herzlich willkommen zur neuen Ausgabe unseres Hauptstadt-Newsletters.
Unsere Themen heute:
Die Wahlrechtsreform sorgt vor allem in der CSU für böses Blut, auch die CDU ist entsetzt, will aber verhandeln. Juristen sind skeptisch.
Unser Kollege Christian Schweppe hat die Agenda aufgeschrieben, die auf den oder die neue Verteidigungsministerin zukommt.
Wirtschaft und Gewerkschaften schlagen Alarm, weil es Schwierigkeiten mit den Energiepreisbremsen gibt. Dax-Konzerne nehmen sie gar nicht erst in Anspruch.
Die SPD beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz. Sie fordert eine Kennzeichnungspflicht für deren Anwendung in besonders sensiblen Bereichen.
Fiebersäfte, Antibiotika und Krebsmedikamente sind seit Monaten knapp. Die Union fordert daher nun einen Beschaffungsgipfel für Medikamente.
Der Kampf ums Wahlrecht
© The Pioneer16 Seiten hat der Gesetzentwurf. Er enthält die formal größte Wahlrechtsreform seit Langem.
Noch dazu eine, die das Parlament wieder auf seine Regelgröße von 598 Abgeordneten bringen soll.
Der XXL-Bundestag soll schrumpfen.
An diesem Dienstag wird der Reformplan von SPD, Grünen und FDP, dessen Details Sie hier noch einmal nachlesen können, erstmals ausführlicher in den Fraktionen beraten.
In einem Brief an Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat die Ampel Verhandlungen angeboten - Ziel ist eine parteiübergreifende Lösung.
Doch die CSU schäumt, spricht von "Wahlbetrug mit Ansage". Strittig ist vor allem die Regelung, wonach Wahlkreise unter Umständen ohne Vertreter oder Vertreterin im Bundestag bleiben könnten.
Noch ist daher offen, wie sich die Union am Ende verhalten wird.
Gesetzentwurf der Ampel für ein neues WahlrechtWie unser Kollege Rasmus Buchsteiner erfahren hat, gab es darüber im Fraktionsvorstand der Union am Montag eine 90-minütige Debatte: Hier die CSU, die auf eine Klage gegen die Pläne vor dem Bundesverfassungsgericht pocht.
Auf der anderen Seite jene, die die Chancen als eher gering einstufen und eine Klage daher skeptisch sehen, so wie die Abgeordneten Philipp Amthor, Mathias Middelberg oder Tino Sorge.
Fraktionschef Friedrich Merz habe die Diskussion erst einmal laufen gelassen und sich noch nicht festgelegt.
Besonders laut ist die Kritik aus der CSU.
Deren Generalsekretär Martin Huber ist entsetzt:
Das ist organisierte Wahlfälschung. So etwas kennen wir sonst nur aus Schurkenstaaten.
Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, widerspricht vehement und nennt die Rhetorik der CSU "unverantwortlich".
Sie sagt:
Der Bundestag ist zu groß. Er muss kleiner werden. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht. CSU und CDU haben keinen eigenen Gesetzentwurf - das wäre der erste Schritt vor wilder Kampfrhetorik.
Verfassungsrechtler hegen indes ebenfalls Bedenken bei der geplanten Reform der Ampel.
Ein ehemaliger Richter, der sich öffentlich erst äußern will, wenn das Gesetz eingebracht wird, betont, dass die Inkonsistenz der Wahl, die mangelnde Folgerichtigkeit, wie Juristen sagen, ein Thema für Karlsruhe werden könnte.
Damit ist der verfassungsrechtlich fragwürdige Zustand gemeint, der entstehen könnte, wenn ein Direktwahlkreis niemanden in den Bundestag entsenden darf.
Aus der Linksfraktion kann die Ampel ebenfalls keine Unterstützung erwarten.
"Wir werden den Vorschlag prüfen", sagte uns Fraktionschef Dietmar Bartsch. Doch mit Stimmen darf die Koalition kaum rechnen.
Auch wenn Bartsch beteuert, dass er den Ansatz einer Reform richtig findet. "Aber bei dieser Variante habe ich verfassungsrechtliche Bedenken", sagte er uns.
Was jetzt bei der Bundeswehr zu tun ist
In Sachen Nachfolge für Christine Lambrecht bewegte sich am Montag in Berlin wenig. Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt soll mit Verweis auf die Familie final abgesagt haben. Neue Namen kommen ins Spiel, wie Corona-General Carsten Breuer, alte Namen könnten wieder ins Spiel kommen müssen (Lars Klingbeil).
Fakt ist: Die Nachfolgesuche läuft nicht rund. Obwohl der Kanzler seit dem 3. Januar Bescheid wusste, wie die Kollegen des SPIEGEL herausgearbeitet haben, steht er zwei Wochen später noch immer ohne Alternative da.
© The PioneerHeute muss sich das ändern: In Berlin kommen die Fraktionen zusammen. "Irgendwann setzt er einem, der neben ihm sitzt, einfach einen Helm auf", witzelte uns gegenüber einer in Berlin.
Wer auch immer zum neuen Verteidigungsminister oder zur neuen Verteidigungsministerin ernannt werden wird: Es wartet so viel Arbeit wie nie im Bendlerblock. Zeit für Einarbeitung gibt es quasi keine.
Ob im Beschaffungswesen, bei deutscher Bewaffnung und Munition, der Frage von Kampfpanzern für die Ukraine oder dem Abzug aus Mali: Überall wartet wichtige Arbeit auf die neue Ministeriumsspitze. Neue Beraterinnen und Berater müssen wohl her. Dazu ein professionellerer Umgang mit dem Bundestag, Auslandsreisen und der Kommunikation.
Unser Reporter Christian Schweppe analysiert hier, was bei der Bundeswehr jetzt am dringendsten angepackt werden muss – und welches Mindset im Ex-Lambrecht-Ressort schnell einziehen sollte:
Wirtschaft und Gewerkschaften beklagen Probleme bei Energiepreisbremsen
Veronika Grimm, Michael Vassiliadis und Siegfried Russwurm © dpaWirtschaft und Gewerkschaften beklagen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Strom- und Gaspreisbremse.
„Eine Vielzahl regulatorischer Hürden erschwert es den energieintensiven Betrieben, die Hilfen in Anspruch zu nehmen“, sagte uns Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IG BCE.
Er betonte:
Da muss dringend nachgesteuert werden.
Vassiliadis kritisierte unter anderem das sogenannte Dividendenverbot, das bei staatlichen Hilfszahlungen von mehr als 50 Millionen Euro greift.
Dies führe dazu, dass Unternehmen erst mit Energiehilfen gerettet, anschließend aber am Kapitalmarkt verschmäht würden:
„Ich verstehe, dass die Unternehmen sich die Frage stellen, ob es zu verantworten ist, die Gaspreisbremse in Anspruch zu nehmen.“
Achim Dercks, Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sagte uns:
Die Idee der Gaskommission und Wunsch der Wirtschaft war eine klare und unbürokratische Grundlage bei Strom- und Gaspreisen als Basis für die eigene unternehmerische Planung. Im Zusammenspiel mit dem europäischen Beihilferecht herausgekommen ist eines der komplexesten Regelwerke der letzten 20 Jahre.
Zusätzliche Vorgaben des Gesetzgebers zu Boni, Dividenden oder Standortgarantien würden das Gesetz verschärfen.
"So groß der politische Rechtfertigungsdruck auch sein mag, für viele Betriebe sind die Konsequenzen schlicht überfordernd“, so Dercks. „Es ist nicht verwunderlich, dass eine häufige Frage an uns jetzt ist, wie man auf die Bremsen verzichten kann.“
Der Vorstandsvorsitzende des Zementherstellers Heidelberg Materials, Dominik von Achten, betonte im Pioneer-Podcast, dass sein Unternehmen die Energiepreisbremse nicht in Anspruch nehmen werde.
Hintergrund sind die Dividendenregelungen.
SPD will Kennzeichnungspflicht für bestimmte KI-Anwendungen
© imagoDie SPD fordert eine Kennzeichnungspflicht für die Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) in besonders sensiblen Bereichen.
„Die Forderung nach Transparenz betrifft aber nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch öffentliche Stellen mit Verfügungsgewalten in den Bereichen Sicherheit, Migration, Asyl oder Steuern“, heißt es in dem Papier, das an diesem Dienstag von der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen werden soll und unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vorliegt. Notwendig sei hier ein staatliches Register.
Zur Begründung heißt es, Bürgerinnen und Bürger würden oft nicht darüber aufgeklärt, wenn eine KI Entscheidungen mit zum Teil weitreichenden Folgen treffe. „Alle KI-Systeme, die im Arbeits- und Sozialbereich eingesetzt werden, sollten in den Hochrisikobereich der Regulierung eingestuft werden“, heißt es in dem Papier.
Mit ihren Forderungen reagiert die Fraktion auf die Beratungen in der Europäischen Union über Regelungen für vertrauenswürdige KI („Artificial Intelligence Act“).
Die SPD-Fraktion plädiert dabei auch dafür, dass Betroffene bei Fehlentscheidungen einer KI Beschwerde einlegen und Klage erheben können – individuell oder mittels Verbandsklage.
Union fordert Beschaffungsgipfel für Medikamente
Die Unionsfraktion im Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Beschaffungsgipfel für Medikamente einzuberufen, um die Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu gewährleisten.
"Fiebersäfte, Antibiotika, Insulin oder Krebsmedikamente sind zurzeit flächendeckend kaum noch erhältlich oder komplett vergriffen", heißt es in dem Antrag, den unser Kollege Rasmus Buchsteiner erhalten hat. Dies stelle insbesondere Familien mit Kindern vor Herausforderungen.
Eine Infografik mit dem Titel: Medikamente: Neuer Negativrekord
Anzahl der Erstmeldungen von Medikamenten-Lieferengpässen in Deutschland
In der vergangenen Legislaturperiode seien unter anderem durch das "Faire Kassenwettbewerbsgesetz" Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit getroffen worden. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe daran aber bislang nicht angeknüpft.
"Vielmehr sind den Apothekerinnen und Apothekern sowie der pharmazeutischen Industrie im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz weitere Belastungen auferlegt worden, die die Situation künftig noch verschärfen werden", heißt es in dem Antrag.
An dem geforderten Beschaffungsgipfel sollen nach Vorstellung der Union Bund, Länder, Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen, Apothekerinnen und Apotheker, Arzneimittelgroßhändler und Krankenhäuser beteiligt sein.
Darüber hinaus fordert die Fraktion ein nationales Frühwarnsystem, das auch eine Datenbank über bestehende und drohende Lieferengpässe beinhaltet.
Zudem solle die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wichtige Arzneimittel wieder primär in Europa hergestellt werden.
Lindner wechselt Abteilungsleiter im Finanzministerium aus
Das Bundesfinanzministerium in Berlin © dpaBundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) besetzt Schlüsselposten in seinem Haus neu. Neuer Leiter der Steuerabteilung wird Nils Weith, der aktuell noch das Steuerreferat im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) leitet. Er löst Rolf Möhlenbrock ab, der die Steuerabteilung im Finanzministerium seit 2018 geführt hatte.
Einen Wechsel führt Lindner auch in der Abteilung III herbei, die für Zoll, Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern zuständig ist.
Sie wird künftig von Armin Rolfink geleitet, der bislang Vizepräsident der Generalzolldirektion in Bonn war.
Rolfink folgt auf Tanja Mildenberger, die ebenfalls einstweilig in den Ruhestand versetzt wird und früher für den CDU-Kanzleramtschef Thomas de Maizière arbeitete.
Oliver Lamprecht, bislang Unterabteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, steht künftig der Zentralabteilung des Bundesfinanzministeriums vor und folgt dort auf Martina Stahl-Hoepner.
In einer Mitteilung, die uns vorliegt, begründet Lindner die Personalentscheidung damit, dass er das Ministerium „stärker auf unsere politischen Vorhaben fokussieren“ und der Organisation „eine langfristige strategische Perspektive“ geben wolle.
Ex-Staatsrat aus Hamburg wechselt zur Bundeswehr
Der ehemalige Hamburger Staatsrat für Wirtschaft und Innovation, Torsten Sevecke, wird neuer Direktor an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr. Die Personalie entspricht einer Besoldungsstufe B3 und wurde vergangene Woche durch das Bundeskabinett bestätigt.
Sevecke war von März 2018 bis Juni 2020 Staatsrat und fiel dann einer Verschlankung zum Opfer.
Das Bundeskabinett soll in seiner Sitzung am 8. Februar über den Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ beraten. Dabei geht es um zentrale Lehren aus der Pandemie und die Erfahrungen mit den Schutzmaßnahmen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatten im vergangenen November eine Studie von RKI und Deutschem Jugendinstitut präsentiert, wonach die Kita-Schließungen wegen Corona unnötig waren. Die Ansteckungsrate bei Kindern unter fünf Jahren sei unterdurchschnittlich gewesen.
Auf - Sepp Müller (CDU) und Wolfgang Stefinger (CSU) sind ein Paar. "Aus Freundschaft wurde bei uns Liebe. Wir sind glücklich", schrieben die beiden Unions-Bundestagsabgeordneten mit dem Hashtag #loveislove gestern auf Twitter. Damit sind sie das erste offen homosexuelle Paar im Bundestag und sorgen für eine schöne Nachricht zum Start in die erste Parlamentswoche. Wer sagt, dass die Union nicht liebenswert ist.
Ab - Franziska Giffey. Die Mehrheit der Deutschen glaubt, dass die eskalierte Silvesternacht in Berlin der Regierenden Bürgermeisterin bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar schaden wird. Das geht aus einer Umfrage des Nachrichtenportals T-Online hervor. Knapp 70 Prozent waren der Ansicht, dass die Vorfälle eine negative Konsequenz für die SPD-Frau haben werden.
Pioneer-Herausgeber Gabor Steingart diskutierte gestern Abend bei hart aber fair zum Thema "Streit um Einwanderung: Verpasst Deutschland seine Zukunft?" Weitere Gäste der von Louis Klamroth moderierten Sendung waren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Grünen-Bundestagsabgeordnete und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sowie die Leiterin der Abteilung „Auslandsakquise Pflege“ der Asklepios Kliniken, Astrid Sartorius. Hier können Sie die Sendung nachschauen.
"Es war klar, dass das nicht gut gehen konnte: eine Quotenfrau im Verteidigungsministerium", kommentiert Zeit-Redakteurin Rebekka Wiese den Rücktritt von Christine Lambrecht. Diejenigen, die die Situation jetzt nutzen würden, um die Parität im Kabinett zu kritisieren, machten es sich aber zu einfach. Wäre es nach Kompetenz gegangen, hätte es auch bei einer anderen Frau, bei der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann, landen können, was beweise, dass es bei solchen Entscheidungen eben nie um reine Kompetenz ginge, sondern um Machtpolitik. "Kompromisse sind eben oft komplex und deutlich komplizierter als die Frage, ob man sich für einen Mann oder eine Frau entscheidet." Fazit: "Dass Lambrecht als Verteidigungsministerin gescheitert ist, mag viel über sie selbst erzählen, wohl noch mehr über die Aufgabe, die sie nun abgegeben hat. Über die Parität als Instrument, um politische Ämter zu verteilen, sagt es aber nichts aus." Lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich:
Bernd Krösser, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, 59
Peter Blomeyer, deutscher Botschafter in Malaysia, 64
Ricarda Lang, Grünen-Vorsitzende, 29
Michelle Obama, ehem. First Lady der USA, 59
Susanne Schaper, Linken-Vorsitzende in Sachsen, 45
Michael Sommer, ehem. Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 71
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre