerhaft beschäftigt werden sollen, die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen und ein reguläres (d.h. nicht nur ein verkürztes) Auswahlverfahren erfolgreich absolviert haben." Auch ohne den Namen Sandra Groß direkt auszusprechen greift das Gremium die Personalentscheidung für die Vertraute des Ministers Gerd Müller damit offensichtlich an - und den Minister gleich mit.
Entwicklungsminister Gerd Müller © dpaZu einer Einstellung, so schreiben die Verfasser weiter, gehöre auch "der Nachweis von ausreichenden Fremdsprachenkenntnissen, d.h. konkret auch von Kenntnissen einer zweiten relevanten Fremdsprache. Der vorherige Personalrat hat das Gespräch zu der Anwendung der o.g. Punkte bei zwei aktuellen neuen Stellenbesetzungen mit der Hausleitung gesucht - leider erfolglos". Es folgt ein unverhohlener "Appell an die Leitung". Das BMZ sei mehr denn je als starker Partner in der internationalen Zusammenarbeit gefragt. "Dafür brauchen wir Führungskräfte, die die im Personalentwicklungskonzept genannten Voraussetzungen mitbringen."
In einer weiteren Erläuterung folgt der Verweis auf das bewährte Einstellungsverfahren mit seinen besonderen Ansprüchen, die eingehalten werden sollten. Das für den Minister unangenehme Fazit seiner eigenen Mitarbeiter: "Die kürzlich erfolgten Besetzungen von RLs (Referatsleiter/innen, d. Red.) im Leitungsstab sowie die Ausschreibung von unbefristeten Spezialisten-Stellen entgegen dem Generalistenprinzip sind hier wenig hilfreich.“
Es wirkt wie der Beginn der "Operation Abendsonne" im Entwicklungsministerium: Vor dem Ende einer Legislaturperiode werden Vertraute der Leitungsebene in höhere Positionen befördert, solange dies noch möglich ist. Ein Sprecher des Ministeriums äußerte sich auf unsere detaillierte Anfrage zu den Vorgängen denkbar knapp: „Alle personalrechtlichen Vorgaben wurden eingehalten", heißt es zum Fall Groß und der Kritik aus dem eigenen Haus. "Der Personalrat war frühzeitig informiert.“
© dpa1. Milliarden-Plan: Regierung will bis zu 5.000 Funklöcher schließen
Die Bundesregierung will an deutschlandweit bis zu 5.000 Standorten Mobilfunk-Löcher schließen. „Jeder hat gesehen, wie wichtig und notwendig die flächendeckende Verfügbarkeit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur ist, auch um die Herausforderungen der Corona-Krise zu bewältigen”, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung für den Mobilfunkgipfel an diesem Dienstag, der uns vorliegt.
Bei dem Treffen mit Vertretern von Ländern, Kommunen und Netzbetreibern soll es eine Finanzzusage des Bundes geben. Die Regierung will mit 1,1 Milliarden Euro Versorgungslücken dort schließen, „wo ein privatwirtschaftlicher Ausbau auch aufgrund von Versorgungsverpflichtungen oder Ausbauzusagen zeitnah nicht zu erwarten ist”. Eine Kofinanzierung durch Länder und Kommunen ist nicht vorgesehen. Die Betreiber müssen sich jedoch an den Kosten beteiligen.
Kampagne zu Mobilfunk-Risiken und Anwendungsgebieten
Koordiniert werden soll der Ausbau von einer Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes. Laut Beschlusspapier sollen die Verfahren zur Genehmigung von Mobilfunkmasten beschleunigt werden: „Ziel ist es, dass Anträge auf Genehmigung von Mobilfunkstandorten binnen einer Frist von drei Monaten nach der Vorlage vollständiger Antragsunterlagen beschieden werden.”
Außerdem will die Regierung mit einer groß angelegten "Kommunikationsinitiative" über Anwendungsfelder und mögliche Risiken der Mobilfunktechnologie informieren.
Gastgeber des Gipfels ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, dessen Ressort auch für digitale Infrastruktur zuständig ist. Der CSU-Politiker spricht an diesem Montag mit unserem Chefkorrespondenten Rasmus Buchsteiner auf der PioneerOne über seine Pläne. Das Gespräch können Sie bei ThePioneer.de live verfolgen.
2. Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Kommunen beklagen fehlende Milliarden
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) stößt mit ihren Plänen für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern, die bislang mit einer Finanzierung von zwei Milliarden Euro unterlegt sind, auf scharfe Kritik bei den Kommunen. Der Rechtsanspruch soll ab 2025 gelten.
„Wir unterstützen das Ziel des bedarfsgerechten Ausbaus der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Allerdings gehen wir davon aus, dass mit dem Ganztagsfinanzierungsgesetz nur ein sehr geringer Teil der tatsächlichen entstehenden Kosten finanziert werden kann“, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die uns vorliegt.
1,1 Millionen Plätze an Ganztagsschulen und in Horten werden gebraucht
Mit dem Papier wollen sich die Kommunen an diesem Montag bei einer Anhörung zu Giffeys Plänen im Familienausschuss positionieren. „Der Bedarf an zusätzlichen Plätzen in Ganztagsschulen und Horten wird bei einem Gesamtbedarf von 1,132 Millionen geschätzt“, heißt es in der Stellungnahme. Die Investitionen könnten 7,5 Milliarden Euro betragen. Dazu kämen ab 2025 noch jährliche Betriebskosten von 4,45 Milliarden Euro.
3. Große Koalition streitet über Pharma-Rabattverträge
Union und SPD wollen Deutschland und Europa als Lehre aus der Corona-Krise unabhängiger von Arzneimittel-Lieferungen aus Asien machen. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Georg Nüßlein (CSU), fordert in einem Positionspapier, das uns vorliegt, eine Reform der Rabattverträge.
„Die aktuelle Praxis, einen Rabattvertrag für ein Arzneimittel ausschließlich mit einem Hersteller zu schließen, mündet in Lieferengpässe, wenn dieser Hersteller – aus welchem Grund auch immer – nicht liefern kann“, heißt es in dem Papier. „Rabattverträge sollten mindestens mit zwei Herstellern, besser noch mit dreien geschlossen werden.“ Außerdem müsse in Zukunft mindestens ein Hersteller, der lückenlos eine europäische Lieferkette nachweisen könne, einen Zuschlag für einen Rabattvertrag erhalten.
"Kassen können auch jetzt schon mehrfach ausschreiben"
Rabattverträge werden zwischen Arzneimittelherstellern und einzelnen gesetzlichen Krankenkassen geschlossen. Dabei geht es um die exklusive Belieferung der Mitglieder dieser Kasse mit einzelnen Arzneimitteln des Herstellers. Je nach erwartetem Absatzvolumen - also nach Größe der Kasse - werden Preisnachlässe gewährt. Die Corona-Krise hat bereits bestehende Engpässe bei der Lieferung von Wirkstoffen aus Asien verschärft.
Die SPD hält nichts vom Vorstoß der Union für eine Reform der Rabattverträge. „Kassen können auch jetzt schon mehrfach ausschreiben und Vertragsstrafen bei Lieferengpässen vereinbaren“, sagte uns Bärbel Bas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Notwendig sei eine Förderung der Produktion in Deutschland und Europa, um weitere Verlagerungen nach Asien zu verhindern:
„Die Debatte um Rabattverträge ist eher ein Nebenkriegsschauplatz und wird von Akteuren geführt, die schon immer gegen Rabattverträge waren.“
Der Bundeswehrbericht zu dem Stand der Rüstungsprojekte zeigt zum Teil gravierende Mängel bei den großen, laufenden Projekten. Beim Kampfhubschrauber Tiger wird als großes Risiko die fehlende Zukunftsfähigkeit angesehen.
Das kalendarische Nutzungsende des Tigers werde zwischen den Jahren 2030 und 2038 erwartet. Nun müsse geklärt werden, unter welchen Umständen er danach weiter genutzt werden könne. Hier der Ausschnitt aus dem vertraulichen Bericht:
Bericht Tiger © ThePioneerAuf und Ab mit Chineke und Spohr © Bild: Sascha Baumann; dpaAuf - Es ist das Thema dieser Tage. Der mutmaßliche Mord an einen Schwarzen durch einen weißen Polizisten wühlt die USA auf. Weltweit demonstrieren Menschen unter dem Motto #blacklivesmatter gegen alltäglichen Rassismus. In Deutschland ist die 36-jährige Uchechi May Nzerem Chineke Koordinatorin der großen Demonstration am 27. Juni in Berlin. Die afro-amerikanische Menschenrechtsaktivistin lebt seit 2006 in Deutschland. Ihre Warnungen hat sie nun in einem Bild-Interview deutlich formuliert: „Wenn wir nicht protestieren, kann eine Rassismus-Pandemie wie in den USA auch uns hier betreffen." Eine Aufsteigerin, die man unterstützen sollte.
Ab - 2015 hatte Carsten Spohr als Lufthansa-Vorstandschef die Tragödie des Absturzes der Germanwings-Maschine zu verantworten. Der Pilot Andreas L. hatte die Maschine absichtlich in die Alpen gerammt, 150 Menschen starben. Und Spohr agierte und kommunizierte gefühlvoll, ruhig, angemessen. In der Corona-Krise fehlt dem Lufthansa-CEO erst beim öffentlichen Hickhack mit der Bundesregierung und nun bei der Wiederbelebung des Flugverkehrs das Gespür. Seine PR-Maßnahme einer "Rückhol-Garantie" für alle Urlauber, die am Ferienort einen Corona-Ausbruch erleben oder in Quarantäne müssen, ist ein Bumerang. Für die Lufthansa-Tochter Eurowings soll die Garantie nicht gelten. Kaum zu verstehen. Deshalb: Absteiger.
Einmal im Jahr wird der Vorhang beiseite geschoben, einmal müssen die Chefs der deutschen Nachrichtendienste Rede und Antwort stehen: Das Parlamentarische Kontrollgremium, das sonst in einem abhörsicheren Raum im Kellergeschoss des Bundestagskomplexes tagt, befragt am 29. Juni die Präsidenten von Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und des Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst, Bruno Kahl, Thomas Haldenwang und Christof Gramm. Alles vor den Augen der Öffentlichkeit. Die dreistündige Anhörung, die um 10 Uhr beginnt, wird live im Internet übertragen.
Unsere Leseempfehlungen für heute:
Deutschland habe seine Nazi-Vergangenheit umfassend und ehrlich aufgearbeitet, lobt der britische Guardian in einem Essay. Sogar das Wort "Vergangenheitsbewältigung" habe es in den offiziellen Sprachgebrauch geschafft. Die USA und Großbritannien müssten dies beim Thema Rassismus endlich auch tun, mahnt die Autorin Susan Neiman. Ein lesenswerter Text!
Politik ohne Max Weber ist undenkbar. Und eine Politikerrede ohne Weber-Zitate ist unvollständig. Der Nationalökonom und Jahrhundert-Soziologe hat nicht nur die dicken Bretter erfunden, die in der Hauptstadt täglich gebohrt werden, sondern auch die Tugenden Leidenschaft und Augenmaß dem Idealtypus eines Politikers zugedacht. Weber, der vor 100 Jahren gestorben ist, hat die Bürokratie ökonomisch erklärt und das Machtstreben theoretisch legitimiert. Er war Dichter und Denker und laut seinem Zeitgenossen Karl Jaspers "der größte Deutsche unserer Zeit". Christian Marty erinnert im Feuilleton der NZZ in einer wunderbaren Weise an den Soziologen, der auch ein Freiheitsdenker war. Hier lesen!
Heute gratulieren wir zum Geburtstag:
Eva Schulz, Journalistin und Moderatorin "Deutschland 3000", 30
Julian Reichelt, Chefredakteur Bild-Zeitung, 40
Hatice Akyün, Journalistin und Schriftstellerin, 51
Xi Jinping, Staatspräsident China, 67
In der Bremer CDU droht eine innerparteiliche Auseinandersetzung um die Bundestagskandidatur 2021. Parteikreisen zufolge will der frühere Innensenator und jetzige CDU-Fraktionschef in der Bremischen Bürgerschaft, Thomas Röwekamp (53), als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl ins Rennen gehen. Die bisherige Spitzenkandidatin, die 67-jährige medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Elisabeth Motschmann, strebt aber eine dritte Kandidatur nach 2013 und 2017 an. "Daran hat sich nichts geändert", sagte sie uns. Motschmann ist Vizechefin der Bremer CDU, Mitglied im Bundesvorstand und eine prominente Kämpferin für die Frauenquote in der Wirtschaft. Röwekamp erklärte auf Anfrage: "Ich möchte mich zur Zeit nicht zu bundespolitischen Themen äußern." Der Bremer Landeschef Carsten Meyer-Heder, der die CDU im Stadtstaat bei der letzten Bürgerschafts-Wahl 2019 mit 26,7 Prozent zur stärksten Kraft gemacht hatte, hat sich noch nicht öffentlich für einen Kandidaten oder eine Kandidatin ausgesprochen. Er selbst will in Bremen bleiben.
Antje Kapek, Grüne © ThePioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
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