herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Das automatisierte Fahren soll in Deutschland schnell möglich werden. CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer will das Thema für sich nutzen.
Die Geschäftsträgerin der US-Botschaft, Robin Quinville, empfiehlt der Bundesregierung ein Moratorium zu Nord Stream 2.
CDU-Kandidat Friedrich Merz buhlt um die junge digitale Wirtschaft. Bei einem Treffen mit Gründerinnen überrascht er.
Ein Minister sucht sein Erfolgsprojekt
Bundesverkehrsminister Andy Scheuer (CSU) ist als Minister der Großen Koalition nicht sonderlich gut gelitten. Das Desaster um die PKW-Maut hat an seinem Ruf gekratzt - und wenn im Frühjahr nicht die Corona-Pandemie begonnen hätte, dann wäre er womöglich erstes Opfer einer Kabinettsumbildung geworden.
Nun sucht Scheuer nach seinem ganz persönlichen Befreiungsschlag. Mit dem Großprojekt "Autonomes Fahren" hat er ihn womöglich gefunden. Laut druckfrischem Gesetzentwurf will er zügig den "Regelbetrieb" einleiten und über den Probebetrieb im öffentlichen Raum hinausgehen. Der Entwurf ist nun in die Ressortabstimmung gesandt worden und soll im Januar vom Kabinett beschlossen werden. Wir haben in das Dokument geschaut, das für Scheuer die persönliche Wende einleiten soll.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf der Pioneer One mit Michael Bröcker und Rasmus Buchsteiner. © Anne HufnaglDer 122-seitige Entwurf definiert ein autonomes Auto als ein Fahrzeug, „das die Fahraufgabe fahrzeugführerlos in einem festgelegten Betriebsbereich erfüllen kann“. Die vorhandene Ausrüstung müsse nicht nur das Auto steuern können, sondern auch in der Lage sein, „den an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften" zu entsprechen. Ebenfalls soll sich das führerlose Auto „beim Erreichen der Systemgrenze oder einer technischen Störung das Fahrzeug selbstständig in einen risikominimalen Zustand versetzen“. Oder konkret: sich ausschalten.
Scheuer betonte: "Der neue Rechtsrahmen zum autonomen Fahren macht Deutschland wieder zur Nummer 1 international. Wir starten jetzt den Prozess - ein klares Innovationssignal an die Wirtschaft!“
SPD ist aufgeschlossen
Auch werden in dem Gesetz umfassende Dokumentationspflichten für die Hersteller sowie ein Sicherheitskonzept verlangt. In der Digitalwirtschaft, etwa beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und in der Automobilindustrie, etwa bei den Zulieferern ZF oder Bosch, kommt das Gesetz gut an.
Koalitionspartner SPD schaut dem Prozess Scheuers bislang abwartend zu. Aus Fachkreisen ist zu hören, dass der Partei der Gesetzentwurf noch nicht vorliegt. Man warte darauf schon eine Weile, heißt es aus der Fraktion. Doch grundsätzlich sei man dem Zukunftsthema gegenüber aufgeschlossen.
Ein Urteil, mit dem der angeschlagene Verkehrsminister sicher gut leben kann. Die Dinge könnten sich für ihn (endlich einmal) zum Besseren wenden.
1. Quinville drängt Koalition zu Nord-Stream-Moratorium
Die geschäftsführende Botschafterin der USA in Deutschland, Robin Quinville, hat der Bundesregierung empfohlen, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 vorübergehend auf Eis zu legen. „Ein Moratorium zu Nord Stream 2 wäre ein starkes Signal, dass Deutschland die Aggression Russlands nicht widerstandslos hinnimmt“, sagte uns Quinville.
Sie zeigte sich erfreut darüber, dass mehrere deutsche Politiker, darunter die gesamte FDP-Bundestagsfraktion sowie die beiden CDU-Kandidaten für den Vorsitz, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, eine solche Idee nach dem Attentat auf den Oppositionellen Alexei Nawalny vorgeschlagen hatten.
Aus Sicht der USA gefährdet Nord Stream 2 Europa, weil Russland seinen Einfluss in Europa damit ausbaut und die Pipeline eine erhebliche Belastung für die Ukraine, aber auch für Polen darstellt.
Quinville ist Geschäftsträgerin der US-Botschaft und damit Chefin der rund 1500 US-Mitarbeiter in der Berliner Botschaft und den Konsulaten. Ihr Vorgänger Richard Grenell war im Juni in die USA zurückgekehrt. Die 63-jährige Quinville kommt aus Kalifornien, hat eine klassische Diplomatenkarriere hinter sich und spricht seit ihrer Station in Deutschland 1989/1990 gut Deutsch.
Die deutsch-russischen Beziehungen sind nach dem Gift-Attentat auf Nawalny erneut abgekühlt. Mehrere Politiker forderten Konsequenzen auch für die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2, die kurz vor der Fertigstellung steht. Kanzlerin Angela Merkel und mehrere ostdeutsche Ministerpräsidenten sind für den Weiterbau.
Der russische Oppositions-Politiker Nawalny wähnt den Präsident Putin hinter dem Anschlag und verlangt Ermittlungen in Russland. Im Gespräch mit dem Chefredakteur des einzigen unabhängigen Senders Dozhd TV (TV Rain), Tykhon Dzyadko, spricht er über den Anschlag und die Folgen. Das Interview können Sie hier lesen.
2. Merz will Digital-Ministerium mit Personalhoheit
Friedrich Merz in einer ungewohnten Rolle: zuhörend, um Rat suchend. Das erlebten rund 15 Gründerinnen, die sich am vergangenen Samstag auf Vermittlung der Mittelstandsunion und Serien-Unternehmer Finn Hänsel mit Merz trafen.
Der 64-jährige Bewerber um den Chefposten in der CDU hatte den Termin mit den Gründerinnen angeregt, weil er bei den digitalen Themen "Nachholbedarf" habe und auf Anregungen angewiesen sei, erklärte er in dem Gespräch laut Teilnehmerinnen. "Das kam wirklich gut an", sagte eine Start-up-Gründerin. Unter den Teilnehmerinnen war neben Hänsel etwa die Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer und Investorin Gesa Miczaika (Aixxo).
Friedrich Merz © dpaMerz schlug in der Runde ein Digitalministerium mit weitgehenden Kompetenzen vor, das für die gesamte digitale Infrastruktur der Bundesverwaltung zuständig sei und das Personal für die gesamte Regierung rekrutieren müsse. Einen Experten von außen als Digitalminister halte er für schwierig, betonte Merz. Dieser würde von den politischen Ebenen und der Verwaltung zerrieben, aber als Staatssekretär sei eine solche Person denkbar.
3. Neuer Anlauf für Giffeys Dax-Vorstandsplan
Die sozialdemokratischen Ministerinnen Franziska Giffey (Familie) und Christine Lambrecht (Justiz) geben in ihrem Kampf für eine gesetzliche Regelung für Frauenbeteiligung in Dax-Vorständen (noch) nicht auf. Die Arbeitsgruppe der Koalition trifft sich an diesem Mittwoch ein weiteres Mal, um über eine Lösung in dem festgefahrenen Koalitionsstreit zu beraten.
Könnte noch im November zur neuen SPD-Chefin in Berlin gewählt werden: Familienministerin Franziska Giffey. © Anne HufnaglDie Unionsseite zeigt jedoch noch immer keine Kompromissbereitschaft und will das Thema durchfallen lassen. Als wahrscheinlich gilt, dass Giffey und Lambrecht sich weder beim Vorstandsthema noch bei einer Erweiterung der Regelung für Aufsichtsräte durchsetzen können. Die Unionsseite verweist intern auf den Koalitionsvertrag, in dem die Themen nicht abschließend geregelt sind.
In der vergangenen Woche sprach Giffey im Interview mit uns auf der Pioneer One unter anderem über dieses Thema und betonte die Bedeutung einer gesetzlichen Regelung. Das gesamte Gespräch können Sie als Audio hier nachhören.
© ThePioneerDas Protokoll der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags vom 5. Oktober ist eine Zusammenfassung der Expertenanhörung zur Wahlrechtsreform. Darin führt unter anderem der Augsburger Professor Friedrich Pukelsheim aus, was er - vor und nach Corona - für ein Wachstum des Bundestags durch Überhang- und Ausgleichsmandate erwartet. 777 Abgeordnete war sein Tipp und zugleich eine von ihm abgeschlossene Wette. Die Debatte um die schwierige Reform verlor sich in Kuriositäten und führte sogar bei der Ausschussvorsitzenden Andrea Lindholz (CDU) zu Momenten der Verzweiflung, wie dieser Ausschnitt zeigt.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will am 6. November im Bundesrat den Gesetzentwurf zum Aufbau einer Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (GEIG) sowie das Änderungsgesetz für das Windenergie-auf-See-Gesetz durch den Bundesrat bringen. Das geht aus dem internen Zeitplan des Hauses hervor, der uns vorliegt. Beide Gesetze sollen dieses Jahr beschlossen werden.
Mit dem Gesetz zur Windenergie will Altmaier die installierte Leistung von Windenergieanlagen auf See, die an das Netz angeschlossen werden auf insgesamt 20 Gigawatt bis zum Jahr 2030 steigern. Das Ladeinfrastruktur-Gesetz verpflichtet Immobilienentwickler beim Bau von Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen, künftig alle Stellplätze mit Schutzrohren für Elektrokabel auszustatten. Bei Nicht-Wohngebäuden muss mindestens bei jedem fünften Stellplatz ein Ladepunkt errichtet werden. Ab 2025 muss jedes Bürogebäude mit mehr als zwanzig Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt für Elektroautos versehen werden.
© ThePioneerAuf - Es ist ein weitgehend unbeachtetes Thema in der Corona-Krise: Laut einer OECD-Studie sind Migranten stärker von der Pandemie betroffen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU) will nun gegensteuern. Kommunen sollten bei ihren individuellen Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern digital stärker unterstützt werden, zudem setze man auf Integrationskurse und digitale Sprachförderung. Problem erkannt - bei uns geht es für die Tübinger Politikerin bergauf.
Ab - CDU-Vizechef Thomas Strobl hat seit Monaten gefühlt vor allem ein politisches Ziel: Der Bundesparteitag im Dezember, bei dem über den neuen Vorsitzenden entschieden wird, soll unbedingt wie geplant in Strobls Heimatlandesverband und dort in Stuttgart stattfinden. Mit jedem Tag sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür. Der Südwesten ist verhältnismäßig stark von Corona-Infektionen betroffen. Nun wird bereits nach möglichen Alternativstädten gesucht, in denen ein solches Happening mit 1001 Delegierten abgehalten werden könnte. Erfurt und Dresden sind im Gespräch, die Chancen für Stuttgart im Sinkflug. Strobl bei uns heute auch.
Während der Brexit bereits in die nächste Runde geht, wird er von der britischen Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen. Corona fordert die alleinige mediale Aufmerksamkeit. Auch in London wurden aktuell die Corona-Maßnahmen verschärft. Bettina Schulz hat für DIE ZEIT ein Stimmungsbild in London gezeichnet und zeigt dabei auf, wie sich der Brexit aus dem Bewusstsein der Briten geschlichen hat. Hier können Sie aufschlussreiche Reportage lesen.
In der F.A.Z.-Serie "Schneller schlau" geht Mark Fehr der Frage nach "Wem gehört Deutschland?" Fehr hat sich dafür unter anderem den Grundbesitz und deutsche Unternehmen angeschaut. Seine kurzweilige und anschauliche Darstellung lesen Sie hier.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Bettina Wiesmann, CDU-Bundestagsabgeordnete, 54
Martin Rosemann, SPD-Bundestagsabgeordneter, 44
Daniel Kölle, Sprecher der NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer, 41
Anja Maier, Parlamentskorrespondentin der taz, 55
Kamala Harris, US-Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten, 56
Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen ist seit 2017 nicht mehr Mitglied des Parlaments - doch in seiner neuen Funktion als Managing Director beim Biotech-Unternehmen VaxBio arbeitet Ilgen nun an der Suche nach einem Corona-Impfstoff. Erste Tests ergeben äußerst vielversprechende Ergebnisse. Nun sucht das Unternehmen nach weiteren Investoren, damit die nächsten Schritte eingeleitet werden können.
Arbeitet an einem Corona-Impfstoff: Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen © dpa© ThePioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
Starten Sie gut in den Tag!
Herzlichst, Ihre