Pioneers Umfrage: Die Rising Stars und die besten Außenpolitiker

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© Anne Hufnagl/ Twitter /dpa

Guten Morgen,

Willkommen zurück bei unserer Rangliste der deutschen Politik.

Mehr als 2600 Pioneers haben ihre politischen Favoriten im ablaufenden Jahr gewählt, vom Minister über die Parlamentarischen Staatssekretäre bis zur Fachpolitikerin.

Heute veröffentlichen wir die Ergebnisse der Abstimmung zu den größten Nachwuchshoffnungen in den Parteien, jenen Politikerinnen und Politikern, die morgen wichtig werden. Außerdem geht es um die profiliertesten Außenpolitiker im Bundestag.

Los geht's:

© Anne Hufnagl

In der CDU überschattete der offene Machtkampf um den Vorsitz immer wieder die inhaltlichen Fragen der Pandemie-Bekämpfung. Doch ein Gewinner des Jahres in der CDU steht bereits fest: JU-Chef Tilman Kuban.

Der 33 Jahre alte Niedersachse dominierte mit seinem Verband manche innerparteiliche Debatte, etwa mit seiner frühen Forderung nach einer Corona-App oder einer Nullrunde für Rentner. Er war der erste Spitzenpolitiker, der die befristete Senkung der Mehrwertsteuer ins Gespräch brachte (die später in der Koalition umgesetzt wurde). Sein wichtigster Erfolg war aber die Digitalisierung der Partei in der Pandemie.

Die JU verlangte einen Digitalparteitag zur Wahl des neuen Vorsitzenden, als das Konrad-Adenauer-Haus und das Parteipräsidium noch auf einen Präsenzparteitag setzte - am 16. Januar kommt nun die virtuelle Abstimmung. Die Jugendorganisation selbst hatte mit einer professionell inszenierten digitalen Kandidatenrunde vorgelegt und die eigenen Mitglieder über ihren Favoriten abstimmen lassen.

Kuban erklärte dazu:

Die Zeit der Dorfkneipen mit weißer Tischdecke, Hirsch an der Wand und einer Stunde Monolog des Vorsitzenden ist vorbei.

© Anne Hufnagl

Von den 75.000 CDU-Mitgliedern in der JU machten bei der Umfrage allerdings nur 15.000 mit. Ein Rückschlag für den Vorsitzenden, doch als Stimmungstest immer noch aussagekräftig. Zum Vergleich: Die Grüne Jugend hat - Stand April 2020 - 13.500 Mitglieder. Friedrich Merz gewann die JU-Abstimmung deutlich, was Kuban zwar nicht als bindendes Votum ansieht, aber als Empfehlung akzeptiert.

Kuban hat auch an anderer Stelle die Jugendorganisation modernisiert, die von politischen Gegnern gerne als verstaubt und altbacken belächelt wird. Mit 41 Prozent ist der Anteil der Frauen im JU-Vorstand höher als im Vorstand der Mutterpartei. Dafür hatte sich Kuban persönlich eingesetzt.

Der Volljurist aus dem Norden Hannovers kennt die Welt jenseits der Politik. Kuban lebte ein Jahr in Neuseeland und hat seit vier Jahren als Leiter der Rechtsabteilung der niedersächsischen Unternehmerverbände Verantwortung in der Wirtschaft. Seine Unabhängigkeit demonstriert Kuban gerne in zugespitzten Attacken, etwa, wenn er von "Gleichschaltung" in seiner Partei spricht oder in einer Rede über Politik für Intersexuelle spöttelt. Kuban ist das Feindbild der politischen Linken - und erfährt wohl auch deshalb viel Unterstützung in der eigenen Truppe.

Die Pioneers mögen den streitlustigen JU-Chef offenbar. Platz eins in der Rangliste der Rising Stars.

Wenn sie an 2020 denken, welcher Moment fällt Ihnen als erstes ein?

Kuban Mir fallen sofort die vielen Einkaufshelden ein, die mit dem ersten Lockdown für Ältere und Menschen aus der Risikogruppe einkaufen gegangen sind. 10.000 junge Leute in nur einer Woche haben auch wir als Junge Union mobilisiert – flächendeckend in jedem Landkreis. Diesen Zusammenhalt müssen wir uns auch nach der Pandemie bewahren.

Was war Ihr persönlich größter Erfolg, was hätten Sie gerne anders gemacht?

Kuban Dass sich bei unserem Pitch mit Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen alle drei Kandidaten unserer Forderung nach einem Digitalministerium angeschlossen haben. Denn digital sind wir im internationalen Vergleich echt abgehängt und brauchen dringend mehr Schwung. Gerne hätte ich mich damit durchgesetzt, dass wir Studenten, die in der Krise ihren Mini-Job verloren haben, stärker helfen. Das fand erst gar nicht und dann nur halbherzig statt.

Wo steht Tilman Kuban am Ende des nächsten Jahres?

Kuban Hoffentlich gesund zurückblickend auf ein erfolgreiches Superwahljahr für unsere CDU, bei der die Junge Union Motor für neue Formate - digital, wie analog - war. Wenn ich dann noch die Ehre hätte, auch als Bundestagsabgeordneter der jungen Generation eine Stimme geben zu dürfen, würde ich sicher viele neue politische Themen für das folgende Jahr durchdenken und angehen.

© Privat

Den zweiten Platz bei der Wahl der Aufsteiger des Jahres belegt die SPD-Politikerin Siemtje Möller. Die 37-Jährige wurde zunächst eine der Sprecherinnen des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, nach dem Rücktritt von Fritz Felgentreu als verteidigungspolitischer Sprecher nahm sie zusätzlich dessen Position ein.

Die SPD hat in diesem Jahr mit Felgentreu, dem Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels und dem Haushälter Johannes Kahrs viel ihrer sicherheitspolitischen Kompetenz eingebüßt. Nun ist es Möllers Aufgabe, diese Lücke zu füllen.

Möller muss Interessen von Bundeswehr und Fraktion verbinden

Leicht wird das nicht - die Fraktions- und Parteispitze orientiert sich im Wahljahr stramm in Richtung Friedenspartei. Möllers erste Aufgabe als verteidigungspolitische Sprecherin war es, eine schlüssige Erklärung dafür zu finden, warum die Partei nach vielen Jahren noch immer nicht über die Beschaffung bewaffneter Drohnen entscheiden wolle.

Möller hielt sich nah an der Fraktionslinie - doch wird sie mit Spannungen zwischen den Interessen der Bundeswehr und denen der Fraktion in Zukunft umgehen müssen.

Die Pioneers trauen ihr die Aufgabe zu - und wählen sie auf den zweiten Platz bei den Rising Stars des Jahres 2020.

© dpa

Die FDP als sympathische, kluge und reflektierte Partei? Wer das nicht glaubt, muss sich Reden der früheren Juli-Vorsitzenden Ria Schröder anhören.

Die Juristin aus Rheinland-Pfalz, die in Hamburg studierte und dort heute in einer Anwaltskanzlei arbeitet, hat sich mit Eloquenz und Hartnäckigkeit in den Vorstand der Bundespartei hochgearbeitet, und sich dort als Stimme der jungen Generation und gelegentlich als Kritikerin des Vorsitzenden Christian Lindner profiliert.

Sie trat 2013 in die FDP ein, als die Partei gerade aus dem Bundestag geflogen war. Sie ist liberale Überzeugungstäterin, aber keine Dogmatikerin. Auch Sozialdemokraten und Grüne lobten Schröder als konstruktive Gesprächspartnerin, als sie im August aus dem Amt als Juli-Vorsitzende ausschied.

2021 will sie in den Bundestag, einen aussichtsreichen Listenplatz muss sie sich aber erst noch erkämpfen. Die Pioneers würden sie offenbar gerne im Deutschen Bundestag sehen. Platz drei für die Liberale aus Hamburg.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Rising Stars der deutschen Politik

Abstimmungen unter 2600 Pioneers, Anteil für Politiker/in in Prozent.

2020 war das Jahr des politischen Nachwuchses. Nicht nur, weil die Jugendbewegung Fridays for Future und die Europa-Partei Volt wichtige Akzente setzten, sondern auch weil parteiübergreifend selbstbewusste Polit-Talente relevante Ämter in ihren Parteien erkämpfen konnten.

Dass die Pioneer-Rangliste mit einem Politiker und zwei Politikerinnen aus drei unterschiedlichen Parteien beginnt, zeigt, dass der Generationenwechsel keine politische Farbe hat.

Kuban ist in der CDU längst ein Machtfaktor und wird 2021 auch im Bundestag seinen Weg gehen, die SPD-Abgeordnete Möller ist mit dem neuen Posten in einem international bedeutenden Amt angekommen und Schröder gilt in der FDP als unabhängiger Kopf, der einer Partei mit zu wenig Frauen in Führungspositionen noch viel bringen könnte.

Auf den weiteren Plätzen fallen SPD-Vize Kevin Kühnert und der Grünen-Wirtschaftsexperte Danyal Bayaz auf, sie sind in ihren Parteien längst über den Status des Nachwuchstalents herausgewachsen. Die neue Linken-Ko-Chefin Janine Wissler schafft es auf einen respektablen achten Platz.

© ThePioneer/dpa

Einer der zunächst heimlichen, dann immer offensichtlicheren Gewinner des Jahres ist CDU-Mann Norbert Röttgen. Scheinbar ohne Chance startete er in das Rennen um den Parteivorsitz, am Ende des Jahres ist Röttgen neben Friedrich Merz und Armin Laschet zu einem echten Anwärter herangewachsen.

Dass Röttgen diesen Aufstieg vollbrachte, lag auch daran, wie geschickt er sich als Außenpolitiker präsentieren konnte. Als kompetenter Kommentator der US-Wahlen sicherte sich der 55-Jährige Präsenz in den wichtigen Talkshows - plötzlich agierte er auf Augenhöhe mit seinen ohnehin sichtbaren Mitbewerbern.

Gegen Nord Stream II - für Abschiebungen nach Syrien

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag scheute keine kontroversen Positionen. Er stellte sich klar gegen die Ostseepipeline Nord Stream II, sie sei "nie im deutschen Interesse" gewesen. Und er sprach sich zuletzt für den Wiederbeginn der Abschiebungen nach Syrien aus.

© dpa

Die Pioneers wählten Röttgen eindeutig auf den ersten Platz bei den Außenpolitikern des Jahres - und sie wertschätzen damit auch eine echte Neuerfindung eines Politikers.

Nachdem seine Spitzenkandidatur als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 auch wegen eigener Fehler scheiterte, musste er sein Ministeramt in Berlin aufgeben - eines des größten Talente der CDU stand früh am Ende seiner politischen Spitzenkarriere.

Doch Röttgen schaffte als Außenpolitiker ein Comeback: Zunächst gar nicht über Interviews, sondern über Glaubwürdigkeit in der außenpolitischen Szene - in der ihm kaum einer echte Kompetenz abspricht.

Wenn Sie an 2020 denken, welcher Moment fällt Ihnen ein?

Röttgen Ich werde nie den Moment vergessen, als ich meinen 87 Jahre alten Vater im Sommer zum ersten Mal in der Uni-Klinik Bonn besucht habe. Heute, am 30. Dezember, wird er 88.

Was war Ihr persönlich größter Erfolg, was hätten Sie gerne anders gemacht?

Röttgen Für mich war der größte Erfolg in diesem Jahr, dass es mir gelungen ist, ganz unterschiedliche Menschen und vor allem solche, die die CDU nicht schon immer toll fanden, für meine Partei zu begeistern. Ich hätte gerne viel mehr dieser Menschen im persönlichen Austausch und nicht nur digital kennengelernt. Da das durch die Pandemie nicht ging, habe ich mir das für die Zeit danach fest vorgenommen.

Wo steht Norbert Röttgen am Ende das nächsten Jahres?

Röttgen Ich würde mir wünschen, dass ich Ende nächsten Jahres als Vorsitzender der CDU stolz auf meine Partei schaue, die als stärkste Kraft die Bundestagswahl gewonnen hat. Das konnte uns nur gelingen, weil wir zusammengestanden und in den Zukunftsthemen Glaubwürdigkeit und Kompetenz bewiesen haben. Ich würde mir wünschen, an der Spitze einer Partei zu stehen, die ihren eigenen Transformationsprozess hin zu weiblicher, jünger, digitaler mit Elan und bereits sichtbaren Resultaten vollzieht.

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Kaum einer steht für das große Potential der zweiten Reihe in der FDP so wie Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff. Ala, wie er intern genannt wird, kennt sich aus in seinem Fachbereich, er ist gelernter Diplomat, hat für den früheren Außenminister Klaus Kinkel gearbeitet, im Pressereferat an der deutschen Botschaft in Washington, D.C., im Planungsstab des Auswärtigen Amts und im Länderreferat für Russland.

Der Neffe des früheren Bundeswirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff war ab 2004 Europaabgeordneter und lange Vorstandsmitglied der FDP im Bund. Die Krisen der Liberalen kamen und gingen, doch Graf Lambsdorff als Chefdiplomat der Partei blieb eine Konstante. Heute ist er mit seiner Expertise gefragt wie nie.

Seit 2017 ist der 54 Jahre alte Kölner Bundestagsabgeordneter, als Fraktionsvize ist er verantwortlich für alle außenpolitischen Themen, von Verteidigung bis zur Entwicklungspolitik.

Die Pioneers wählen Graf Lambsdorff auf den zweiten Platz.

© dpa

Was in der Politik alles in kurzer Zeit möglich ist, beweist die CDU-Politikerin Katja Leikert. Erst seit 2012 ist sie Parteimitglied - bereits im Folgejahr gelang ihr im Wahlkreis Hanau der Einzug in den Bundestag.

Heute ist Leikert stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag und dort für das Themenfeld Europa zuständig. Vom Brexit bis zum EU-Budget und den Streitigkeiten mit Polen und Ungarn konnte Leikert Werbung für die Positionen der Fraktion machen - und für sich selbst.

SPD-Außenexperte Nils Schmid (ganz rechts) im Oktober auf der Pioneer One © Anne Hufnagl

Immer wieder fällt mittlerweile ihr Name, wenn es um eine mögliche Neubesetzung der CDU auf der Position des Generalsekretärs geht - mit fast allen Bewerbern wurde die Hessin bereits in Verbindung gebracht.

Die Pioneers wählen Katja Leikert auf den dritten Platz bei den Außenpolitikern des Jahres.

Eine Infografik mit dem Titel: Die besten Außenpolitiker

Rangliste der deutschen Politik, Abstimmung unter 2600 Pioneers, Anteil für Politiker/in in Prozent.

In keiner anderen Kategorie haben die ersten beiden Plätze so einen großen prozentualen Stimmenanteil gewonnen, wie bei den Außenpolitikern. 54 Prozent der Stimmen entfielen entweder auf Norbert Röttgen (29) oder auf Alexander Graf Lambsdorff (25).

Die beiden erfahrenen Politiker dominierten die Debatte, waren oft am Morgen zu hören und am Abend zu sehen. Röttgens und Lambsdorffs Erfolg ist zu einem Teil wohl auch mit der Schwäche von Außenminister Heiko Maas zu erklären, der in zentralen Debatten als Richtungsgeber ausgefallen ist.

Mit Haushalts- und Verteidigungsexperte Tobias Lindner folgt auf dem fünften Platz der erste Grünen-Politiker, knapp dahinter Europa-Expertin Franziska Brantner. Zwei Namen, die man sich merken sollte, wenn im kommenden Jahr womöglich den Grünen Regierungsverantwortung übertragen wird.

Am Freitag, 1. Januar, beenden wir an dieser Stelle unsere Rangliste der deutschen Politik. Dann küren wir die besten Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen aus der Innen-, Landwirtschafts- und Sozialpolitik sowie die besten Finanz- und Wirtschaftspolitiker.

Und ab Montag, den 4. Januar, lesen Sie an dieser Stelle wieder exklusive Informationen aus Regierung und Parlament und wir geben Ihnen Einblicke in den Maschinenraum der Bundespolitik.

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Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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