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Unsere Themen heute:
Er war Merkels Krisenmanager bei der Bundeswehr und in der Flüchtlingsfrage. Nun baut Frank-Jürgen Weise einen Rettungsfonds für die Autobranche.
FDP-Chef Christian Lindner will plötzlich um jeden Preis regieren. Und er verknüpft seinen Job als Parteivorsitzender mit dem Erfolg 2021.
Udo di Fabio sieht Deutschlands Zukunft optimistischer als mancher Krisen-Apokalyptiker. Sein Letztes Wort ist heute ein Appell zur Gelassenheit.
Ex-BA-Chef baut Rettungsfonds für Autobranche
Der frühere Chef der Arbeitsagentur und des Bundesamts für Migration, Frank-Jürgen Weise, treibt einen neuen staatlich gestützten, aber privat finanzierten Rettungsfonds für die Automobilzulieferindustrie voran, der eine lukrative Rendite von bis zu 15 Prozent pro Jahr verspricht. Das geht aus einem internen Papier hervor, das uns vorliegt.
Der Fonds, der unter dem Namen Best Owner Group GmbH firmiert und intern als Transformationsfonds bekannt ist, soll die in der Corona-Krise leidende Zulieferindustrie beim Strukturwandel stützen und der Politik als Alternative zur umstrittenen Autoprämie dienen. Beim Gipfeltreffen der Konzertierten Aktion Mobilität im November im Kanzleramt sollen erste Investoren präsentiert werden.
Der Fonds soll rund 500 Millionen Euro Eigenkapital einsammeln und als Liquiditätsspritze den Firmen dienen, "um den Übergang aus den heutigen Strukturen bis zur neuen industriellen Aufstellung sozialverträglich und marktwirtschaftlich erfolgreich zu gestalten", heißt es in einem internen Strategiepapier, das uns vorliegt.
Es werde Unternehmen geben, die für den Strukturwandel über das nötige Kapital und die notwendige Technologie verfügen und sich auf neue Produkte, Dienstleistungen und Kunden umstellen können, schreiben die Autoren. "Es gibt aber auch Unternehmen und Unternehmensteile von Konzernen, die hoch spezialisiert sind auf die Produktion von Komponenten für den Verbrennungsmotor. Diese werden nicht die Kapazitäten für die noch langjährige Erfüllung von Lieferverpflichtungen nach heutigen technischen Vorgaben der Kunden haben und gleichzeitig in der Lage sein, entsprechende Ressourcen auf die Entwicklung neuer Produkte zu fokussieren."
An diese Firmen richtet sich der Transformationsfonds. Von den rund eine Million Zulieferfirmen, die im Verband der Automobilwirtschaft (VDA) organisiert sind, trifft dies auf mehr als die Hälfte zu, schätzt ein Insider. Die Ko-Chefs des Fonds sind Weise und Bernd Bohr, der frühere Kraftfahrzeug-Chef der Bosch AG.
Investoren erhalten ...eine angestrebte, marktübliche Eigenkapitalrendite von 12 bis 15 Prozent pro Jahr
Das Rendite-Versprechen für die privaten Investitionen ist üppig.
"Investoren erhalten für die Investition in den B/O/G Fonds eine angestrebte, marktübliche Eigenkapitalrendite in Höhe von 12-15 Prozent p.a. über den Investitionszeitraum", heißt es. "Das ist vor dem Hintergrund des aktuellen Zinsniveaus als Beimischung zu liquiden Geldanlagen eine attraktive Beimischung." Tatsächlich sind 12 bis 15 Prozent ein sattes Zinsversprechen angesichts der Mini-Zinsen für Anlagen.
Der Fonds steigt dann als Mehrheitseigentümer bei den kriselnden Unternehmen ein. "Das Geschäftsmodell fokussiert sich darauf, mit den überwiegend von privaten Investoren bereitgestellten Mitteln eines Eigenkapital-Fonds ein solches zwangsläufig sich verkleinerndes Unternehmen mehrheitlich zu übernehmen und bis zum Auslaufen der nicht erneuerbaren Produkte aktiv zu managen."
Besuch in der Corona-Krise: DGB-Chef Reiner Hoffmann (3. von rechts) beim Autozulieferer IAV in Berlin. © IAVDer Staat soll unterstützende Leistungen, wie Mittel der Bundesagentur für Arbeit zur Qualifizierung der Beschäftigte, Kurzarbeit und Strukturförderung bereitstellen. Ein möglicher Personalabbau müsse "gut und sozialverträglich" geplant werden. Die Kunden der Zulieferer, also die großen Autohersteller, würden "sehr langfristige Lieferverträge " eingehen, versprechen die Autoren des Konzeptpapiers. "Die Finanzierung der Unternehmen ist gesichert, die rückläufige Auslastung kann über die lange Zeit und mit Beteiligung und gemeinsamen Interesse der Stakeholder gut organisiert werden."
Die Idee zu dem Fonds hatten die Gewerkschaften. Beim Auto-Gipfel im Sommer mit Vertretern der Bundesregierung, den Ministerpräsidenten der Auto-Länder und dem Verband der Automobilindustrie (VDA) wurde der Fonds auf den Weg gebracht. Weise hat erste Gespräche mit der Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt, VDA-Präsidentin Hildegard Müller und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow geführt.
1. FDP-Chef knüpft Zukunft an Regierungsbeteiligung
Es sollte ein Parteitag des Aufbruchs werden, doch die Misstöne und Missgeschicke bei den Liberalen überlagern den Bundesparteitag in Berlin. Der Abschied von Linda Teuteberg aus dem Amt als Generalsekretärin geriet zur Peinlichkeit.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hatte den als Lob gedachten Abschiedsgruß an die geschasste Generalsekretärin verstolpert, in dem er berichtete, dass er und Teuteberg in den zurückliegenden Monaten den Tag 300 mal zusammen begonnen hatten. Nach einer Pause fügte er hinzu: "Nicht das, was ihr denkt." Lindner hatte sich auf die Telefonkonferenzen bezogen. Später entschuldigte er sich für das Missverständnis. Die Bilder einer verdutzten, den Tränen nahen FDP-Abgeordneten gingen durch die Nachrichten.
Vielleicht noch schlimmer für den Vorsitzenden, den laut einer aktuellen Bild am Sonntag-Umfrage knapp 40 Prozent der Befragten nicht für den richtigen Vorsitzenden halten, waren die Wahlergebnisse für seine beiden Personalideen. Der neue Generalsekretär Volker Wissing (82 Prozent) und Schatzmeister Harald Christ (72 Prozent) bekamen bescheidene Ergebnisse. Zumindest keine, die einen Aufbruch signalisieren.
© dpaLindner ging in die Offensive und verknüpfte die Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl 2021 unmittelbar mit seiner Zukunft. "Mein Parteivorsitz ist an das Ziel unmittelbar gebunden, dass ich die FDP in die Regierung führen will. Damit ist es mir sehr ernst", sagte Lindner in einem Phoenix-Interview. Ein Fehler, sagte uns ein Mitglied des Fraktionsvorstands. "Damit beginnt automatisch irgendwann die Nachfolgedebatte."
Hinter den Kulissen schwelt ein Richtungskampf zwischen den Befürwortern einer sozialliberalen Ausrichtung, die immer wieder eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen ins Spiel bringt, dazu gehört der neue Generalsekretär Volker Wissing und die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und einem eher marktwirtschaftlich geprägten Flügel wie die Südwest-FDP mit ihrem Spitzenmann Michael Theurer sowie die mit den CDU erfolgreich und geräuschlos regierende NRW-FDP mit dem Vize-Ministerpräsidenten Joachim Stamp, der die CDU als Bündnispartner sieht und Angriffe auf die Christdemokraten für kontraproduktiv hält.
Lindner will im Bundestagswahljahr die Wirtschafts- und Finanzthemen adressieren und die Partei als Wirtschaftspartei profilieren. Er versprach für den Fall einer Regierungsbeteiligung eine "andere Wirtschafts- und Finanzpolitik". Die Bundestagswahl im kommenden Jahr werde eine Richtungswahl: Schulden oder Solidität, Freiheit oder Fesselung des Landes, soziale Marktwirtschaft oder Planwirtschaft.
2. Bundesregierung zweifelt an Nord Stream 2-Fertigstellung
Nach einem internen Bericht zweifelt selbst die Bundesregierung daran, ob gegen den Druck der USA das Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 fertig gestellt werden kann. Zu den im Sommer verhängten Sanktionsandrohungen gegen beteiligte Unternehmen schreiben Beamte des Auswärtigen Amts, diese "Änderungen haben Potenzial, Fertigstellung von Nord Stream 2 endgültig zu verhindern".
Bereits jetzt ruhten aufgrund der Drohungen die Verlegearbeiten an Nord Stream 2, heißt es weiter.
Eine Infografik mit dem Titel: Kampf um die letzten Meter
Verlauf der beiden Nord-Stream-Pipelines
Die Gas-Pipeline Nord Stream 2 sollte ursprünglich bereits Ende dieses Jahres Russland über die Ostsee mit dem Hafen Sassnitz in Mecklenburg-Vorpommern verbinden und gemeinsam mit der seit neun Jahren in Betrieb befindlichen Nord Stream 1 Erdgas nach Deutschland transportieren.
Auszug aus dem Entwurf des Bundeshaushalts 2021 © ThePioneerAn diesem Mittwoch präsentiert Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Entwurf des Bundeshaushalts für 2021. Wir haben die Kabinettsvorlage bereits. Demnach sinken die Ausgaben zwar - von 508,5 Milliarden Euro im laufenden auf 413,4 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Aber es bleibt ein Krisen-Haushalt.
Das lässt sich unter anderem am Budget ablesen, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) 2021 zur Verfügung haben soll. Eingeplant hat Scholz 24,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Vor der Corona-Pandemie war vorgesehen, dass sich der Gesundheitsetat auf 15,3 Milliarden Euro belaufen sollte. Die zusätzlichen Mittel sollen unter anderem dazu beitragen, den Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu begrenzen.
Weitere Details zu den Haushaltsplanungen gibt es an diesem Montag an Bord unseres Redaktionsschiffes: Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner und Michael Bröcker sprechen heute ab 13 Uhr mit Werner Gatzer, als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium der eigentliche "Mr. Bundeshaushalt". Einen Live-Stream gibt es hier.
Diese Woche ist sitzungsfrei im Bundestag, doch ein "Parlament" tagt trotzdem und hat sich hochkarätige Gäste eingeladen. An diesem Montag nachmittag, 14 Uhr, wird die EZB-Präsidentin Christine Lagarde von der Deutsch-französischen Parlamentarischen Versammlung (100 Bundestagsabgeordnete beider Länder) befragt.
Am morgigen Dienstag, ab 9.30 Uhr, berichten Gesundheitsminister Jens Spahn und sein Amtskollege, der französische Minister für Solidarität und Gesundheit, Olivier Véran (La République en Marche) über die europäische Pandemie-Bekämpfung und stellen sich den Fragen der Abgeordneten. Die Parlamentariergruppe hatte Ende Mai enormen Druck auf die Innenminister der beiden Länder ausgeübt, dass die Grenzkontrollen am 15. Juni wieder beendet werden, was auch geschah. Die Befragung von EZB-Chefin Lagarde wird live auf der Seite www.bundestag.de übertragen.
© ThePioneerAuf - Er stand nicht im Mittelpunkt beim FDP-Bundesparteitag, doch er war in aller Munde. Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle ist für viele Liberale (zusammen mit dem Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel) die Zukunft der FDP - nach Christian Lindner. Kuhle ist ein Bürgerrechts-Liberaler, als Innenpolitiker Botschafter eines humanen Liberalismus in der Flüchtlingsfrage, zugleich lauter als andere in der Partei gegen Rechts. Zudem schon als 31-Jähriger rhetorisch so versiert wie sonst nur der Vorsitzende selbst. Nun hat ausgerechnet der Lindner-Kumpel und Altliberale Wolfgang Kubicki im Spiegel-Interview Kuhle als möglichen Vorsitzenden ins Spiel gebracht. Irgendwann natürlich. Ob aus dem Irgendwann für Kuhle ein Bald werden könnte, hängt von der Wahl 2021 ab. Auf den Niedersachsen ist zu achten. Für uns ein Aufsteiger.
Ab - Die Jüngeren wählen bevorzugt grün, ein bisschen gelb, aber eher weniger schwarz und rot. So war es bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen und auch bei der letzten Bundestagswahl. Verständlich, dass vor allem die Grünen und nun auch die FDP die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre beschlossen haben. Und was macht die Volkspartei CDU? Statt die Jungen mit einer zukunftsgerechten und modernen Politik für sich zu gewinnen, kommentierte CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Beschluss der Liberalen hämisch und attackiert die FDP als "Wahlhelfer" der Grünen. Für so wenig Leidenschaft für eine politisch engagierte Jugend geht's bei uns bergab.
Einen klugen Kommentar zur Misere der FDP hat Anna Schneider in der NZZ verfasst. Sie analysiert, warum die Partei in die Belanglosigkeit abgleitet. "Anstatt ihr liberales Profil zu schärfen, kuschelt sie mit dem Zeitgeist. Der Berliner Parteitag war dafür ein tristes Beispiel", schreibt die Autorin. Den Kommentar gibt es hier zu lesen.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Heike Baehrens, SPD-Bundestagsabgeordnete, 65
Dr. Georg Kippels, CDU-Bundestagsabgeordneter, 61
Majid Sattar, Washington-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 50
Horst von Buttlar, Chefredakteur Capital, 45
Die CDU-Politikerin Yvonne Magwas aus dem Vogtlandkreis hat sich in einer Kampfkandidatur um ihren Wahlkreis durchgesetzt und wird bei der Bundestagswahl 2021 erneut für die CDU als Direktkandidatin antreten. Magwas siegte mit 82 von insgesamt 112 abgegebenen gültigen Stimmen gegen Herausforderer David Drechsel.
© ThePioneerDer frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio hatte noch 2016 die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin kritisiert und in einem Gutachten für die CSU die mögliche Überforderung des Staates thematisiert. Die bisherigen Maßnahmen in der Corona-Krise hält die Fabio für angemessen, der öffentliche Diskurs in Deutschland macht dem Bonner Staatsrechtler indes Sorgen. Mehr dazu am Dienstag im Morning Briefing Podcast von ThePioneer.de
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