Pioneers-Umfrage: Jens Spahn ist der Politiker des Jahres

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Guten Morgen,

Das Jahr 2020 war aufreibend, anstrengend, vom Kampf gegen die Pandemie geprägt. Für viele im politischen Berlin war das eine besondere Herausforderung, es hat das Arbeiten schwieriger gemacht. Doch für manche war es auch eine Chance:

Sie konnten zeigen, wie gut sie ihr Politikfeld beherrschen, mit Krisen umgehen können, den Regierungsapparat lenken können.

Sie, die Pioneers, haben zum Ende dieses Jahres entschieden, wer es aus Ihrer Sicht am besten gemacht hat. In zwölf Kategorien haben Sie abgestimmt.

Über 2600 Pioneers haben sich an der Umfrage beteiligt und in allen Kategorien ihre drei Favoriten ausgewählt, vielen Dank für die eindrucksvolle Beteiligung.

In diesem Newsletter präsentieren wir Ihnen nun bis zum 1. Januar die Ergebnisse der Rangliste der deutschen Politik.

Zusammen mit ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner werten wir die Abstimmungen aus, sagen, wer ganz vorne liegt und wer es auf das Treppchen geschafft hat. Und wir ergänzen in der Editors Note, was uns selbst bei der Auswertung aufgefallen ist.

Heute beginnen wir mit den Königsdisziplinen: Der Politiker des Jahres und Das beste Kabinettsmitglied ist ein und dieselbe Person. Es ist ein Politiker, der für dieses Jahr steht wie kein anderer.

Vor knapp drei Jahren, bevor er sich entschieden hatte, für den Bundesvorsitz der CDU und damit gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz zu kandidieren, sagte Jens Spahn in einer privaten Runde in seiner Heimatstadt Ahaus einen für seine Karriere bestechenden Satz:

Bekannt bin ich, beliebt muss ich noch werden.

Eine Jahrhundert-Pandemie später ist das kein Thema mehr. Der Gesundheitsminister, 40 Jahre alt, gelernter Bankkaufmann aus dem Westmünsterland und seit 25 Jahren mit Amt und Würden in der CDU, gehört in sämtlichen Umfragen zu den beliebtesten Politikern des Landes.

In unserer Rangliste landet Spahn nun sogar vor Kanzlerin Angela Merkel auf Platz eins.

Es gibt viele Gründe für den Aufstieg des Jens Spahn. Ein wesentlicher ist, dass sich der CDU-Politiker nach der deutlichen Niederlage um den Parteivorsitz 2018 selbst zurücknahm und solides Regierungshandeln in den Vordergrund stellte.

In der Pandemie mutierte der einst eher mäßig beliebte Ehrgeizling zu einem verantwortungsvollen und, ja auch das, bescheidenen Bundesminister. In der Neuauflage des Wettbewerbs um den Parteivorsitz im März hatte er sich freiwillig hinter Armin Laschet in die zweite Reihe einsortiert (auch wenn er das heute gelegentlich bereut).

Dann kam Corona.

Entschieden in der Sache, besonnen im Ton, geduldig erklärend und als Katholik mit einem protestantischen Arbeitsethos versehen, bekämpfte er nicht selten in 17-Stunden-Tagen die Pandemie und ihre Folgen.

Fleißig war er schon vorher. 34 Gesetze in 32 Monaten brachte der CDU-Minister, der von 2009 bis 2015 gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion war, bis heute auf den Weg.

Vor allem in der Digitalisierung des Gesundheitswesens, bei der HIV-Bekämpfung, der Organspende und der Pflege setzte der Minister Akzente. In der Pandemie kamen unzählige Verordnungen - etwa zu Reisen, Testen, Quarantäne und Impfung dazu. Aber auch jene, die zu Freiheitseinschränkungen noch nie gekannten Ausmaßes führten.

Die Corona- Verordnungen machten den Minister zu einer Art Neben-Kanzler.

Jens Spahn, 40 Jahre alt, Gesundheitsminister und Präsidiumsmitglied der CDU.  © Anne Hufnagl

Jens Spahn ist omnipräsent. Der Gesundheitsminister wirbt fast täglich für Anstand und Abstand. In seiner viel zitierten Rede im Bundestag zeigte er Demut, erklärte, dass man sich nach dieser Krise auch vieles werde verzeihen müssen.

Vielleicht auch, weil er weiß, dass auch er keine blütenweiße Bilanz hat.

Im Frühjahr bestellte sein Ministerium zu spät und dann zu teuer Schutzausrüstung und Masken. Das Infektionsschutzgesetz stieß auf Kritik in Opposition und bei ehemaligen Verfassungsrichtern, weil es die Parlamente zu wenig beteiligte. Und beim Schutz der Alten- und Pflegeheime handelte die Regierung zu spät.

Jens Spahn gab Fehler zu, machte weiter, warb für die Maßnahmen wie kein anderes Regierungsmitglied und erklärte immer wieder, dass auch er ein Lernender in dieser Krise sei.

Da ist einer, der auch nicht alles weiß, und das auch zugibt. Offenbar rechnen ihm das die Bürger an. Er ist glaubwürdig. Authentizität ist der Goldstandard in der Politik.

Erst die Geschichte wird zeigen, ob dieser Gesundheitsminister das Bestmögliche zum Schutz der Bevölkerung geleistet hat. Die Mehrheit der Bürger - und viele Pioneers - haben ihr Urteil offenbar schon getroffen. Es ist ein positives.

Wir stellen allen Gewinnern aus unserer Rangliste drei gleiche Fragen. Hier sind die Fragen an und die Antworten von Jens Spahn.

Wenn sie an 2020 denken, welcher Moment fällt Ihnen ein?

Spahn Der Anruf von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Abend des Karnevalsdienstag. Morgens hatten Armin Laschet und ich angekündigt, als Team ins Rennen um den CDU-Parteivorsitz zu gehen. Dann war ich in Rom, um mit den Kollegen der italienischen Anrainerstaaten die Corona-Lage zu erörtern. Und nach der Rückkehr klingelte das Handy: ,Wir haben ein Problem in Heinsberg', sagte Laumann. Spätestens da war mir klar, dass das Virus auch in Deutschland nur noch schwer zu bremsen war.

Spahn im Gespräch mit Chefredakteur Michael Bröcker auf der Pioneer One.  © Anne Hufnagl

Was war ihr persönlich größter Erfolg, was hätten Sie gerne anders gemacht?

Spahn Den ersten Teil müssen andere bewerten. Was für mich klar ist: Masken hätten wir früher zentral beschaffen sollen. Und manche Formulierung wie „wachsame Gelassenheit“ würde ich heute auch nicht mehr so wählen. Aber auch da lernt man im Laufe der Pandemie dazu.

Wo steht Jens Spahn am Ende des nächsten Jahres?

Spahn Gemeinsam mit unserem Land und Europa hoffentlich an einem Punkt, an dem wir das Virus besiegt haben.

15 Jahre ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Der Platz im Geschichtsbuch ist ihr ohnehin nicht mehr zu nehmen. Die Corona-Krise hat Merkel nach schwierigem Start in ihre dritte große Koalition einen vierten politischen Frühling beschert - plötzlich kam es wieder auf die Exekutive an.

Merkel meisterte in diesem Jahr die Herausforderung, einerseits die Bevölkerung zu schützen, andererseits nicht alarmistisch zu sein - und zugleich die vielen Interessen der Bundesländer zu verbinden.

Im Ergebnis hat sie Deutschland trotz des Bund-Länder-Streits und des Anstiegs der Infektionen im Winter besser durch die Krise gebracht, als andere Länder es geschafft haben - und dabei die Freiheiten weniger eingeschränkt als in den meisten Nachbarländern.

Wäre es nach ihr gegangen, hätte es noch schnellere Reaktionen gegeben. Doch Merkel hat sich nie als Kanzlerin verstanden, die wissenschaftliche Ratschläge oder die eigene Meinung brachial durchsetzt - sie ist bis in ihre späten Kanzlerjahre eine moderierende Regierungschefin geblieben.

Die Pioneers schätzen das offensichtlich - und wählen Angela Merkel auf den zweiten Platz als Politikerin des Jahres.

Auf dem dritten Platz rangiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der 53-jährige Franke musste als Regierungschef des Bundeslandes an der Grenze zu Österreich schon Mitte März hohe Infektionszahlen verkraften, seine Antwort war stets ein bisschen härter, restriktiver und schärfer als bei seinen Amtskollegen.

Mitte März schloss er Schulen und Kitas, verbot Besuche in Altenheimen, liebäugelte mit Ausgangssperren und ist auch jetzt bei der zweiten Welle neben der Kanzlerin der wichtigste politische Unterstützer von Einschränkungen.

Aber selbst Gegner attestieren dem gelernten Journalisten, dass er von allen politisch Handelnden derjenige ist, der in der Öffentlichkeit besonders prägnant, klar und verständlich kommuniziert. Die Infektionszahlen in Bayern sind zwar weiter hoch, auch höher als in NRW, mit dem sich Söder so gerne vergleicht, aber Bayerns Regierungschef kommt trotzdem an. Auch bei unseren Pioneers.

Eine Infografik mit dem Titel: Politiker des Jahres

Die Rangliste der deutschen Politik, Abstimmungen von 2600 Pioneers, Anteil für Politiker/in in Prozent

Jens Spahn als Politiker der Jahres - das ist nach diesen 12 Monaten kaum eine Überraschung. Zwei Faktoren dürften eine Rolle gespielt haben: Neben der Anerkennung für Spahns Arbeit als Gesundheitsminister zeigt die Unterstützung, dass sich viele Pioneers in der Frage der Nachfolge für Angela Merkel Spahn in einer wichtigeren Rolle wünschen, als in der des Helfers für Armin Laschet.

Laschet selbst fällt bei unseren Lesern auf Platz neun mit nur 4 Prozent der Stimmen durch. Das gilt auch für Grünen-Chef Robert Habeck auf dem zehnten Platz. Auch Vizekanzler Olaf Scholz schneidet auf dem achten Platz schlechter ab als erwartet - für die SPD punktet Manuela Schwesig auf einem starken fünften Platz.

Schwesig und Söder sind und waren die Antipoden in der Corona-Politik - beide waren sichtbar und werden mit guten Plätzen in der Rangliste belohnt.

Längst hat sich die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns als erste Anwärterin auf die Führungsrolle in der SPD nach der Bundestagswahl vorgearbeitet - wenn sie im kommenden Herbst ihr Bundesland verteidigen kann.

Und wieder Jens Spahn an der Spitze. Auch in der Abstimmung der besten Kabinettsmitglieder holt der Gesundheitsminister mit deutlichem Vorsprung vor Franziska Giffey die Goldmedaille. Warum? Siehe oben.

Schon früh stand fest, dass die Familienministerin und ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey, der Berliner SPD aus der Krise helfen soll - die Übergabe von Michael Müller zu Giffey wurde in einem fast beispiellosen Prozess eingeleitet und im November mit ihrer Wahl zur Parteichefin und ihrer Erklärung zur Spitzenkandidatur abgeschlossen.

© Anne Hufnagl

Doch Giffey geht mit Blei am Fuß in das Wahljahr. Die Freie Universität prüft erneut die Doktorarbeit der Ministerin, eine offizielle Aberkennung des Titels wenige Monate vor der Abgeordnetenhauswahl wird wahrscheinlicher.

Giffey reagierte auf ihre Weise und erklärte präventiv, sie werde den Titel nicht mehr tragen. Ihr Glück:

Jeder in der zuweilen intriganten Berliner SPD weiß, dass Giffey die letzte und einzige Chance ist, nach zwei durchwachsenen Jahrzehnten der Partei das Rote Rathaus zu erhalten.

In der Bundespolitik endete das Jahr für sie mit einem unerwarteten Erfolg. Giffey konnte sich gegen den Wirtschaftsflügel der Union durchsetzen und über die Kompromisse im Koalitionsvertrag hinaus eine Mindestbeteiligung von Frauen in Dax-Vorständen durchsetzen. Die Pioneers schätzen Giffeys Arbeit, geben wenig auf akademische Prüfvorgänge - und wählen Giffey zur zweitbesten Ministerin des Jahres.

Überraschung auf dem dritten Platz. Die CSU-Digitalpolitikerin Dorothee Bär, schafft es als Staatsministerin im Kanzleramt an mehreren Bundesministern mit großen Behördenapparaten vorbei auf das Treppchen.

© ThePioneer

Die Wirkmacht der 42-jährigen Bambergerin leitet sich nicht daraus ab, dass sie Gesetze anschiebt, sondern einzig und allein aus ihrer Präsenz. Sie hält das Thema Digitalisierung in der Öffentlichkeit - und den Kontakt zwischen Regierung und Start-Ups. Die Flugtaxis, über die sie bei Amtsantritt philosophierte und dafür Häme erntete, gehen bald in die Luft. Die Digitalwirtschaft sieht sie als legitime Botschafterin ihrer Interessen. Inzwischen wirbt sie dafür, strenge Handyverbote an Schulen zu lockern und die Corona-Krise für mehr digitale Bildung zu nutzen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die besten Kabinettsmitglieder

Die Rangliste der deutschen Politik, Abstimmungsergebnisse von 2600 Pioneers, Anteil für jeweiligen Politiker/in in Prozent

Die Arbeit der sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder hat viele Pioneers überzeugt. Mit Franziska Giffey, Olaf Scholz, Hubertus Heil und Europa-Staatsminister Michael Roth sind vier der ersten sechs Plätze an Sozialdemokraten vergeben. Finanzminister Scholz konnte in der Gesamtwertung des Politikers des Jahres nicht punkten - seine Arbeit als Minister wird aber geschätzt.

Kaum Anerkennung für ihre Regierungsarbeit erhält CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Auch das hätten wir so nicht unbedingt gedacht - hat sie sich doch voll auf den Job im Bendlerblock konzentriert - um auch in der kommenden Regierung Ministerin bleiben zu können. Aber die Pioneers nehmen ihr die Rolle offenbar nicht ab.

Morgen geht es um die besten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und um die besten Parteimanager.

Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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